„ZUM JAZZ BIN ICH ERST DURCHS STUDIUM GEKOMMEN“ – WANJA ROSENTHAL IM MICA-INTERVIEW

Der Gitarrist Wanja Rosenthal hat in Wien und Köln studiert und unlängst sein Debüt-Album „Lüfpyrün“ veröffentlicht. Jürgen Plank hat mit ihm über die Herausforderungen bei der Produktion gesprochen, über die Musikszene in Köln und Umgebung und darüber, warum ein Stück auf seinem Album – eingespielt mit Daniel Oetz Salcines (Bass), Mathieu Clement (Schlagzeug) und Adrian Gallet (Saxofon) – „Pesto Blues“ heißt. Außerdem erzählt Rosenthal, mit wem er gerne spielen würde, welche Musiker ihn zu seinem eigenen Sound inspirieren und welche musikalischen Ideen er in Zukunft umsetzen will.

Dein Instrument ist die E-Gitarre, was fasziniert dich an diesem Instrument?

Wanja Rosenthal: Eigentlich habe ich in der Musikschule mit klassischer Gitarre angefangen. Recht früh habe ich für mich entschieden, dass ich E-Gitarre spielen möchte und im Alter von 14 Jahren bin ich zur E-Gitarre gewechselt. Das Spielen dieses Instruments hat sich nicht nach Arbeit oder nach Schule angefühlt, das war einfach ein selbstständiges Spielen. Ich spiele auf der Bühne mehr E-Gitarre, ansonsten spiele ich mit der akustischen Gitarre und mit der E-Gitarre gleich viel und finde beide sehr inspirierend. Zum Jazz bin ich erst durchs Studium gekommen. Ich spiele die E-Gitarre clean, also sehr wenig verzerrt. Auf meinem Album ist der Sound sehr clean, an Jazz-Gitarren orientiert. Und auch bei meinen nächsten Projekten habe ich vor, eine Mischlösung zu finden, sodass die akustische Komponente der E-Gitarre im Sound enthalten ist.

Warst du jemals in einer Rockband?

Wanja Rosenthal: Ja, war ich. Mit der E-Gitarre habe ich nicht wegen Gitarristen wie Kurt Rosenwinkel oder Joe Passbegonnen, sondern eher wegen Linkin Park,mich haben damals eher Alternative-Hardrock-Bands inspiriert. Ich habe auch während des Studiums in einer Progressiv Rock-Band gespielt. Irgendwann hat sich der Fokus aber geändert und jetzt sind meine Projekte nur mehr im Jazz-Bereich, aber früher habe ich auch Worldmusic und Progressiv Rock gespielt.

Bild Wanja Rosenthal
Wanja Rosenthal (c) The Hertenberger

Im Jazz-Bereich gibt es viele Richtungen, von Bebop und Dixieland bis Freejazz, Acid oder Cool Jazz. Was hast du schon ausprobiert?

Wanja Rosenthal: Du hast vollkommen recht, es gibt sehr viele Genres im Jazz, die ihre eigenen Nischen haben. Ich bin mit vielen Nischen noch nicht in Berührung gekommen, zum Beispiel habe ich Gypsy-Jazz oder Dixieland erst ein Mal gespielt. Künstlerisch war ich immer mehr im Fusion-Bereich unterwegs und jetzt mehr im Modern Creative Sound, der von New York inspiriert ist. Ein Sound, in dem sich in der Wiener Szene, etwa im Jazz-Lokal Zwe, viele herumtreiben. So kann man meinen Stil beschreiben.

Du bist nicht nur in Wien aktiv, sondern hast in Köln studiert. Wie war diese Phase und was hast du von dieser Zeit für dich mitgenommen?

Wanja Rosenthal: Ich bin für ein Erasmus-Semester nach Köln gezogen, das habe ich dann auf ein Jahr verlängert. Die erste Zeit dort war noch ein wenig von Corona geprägt. In Köln ist für mich klar geworden, was ich künstlerisch machen will. Dort habe ich mich nur mit der Musik beschäftigt, die ich jetzt mache. Und ich habe in Köln die Leute kennen gelernt, mit denen ich mein Album aufgenommen habe und das sind jetzt gute Freunde von mir. Wir haben viel miteinander gespielt und als ich nach Wien zurück gegangen bin, haben wir Kontakt gehalten und das Album etwa ein halbes Jahr später aufgenommen. Die Tour heuer haben wir auch miteinander gespielt und das war eine wichtige Zeit für mich. Ich habe viel komponiert und bin zu dem Sound gekommen, den ich jetzt habe und den ich haben will.

Was haben die angesprochenen Musiker eingebracht, mit denen du dein Debüt-Album „Lüfpyrün“ aufgenommen hast?

Wanja Rosenthal: Wir haben uns an der Musikhochschule in Köln kennen gelernt, wo jetzt alle wohnen. Der Bassist Daniel Oetz Salcines hat peruanische Wurzeln und wohnt schon lange in Köln. Der Schlagzeuger Mathieu Clement stammt aus Luxemburg und ist zum Studieren nach Köln gezogen, Adrian Gallet spielt Saxofon und stammt aus Baden-Baden.

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In Köln gibt es das Literaturfestival lit.Cologne und bedeutende Medien haben dort ihren Sitz, aber man hat Köln eher nicht als Musikstadt im Blick. Wie würdest du in diesem Zusammenhang Köln und Wien vergleichen?

Wanja Rosenthal: Ich würde sagen, dass angesichts der Größe der Stadt Köln und Wien schon vergleichbar sind. Musikalisch gibt es vielleicht eine andere Orientierung. Es gibt dort auch die WDR Big Band und die HR Big Band in Frankfurt ist auch nicht so weit weg und das Ruhrgebiet rundum ist ein enormer Kultur-Ballungsraum mit vielen Locations und Festivals, bei denen man auftreten kann. Dortmund und Düsseldorf und andere große Städte sind im Umfeld, die Szene in Köln ist sehr bunt und lebendig, vor allem in Bezug auf Jazz. Viel gibt es auch im Freejazz-Bereich, da bin ich nur ein wenig eingetaucht, dafür war ein Jahr dann doch zu kurz. Durch die Umgebung funktioniert Musikmachen in Köln einfach ein wenig anders als in Wien.

„FREEJAZZ IST EIN LABEL, DURCH DAS MUSIK SCHNELL IN EINE SCHUBLADE GESCHOBEN WIRD, DIE IRREFÜHREND IST“

Würde dich Freejazz in Zukunft reizen?

Wanja Rosenthal: Ja, ich schreibe für meine aktuellen Projekte auch in diese Richtung. Freejazz ist ein Label, durch das Musik schnell in eine Schublade geschoben wird, die irreführend ist. Mit Freejazz verbinden viele Leute Chaos – Leute, die sich nicht damit beschäftigen. Ich bin überhaupt kein Fan dieser Labels und würde also nicht sagen, dass ich jetzt Freejazz machen. Aber ich verwende gerne Elemente aus dem Bereich der freien Improvisation.

Ein Stück auf deinem Debüt-Album trägt den Titel „Pesto Blues“. Was steht hinter dieser auffälligen Bezeichnung?

Wanja Rosenthal: Zu dem Stück gibt es tatsächlich eine kleine Geschichte, die erzähle ich gerne bei Konzerten. „Pesto Blues“ ist in der Zeit in Köln entstanden. Ich habe mich in dieser Zeit auf mich, auf die Musik und auf aus Üben konzentriert. Entweder war ich zwischendurch in der Mensa oder ich habe mir für zu Hause die Lebensmittel gekauft, aus denen man sehr schnell etwas zubereiten kann. Da waren viele Nudeln mit Pesto dabei, wie wahrscheinlich bei vielen Student:innen. Mit Corona kam dann die Inflation und im Supermarkt ist der Preis für Pesto alle paar Monate um 20 oder 30 Cent gestiegen. So habe ich beschlossen das Pesto nur mehr zu kaufen, wenn es im Angebot ist und ich habe dieses Stück geschrieben.

Was hast du stattdessen gekocht?

Wanja Rosenthal: Ich habe begonnen selbst Pesto zu machen. Ich habe nach Rezepten gesucht und mache jetzt das Pesto lieber selbst, mit getrockneten Tomaten und Sonnenblumenkernen.

Den renommierten amerikanischen Gitarristen Kurt Rosenwinkel, der zurzeit in Berlin lebt, hast du vorhin schon angesprochen. Wieso inspiriert er dich musikalisch? 

Wanja Rosenthal: Kurt Rosenwinkel ist für mich eine der ersten Inspirationen und ein Einstieg in die Jazz-Gitarren-Musik. Und bis heute entdecke ich immer wieder neue Phasen von ihm, in denen er andere Musik gespielt hat, dadurch komme ich wieder auf neue Sachen. Mich hat für mein Album seine Phase Ende der 1990er und Anfang der 2000er-Jahre inspiriert. Vor kurzem ist ein Bootleg von ihm mit seiner Band herausgekommen, da waren Mark Turner und Jeff Ballard dabei. Dieser Sound hat mich inspiriert: clean und doch auch sehr modern. Mit Effekten, die die cleane Gitarre in einen modernen Rahmen bringen.

Kurt Rosenwinkel hat auch schon mit Eric Clapton gespielt. Wenn du dir eine Kolleg:in für einen Auftritt wünschen darfst, wen würdest du wählen?

Wanja Rosenthal: Das ist eine sehr gute Frage. Wenn ich jemanden wählen müsste, würde ich sagen: Prince. Er war natürlich eine ganz andere Nummer und hat andere Musik gemacht, aber wenn es die Möglichkeit geben würde, würde ich ihn wählen. Ich habe ihn leider erst für mich entdeckt, nachdem er gestorben ist.

Bild Wanja Rosenthal
Wanja Rosenthal (c)The Hertenberger

Warum würdest du Prince auswählen?

Wanja Rosenthal: Ich habe großen Respekt vor seinem Zugang zu Musik. Auch vor der musikalischen Entwicklung, die er im Laufe seiner Karriere gemacht hat. Wie viel Inspiration er aus allen möglichen Musikstilen gewonnen hat. Dass er auch mit unterschiedlichsten Leuten gespielt hat und jüngere Talente gefördert hat, das fand ich immer sehr inspirierend. Er war jemand, der sehr zugänglich und sehr offen gegenüber Improvisation und Interaktion mit anderen Musikstilen war. Es hat mich immer begeistert, wenn jemand mit so einem Bekanntheitsgrad Offenheit und Vielseitigkeit ausstrahlt.

„DAS ERSTE ALBUM IST EINFACH EIN HÜRDENLAUF, WEIL MAN VIELE SACHEN ZUM ERSTEN MAL MACHT“

Was war eine der größten Herausforderungen bei der Produktion deines ersten Albums? Was hast du für die nächsten Produktionen gelernt?

Wanja Rosenthal: Es gab viele Herausforderungen! Das erste Album ist einfach ein Hürdenlauf, weil man viele Sachen zum ersten Mal macht. Die Tour zum Album organisieren, das Mischen und so weiter. Das sind viele Baustellen, die viele Überraschungen mit sich bringen. Ich habe mir gedacht, ich mache mal die Aufnahmen und danach schaue ich, wie ich weiter mache. Bei der nächsten Produktion würde ich die nach der Aufnahme anstehenden Arbeitsschritte schon vor der Aufnahme planen.

Du meinst Vorbereitungen in Richtung Mix, Label und Tour?

Wanja Rosenthal: Genau. Damit man nicht die ganze Zeit auf Antworten wartet. Ich bin Schritt für Schritt vorgegangen: zuerst muss der Mix stehen, dann schaue ich mich nach einem Label um. Wenn ich ein Label habe, kann ich mich um Tour-Termine kümmern. Ich glaube, es hätte um einiges schneller gehen können, wenn diese Punkte gleichzeitig abgelaufen wären.

Gibt es eine musikalische Idee, die du schon länger mit dir herumträgst und die du in Zukunft umsetzen möchtest?

Wanja Rosenthal: Es gibt viele Ideen, Gedanken und Projekte. Ich möchte auf jeden Fall in die Richtung weiter komponieren, in der ich mein Debüt-Album gemacht habe. Ich würde gerne ein Trio-Album machen, mit Schlagzeug, Bass und Gitarre. Die Besetzung ist noch nicht klar, aber das habe ich schon länger vor. Etwas ganz anderes, was mich interessieren würde und mir vorschwebt, ist den akustischen E-Gitarren-Sound mit einem analogen Synthesizer zu kombinieren. Stilistisch in meinem Stil, aber mit der anderen Farbe des Synthesizers dazu. Ganz genau kann ich den Klang jetzt nicht beschreiben, das Projekt ist noch in den Kinderschuhen.

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

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