Zwischen Größenwahn und Selbstkritik – MOTHER’S CAKE im mica-Interview

Das Tiroler Psychedelic-Rock-Trio MOTHER’S CAKE ist einer von Österreichs heißesten Rock-Exports und in bestimmten Kreisen in aller Munde. Am MENT LJUBLJANA sprach Sänger YVES KRISMER mit Sebastian J. Götzendorfer nach dem erfolgreichen Auftritt der Band über weltweite Tourneen, das Bergisel-Stadion in Innsbruck und das Leben zwischen Größenwahn und Selbstkritik. Womöglich ein Grund für den anhaltenden Erfolg der Band: immer besser werden zu wollen!

Sie haben heute am MENT, einem sogenannten Showcase-Festival, gespielt. Was für einen Stellenwert haben solche Festivals für die Band heutzutage?

Yves Krismer: Einen großen Stellenwert, weil da eben auch Leute von der Musikbranche und vom Business vorbeikommen. Aber für mich persönlich sind ganz normale Konzerte eine größere Freude. Die Situation auf Showcase-Festivals baut doch auch einen gewissen Druck auf. Wichtig sind sie aber auf jeden Fall.

Machen sich diese „Ausstellungsfestivals“ für Sie bezahlt?  

Yves Krismer: Na ja, kommt immer darauf an. wie gut man spielt [lacht]. Wir haben vor Kurzem auch auf dem Eurosonic Noorderslag in Groningen gespielt, wo der Auftritt eher suboptimal war und das hat bisher – soweit ich weiß – nicht zu besonders viel Angeboten geführt. Für Genaueres müsste allerdings unser Manager befragt werden. Heute war ich aber sehr zufrieden. Es waren auch mehr normale Menschen da als zum Beispiel am Eurosonic [lacht]. Da sind dann wirklich vermehrt Leute aus der Branche und weniger Leute, die nur wegen dem Spaß an der Sache kommen.

„Ich habe schon immer gesagt: ‚Ich will nach England, ich will nach England …’ […]“

Sie befinden sich kurz vor einer Tour durch Großbritannien. Wie ist die Erwartungshaltung diesbezüglich?  

Yves Krismer: Enorm hoch. Wir spielen dort hauptsächlich mit einer Band namens Desert Mountain Tribe, die uns vor einiger Zeit in Deutschland supportet hat. In England haben wir noch nicht besonders viel gespielt, deswegen sind wir umso gespannter. Ich habe schon immer gesagt: „Ich will nach England, ich will nach England …“, und jetzt können wir da wirklich hin.

Woher kommt der starke Wunsch, in England zu spielen?  

Yves Krismer: England ist doch immer noch das „Musikhauptland“ Europas. Und wenn man dort einen Fuß in die Tür bekommt, fallen einem einige Dinge später mitunter leichter.

Vor einem Jahr waren Mother’s Cake auch auf Tour in Australien – für eine österreichische Rock-Band eine ziemliche Leistung.  

Yves Krismer: Das war wirklich genial! Wir waren ja bereits das zweite Mal dort. Solche Tourneen und Reisen sind für uns ein Ding der Leidenschaft – denn finanziell schaut da nicht viel raus. Man hat dafür eine gute Zeit und die Shows waren teilweise sogar ausverkauft.

Im weitesten Sinne sind Mother’s Cake eine Rock-’n’-Roll-Band. Sind solche Möglichkeiten dann quasi Auswüchse des bekannten Credos „Living the dream“? 

Yves Krismer: Ja, gewissermaßen hat das schon mehr von diesem Gedanken, als andauernd in Deutschland zu spielen. Als jemand, der generell gerne reist, ist es auch einfach ein Wahnsinn, wenn man das dann mit dem Musizieren verbinden kann. Man kommt durch die Konzerte ja auch schnell und viel mit lokalen Leuten in Kontakt, was so eine Reise umso unvergesslicher macht.

„Ich bin nie zufrieden mit einem Album.“

Ihr letztes Album „No Rhyme No Reason“ wurde vor circa einem Jahr veröffentlicht. Wie zufrieden sind Sie heute damit?  

Yves Krismer: Ich bin nie zufrieden mit einem Album und so war das auch dieses Mal. Wir schreiben ein Album und sobald der letzte Mix fertig ist, höre ich mir das niemals wieder an.

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Das entspricht doch einem gewissen Klischee.  

Yves Krismer: Dann entspreche ich wohl dem Klischee. Ich habe mir „No Rhyme No Reason“ tatsächlich nie wieder angehört. Ich glaube, einmal habe ich es in der richtigen Reihenfolge gehört. Man beschäftigt sich ja ein Jahr damit und dann ist irgendwann die Motivation draußen, sich weiter damit zu beschäftigen. Aber: Ich bin stolz auf das Album!

Im Vergleich zu früheren Alben ist das Songwriting zielorientierter und kommt mehr auf den Punkt. Es gibt weniger ausufernde Jam- und Funkparts. War das ein natürlicher Prozess oder eher eine bewusste Entscheidung?  

Yves Krismer: Eher eine bewusste Entscheidung. Ich will bewusst immer etwas andere Musik kreieren. Bei diesem Album wollte ich einfach richtige, echte Songs schreiben. Manchmal funktioniert das besser, manchmal schlechter. Das nächste Album wird sicher wieder anders.

„Übertrieben! Und dick aufgetragen: Butterschichten von mindestens zwei Zentimetern.“

In naher Zukunft soll auch ein Live-Album erscheinen. Was können sich die Fans davon erwarten?  

Yves Krismer: Es wird bombastisch [lacht]! Riesig. Fett. Übertrieben! Und dick aufgetragen: Butterschichten von mindestens zwei Zentimetern. Es sind natürlich viele Tracks von „No Rhyme No Reason“ drauf, aber auch ein ganz neuer Song. Und wie immer viele Jams!

Was ist das Konzept dahinter? Live-Alben sind ja heutzutage nicht mehr so üblich.  

Yves Krismer: Wir haben ursprünglich ein paar normale Livemitschnitte aufgezeichnet, etwa in Wien am Popfest. Die waren aber wirklich schlecht und konnten nicht verwendet werden. Dann haben wir überlegt, im Treibhaus in Innsbruck was auf die Beine zu stellen … Aber dann hatte unser Bassist die Idee, das Ganze ins Bergisel-Stadion zu verlegen. Ohne Publikum – Pink-Floyd-Style. Angelehnt an „Live at Pompeii“. Die Idee fanden wir dann alle sehr gut. Das Konzept war also keine sehr genaue Überlegung, sondern hat sich eher so entwickelt – womöglich aber umso besser!

Wenn wir schon von klassischen Bands sprechen – eine Sache, die mir an Mother’s Cake immer gefiel. Beeindruckend ist die Sounddichte, die trotzdem entsteht. Wie kommt das? </strong

Yves Krismer: Viele Noten spielen [lacht]. Und ein Delay-Pedal braucht man auf jeden Fall. Die vielen Noten sollte man allerdings nicht so genau spielen – sonst hört man sich noch an wie Dream Theater. Also tight spielen muss man schon, klar, aber es muss auch leben. Das ist der Trick.

Bild Mother´s Cake
Bild (c) Mother´s Cake

Wie ist die Konstellation als Trio auf Tour? Man verbringt ja viel Zeit in den Vans und Tourbussen dieser Welt.

Yves Krismer: Hin und wieder hassen wir uns auch, egal wie gern wir uns haben. Aber dann geht’s doch wieder [lacht]. Aber wir sind ja mittlerweile auch ein größeres Team inklusive Fahrerin und Tontechnikerin.

Ein gängiger Vergleich für die Intensivität einer Band ist der, dass es mit den restlichen Bandmitgliedern so ähnlich ist wie in einer Beziehung.

Yves Krismer: Der Vergleich passt auf jeden Fall. Wenn man jemanden richtig liebt, macht man mitunter viele Kompromisse und geht auf viele Dinge ein, die einem selbst nicht in den Sinn kommen würden. Damit es halt allen gut geht. Man kann nicht nur auf sich selbst schauen und muss viel miteinander reden. Die wunden Punkte gehören ausgemerzt und man rauft sich immer wieder zusammen. Also ja, wie in einer Beziehung.

Wie läuft der Songwriting-Prozess bei Ihnen als Trio ab? Was hat sich in den letzten Jahren durch die Professionalisierung verändert?  

Yves Krismer: Früher hatten wir nicht so viel Stress. Da hatte jeder noch einen Job nebenbei und die Band war noch nicht der absolute Mittelpunkt bezüglich der Ziele, die man verfolgt. Obwohl wir natürlich auch schon damals die genialste Band der Welt sein wollten [lacht]. Der Druck war damals geringer, heute müssen wir konstant mehr weiterbringen, da wir unser restliches Leben aufgegeben haben – das schlägt sich natürlich auch im Songwriting nieder.

Die Musik hauptberuflich zu machen ist aber sicherlich auch ein Segen in diesem Genre, oder?

Yves Krismer: Ja, klar! Ich vergesse oft, wie geil das eigentlich ist, was wir hier haben. Man kennt das ja, wenn der Alltag wo Einzug hält, vergisst man mitunter sein Glück. Aber ich merke das dann immer wieder, wenn andere Leute um 06:00 Uhr in der Früh aufstehen und in die Arbeit gehen. Ich muss hingegen nur Sounds machen, in den Proberaum gehen und hin und wieder ein Bier trinken – da ist man schon dankbar.

Was bringt die Zukunft als Vollzeitmusiker?

Yves Krismer: Wir veröffentlichen das Live-Album und eine Single. Wie immer wollen wir viel live spielen – vermehrt in Frankreich, England und im Osten. Und gute Songs zu schreiben ist natürlich immer das Hauptziel.

Herzlichen Dank für das Gespräch!  

Sebastian J. Götzendorfer

 

Mother’s Cake live
15.02. The Crane Lane Theatre, Cork, Ireland

16.02. Sussex Arms Pub, Turnbridge Wells, United Kingdom
17.02. Sneaky Pete’s, Edinburgh, United Kingdom
18.02. Broadcast, Glasgow, United Kingdom
19.02. Lending Room @ The Library, Leeds, United Kingdom
20.02. The Macbeth Hoxton, London, United Kingdom
23.02. Sunflower Lounge, Birmingham, United Kingdom
01.03. Komma, Wörgl, Austria
02.03. Stromboli, Hall In Tirol, Austria
09.03. OKH, Vöcklabruck, Austria
10.03. Roeda, Steyr, Austria
29.03. Osterrock, Laufen, Switzerland

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