Nach wie vor für Salzburg berauschend und mit enormem Publikumszuspruch verliefen auch die beiden letzten Wochenenden der Biennale. Steve Reich und Gamelan-Musik standen im Zentrum des zweiten. Beim dritten widmete man sich Toshio Hosokawa (*1955 in Hiroshima) sowie Otoma Yoshihide (*1955 in Yokohama). Faszinierend aber auch die traditionelle japanische Musik für Shakuhachi (Tahashi Tajima, Bambusflöte), weiters Koto (Kyõko Kawamura, japan. Zither), sowie buddhistischen Priestergesang . Und natürlich Interpreten wie das OENM, das Diotima Quartett oder Burkhard Stangl als Gast bei Yoshihide.
Die Konzerte waren vor allem im Großen Saal im Mozarteum und im Republic. Mit Hans Landesmann (Biennale) haben an dieses 3. Weekend auch die Dialoge der Stiftung Mozarteum mitprogrammiert. Durchaus eindrucksvoll widmete sich daher auch das Mozarteum Orchester Salzburg einem Konzert mit Musik von Hosokowa und auch Scelsi und Galina Ustvols’kaja (1919-2006, St. Petersburg). Die Schülerin und Vertraute von Dmitri Schostakovitsch hat letzterer des öfteren als eine Komponistin bezeichnet, die sein Können und seinen Mut noch übertreffe (“Ustvols’kaja verdient weltweite Anerkennung bei allen, denen es ums Wahrhafte in der Musik geht”). Ihr Stück Komposition Nr. 2 “dies irae” (1972/73) gehört zum Unerbittlichsten und Untröstlichsten, was Musik über einen “Tag des Zornes” – über Stalinismus und die leidvolle Geschichte dieser Stadt während der jahrelangen Belagerung durch die Deutschen – auszudrücken vermag. Komponiert ist es für Klavier, Holzwürfel (der mit zwei Hämmern traktiert wird) und acht Kontrabässe.
Einzelkonzert-Auftritte mit zwei großen japanischen Instrumentalisten an Shakuhachi und Koto, sowie Kompositionen Hosokawas – neben solchen für Streichquartett oder Orchester – für Stimme, Koto, Violoncello und Ensemble, weiters für Gagaku-Spieler und Shomyo-Sänger zeigten die Kraft und Qualität der japanischen Kultur.
So dient etwa die Längsflöte Shakuhachi (geformt aus einem Bambusrohr mit fünf Grifflöchern) einer Musik, die ursprünglich das Instrument herumziehender zen-buddhistischer Bettelmönche waren, die dieses Spiel bis zur Auflösung ihrer bis dahin staatlich (1877) anerkannten Fuku-Sekte als einzige öffentlich spielen durften. Das Instrument wurde als Instrument und Werkzeug der Meditation, der Disziplinierung von Körper und Geist betrachtet. In den solistischen Honkyoku-Stücken gestaltet der Spieler Klänge, die aus dem Atem kommen und mit ihm wieder vergehen – lang gezogene Einzeltöne. Das Spiel lässt den menschlichen Atem, die Essenz des Lebens, Klang werden.
Die von Tahashi Tajima vorgestellten Stücke beschreiben aber auch programmatisch des Rauschen des Windes im Bambus, oder den “leeren Himmel” (Kokû). Besonders berühmt und alt, auch in seiner Ornamentik virtuos, ist das Stück Tsuru no sugomori (“Nistende Kraniche”), das die verschiedenen Aspekte im Lebenszyklus des Kranichs beschreibt, eines Vogels, der im asiatischen Gedankengut ein langes Leben symbolisiert: Ein Kranichpaar baut ein Nest, aus dem Ei schlüpft ein Junges und wird großgezogen, bis es schließlich zum Abschied kommt, der junge Vogel fliegt fort und hinterlässt seine Eltern für den Rest der ihnen zugedachten Lebensdauer. Tremolo, Flatterzunge, unregelmäßige Vibrati u. a. kommen zum Einsatz, um auch das Krächzen der Kraniche und ihr Flügelschlagen nachzuahmen.
Der große Teil des traditionellen Repertories für die Koto (13saitige Wölbzither) besteht aus Vokalkompositionen, bei denen sich der Sänger oder die Sängerin selbst auf dem Instrument begeleitet. Man hörte mit Kyõko Kawamura etwa ein Lied mit Texten aus dem berühmten höfischen Roman “Die Geschichte vom Prinzen Genj” der Hofdame Murasaki Shikibu aus dem 11. Jahrhundert.
Sichtlich auch sehr zugesagt hat das Programm am Samstag-Abend Bürgermeister Heinz Schaden, der die Finanzierung des Biennale Festivals seitens der Stadt als Politiker durchsetzte. Beim IG Komponisten-Schwerpunkt im Rahmen der Ausstellung im Foyer der Universität Mozarteum war diesmal Werner Raditschnig dran, nächstes Wochenende folgt Wolfgang Seierl mit Kompositionen und musikalischen Aktionen. Das finale Thema wird Klaus Huber und seinen “Wahlverwandtschaften” zu arabischer Musik gewidmet sein.
Heinz Rögl (unter Verwendung von Texten im Programmheft und einer CD mit Tajima Tadashi).