„Wollten das immer schon“ – STEAMING SATELLITES im mica-Interview

Sie ist eine der international erfolgreichsten österreichischen Bands. Ihr neues selbst betiteltes Album erscheint dieser Tage. Die STEAMING SATELLITES über den Beinahe-Split, ihr bisher bestes Album und darüber, warum man beim coolsten Job der Welt immer jemanden vor den Kopf stoßen wird. Das Interview führte Markus Deisenberger.

„Unser bisher bestes Album“ ist immer so eine Floskel. Warum ist das aktuelle Album tatsächlich Ihr bestes?

Max Borchardt: Das Wichtigste war uns, die Liveatmosphäre einzufangen. Wir haben alles live eingespielt. Und dadurch hat es eine ganz besondere Energie bekommen. Ich finde, dass wir das erste Mal als Band agiert haben.

Manfred Mader: Wenn man hintereinander spielt, wirkt das dann oft alles ein wenig steril. Die Energiegeladenheit eines Livekonzerts geht abhanden.

Würden Sie das Album als songorientierter einstufen als die vorangegangenen?

Max Borchardt: Doch schon, ja. Es ist kompakter geworden, von den Sounds her. Und dadurch ist es auch greifbarer. Trotzdem ist auch Platz für Verrücktheiten: Ein Song enthält zum Beispiel einen drei Minuten langen Jam. Den haben wir einfach so aufs Album draufgetan. Andererseits finden sich auch Pop-Songs drauf. Das Spektrum ist sehr breit.

Sie haben sich für das Album vergleichsweise viel Zeit gelassen. Wieso?

Emanuel Krimplstätter: Ja und nein. Ja, es hat lange gedauert. Aber auch nein, weil wir uns noch für jedes Album so lange Zeit gelassen haben.

„Es war noch bei jedem Album so, dass wir uns fast aufgelöst haben“

Und warum?

Emanuel Krimplstätter: Das ist ein schwieriger Prozess, in dem einem viel abverlangt wird. Von uns als Personen, aber auch künstlerisch.

Inwiefern?

Emanuel Krimplstätter: Es war noch bei jedem Album so, dass wir uns fast aufgelöst haben und uns dann wieder zusammenrauften. Das braucht es bei uns wahrscheinlich für ein gutes Endprodukt.

Max Borchardt: Vor zwei Jahren haben wir an die hundert Konzerte im Jahr gespielt. Da waren dreißig Festivals dabei – das Anstrengendste, was wir jemals gemacht haben. Übers Wochenende nach Norddeutschland, dann wieder runter. Einen Tag erholen und schon geht es weiter. Für mich persönlich ging das enorm an die Substanz. Wenn man einen Monat auf Tour ist, ist das etwas anderes. Da kann man sich drauf einstellen, bekommt einen Rhythmus. Das Festival-Spielen ist extrem zerrissen. Einmal da, dann wieder dort.

Waren Sie wirklich knapp daran sich aufzulösen oder war das jetzt nur so dahingesagt?

Emanuel Krimplstätter: Das stand schon im Raum, doch. Aber ab dem Zeitpunkt, an dem wir uns entschlossen haben, wieder aufzunehmen, ist es wieder super gelaufen. Das war wie das Drücken eines Reset-Knopfes. Nach dem Motto: Jetzt kommt es wirklich wieder drauf an.

Andererseits: Sie spielen hundert Gigs im Jahr. Das ist das, wo hundert andere österreichische Bands hinwollen …

Max Borchardt: Ja, und wir wollen auch nicht sudern. Aber als Band zu funktionieren, ist nicht so einfach, wie man oft glaubt. Vor allem zwischenmenschlich. Es ist eine Art Familie. Und da gibt es nun einmal Reibereien.

Manfred Mader: Man klebt dreißig Tage lang 24 Stunden nonstop aufeinander. Es wäre ein Wunder, wenn da alles ohne Probleme abginge.

Emanuel Krimplstätter: Es ist wie in einer Beziehung. In den meisten Beziehungen aber gibt es die Möglichkeit, einander eine Weile aus dem Weg zu gehen. Diese Möglichkeit hast du in einer Band mitunter nicht.

Manfred Mader [lacht]: Schlimmer noch: eine Beziehung, in der beide gemeinsam arbeiten. In einer selbstständigen Firma.

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„Wir hatten die Gelegenheit, zu sehen, wie es funktionieren kann, wenn man etwas Eigenständiges macht.“

Vor zehn Jahren bekam ich zum ersten Mal ein Demo von Ihnen in die Hände. Um ehrlich zu sein: Damals klang das gut, ein wenig nach Stoner Rock, aber nicht überragend, vor allem nicht wirklich selbstständig. Und dann, drei Jahre später, hörte ich das erste Album und ich dachte mir: „Wow. Was haben diese Jungs in den vergangenen drei Jahren gemacht?“ Ich habe Sie das nie fragen können. Jetzt tu ich‘s einfach: Was geschah damals?

Matthäus „Matl“ Weber: Das war die Phase, in der wir begannen, es wirklich ernsthaft zu betreiben. Verstehen Sie mich nicht falsch, wir haben es auch vorher schon ernst gemeint, aber irgendwann kommt die Perspektive dazu. Man lernt Leute kennen, merkt, wie es live gehen kann. Die ersten Touren, bei denen wir als Support-Band mitgefahren sind – das war eine Zeit, in der wir uns sehr, sehr entwickelt haben. Wir hatten die Gelegenheit, zu sehen, wie es funktionieren kann, wenn man etwas Eigenständiges macht. Wenn man nicht kopiert, sondern versucht, einen eigenständigen Weg zu finden.

Max Borchardt: Wir waren damals frei im Kopf, wussten aber nicht, wo es hingehen soll. Wichtig ist, eine Grundidee zu haben und von der aus zu schauen, was man machen kann. Wie es dann umgesetzt wird – mit Gitarren, Synthesizer oder was auch immer –, ist eigentlich Nebensache.

Bleiben wir bei dieser „Gelegenheit zu sehen, wie es gehen kann“. Wer waren da die Vorbilder, die Bands, bei denen Sie sahen, „wie es gehen kann“?

Matthäus „Matl“ Weber: Vor allem Portugal the Man, mit denen wir auf Tour waren. Da hat man gesehen, dass sich die alles klein, klein aufgebaut haben. Die waren ständig unterwegs, haben viel gespielt, kontinuierlich. Wir haben sie besucht, waren drüben [in den USA, Anm.]. Und da haben wir gesehen, dass es denen eigentlich genauso geht wie uns.

Und Sie? Sie haben in den USA für Kost und Logis gespielt?

Max Borchardt: Ja, für hundert Euro vielleicht. Busmiete, Hotels … – da muss man schon drauflegen.

Das heißt, Sie haben erst mal in die Band investiert?

Matthäus „Matl“ Weber: Genau. Aber für uns war das eine super Werbung. Wir haben dadurch etwa unser Management und unsere Booking-Agentur kennengelernt.

Und wie sind Sie zu Portugal the Man gekommen?

Matthäus „Matl“ Weber: Wir haben sie einmal in Salzburg supported. Und dabei haben wir ihnen so gefallen, dass sie uns fragten, ob wir nicht mit ihnen gemeinsam auf Tour kommen wollten.

Und Sie haben sofort Ja gesagt, oder war das ein längerer Prozess des Überlegens, den die Frage erst einmal in Gang gesetzt hat?

Max Borchardt: Nein, wir haben sofort Ja gesagt. Das war damals eine unserer Lieblingsbands und ist es auch heute noch.

Manfred Mader: Wir wollten das ja immer schon, waren heiß drauf.

„Nach Hamburg wollten wir mal, ja. Ich weiß aber nicht, ob wir dann noch leben würden.“

Portugal the Man kommen aus Alaska, Sie aus Salzburg. Beides ist popmusikalische Provinz. Hat man sich auch dadurch auf besondere Art und Weise verbunden gefühlt?

Matthäus „Matl“ Weber: Das ist ja genau das, was ich gemeint habe. Egal wo du herkommst, du kannst es schaffen. Das haben wir damals klar gesehen.

Manfred Mader: Es ist gleichgültig, ob du aus Wien, Berlin, Salzburg oder Alaska kommst.

Max Borchardt: Man muss allerdings auch sehen, dass Portugal the Man mittlerweile von Alaska nach Portland gezogen sind und jetzt auch viel Zeit in L.A. verbringen.

War das jemals Thema, in eine andere Stadt zu gehen? Nach London, Paris, Berlin?

Max Borchardt: Nach Hamburg wollten wir mal, ja. Ich weiß aber nicht, ob wir dann noch leben würden.

Wie meinen Sie das?

Max Borchardt [lacht]: Könnte sein, dass wir in einer so großen Stadt verloren gegangen wären.

Selten, dass es in Salzburg solch eine Dichte an wirklich guten und auch erfolgreichen Bands gab.

Manfred Mader: Das ist der Stand der heutigen Zeit. Man kann viel leichter zu Hause einmal etwas aufnehmen. Mit vierzehn. Und so kommt man auch viel leichter rein. Als Sie etwa vierzehn waren – vor circa dreißig Jahren also –, wo hätten Sie denn da ein Lied aufgenommen? Sie hätten Unmengen an Geld investieren müssen.

Stimmt. Das ist aber nur ein Aspekt. Es erklärt mir noch nicht, warum gerade in Salzburg so viel abgeht.

Max Borchardt: Ich glaube, dass Österreich anders gesehen wird. Als wir anfingen, hieß es immer: die Ösi-Band. Da wurde man gleich in eine Schublade geschoben. Heute wird das – auch durch Wanda und Bilderbuch – anders gesehen. Man wird wertgeschätzt. Österreich hat wieder Charme. Das war lange nicht so.

Denken Sie, dass sich andere Bands aus Salzburg von Ihnen etwas abgeschaut haben? Waren Sie eine Art Türöffner für andere?

Max Borchardt: Sicher. Zumindest wurde vielen bewusst, dass es möglich ist. Dann ist man auch eher bereit, es zu probieren. Ob wir aber eine große Rolle gespielt haben, kann ich nicht beurteilen.

Sie haben mit Thin Lizzy, Portugal the Man und den Raveonettes gespielt – was kann man von denen lernen?

Max Borchardt: Dass alle hart arbeiten. Von nichts kommt nichts. Wenn du das Band-Ding willst, musst du hart dafür arbeiten.

Das Band-Ding klingt jetzt aber so, als hätte sich nach all den Jahren, die Sie im Geschäft sind, auch eine gewisse Desillusionierung eingestellt.

Emanuel Krimplstätter: Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Dass man das Proben und das Spielen von diesem Podest, auf dem sie sind, runterhebt, und genau gleich sieht wie jeden anderen Beruf auch. Dadurch wird das Ganze viel greifbarer. Und niemand greift sich mehr an den Kopf, wenn man sagt, dass man Musiker ist. In den USA ist der Beruf des Musikers viel anerkannter als bei uns.

Manfred Mader: Immer wieder gibt es doch dieses Modell, dass Bands ein gewisses Kartenkontingent abkaufen müssen, um überhaupt spielen zu dürfen. Das ist das genaue Gegenmodell von dem, was ich ein gesundes Bewusstsein dafür nennen möchte, dass wir etwas produzieren, was eine gewisse Wertschätzung verdient, und nicht den ganzen Tag Party machen.

Die Vorleistung ist enorm. Man probt, investiert, macht ein Album. Und dann? Dann laden es alle gratis runter
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Manfred Mader: Genau deshalb sind die 16 Euro Vorverkaufspreis für Konzerttickets ja auch billig. Es geht ja nicht nur um die eineinhalb Stunden, sondern um viel mehr.

Max Borchardt: Aber natürlich ist es schon auch cool, der coolste Job der Welt. Sudern zählt nicht. Aber blauäugig reingehen sollte man auch nicht.

Das klingt alles sehr tough. Gibt es noch Raum für Experimente?

Max Borchardt: Ja, muss es. Das Schlimmste ist, wenn man als Band stehen bleibt und immer das Gleiche macht. Darf ich das, darf ich das nicht – darüber sollte man sich nicht zu viele Gedanken machen. Einfach sein Ziel verfolgen. Und dabei wird man immer jemanden vor den Kopf stoßen.

Andererseits ist man aber doch auch auf der Suche nach dem unverkennbaren Sound, der einen vom Rest abhebt, einen unverwechselbar macht. Die ersten Takte zu spielen und zu wissen: Aaaaah, das sind die Steaming Satellites.

Manfred Mader: Das stimmt schon. Aber die großen Bands da draußen, die 40 Jahre und länger im Geschäft stehen, haben sich alle weiterentwickelt. Und genau deshalb gibt es diese Bands auch heute noch.

Emanuel Krimplstätter: Ich glaube, wenn man sich selber treu bleibt, aus dem Herzen raus spielt und nicht groß nachdenkt, wird man sich vielleicht verändern, den roten Faden aber wird man immer raushören.

„Bei uns ist oft das Problem, dass weniger mehr ist.“

Sie haben zum ersten Mal mit einem Produzenten gearbeitet, der von außen kommt. Wie war das?

Max Borchardt: Ja, mit Sebastian Adam. Er fordert [lacht]. Der hat uns auch schon einmal beschieden, dass wir wie eine Schülerband klingen.

Matthäus „Matl“ Weber: Wir haben sehr an uns selbst gearbeitet – durch ihn. Er hat uns unsere Schwächen aufgezeigt.

Wo liegen die Schwächen?

Matthäus „Matl“ Weber: Bei uns ist oft das Problem, dass weniger mehr ist. Wir tendieren zum Übertreiben.

Manfred Mader:
Besonders beim Aufnehmen. Er sieht aber genauso die Stärken, die es zu fördern gilt, und kitzelt so noch mehr raus.

Eine der ersten Nummern des neuen Albums fängt ganz zurückhaltend mit Akustikgitarre an. Ein bewusster Bruch?

Max Borchardt: Ja, das war die Nummer, wo wir uns wieder zusammengerauft haben und ein Bandgefühl entwickelt haben. Deshalb wollte ich die Nummer auch gleich am Anfang auf der Platte haben. Ich habe ziemlich viel Rodriguez gehört. Und das war sehr inspirierend.

Sie kommen, auch wenn Sie weltweit unterwegs sind, immer wieder nach Salzburg zurück. Was ist Salzburg für Sie?

Matthäus „Matl“ Weber: Daheim halt.

Max Borchardt: Hm, die Stadt hat Vor- und Nachteile.

Manfred Mader: Hassliebe.

Emanuel Krimplstätter: Heimat.

Max Borchardt: Man schöpft schon Kraft. Uns ist die Natur sehr wichtig. Da hat man nach all dem Tourstress Ruhe, geht auf den Berg und kommt zu sich.

Aber?

Max Borchardt: Salzburg ist eine sehr konservative Stadt.

Manfred Mader: Ja, hochkultur- und festspielorientiert. Jeder hat einen hohen Standard. Man kann sich in der Innenstadt eigentlich keine Wohnung mehr leisten. Es gäbe viele Wohnungen, sie werden aber nicht vermietet.

Wäre der Weg, den die Makemakes beschritten haben, auch einer für Sie gewesen?

Einstimmig: Nein!

Matthäus „Matl“ Weber: Ich fand es cool, dass die Verantwortlichen wirklich jede halbwegs bekannte Band in Österreich angeschrieben und eingeladen haben. Von allen Ecken hat man das gehört. Wir haben aber gleich gesagt, dass das nichts für uns ist.

Max Borchardt: Wir wollen das auch gar nicht abwerten, aber das ist nicht unser Weg.

„Bei uns hat es auch schon vor Wanda und Bilderbuch gut funktioniert.“

Ein grundlegendes Problem ist aber doch, dass man Ö3 früher oder später braucht, will man mit seiner Musik im Radio eine gewisse Reichweite erzielen.

Emanuel Krimplstätter:
Dafür muss sich aber auch das Image von Ö3 ändern. Es muss rüberkommen, dass sie auch österreichische Musik machen wollen, weil ihnen österreichische Musik wichtig ist.

Max Borchardt: Genau das wird sich aber nicht so schnell ändern.

Emanuel Krimplstätter: Die Medien können schon vorgeben, was der Gesellschaft zu gefallen hat. Aber sie sehen es nicht mehr.

Manfred Mader: Es ist doch in Wirklichkeit so: Sollte sich Ö3 zu einer Quote verpflichten, spielen sie statt dreimal halt zehnmal den Volks-Rock’n‘Roller.

Max Borchardt: Ich hab mich über dieses Thema noch nie so aufregen können, weil es klar ist, dass die so denken. Der Shitstorm mit Elke Lichtenegger war nur eine Dokumentation des Status quo. Diese Sicht der Dinge war doch keine so große Überraschung.

Emanuel Krimplstätter:
Erst wenn sich die Einstellung, die Werthaltung zur österreichischen Musik ändert, wird sich auch die Bereitschaft, sie zu spielen, und damit die Quote ändern.

Aber trotzdem hat sich einiges bewegt in den letzten ein, zwei Jahren, oder?

Manfred Mader: Auf jeden Fall. Wenn du als österreichische Band in Österreich spieltest, konntest du als Vorgruppe spielen, durch Wanda und Bilderbuch kannst du heute auch als Headliner spielen und einen großen Saal ausverkaufen.

Max Borchardt: Aber bei uns hat es auch schon vor Wanda und Bilderbuch gut funktioniert. Das muss man auch einmal sagen. Der ganze Hype, da kriegen wir natürlich auch etwas mit. Aber selbst wenn der Hype nicht gewesen wäre, hätten wir weitergemacht. Mäßiger Erfolg hätte uns nicht daran gehindert, weiterzumachen. Einfach, weil wir uns nichts anderes vorstellen können.

Matthäus „Matl“ Weber: Es war immer klar, dass wir das machen. Wenn man die Möglichkeit hat, seinen Traum zu leben, muss man es machen. Als wir aus den USA zurückkamen, haben wir uns gedacht: „Jetzt erst recht!“

Danke für das Interview

Markus Deisenberger

Fotos Steaming Satellites (c) Christian Maislinger

 

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