Auf ihrem mittlerweile vierten Album „Was morgen is“ (non food factory) widmet sich die Formation WIENER BRUT den großen und kleinen Geschichten des Lebens. Es geht um Liebe, Tod und andere einschneidende und prägende Erlebnisse, mit denen sich die Menschen auseinandersetzen müssen. Wie immer spielt bei KATHARINA HOHENBERGER und ihrer Combo bei der Aufarbeitung der Dinge, die in einer kunstvollen musikalischen Verbindung von Wienerlied, Jazz, Chanson und Pop passiert, immer auch Humor eine große Rolle. Im Interview mit Michael Ternai erzählt die Sängerin und Musikerin KATHARINA HOHENBERGER über die stilistische Breite des WIENER-BRUT-Sounds, die Wichtigkeit von Witz in ihren Texten und ihre Gabe, Leute zusammenzubringen.
Wiener Brut hat ja damals noch mit deinem Vater als echte Wienerlied-Combo begonnen. Mittlerweile geht die Musik der Band aber über die reine Interpretation des Wienerlieds aber hinaus.
Katharina Hohenberger: Mit der Entscheidung meines Vaters, sich aus der Band zurückzuziehen, war es notwendig geworden, die Band neu aufzustellen und zu besetzen. Gott sei Dank kannte ich Johannes Münzner damals schon. Er spielte schon bei meinem Vater da und dort Mal Akkordeon. Ich fragte ihn einfach, ob er nicht vielleicht auch bei mir spielen will. Er hat zugesagt, was sich heute als ein echter Glücksfall herausstellt, weil wir beide wirklich sehr gut miteinander harmonieren. Bei Bernhard Osanna, unserem Kontrabassisten, war es ein wenig ähnlich. Auch er hat davor schon ein paar Mal mit meinem Vater zusammengespielt. Schließlich ist dann noch Jürgen Groiss hinzugekommen. Der streicht seitdem bei uns die Snare-Drum. Diese ganze Umbesetzung fand, glaube ich, so 2018 statt. Mit ihr veränderte sich klarerweise auch der musikalische Fokus ein wenig.
Musikalisch zeigt sich das Album sehr abwechslungsreich und vielschichtig. Es bewegt sich in viele verschiedene Richtungen. Ist diese stilistische Breite bewusst gewählt, oder einfach passiert?
Katharina Hohenberger: Die Lieder entstehen bei mir in der Regel aus Alltagssituation bzw. aus Dingen, die mich gerade beschäftigen, heraus. Dass das Album musikalisch so abwechslungsreich ist, kommt wahrscheinlich daher, dass ich mir schon viele Gedanken darüber mache, welche Melodien wirklich am besten zu meinen Geschichten passen und über welches Genre meine Texte am besten transportiert werden. Da ich aus dem Jazz komme, ist es natürlich klar, dass von diesem auch etwas in meinen Liedern drinnen ist. Gleichzeitig auch das Wienerlied, das ist schließlich die Tradition, mit der ich groß geworden bin. Eine Rolle spielt auch das Bukowina-Chanson, bei dem eher der Text im Vordergrund steht und nicht so sehr die Melodie. Generell würde ich sagen, dass unsere Musik, die wir jetzt machen, schwer in eine einzelne Schublade passt.
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Wieweit spielt Austropop bei euch eine Rolle? Ein gewisser Einfluss ist da nicht von der Hand zu weisen.
Katharina Hohenberger: Natürlich spielt auch der eine gewisse Rolle. Ich war als Kind ein großer Rainhard-Fendrich-Fan. Das ist zwar jetzt nicht mehr so, aber die alten Platten von ihm finde ich immer noch gut. Georg Danzer liebe ich auch. Manchmal singe ich auch Lieder von ihm. Das sind mit Sicherheit Sachen, die mich schon geprägt haben. Einzig von Wolfgang Ambros war ich nie wirklich ein Fan, auch wenn mir ein paar Lieder von ihm schon gefallen. Von den österreichischen Damen war Birgit Denk eine der ersten, die ich bewusst wahrgenommen habe. Jemand, der mich sehr geprägt hat, war die mittlerweile leider verstorbene Jazzsängerin und Komponistin Conny Giese, bei der ich gelernt habe. Sie hat nie probiert, mich in eine Schublade zu stecken, sondern hat gesagt, dass ich in die Richtung gehen soll, wo ich mich wohlfühle.
„Mit dem Text kommt dann in der Regel die Melodie.“
Die Lieder des Albums sind in den letzten beiden Jahren entstanden. War ein Album von Anfang an ein bewusstes Ziel?
Katharina Hohenberger: Dass ich mich jetzt bewusst hingesetzt und gesagt habe, dass ich jetzt ein Album mache, würde ich jetzt nicht sagen. Die Lieder sind im Laufe der Zeit entstanden. Die meisten während der zwei Jahre Pandemie. Wenn ich aber das Gefühl habe, ich könnte etwas schreiben, setze ich mich schon sehr bewusst hin. Und da suche ich mir zunächst ein passendes Thema, zu dem ich dann einen Text verfasse. Mit dem Text kommt dann in der Regel die Melodie.
Der Text gibt also die musikalische Richtung vor.
Katharina Hohenberger: Jein. Der Text bringt mich hin zu einer Melodie. Das Endarrangement eines Liedes passiert dann aber schon in der Gruppe. Meine Mitmusiker sind schon sehr gut darin, dem Ganzen die passende Richtung zu geben. Sie wissen, wo zum Beispiel ein Akkordeon in den Vordergrund treten soll, damit ein Lied wirklich funktioniert. Ich bin den Ideen der anderen gegenüber sehr offen. Da gibt es keine Vorgaben von mir.
Siehst du dich eigentlich eher als Texterin, die Musik macht, oder als Musikerin, die Texte schreibt.
Katharina Hohenberger: Das ist nicht so leicht zu beantworten. Früher hätte ich gesagt, dass ich einer Musikerin näher bin. Heute würde ich sagen, dass ich eher eine Texterin bin, die Musik macht. Ganz allein schon aus dem Grund, weil mir die Texte sehr wichtig sind.
„Ich will mit dem Lied die Leute, die von all den Ereignissen etwas gelähmt sind, ein wenig wachrütteln.“
Was deine Texte ausmacht ist, dass sie immer auch ein Augenzwinkern mit dabei ist. Auch wenn die Thematik manchmal keine unernste ist. „Coronicals“ zum Beispiel ist eine recht humorvolle Aufarbeitung des Themas Corona.
Katharina Hohenberger: Witz in meinen Texten ist mir generell sehr wichtig. Und Corona hat sich auch gut als Thema angeboten. Die Pandemie und ihre Auswirkungen waren ja nicht enden wollend und haben die Menschen natürlich mehr und mehr belastet. Ich wollte aus der Situation aber trotzdem irgendwie einen Witz herausholen. So nach dem Motto: Es ist im Moment zwar nicht ganz einfach, aber auch nicht so schlimm. Ich habe bei „Coronicals“ einfach versucht, aus dem Lustigen heraus zu texten.
Zu dem Lied „A Achtl“ ist es gekommen, weil mir aufgefallen ist, dass wir als eine dem Wienerlied zugeneigte Combo bislang noch kein Lied über den Tod haben. Ich dachte mir, dass es Zeit ist, dies zu ändern. Mir ist die Idee gekommen, über berühmte Persönlichkeiten zu schreiben, die auf skurrile Weise zu Tode gekommen sind. Auch „Was morgen is“, der Titel des Albums, stammt aus diesem Lied. Ich finde, dass nach all diesen Jahren und im Angesicht der Zeit, in der wir jetzt leben und wir nicht wirklich wissen, wie es weitergeht, wir uns dennoch nicht vor der Zukunft fürchten sollten, sondern versuchen sollten, mutig zu bleiben. Ich will mit dem Lied die Leute, die von all den Ereignissen etwas gelähmt sind, ein wenig wachrütteln.
Es sind aber auch sehr persönliche Lieder auf dem Album zu finden. Wie etwa „Abflug“. In dem geht es um Kinder, die größer werden. Das habe ich für meine beiden Töchter geschrieben. Das ist wirklich ein ganz persönliches Lied, weil ich auch in meinem Umfeld merke, wie schwer es manchen fällt, ihre Kinder ziehen zu lassen. Aber man muss die Kinder fliegen lassen.
Das spricht alles für eine positive Grundeinstellung von dir.
Katharina Hohenberger: Ja, ich denke schon positiv und bringe auch gern Leute zusammen. Man hat mir auch einmal gesagt, ich solle doch eine Wirtin werden, aber das ist nichts für mich [lacht]. Aber wir veranstalten viele Feste. Wir sind so eine Art Ort, an dem viele zusammenkommen.Ich glaube, das ist eine Gabe, die ich habe. Auch wenn es manchmal vielleicht etwas stressig ist, es ist immer etwas Besonderes, diese Begegnungen geben mir die Kraft weiterzumachen.
Du hast vorher kurz einmal Birgit Denke erwähnt. Sie war mit eine der ersten, die den deutschsprachigen Dialekt im Pop wieder salonfähig gemacht hat. Aber viel später wart ihr mit Wiener Brut auch nicht dran. Wenn man die Akzeptanz der Wiener Dialektmusik heute ansieht, da hat sich in der letzten Dekade schon sehr, sehr viel getan.
Katharina Hohenberger: Ja, da ist man früher schon auch mal schief angeschaut worden. Aber das hat sich mittlerweile wirklich geändert. Ich mache mit Einedrahn ja auch eine Konzertreihe eben mit dem Fokus auf Musik aus Wien. Als ich etwa vor etwa sieben Jahren mit dieser begonnen habe, war ich eine der wenigen, die monatlich etwas gemacht hat. Da hat sich veranstaltungstechnisch irrsinnig viel getan. Es gibt heute viel, viel mehr Bands, die in Mundart singen.
Ich selber habe viel von der Dialekt- und Mundartmusik über meinen Vater, der diesbezüglich wiederum von seinem Vater geprägt war, mitbekommen. Gesungen habe ich in die Richtung aber lange nicht. Erst als ich etwas älter war, begann ich mich dafür zu begeistern. Vielleicht muss man auch etwas älter sein, um die Musik und die Texte verstehen zu können. Mit 17 oder 18 findet man, glaube ich, die Texte und deren Wortwitz noch gar nicht so lustig. Ich habe erst so mit 25, 26 richtig Zugang gefunden, weil ich auch gemerkt habe, dass sich die Musik auch schauspielerisch auf der Bühne sehr gut darstellen lässt. Da ich auch vom Schauspiel komme, war das eine gmahde Wiesn für mich.
Herzlichen Dank für das Interview.
Michael Ternai
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