Zum Motto des diesjährigen KLANGZEIT Festivals: Human Life/ Green Sounds/ Artificial Emotion…

Die Futuristen verherrlichten den Klang der technoiden / mechanischen Kultur, die Sixties führten den „künstlichen Klang“ ins Populäre, die 80er formten ihn zum technoiden Alltag.

Die Post-Moderne widmet sich dem Klang der Natur mit höchster technischer Präzision im Field-Recording des bislang Ungehörten, allerdings in einer meist von der Natur „getrennten“ Kultur der „Schizophonia“.

In seiner akustischen Ökologie besinnt sich M. SCHAFER (2010) wertend auf den Hi-Fi-Sound als die differenzierbare akustische Umwelt und spricht damit die Wahrnehmung als Klangqualität an, die TRUAX (2001) als Interaktion des Hörens von Klang weiterführt. Die Arbeit am Klang ist von Technologien der Vermittlung/Generierung des Klanges bestimmt, zugleich (im Sinne der Bio-Semiotik) von der Bedeutung von Klang für das menschliche Leben, den menschlichen Körper.

„Green Sounds“ sind nicht einfach Klänge der Natur, sie sind Klänge der natürlichen Interaktion des Körpers mit der Umwelt und darin Gestaltung der Lebens(um)welt.

ADORNOs Verständnis des Ästhetischen als das „sozial Wahre“ kann übertragen werden auf das „natürlich Wahre“. Damit ist nicht die Abbildung des Klanges der Natur gemeint, sondern die Gestaltung von Klang und damit bewegter Umwelt nach natürlichen Bedürfnissen der gestaltenden Körper – diese führt zu einer natürlichen Adaption von Umwelt und Körper auf der Basis der Homöostase, der Selbstregulation durch Erregung, die den Körper in Spannung versetzt um mit der Umwelt zu interagieren.

Als Formalisierung der Spezifität sensorischer Wahrnehmung ist keine der Künste so sehr von der Intentionalität, der erlebten Spannung des Körpers, bestimmt wie die Musik. Das Spiel mit „Spannung – Lösung“ forme den Ursatz jeglicher Musik (SCHENKER 1935), dieses Erleben wurde über die Kodierung der visuellen Darstellung des Klanges zu einem ästhetischen Verstehen im „beziehenden Denken“ (RIEMANN 1914/15). Damit mutierte natürliches Gestalten zum Postulat der Überwindung von Natur im Denken.

Während das Sehen mit der Synthese von Wirklichkeit, ihrer symbolischen Bezeichnung und damit dem rationalen Erkennen verbunden in der Machbarkeit als kulturelle / politische Vorstellung mündet, ist das Hören die Analyse der Ereignisse rund um den Körper nach deren Bedeutung für den Körper.

Damit ist körperliche Arbeit mit Klang die Verkörperung einer politischen Forderung – das Besinnen auf die Selbstregulation der Natur, das Hinhören auf die Bedeutung der Kultur der Gestaltung für den Körper – die Gestaltung von „Green Sounds“ meint eine Lebensform der Natur als „Kunst (zu) leben“ (SHUSTERMAN 1994), die uns im körperlichen Spiel mit Klang erlebbar ist.

Als Überwindung der Kultur der Rationalität des Sehens meint „auditory culture“ nicht nur die Übertragung der Natur des Hörens auf Kultur, sondern die Zusammenführung von Natur und Kultur in „converged realities“; körpernahe Medientechnologie ermächtigt every „Body“ diese musizierende Klang-Gestaltung zu leben. Dabei sei Natur so zu bewegen und in Klang zu bringen, dass das Bewegte den Körper „angenehm“ bewege – homöostatische Bewegung regelt die Interaktion von Körper und Umwelt zugunsten beider (Über-)Leben im Einklang.

Erregung ist die Basis von Bewegung – Emotionalität eröffnet sich im „Wie“ der Bewegung – wie interagiert der Körper mit der Umwelt, wie bewegt der Körper diese zum Erklingen? Es ist das Konzept „Sound-Gesture”, das diese emotionale Interaktionsform beschreibt und auch künstlich machbar macht – sie ist in Musik formalisiert und erweitert (der Forderung MINSKYs (1986) folgend) das Konzept künstliche Intelligenz um Emotion.

Ist diese emotionale Interaktionsform ein allgemein menschliches Erlebens-Prinzip, so ist es dennoch durch den von einzelnen Menschen bevorzugten Erregungslevel unterschiedlich gelebt.

Schließlich ist ein Stereotyp zu hinterfragen, der „Wohlklang“: Erregen „ruhige“ Klangbewegungen, mit „ambient Sounds“ assoziiert, Bewegtheit und damit körperliche Bewegung, sind es starke Klangbewegungen, mit “high intensity sounds” assoziiert, die „schmerzvolle“ Bewegtheit erbringen und damit körperliche Bewegung zur Veränderung der Umwelt – die Natur kennt keinen „Error“, nur Adaption; die Natur denkend in eine über-„schau“-bare Form zu zwingen ist Macht und darin „Error“ als eine Kultur des Bias (JAUK 2018 a, b).

Vor der verführenden politischen Gefahr des emotional beruhigenden Einlullens durch den Wohlklang warnte bereits ADORNO, heute ist zudem davor zu warnen, Lust stellvertretend in die Interpassivität auszulagern oder auch davor, in der Bekundung der angestrengten Erarbeitung (PFALLER 2011) wie in der sozialen „Zur-Schau-Stellung“ von Lust an hoher Erregung lediglich den „rationalen“ Schein von Lust zu leben … Entgegen ein hochemotionalisiertes Leben in einer neoliberalen wirtschaftsbestimmten Net-Culture sind „Green Sounds“ in ihrer individualisierten Privatheit von Menschlichkeit sozial und sozialisierend, kollektiv und kollektivierend – den Menschen gemeinsam, dem human Life basal, ohne sie „zu teilen“.

Werner Jauk, 2019

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Literatur

Jauk, W. (2018a). Power is the only error … Collective / collectivizing music-making as a pardigm of the hedonic self-organization of the dynamic adaptation of spaces as communal living spaces. In: Error – The Art of Imperfection / AE 18, eds. Hannes Leopoldseder, Christine Schöpf, Gerfried Stocker, Berlin: Hatje Cantz, S. 210 – 211.

Jauk, W. (2018b). What is music to … The Evolutionary Transgression of the use of Error in Post-Digital Culture – Nature as A Paradigm of Cultural Evolution. In: Error – The Art of Imperfection / AE 18, eds. Hannes Leopoldseder, Christine Schöpf, Gerfried Stocker, Berlin: Hatje Cantz, S. 204 – 209.

Minsky, M. (1986). The society of mind. New: York: Simon and Schuster

Pfaller, Robert (2011). Wofür es sich zu leben lohnt. Elemente materialistischer Philosophie, Frankfurt am Main: Fischer

Riemann, H. (1914/15). Ideen zu einer ‚Lehre von den Tonvorstellungen‘. In: Jahrbuch der Musikbibliothek Peters: 21/22 (S. 1-26).

Schafer, M. (2010). Die Ordnung der Klänge. Eine Kulturgeschichte des Hörens. Neu übersetzte, überarbeitete und ergänzte deutsche Ausgabe hrsg. von Sabine Breitsameter. Mainz: Schott Music

Schenker, H. (1935). Der freie Satz. Wien: Universal Edition

Shusterman, R. (1994). Kunst Leben. Die Ästhetik des Pragmatismus. Frankfurt am Main: Fischer

Truax, B. (2001). Acoustic Communication. 2nd edition. Westport: Ablex Publishing

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Link:
KLANGZEIT Festival