Der Kulturrat Österreich lud zur Präsentation des Fair Pay Readers 2024. Anlässlich der vielbeachteten Publikation diskutierten Interessenvertreter:innen aus verschiedenen Sparten über den Stand der Dinge in Sachen Fair Pay und gaben einen Ausblick auf die künftigen Herausforderungen bei der Verankerung fairer Bezahlung in Kunst und Kultur.
Die Fakten vorweg: Ab sofort stellt der Kulturrat Österreich die zweite Ausgabe des Fair-Pay-Readers zur Verfügung. Der Fair Pay Reader 2024 legt eine aktuelle Sammlung an Fair-Pay-Tools in Form von Gehaltstabellen, Kollektivverträgen, Kalkulationshilfen und unverbindlichen Honorarempfehlungen für Kunst und Kultur vor. Die zentrale Frage, die er stellt, ist: Wie soll eine angemessene und faire Bezahlung in Kunst, Kultur und freien Medien aussehen? Genau diese Frage und die Frage, wie man am besten dorthin gelangt, wurde anlässlich der Präsentation in zwei Panels erörtert.
Faire Bezahlung oder fairere Bezahlung?
Daniela Koweindl (IG Bildende Kunst) hielt als Moderatorin anfangs fest, dass sich der Kulturrat als Zusammenschluss von Interessensvertretungen in Kunst, Kultur und Freien Medien seit jeher faire Bezahlung groß auf die Agenda geschrieben habe. Seit der ersten Ausgabe des Fair Pay Readers 2021 habe sich allerdings wirklich viel getan. Ausgehend vom aktuellen Regierungsprogramm, in dem zum ersten Mal “Fair Pay” als Begriff vorkomme, wurde eine Strategie zwischen den Gebietskörperschaften ausgearbeitet. Es herrsche daher ein Übereinkommen zwischen Bund Ländern und Gemeinden, Einkommen “fairer” zu gestalten. Das heiße zwar noch nicht “fair”, aber immerhin. Als Grundlage dieser Strategie, so sei es verankert, sollen Empfehlungen der Interessenvertretungen dienen. Das Bundesministerium habe in weiterer Folge einen Fairness-Prozess gestartet. Das Bundesland Salzburg sei als erstes Bundesland tätig geworden, habe konkrete Schritte gesetzt, viele Bundesländer seien daraufhin nachgezogen. Die Interessenvertretungen würden seitdem „beobachtend und nachhakend” agieren, „damit es zu Umsetzungen kommt.” Insgesamt gehe es nur gemeinsam mit den Künstler:innen, um deren Bezahlung es geht, d.h. nur gemeinsam sei es möglich, Fördergeber:innen und Auftraggeber:innen aufzufordern und fairere Bezahlung einzufordern, zu verhandeln, im Gespräch zu bleiben und nicht nachzulassen. Aber auch die Budgets müssten sich angleichen. „Ohne dem wird´s nicht gehen!”
Yvonne Gimpel (IG Kultur Österreich) stimmte dem zu. Es habe sich viel getan. „Eine solche Resonanz hätten wir vor einigen Jahren noch nicht bekommen.” Es werde wirklich Geld in die Hand genommen, ganze 25 Mio. Euro für bessere Bezahlung bundesweit. Aber es sei halt noch immer zu wenig, „Fair Pay sei nicht bei allen Gebietskörperschaften implementiert. Es ist ein großer Schritt notwendig, bis wir dahin kommen.” Für 98 % der Arbeitnehmenden würden kollektivvertragliche Standards gelten. „Bei freien Künstlern sind wir weit davon entfernt.” Die Frage sei daher: Wie könnte so ein Mindeststandard ausschauen? Faire Bezahlung und faire Arbeitszeiten sollten genauso selbstverständlich sein wie im Angestelltenbereich. Es sei eine Vision vorhanden, wo man hinwolle, und Fair Pay sei der gelungene erste Schritt. „Wir sind aber noch lange nicht dort, wo wir hinwollen.”
Anja Malich (IG Übersetzerinnen Übersetzer) brachte das Thema KI ins Spiel. KI-Systeme würden mit urheberrechtlich geschütztem Material gespeist. Dem solle die Transparenzpflicht der KI-Verordnung entgegentreten, wenn sie denn komme. Die Verwendung von KI-Systemen sei beim Übersetzen ein großes Thema. Deshalb habe man “Post-Editing” neu aufgenommen, d.h. das Nachbearbeiten von maschinellen Übersetzungen. Man wolle es nicht propagieren, könne es aber auch nicht ignorieren. Die Conclusio mehrerer Studien sei: Seriöses Nachbearbeiten bringe im literarischen Bereich keine Zeitersparnis gegenüber dem traditionellen Übersetzen. Man brauche für das Nachbearbeiten die gleichen Kompetenzen wie fürs Übersetzen. Es sollte daher sich nicht negativ auf die Bezahlung auswirken. „Dass Maschinen – zumindest in diesem Bereich – noch nicht Kunst können, macht deutlich, wie wertvoll künstlerische Arbeit ist”, so Malich, und es sollte uns ein Selbstbewusstsein dafür geben, wie wertvoll künstlerische Erzeugnisse sind. Dass Fair Pay-Empfehlungen noch nicht allgemein verbindlich sind, sei der Wermutstropfen. Für einzelne bleibe die Herausforderung, dass sie nicht die Macht haben, sondern mit einem stärkeren Verhandlungspartner am Tisch sitzen. „Wenn sich die Fördervoraussetzungen ändern, müsste das auf die Selbständigen durchschlagen.” Förderungen seien aber nicht so konkret, daher bleibe viel Arbeit, um eine Verbindlichkeit für Solo-Selbständige zu schaffen. Dier EU-Leitlinien und die letzte Urheberrechtsnovelle würden theoretisch die Möglichkeit einräumen, dass repräsentative Berufsverbände verbindliche Regeln aushandeln können.
Honorar-Untergrenzen und Kalkulations-Tools
Ulrike Kuner (IG Freie Theaterarbeit) erzählt, dass die IG Freie Theaterarbeit schon lange mit Honorar-Untergrenzen arbeite, und zwar für Projekt- und 1-2 Jahresförderungen („Einzel- und Gesamtförderung“) für Darstellende Kunst, um Sozialdumping zu vermeiden. Diese Untergrenzen gelten ausdrücklich nicht für 4-Jahresförderungen und große Häuser. Was man damit erreicht habe, sei zuallererst einmal Empowerment und eine gewisse Transparenz. „Indem ein Kalkulationsmodell zur Verfügung gestellt wurde, das zeigt, wie jeder an einem Prozess beteiligte Person bezahlt wird, wird auch einer Jury klar, wie sich eine Produktion zusammensetzt.” Das habe zu einer großen Transparenz und zu einem großen Verständnis geführt. Die Förderung der Stadt Wien sei massiv erhöht worden – ein sehr klares Zeichen – und der Bund als sekundär fördernde Gebietskörperschaft sei nachgezogen. Die eigenen Honoraruntergrenzen hätten – obwohl nicht für große Häuser geltend – auch dort Effekte gezeugt, da sich der logische Gedanke durchgesetzt habe, dass was in der freien Szene mindestens bezahlt wird, auch in einem Haus mindestens bezahlt werden müsse. Auch da gäbe es mittlerweile Richtlinien.
Eva-Maria Bauer (Österreichischer Musikrat, Musik aktuell – neue Musik in Niederösterreich) führt aus, dass auch der Musikrat ein Kalkulations-Tool entwickelt habe, das Empfehlungen für Selbständige gebe. Der Musikbereich sei sehr breit und divers aufgestellt, so Bauer. Mehr als 380.000 Musikschaffende würden durch den Musikrat vertreten. Honorarkataloge seien ergänzt worden, nicht nur für Live-Orchester und Ensembles, sondern auch für den Instrumentalunterricht und für selbständige Projektarbeit. Gerade letzterer Bereich gewinne zunehmend an Bedeutung, da immer mehr Musiker:innen auch selbst veranstalten. Auch für Musikvermittler:innen und DJ-Live-Acts gäbe es nun Sätze. In Kooperation mit dem mica habe man auch ein Kalkulations-Tool mit den empfohlenen Sätzen ausgearbeitet. Die Sätze würden, so Bauer, bei Einreichungen eine erste Richtung vorgeben, und der Musikbeirat sei angehalten, das entsprechend zu würdigen. Die Sätze seien in der Rubrik “Praxiswissen” auf www.musicaustria.at verfügbar. Bis zum kommenden Sommer wolle man das Kalkulations-Tool auch in die Bundesländer bringen. Stiefkinder seien derzeit noch queere und alte Musik. Darüber hinaus gäbe es Spezialbereiche, insbesondere auch touristische Musik und Kirchenmusik, wo nicht gefördert werde. „Da sind wir gefragt, um eigene Lösungen zu entwickeln.”
Die nächsten Ziele
Viele Budgets seien laut Yvonne Gimpel (IG Kultur Österreich) in Bedrängnis geraten, weil sich Corona und Inflation auswirkten. In den Ermessensausgaben werde gekürzt, also in der Kunst. Da wir vor der Wahl stünden, müsse man sich auch vergegenwärtigen, dass es Parteien gäbe, die klar Nein! zu Fair Pay sagen. Man stehe erst am Anfang eines Prozesses, den man mit Nachdruck weitergehen müsse. Ihre Forderungen: Kostenwahrheit in den Förderanträgen und transparente Kommunikation in den Förderentscheidungen.
Eva-Maria Bauer (Österreichischer Musikrat, Musik aktuell – neue Musik in Niederösterreich) bringt die Vorreiterrolle ins Spiel, die das Land Tirol einnimmt. Tirol, so Bauer, haben als erstes Bundesland eine gesetzlich verankerte Fair Pay-Strategie. Sie wünsche sich, dass andere diesem Beispiel folgen oder mit anderen Worten: Mehr Verbindlichkeit in anderen Bundesländern. „In vier Ländern gibt es Zuschüsse, ich will sie in neun Ländern”, so Bauer.
Anja Malich (IG Übersetzerinnen Übersetzer) fordert, man müsse an der Schaffung kollektivvertraglicher Regeln für Selbständige dranbleiben. „Da müssen gesetzliche Möglichkeiten geschaffen werden. Es müssen viele Gespräche geführt werden, damit das irgendwann umsetzbar und praktikabel ist für Selbständige.” Das Ziel: Faire Bezahlung muss selbstverständlich werden, sodass sie nicht mehr diskutiert werden muss. Auf diesem Weg gäbe es noch einige Hürden zu nehmen, „die man sich aber auch nicht scheuen darf anzugehen.”
Konkrete Erfolgsgeschichten
In einer letzten Gesprächsrunde wurden konkrete Erfolgsgeschichten zur Durchsetzung fairer Bezahlung vor den Vorhang gebeten.
Eva-Maria Bauer schildert die Initiative der Musikfabrik Niederösterreich, die Musik durch eine Kooperation mit Veranstalter:innen fördert. Veranstalter:innen werden finanziell entlastet, indem ein Teil der Gage übernommen wird. In der Regel seien das kleine, regionale Veranstalter und aufstrebende, junge Bands, wodurch man auch gleich gut sehen könne, was Fair Pay bedeutet. Letzte Saison sei man noch man einen Schritt weiter gegangen, indem man bis zu 60% der Gage übernahm. Die Veranstalter müssen die Auszahlung nach den Fair Pay-Kriterien nachweisen, erst dann werde überweisen. Es werde sehr streng darauf geachtet, dass alle eingereichten Projekte nach den Fair Pay-Regeln bezahlt würden. Die Fair Pay-Zuschüsse vom Land seien genutzt worden, um sicherzustellen, dass alle fair bezahlt werden. Auf die Publikumsfrage, warum dies gelungen sei, hat Bauer eine einfache Antwort: „Die gute Gesprächsbasis mit dem Land.” Sie habe sich mehr Schwierigkeiten erwartet. Schwerer sei es mit den Künstler:innen und Veranstalter:innen gewesen. Da habe es (bei den Künstler:innen) oft geheißen: „Dann bucht mich doch niemand mehr.” Und bei den Veranstalter:innen sei das größte Bedenken gewesen, ob man sich das überhaupt leisten könne. Da sei viel Überzeugungsarbeit nötig gewesen.
Nathaniel Prottas (Wien Museum) erzählt, wie lange es im Wien Museum gedauert habe, die dort tätigen Kunstvermittler:innen einzustellen. „Zwischen den Führungen machen die ja nichts” habe es anfangs geheißen. Es sei wichtig gewesen, klar zu machen, dass es um Vermittlung geht, und dass die nicht nur in einer Führung, sondern auch vorher und nachher bzw. “dazwischen” stattfinde. Ab dem Zeitpunkt, ab dem klar war, dass sie angestellt werden, sei die Höhe der Gagen nicht schwierig zu verhandeln gewesen. Darüber hinaus sei eine Betriebsvereinbarung nötig gewesen, weil der Kollektivvertrag nicht jene Arbeitnehmer:innen umfasse, die am Wochenende arbeiten müssen.
Generell sei es frustrierend zu sehen, wie unterbezahlt man sei. Bisher lag man bei 65% von Fair Pay, so Tristan Sindelgruber (Verein Standbild). Im Bundesministerium gab es offene Ohren für das heurige Projektjahr. Zunächst aber habe man unverändert wie 2012 fördern wollen. „Daraufhin haben wir mitgeteilt, dass wir den Vertrag nicht unterschreiben.” Man habe darauf bestanden, dass das so nicht gehe. Mit Erfolg. Im heurigen Jahr sei man auf 80% gestiegen. „Für uns, die wir davon leben wollen und müssen, ist das sehr angenehm.” Es gehe in die richtige Richtung. Dass wir Zahlen haben, mit denen wir wohin gehen können, um zu fragen “Wieso zahlt ihr das nicht?” sei ungemein wichtig.
David Prieth (p.m.k – plattform mobile kulturinitiativen) erzählte die Geschichte vom Innsbrucker p.m.k. Anfänglich sei es den Betreiber:innen darum gegangen, eine Basisfinanzierung für einen Raum aufzustellen inklusive einer Idee, wie dieser Raum gestaltet sein müsse. Mittlerweile bündle man mit schlanker Verwaltung (nur zwei Angestellte) 35 ehrenamtliche Initiativen, die mit Nachdruck ihrer Arbeit nachgehen. „Wollte man ein Kulturzentrum mit Ganzjahresprogramm finanzieren, müsste man ganz andere Summen in die Hand nehmen”, so Prieth. Durch Fair Pay-Zuschüsse habe man die Gehälter (der Angestellten) auf ein erträgliches Maß erhöhen können. „Aber es haben sich über die Jahre viele Leute ausgebeutet und für Ferialarbeitslöhne gearbeitet.”
Morgana Petrik (Komponistin und Leiterin der ÖGZM) sprach abschließend eine große Gratulation an alle Beteiligten aus und wünschte viel Glück und viel Kraft, „damit die restlichen fünf Bundesländer folgen. Wenn wir zusammenhelfen, dann wird es gelingen.” Der Tiroler Weg zeige, wo es hingehen soll. Für Veranstalter:innen sei es u.U ratsam, ein Konzert weniger zu veranstalten und dafür fair zu zahlen.
Elisabeth Mayerhofer (Mitarbeiterin aus dem Büro Kaup-Hasler) bezeichnet die Initiative als eine „super Handreichung für all das, was die Stadt Wien mache, um zu einer faireren Bezahlung zu gelangen”, etwa durch angehobene Budgets. Die Mittel wurden in Wien zuletzt von 224 auf 338 Mio. und damit um 50% erhöht. „Daran sollte sich auch der Bund orientieren.”
Abschließend wurde noch die Idee diskutiert, einen europäischen Fairness-Prozess einzuleiten bzw. die Diskussion dazu anzustoßen. Eva-Maria Bauer bremste allerdings die aufkeimende Euphorie, nach österreichischem Vorbild europäische Hebel in Bewegung zu setzen. Da sie bereits mit europäischen Institutionen wie dem European Music Council gesprochen habe, wisse sie um die großen wettbewerbsrechtlichen Bedenken „gegenüber dem, was wir jetzt haben.” Das sei auf europäischer Ebene höchst umstritten. „Viele trauen sich nicht einmal unsere Empfehlungen zu veröffentlichen.” Viel an Bedenken müsse da noch ausgeräumt werden, um weiterzukommen.
Der Reader ist alsbald bei den Interessenvertretungen verfügbar – solange der Vorrat reicht, zur freien Entnahme. Eine digitale Version steht dann auch als PDF zum Download bereit.