„Zum einen hat das Schöne immer auch ein Ende. Zum anderen hat aber auch jedes Ende immer etwas Schönes.“ – JO STRAUSS im mica-Interview

JO STRAUSS veröffentlicht ein neues Album, das beste wie er selbst sagt: „Das Schöne am Ende“. Klingt auf den ersten Blick morbide, trägt aber ebenso viele andere Themen in sich. Vorab erschienen bereits die Singles „Aneinanderglaant“, „Der Kommissar“, sowie erst kürzlich „Du tanzt“ auf Problembär Records. Im Gespräch mit Ada Karlbauer erzählt JO STRAUSS anlässlich des Release über das Grausliche im Schönen, Biedermeier-Hollywood Schmonzetten als falsche Weltbilder, die Emanzipation von Vorbildern, über die Kanalisation der überschüssigen Dunkelheit und die Vakuum-Ära.

Das demnächst erscheinende Album „Das Schöne am Ende“ könnte man als eine ungewöhnliche Liebeserklärung an die Vergänglichkeit beschreiben, typisch österreichisch. Wie kam es zu diesem Narrativ?

Jo Strauss: Kulturgeschichtlich ist es tatsächlich typisch österreichisch. Das ist auch das Sympathische daran: Dass auch im noch so Grauslichen immer noch ein Rest Romantik gesucht wird. In unserer ersten Single ‚Aneinanderglaant‘ schaue ich auf eine aussichtslose Beziehung und versuche, Motive herauszuschälen, warum zwei Personen bis ans schiache Ende zusammenbleiben und es nicht schaffen, sich voneinander zu lösen. Was zwischen den Zeilen mitschwingt: Eine Beziehung ist auch immer ein Kampf mit sich selbst und eine Herausforderung der eigenen Person.

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„EINE BEZIEHUNG IST AUCH IMMER EIN KAMPF MIT SICH SELBST UND EINE HERAUSFORDERUNG DER EIGENEN PERSON.“

Die Presse hat schon so einige Vergleiche gefunden: „Tom Waits trifft Helmut Qualtinger trifft Ludwig Hirsch.“ Wie stehst du zu solchen Assoziationen, woher beziehst du deine Inspirationen?

Jo Strauss: Derartige Vergleiche ehren mich sehr, sind die genannten Herren doch ordentliche Kapazunder. Meine Inspirationen kommen von überall her, textlich meistens von irgendwelchen Erlebnissen, Beobachtungen oder Erzählungen. Musikalisch kann man die oben genannten gern anführen – tatsächlich bewundere ich sie alle und kenne deren Werk. Spuren davon finden sich bestimmt in meiner Arbeit. Man muss sich, bei aller Inspiration, so glaube ich, aber von seinen Vorbildern emanzipieren, um Originäres schaffen zu können. Ein unerschöpflicher Quell der Inspiration und Kreativität ist mir aber vor allem meine Band. Ich bin kein Bandleader, der alles bis ins kleinste Detail vorgibt oder schon vorher alles genau weiß. Ich schmeiße gern Skizzen in den Raum und jedes Bandmitglied hat wiederum ein Leben voll Inspirationsquellen. Darüber hinaus sind sie dann auch noch deutlich bessere Musiker als ich. Ich kenne die Grobe Richtung und lass den Dingen gern ihren Lauf und jedem Musiker Raum sich einzubringen.

Deine Songs arbeiten sich bewusst an der wienerischen Tradition in all ihren Facetten, Themen und Protagonistinnen und Protagonisten ab – zwischen Würstlstand, Leberkas und Holzpyjama. Wie kann man sich deine musikalische Sozialisierung vorstellen?

Jo Strauss: Als Ausbruch. Ich bin zwar in der Stadt geboren, dann aber am Land aufgewachsen. Ich wurde in eine unbeschreibliche musikalisch-künstlerische Einöde hineingeworfen. Niemand in der Familie hat ein Instrument gespielt oder war irgendwie an Kunst interessiert. Ich habe sehr früh begonnen, die Fühler nach der großen weiten Welt auszustrecken. Bei der ersten Gelegenheit bin ich dann in die brodelnden Städte und auf die Bühne geflüchtet. Da bin ich vielen voraus. Ich musste da raus.

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„ICH WILL KEINE UNREALISTISCHEN SCHÖNMALEREIEN LIEFERN…“

Die musikalischen Inhalte changieren meist zwischen Vergänglichkeit, zerbrochenen Beziehungen und Hoffnungen, jedoch immer mit einem Blick auf die unerwartet hellen Leerstellen, die dazwischen hervortreten. Was sind deine Gedanken zu diesen Dualitäten zwischen Schön und Grauslich oder umgekehrt?

Jo Strauss: Der Blick aufs Leben ist dann geglückt, wenn man realisiert, dass im Schönen immer was Grausliches schlummert und im Hässlichen auch immer was Schönes verborgen liegt. Wir alle kennen diese – noch gar nicht so alten – Biedermeier-Hollywood Schmonzetten, die ein Weltbild erschaffen wollten, dass es so gar nicht gibt. So ist es die unbestreitbare Aufgabe der Kunst, diese ‚Wunderwelt‘ zu dekonstruieren oder zumindest in Frage zu stellen. Ich will keine unrealistischen Schönmalereien liefern, ich will genau schauen und im besten Fall blinde Flecken aufzeigen. Das ‚echte‘ Leben ist – so gern wir es auch anders sehen würden – dramatische Fadesse.

Hat sich deine musikalische Praxis durch die inzwischen zur Normalität gewordenen Pandemie verändert, wenn ja auf welche Weise?

Jo Strauss: In den letzten beiden Jahren haben wir so wenig live gespielt, wie in meiner Zeit in der vorher angesprochenen Vakuum-Ära. Konzerte werden abgesagt und/oder verschoben – das war früher die absolute Ausnahme, aktuell aber eine seltsame Spirale: Besucherinnen und Besucher kaufen nur mehr sehr vorsichtig Vorverkaufs-Karten, weil sie sicher gehen wollen, dass das Konzert tatsächlich stattfindet. Also passiert dieser Vorverkauf – wenn überhaupt – erst kurz vorher oder an der Abendkasse. Damit ist das für Veranstalterinnen und Veranstalter aber oft schwer einzuschätzen. Viele Veranstalterinnen und Veranstalter haben dieses veränderte Kaufverhalten aber nicht am Schirm und verschieben oder canceln vorsichtshalber Konzerte schon Monate vorher… Etwas Gutes kann ich aber den letzten Jahren dennoch abringen: Ich habe in der Entschleunigung Zeit gefunden, mich an Themen abzuarbeiten und wieder und wieder daran zu arbeiten und sie durchzuformulieren – die Songs konnten so viel besser ‚reifen‘. Auch viele Arbeitsprozesse waren in den letzten Jahren oft unnötig übereilt abgehandelt worden. Alle Musikerinnen und Musiker kennen das: Recording, Mischen, Mastern, Grafik, Fotos, Videos… alles musste schnell gehen und alles sollte parallel passieren, damit das Album am besten gestern noch fertig wird. Das nehme ich auch für die nächsten Produktionen/Alben mit: Ich werde mir und allen beteiligten mehr Zeit lassen.

Jo Strauss (c) Otto Reiter

„ICH SCHREIBE MIR DINGE ‚VON DER SEELE‘ WENN MAN SO WILL.

Woher stammt eigentlich dieses Interesse an den eher „dunkleren“ Aspekten der Menschheit und dem, was damit zusammenhängt?

Jo Strauss: Ich glaube, damit habe ich für mich einen Weg gefunden, meine überschüssige Dunkelheit zu kanalisieren. Ich schreibe mir Dinge ‚von der Seele‘ wenn man so will. Und mir scheint das funktioniert sehr gut. So kann ich im ‚normalen‘ Leben ein sehr angenehmer Mensch sein, weil ich die Schweinereien schon in meinen Liedern oder auf der Bühne erledigt habe. Aber menschliche Abgründe üben natürlich eine Faszination aus, weil sie Fragen aufwerfen: Was sind die Motive dahinter, was ist das Unsichtbare? Man fragte sich weniger, warum jemand Buchhalterin oder Buchhalter wird. Warum wer wen andern hamdraht, ist da schon fragwürdiger; spannender.

Demnächst stehen auch einige Live-Konzerte mit Jo Strauss & Band an, wie wesentlich ist die Live-Erfahrung/Aspekt für dich als Künstler?

Jo Strauss: Unumgänglich wichtig. Jede Person, die auf der Bühne steht, ist auch eine ‚Bühnenfigur‘. Live kann ich Facetten an mir glänzen lassen, die in der ‚alltäglichen‘ Welt keinen Platz haben oder sogar gefährlich wären. Live gibt es außerdem die Möglichkeit, Musik und Gesprochenes – Kabarett, wenn Sie so wollen – zu einem großen Ganzen zu verschmelzen. Auf der Platte gibts nur meine Musik. Das Live-Erlebnis schafft ein umfänglicheres Bild. In meinen kabarettistischen Einlagen wird gelacht, in der Musik wird geweint.

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Deine Tracks sind wie Geschichten in musikalischer Form. Begreifst du dich als Geschichtenerzähler?

Jo Strauss: Ich arbeite auf zwei Ebenen. Zum einen, dem klassischen Storytelling, Handlungsstrang mit Plot Twist und allem was dazugehört. Zum anderen, bildhaft; poetisch, wo dann die Geschichte eher in den Hintergrund rücken dürfen und der Interpretation der Zuhörerinnen und Zuhörer Raum gegeben wird. Auf dem aktuellen Album findet sich beides.

Die Textzeile aus dem gleichnamigen Track „Wien ist einfach nur oasch, die Stadt zerfällt unter mir, richtig oasch ist Wien ohne dir“ verdeutlicht den Aspekt der schwarzen Romantik.  Was sind deine Gedanken zu Wien als „Kulturstadt“?

Jo Strauss: Wien ist eine irrsinnig schillernde Stadt – hier findet sich Vieles: von feelgood-Pop, großartiger Jazz, in the Face Discozeug bis hin zu Musik, die ich nicht einmal benennen, geschweige denn, kennen würde. Und das ist in sehr vielen Bereichen so – vom Plachutta bis zur Dönerbude…
Das Einzige, was man Wien als Kulturstadt ankreiden kann, ist, dass sie sich gern wichtiger nimmt, als sie tatsächlich ist, und gern vergisst, dass es auch außerhalb von Wien Sachen gibt, dass du nur so mit den Ohren schlackerst. Wien is halt schon auch ein alter Bauer, ein sehr leiwander wohl gemerkt.

„Das Schöne am Ende“ erscheint am 25. Februar 2022 auf Problembär Records. Was kann man sich davon erwarten?

Jo Strauss: Das beste Jo Strauss Album aller Zeiten. Zumindest bis zum jetzigen Zeitpunkt.Hier vereinen sich die beiden Welten, denen ich mich zugehörig fühle: Das Geschichtenerzählen und die zerbrechliche Poesie.

Was ist das Schöne/Schönste am Ende?

Jo Strauss: Zum einen hat das Schöne immer auch ein Ende. Zum anderen hat aber auch jedes Ende immer etwas Schönes.

Herzlichen Dank für das Interview.

Ada Karlbauer

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Jo Strauss und Band live
24.3. Tschocherl, Wien

25.3. Kleines Theater, Salzburg
22.4. Kabarett Niedermair, Wien
13.5. Westtorhalle, Murnau / D
20.5. WH zur Linde Zeilarn / D
11.6. Rochlhaus Thaining / D

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Problembär Records