Das 4-Themen-Programm zur Kunst und Kultur in Wien wurde von den Interessengemeinschaften aus Kunst und Kultur in Wien und Österreich (Forum Österreichischer Filmfestivals, Forum Literaturübersetzen Österreich, IG Autorinnen Autoren, IG Bildende Kunst, IG Freie Theaterarbeit, IG Kultur Wien, Österreichischer Musikrat) entwickelt. Es richtet sich an die wahlwerbenden Parteien der Wien-Wahl 2025.
Das 4-Themen-Programm will die Bedeutung Wiens als attraktiven Kunst- und Kulturstandort stärken:
1. RÄUME
Mit der Bereitstellung von mehr und leistbaren Räumen und einer umfassenden Raumstrategie für die Freie Szene und deren Bedarf.
2. RESILIENTES KUNST- UND KULTURBUDGET
Mit einer finanziellen Absicherung des Wiener Kulturbudgets, mit gesicherten Arbeitsverhältnissen und Förderprogrammen für Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen.
3. ZEITGEMÄSSES ARBEITEN | ZUGÄNGE | SICHTBARKEIT
Mit gesicherten Arbeitsverhältnissen und Rahmenbedingungen für Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen, mit vielfältigen Kunst- und Kulturangeboten für alle.
4. KULTURSTRATEGIE 2030 | UMSETZUNG
Mit einer verlässlichen partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Politik und Kunst und Kultur, unter anderem bei der Umsetzung der Wiener Kulturstrategie 2030.
Unsere Forderungen:
1. RÄUME
- Es braucht neue Räume: Wir vermissen in Wien unter anderem ein Haus der Neuen Musik, ein Arbeits- und Probenhaus für die darstellende Kunst (unkuratiert), die Einbeziehung der Literatur im OWA (Otto-Wagner-Areal Wien), ein Haus der Mehrsprachigkeit für Übersetzende und Schreibende, weitere Atelier- und Proberäume für die bildende Kunst, Räume für die aufstrebende zeitgenössische Zirkusszene.
- Es fehlen Räume für internationale Residencies aller Genres, also Wohnungen, Ateliers, Proberäume etc., um den internationalen Austausch und Sichtbarkeit besser zu gewährleisten.
- Räume erhalten: Nutzungsvereinbarung etablierter und wichtiger Räume wie für die Semmelweisklinik, Creative Cluster, 4lthangrund laufen 2025/2026 aus – es braucht alternative Lösungen oder Nutzungsverlängerungen.
- Es braucht innerstädtische Standorte für die freie Szene und für Ausbildungen, da diese in den letzten Jahren kontinuierlich weniger wurden. Der erste Bezirk soll als Zentrum für alle Generationen und Künste lebendig bleiben und nicht weiter museal werden. Kulturankerzentren und das OWA sind in ihrer Konzeption dezentral gedacht und kein Ersatz für diese fehlenden Standorte in zentraler Lage.
- Leistbare Räume: Räume für die Freie Szene sind am klassischen Immobilien-markt oft nicht mehr finanzierbar. Insbesondere kommunale Räume/Leerstand sollen zu leistbaren Konditionen an geeigneten Standorten dauerhaft zur Verfügung gestellt werden. Dabei braucht es durch die Stadt finanzierte Trägerstrukturen oder direkte Förderung der Bauträger:innen/Eigentümer:innen.
- Leerstand nutzen! Räume öffnen: Wien muss das Konzept der Zwischennutzung für Kunst und Kultur weiterentwickeln. Leerstandsaktivierung in Form von Pioniernutzungen und Nachnutzungen lassen robuste Experimentierräume entstehen. Hybride, zeitgemäße Nutzungskonzepte sind ein bleibender Mehrwert für das Grätzl und seine Bewohner:innen (Beispiel: Raumbörse Dynamo,Zürich).
- Investitionsprogramm und -plan für eine kontinuierliche und professionelle Entwicklung (Renovierung, Instandhaltung, Ausbau, Anbindung, Sicherheit) der Wiener Proberäume, Ateliers, Kinos und Veranstaltungsstätten, um sowohl für Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen wie Publikum attraktive und geeignete Raumangebote zu haben (Beispiel: Wiener Sportstätten-Entwicklungsplan Sport.Wien.2030).
- Kultur als Kennzahl: Kulturräume müssen – ähnlich wie soziale Infrastrukturen für Schulen und Kindergärten oder im Straßenbau – in Zukunft verbindlich mitgeplant (u.a. im Stadtentwicklungsplan – STEP 2030), budgetiertund gebaut werden. Kultur ist durch konkrete Kennzahlen in den entsprechenden Verordnungen zu verankern und damit verbindlich umzusetzen.
- Im geförderten Wohnbau sollen verpflichtend Wohnateliers für in Wien wohnhafte Künstler:innen eingerichtet werden.
2. RESILIENTES KUNST- UND KULTURBUDGET
- Erhöhung des Kunst- und Kulturbudgets: Nur eine angemessene Anpassung des Budgets ermöglicht Resilienz für den freien Kultursektor. Wien wächst laufend und schnell. Wir empfehlen eine Kulturquote, um die Mittel entsprechend den steigenden Pro-Kopf-Zahlen der Einwohner:innen laufend anzupassen.
- Finanzielle Absicherung der Freien Szene: Die Budgets für die freie Szene sollen nicht weiter in den Ermessensausgaben liegen, sondern als rechtlich abgesicherter Budgetposten der Stadt Wien verankert werden (inklusive jährlicher Valorisierung).
- Tourismusabgabe jetzt – zusätzliche Einnahmen: Kunst und Kultur sind ein relevanter Wirtschaftsfaktor und wesentlich für den stetig wachsenden Tourismus in Wien. Eine Tourismusabgabe soll zweckgebundene Einnahmen für Kunst und Kultur bringen. Die Wirtschaftskammer Wien ist hierbei ein wichtiger Partner (Beispiel: Kultureuro Salzburg).
- Rechtsrahmen für Kulturförderung: Wien verfügt weiterhin über kein Kunst- und Kulturförderungsgesetz oder über andere verbindliche Rechtsgrundlagen bei der Förderung von Kunst und Kultur. Ein Kunst- und Kulturförderungsgesetz brächte ein klares Bekenntnis der Stadt zur Förderung des zeitgenössischen Kunst- und Kulturschaffens und würde die finanzielle Absicherung erleichtern.
- Hürden für Kulturförderung sollen abgebaut werden: Die sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen für Fördernehmer:innen sollten bei allen Förderungen mitbedacht werden.
- Spartenübergreifende Förder-Calls: Wir wünschen uns Förderungen für Projekte, die demokratiestärkend, inklusiv und partizipativ wirken, insbesondere Förderungen für queer-feministische und post-migrantische Initiativen, für Projekte, die Personen mit diversen Einschränkungen Zugang zu Kunst und Kultur bieten, sowie die Einbeziehung von Musikvermittlung in das in der Kulturstrategie angekündigte Förderprogramm für Innovative Kulturvermittlung.
3. ZEITGEMÄSSES ARBEITEN | ZUGÄNGE | SICHTBARKEIT
- Fair Pay und Faire Verträge: Die von den IGs definierten Standards sollen sowohl in der Freien Szene wie auch an den im Eigentum der Stadt Wien stehenden Kulturinstitutionen sowie an allen von der Stadt Wien finanzierten Betrieben (z.B. StadtWien Kunst GmbH, Vereinigte Bühnen Wien, Wiener Festwochen etc.) verankert werden.
- Machtmissbrauch: Die Stadt Wien soll Maßnahmen gegen Machtmissbrauch jeglicher Art einsetzen. Dazu soll sie etwa Förderungen an die Einhaltung des „Verhaltenskodex inkl. Compliance-Regelungen“ knüpfen und ein entsprechendes Regelwerk (inklusive Konsequenzen) erarbeiten. Die Werte des Fairness Codex sollen konkrete Anwendung finden.
- Aufsicht wahrnehmen – „on arm’s length“: Die Stadt Wien als Fördergeberin soll ihre Aufsichtsfunktion schärfen. Das bedeutet: die Aufgaben der Aufsichtsräte genau zu definieren und faire und nachvollziehbare Kontrollen und Sanktionen zu etablieren.
- Kulturwandel: Es braucht finanzielle und inhaltliche Unterstützung bei der Implementierung zeitgemäßer Arbeitsformen, auch für Schulungen und Trainingsangebote, für personelle Ausstattung, für barrierefreie Zugänge und Angebote. Die Stadt Wien soll ein Verfahren etablieren und Instrumente entwickeln, wie die Umsetzung der Maßnahmen v.a. an den großen Häusern und bei den großen Organisationen durchgeführt wird. Ziel ist ein Kulturwandel in den Häusern / Organisationen.
- Transition-Angebote im darstellenden Bereich: Die Karrieren von Künstler:innen sind oft kurz, von vielen Unwägbarkeiten abhängig und physisch und psychisch herausfordernd. In einigen Ländern Europas gibt es gut entwickelte Angebote für Künstler:innen betreffend Weiterbildungen und Umschulungen. In Wien fehlt ein extra auf Künstler:innen zugeschnittenes Beratungs- und Betreuungsangebot auch für Selbständige (Team 4 ist nur für Unselbständige zuständig und bildet im künstlerischen Bereich weiter), welches Künstler:innen rechtzeitig abholt und ihnen den Weg zu einer ergänzenden oder alternativen Erwerbstätigkeit aufzeigt (Beispiel: ODN – Omscholing Dansers Nederland, Niederlande).
- Es braucht Unterstützung bei Vor- und Nachlässen in Wien, z.B. in Bezug auf Lagerung.
- Niederschwelliger Zugang zu Kunst und Kultur: Bei eigenen Kultur-Angeboten der Stadt Wien wünschen wir eine verstärkte Kooperation mit bestehenden Einrichtungen und Akteur:innen, um Konkurrenzierung zu vermeiden (Donauinselfest, Kultursommer, etc.). Es braucht Impulse zur Umsetzung von „einfacher Sprache“ in der Außenkommunikation der Stadt Wien und durch ihre Fördernehmer:innen, um verstärkt Niederschwelligkeit zu implementieren.
- Exzellente Förderung: Die in Wien arbeitenden Künstler:innen sind hochqualifiziert, in Österreich und international ausgebildet und arbeitend. Um diese Qualität zu halten und auszubauen, braucht es hoch qualifizierte Trainings- und Weiterbildungsangebote bezüglich Technik und Content für die einzelnen Sparten (etwa für Tanz, Schauspiel, zeitgenössische Zirkuskunst etc.).
- Musikschulangebote ausbauen: Es gibt zu wenige Musikschulplätze für Schüler:innen in Wien – 75% des Unterrichts findet privat statt. Es braucht mehr Standorte für Musikschulen der Stadt Wien und einen Ausbau der Schüler:innenplätze um rund 1500 Plätze jährlich. Ebenso sollten niederschwellige Volksschulkooperationen (ELEMU – Elementares Musizieren) ausgebaut werden.
- Hürden im Veranstaltungsbetrieb sollen abgebaut werden: Wir wünschen uns eine Anpassung von Lärmschutzverordnungen, um vielfältige Musik- und Kulturaufführungen indoor und outdoor zu ermöglichen. In Zusammenarbeit mit der Vienna Club Commission sollen z.B. Regelungen für behördliche Schallmessungen, eine Definition der Zumutbarkeitsgrenzen bei Schallimmissionen gemäß ÖÄL-Richtlinie, Förderprogramme für Kulturspielstätten zur Reduzierung von Schallemissionen (bei bautechnischen Mängeln und erforderlichen Umbauten) umgesetzt werden.
- Es braucht Flexibilität bei den rechtlichen Rahmenbedingungen, um nächtliche Kulturveranstaltungen (nach 22 Uhr) zu ermöglichen. Wenn Genehmigungen von mehreren Stellen erforderlich sind, sollte es Erleichterungen in Form von verbundenen Genehmigungsverfahren geben. Grundsätzlich wünschen wir uns eine abteilungsübergreifende Stelle, bei der alle in den Wirkungsbereich der Gemeinde Wien fallende Genehmigungen in einem Schritt beantragt werden können.
- Straßenkunstverordnung: Es braucht ein klares Bekenntnis und Rahmenbedingungen für Straßenkunst in Wien. Die Novellierung 2025 ist unter den Erwartungen geblieben. Genrespezifische Bedürfnisse müssen bei den Spielorten berücksichtigt werden. Das Verbot von Verstärkern, oft eine Notwendigkeit für Straßenkünstler:innen, muss – unter Einhaltung zumutbarer Schallgrenzen – fallen. In anderen Städten der Welt ist dies gelebte Praxis.
- Clubstadt Wien: Es braucht ein klares Bekenntnis zur Clubkultur in Wien und eine Neustrukturierung der Clubförderung mit transparenten Förderkriterien.
- Buchstadt Wien: Hierfür sind Standortmaßnahmen wie etwa Verlagsförderungen bzw. Programmförderungen notwendig, um vermehrt Sichtbarkeit zu generieren.
- Vielfalt sichtbar machen: Wir schlagen eine Werbekampagne für die Freie Szene im öffentlichen Raum vor und wollen dabei die Künstler:innen, Kulturarbeit und die Leistungen der Freien Szene hervorheben und eine breite Sichtbarkeit erzeugen.
4. KULTURSTRATEGIE 2030 | UMSETZUNG
Im November 2023 veröffentlichte die Stadt Wien die Ergebnisse eines zweijährigen Prozesses zu einer Kulturstrategie. Handlungsfelder wie leistbare Kultur und inklusive Teilhabe, Diversität und Chancengleichheit, Fair Pay und Soziale Absicherung, Zeitgemäße Gedenk- und Erinnerungskultur, Krisenresiliente Kultur, Kulturelle Infrastruktur und neue Räume, Klimaverträglichkeit und Digitalisierung in Kunst und Kultur wurden identifiziert. Doch wie diese umgesetzt werden und welche Maßnahmen angegangen werden, ist bislang nicht bekannt. Wir möchten die Kulturstrategie 2030 als Ausgangspunkt für konkrete Realisierungen sehen!
Das heißt:
- Umsetzungsplan für die Kulturstrategie 2030: Für die Umsetzung der Kulturstrategie 2030 braucht es einen Zeitplan, einen Finanzplan und konkrete Umsetzungsschritte. Diese möchten wir gemeinsam mit Vertreter:innen der Stadt Wien entwickeln.
- Wir regen an, dafür eine ständige Arbeits- und Monitoringgruppe einzurichten. Diese soll eine Kooperation zwischen der Stadt Wien/ MA 7, IGs und wesentlichen Akteur:innen sein und für Kommunikation zwischen der Stadt und den Künstler:innen, Kulturarbeiter:innen und deren Vertretungen sorgen, hauptsächlich aber einzelne Maßnahmen begleiten, entwickeln und verfolgen.
- Klassismus in der Kulturförderung: In der Kulturstrategie gibt es aktuell eine gravierende diskursive Leerstelle, da Klassismus und soziale Herkunft noch keine Erwähnung gefunden haben. Mit der Kulturstrategie soll die Chancengleichheit von sozial weniger Privilegierten in Bezug auf Förderoptionen und Zugänge zu Kunst und Kultur verbessert werden. Dies bedeutet z.B. eine Überarbeitung von Förderkriterien, die Besetzung von Jurys oder das Angebot entsprechender Schulungen.
Audiomitschnitt des Pressegesprächs am 7.4.2025 im Presseclub Concordia: ⇒ https://cba.media/704835
Wien, 7.4.2025
Forum Österreichischer Filmfestivals
Forum Literaturübersetzen Österreich
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IG Bildende Kunst
IG Freie Theaterarbeit
IG Kultur Wien
Österreichischer Musikrat