„Wir wollten uns laut und kompromisslos zurückmelden“ – 5K HD im mica-Interview

5K HD haben 2017 mit ihrem Debütalbum „And to an A“ eine „wall of sound“ erschaffen, die sich stilistisch von Klassik über Elektronik, Jazz bis hin zur Popmusik erstreckt. „High Performer“ heißt nun ihr neues Album. 5K HD sind die Sängerin MIRA LU KOVACS gemeinsam mit dem KOMPOST 3 Trio BENNY OMERZELL, MANU MAYR, MARTIN EBERLE und neuerdings ANDREAS LETTNER. Eine Formation mit dem Ausgangspunkt, nicht nur die unendlichen Weiten der Musik, sondern auch die des Menschen zu erforschen. Ihr neues Album „High Performer“ ist am Anfang September bei fiveK Records erschienen und geht gewohnt subtil, sphärisch, aber doch eine Spur zugänglicher gesellschaftlichen Phänomenen auf den Grund. Im mica-Interview mit Julia Philomena Baschiera sprach die Band von Leistungsdruck und Schnelllebigkeit, über das Klischee der klassischen Frontfrau und dem Publikum, das in der Klangwolke schwebt.  

„High Performer“ heißt das neue Album, also quasi „Übermensch“ der Wirtschaftswelt. Spielt hier Ironie eine Rolle, zumal nicht nur das Cover, sondern auch der Song selbst eigentlich sehr melancholisch, sanft und schwermütig sind? Was war hier inhaltlich der Zugang?

Mira Lu Kovacs: Die Interpretation ist schon sehr vollständig! Der Begriff „High Performer“ war zu Beginn nur ein Arbeitstitel für eine Nummer auf dem Album. Der wurde dann textlich verarbeitet und hinterfragt. Wir sind draufgekommen, dass man uns, jeden Einzelnen der Band, immer wieder als einen dieser High Performer sehen könnte. Beziehungsweise versuchen wir unsere eigene Lebenskonstrukte und das System, in dem wir arbeiten und leben, zu erkennen und hinterfragen. Wir sehen das als etwas äußerst Problematisches, sich dem wachsenden Leistungsdruck und der Schnelllebigkeit gar zu sehr hinzugeben. Man sollte eigentlich aus Protest stehen bleiben und sein Leben streiken. Worum dreht sich denn der ganze Fuzz in Wahrheit? Ich glaube, wir haben uns die jeweiligen Antworten sehr geschickt zusammengeschustert. Der melancholische Hundeblick auf dem Cover ist vielleicht etwas (Selbst-)Mitleid.

„Uns ist wichtig, sich immer über die Rolle sehr bewusst zu sein, die man in diesen Rädchen spielt.“

Welchen Bezug habt ihr selbst, als Künstler und Künstlerin im alternativen Bereich, zur Wirtschaft und der Business-Welt? Welche Erfahrungen sind oder waren prägend? Wie steht ihr selbst zu Perfektionismus oder zur „high performance“? 

Mira Lu Kovacs: High Performance würden wir nicht unbedingt mit Perfektionismus gleichsetzen. Möglichst viel möglichst schnell leisten, möglichst wenige Erschöpfungserscheinungen vorweisen. Das ist High Performance.  Perfektionismus ist, wenn man eine Vision hat und die nicht loslassen kann, bis der Versuch nicht sehr, sehr nahe an die Vision, die man hat, heranzukommen. Uns ist wichtig, sich immer über die Rolle sehr bewusst zu sein, die man in diesen Rädchen spielt. Wenn man mitspielt, sollte man wissen, wie es funktioniert, wie man die Kontrolle über sein geistiges Eigentum behält, es gezielt nutzt, dass es nicht ausgebeutet und alles nur noch eine Produkthascherei wird.

Euer erstes Album war ein intuitives Live-Album, ein in sich stimmiger Sog. Ihr meintet schon in anderen Interviews, ihr habt für das Neue gezielter gesucht, gefeilt, eine Vision umgesetzt. Was war das für eine Vision und welche Rolle hat Angst oder Vorsicht dabei gespielt?

Mira Lu Kovacs: Es gab jedenfalls Visionen. Mit Ängsten konnte ich mich persönlich zum Glück nicht so viel auseinandersetzen, da ich mich dieses Jahr mit so vielen Projekten abgelenkt habe, dass das Schreiben für 5KHD wie eine musikalische Spielwiese gewesen ist. Aber trotzdem, es war sehr viel Arbeit, so genau in sich hinein zu hören und herauszufinden, was der neue, gemeinsam weiterentwickelte Sound ist. Das Problem des zweiten Albums war aber gar nicht präsent. Daran haben wir, glaube ich, gar nicht so sehr gedacht. Wir wollten generell herausfinden, was da noch in unserem gemeinsamen Ideentopf steckt.

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„Ich denke auch, dass mit `High Performer´ wieder eine sehr breite Palette abgebildet wird.“

„High Performer“ ist stimmig wie das erste Album, trotzdem sind die Nummern unterschiedlicher, stehen mehr für sich. War das ein Ziel? Gab es – abgesehen von euch – beispielsweise auch vom Management Inputs oder Wünsche, in welche Richtung sich die Band entwickeln soll oder könnte?

Manu Mayr: Ich denke auch, dass mit „High Performer“ wieder eine sehr breite Palette abgebildet wird. Von außen redet da aber niemand mit.  Die künstlerische Produktion, also Sound und viel Arrangement, habe ich gemeinsam mit Maximilian Walch, alias Monophob, gemacht. Wir haben sehr viel experimentiert. Max hat eine unglaubliche Expertise was Details angeht, so konnten wir dem ganzen Album mit einer Art Konzept-Sound-Design einen roten Faden verleihen. Einzelne Nummern sind noch eigenständiger geworden, insgesamt wirkt das Album unserem Empfinden nach momentan aber noch mehr aus einem Guss im Vergleich zu „Ant To In A“.

Ihr habt mittlerweile viele Konzerte hinter euch und seid als Band wahrscheinlich gut eingespielt. Inwiefern ändert das die Live-Show? Gibt es noch Raum für Improvisation oder arbeitet ihr mittlerweile im Studio und auf der Bühne fast mathematisch? 

Manu Mayr: Gerade mit den neuen Songs gibt es wieder ganz viel Platz im Kopf und auf der Bühne, die Formen aufzubrechen und an manchen Stellen zu „jammen”. Das ist einfach etwas, was ungemein Spaß macht und einen Song noch mehr aufreißen kann, wenn man gerade spürt, dass er das braucht.

Mira, du kommst verglichen zu deinen Kollegen nicht vom Jazz, sondern vom klassischen Songwriting, bist außerdem die einzige Frau in der Band. Wie geht ihr mit den beiden Faktoren um beziehungsweisen welchen Stellenwert haben sie? 

Manu Mayr: Zuerst mal denke ich, dass sich in unserem Fall Songwriting und Jazz als Spielhaltung, nicht als Genre, sehr nahe liegen. Für uns ist es eine ganz logische, oder besser noch, eine natürliche Konsequenz, diese Formen und Klänge zu kombinieren. Das ist für uns ein wesentlicher Teil unserer Arbeit, beziehungsweise ein Grund dafür, überhaupt zusammen zu arbeiten. Ich denke, dass wir in der Band prinzipiell gute Gespräche führen. Auch darüber, was es bedeutet, in dieser Art von Kollektiv die einzige Frau zu sein. Gewissen Klischees entkommen wir nur schwer. Anfangs wollten wir mit dem klassischen Frontfrau und Band Bild brechen. Dazu haben wir unsre Aufstellung auf der Bühne hinterfragt und versucht, ein Sound-Kollektiv wahrnehmbar zu machen. Aber als ZuhörerIn ist die Stimme ganz selbstverständlich der erste Bezugspunkt. Das haben wir jetzt auch verstanden und pushen Mira gern nach vorn, wo sie sich als Performerin, Sängerin und an der Elektronik sichtlich wohlfühlt. Es fühlt sich einerseits so an, als würden wir dem gesellschaftlichen Druck nachgeben, andererseits stimmt die Energie für uns als Performerinnen auf der Bühne besser so.

In dem Musikvideo zu „Crazy Talk“ spielt ihr, denke ich, ganz klar und bewusst mit Rollenbildern, zumal du, Mira, ja nicht nur im Video vorkommst sondern auch Co-Regie geführt hast. Ist das ein Song, der besonders dir, oder allen wichtig war? Kommt der Text immer von dir, oder gibt es inhaltlich Themen, die euch alle gleichermaßen beschäftigen? 

Mira Lu Kovacs: Ja, die Texte sind immer von mir. Sie sind auch immer eher abstrakt, was sie von klassischen Popsongstrukturen auch hier wieder abgrenzt. Wobei in „Crazy Talk“ für uns ungewöhnlich klare Aussagen getroffen werden. Wie „Crazy Talk from a pessimist. You call yourself a realist? You say the best part is over and the rest is noise.” Das erzählt von einer hoffnungslosen Pessimistin. Die Stimme im Lied muntert auf und spendet Trost, sagt „Maybe you can’t see it now, but give it a minute” und so weiter. Da ich einen Hang zu dramatischen Szenarien habe, fand ich’s schön, einen Song als Single auszuwählen, der eine positive, motivierende Stimmung verbreitet.

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„In, Out“ war die erste Single, die ihr vom neuen Album bereits im April 2019 veröffentlicht habt. Könnt ihr da den Grund schildern? Die Nummer ist laut, unruhig, wirkt wie eine klare Ankündigung. Nicht nur in puncto Video ist sie, finde ich, ernster als andere Nummern von euch. Was verhandelt ihr denn da?

Mira Lu Kovacs: Das war schon absichtlich. Wir wollten uns laut und kompromisslos zurückmelden. Der Song ist auch inhaltlich brutal: mit dem Satz „There is enough room for both of us, but I want all of it” wollte ich mich mit meinen Privilegien beschäftigen. Und mir ins Bewusstsein rufen, wie jede meiner kleinsten Handlungen im Leben entscheidet, ob ich mich vom System entweder bevorzugen, trotzdem kontrolliert, oder ausbeuten lasse. Nicht, dass wir in so einer einfachen Welt leben würden, wo es entweder das Eine oder das Andere gibt, aber ich denke ‘wir’, die Mittelschicht, sitzen nicht am kürzesten Ast. Jedenfalls sind wir Teil einer kapitalistischen, egoistischen Welt und ich habe sicher noch nicht genug dazu beigetragen, dass sich das ändert.

„Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass man es sich als Mensch, der auf diesem Planeten lebt, mit anderen Menschen, nicht leisten kann, unpolitisch zu sein.“

Die neuen Nummern sind für mich, fast noch mehr als bei „And to in A“, politisch, zwar gewohnt poetisch und subtil, aber trotzdem sehr klar, wie „How Can I Be your friend today“ oder „Crazy Talk“ zum Beispiel. Ist euch das wichtig, Stellung zu beziehen? Inwiefern hat (Partei)Politik in eurer Band Platz, wo sind die Grenzen (zwischen Stellungnahme und Gefühlswelt verarbeiten)? 

Mira Lu Kovacs: Eben genau da, denke ich. Ich habe kein Problem damit, mich politisch zu äußern, ganz ohne Abstraktionen. Aber in der Musik finde ich es spannend, gewisse Dinge und Erfahrungen poetisch-lyrisch und emotional zu verweben. Das gefällt mir persönlich ästhetisch besser als Parolen. Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass man es sich als Mensch, der auf diesem Planeten lebt, mit anderen Menschen, nicht leisten kann, unpolitisch zu sein.

5K HD Hanna Fasching
5K HD (c) Hanna Fasching

Unabhängig von Parteipolitik: wie steht ihr zu eurem Publikum? Gibt es Reaktionen, die für euch nicht okay wären? Verlangt eure Musik eine Aufmerksamkeit und Konzentration? Beziehungsweise wünscht ihr euch, dass bei den Konzerten? Oder darf und soll sich jede/jeder so verhalten, wie er oder sie möchte? 

Benny Omerzell: Wir sind seit unserem Bestehen eigentlich nie wirklich mit unangenehmem Publikum konfrontiert gewesen. Ganz im Gegenteil, selbst auf großen Open Air Bühnen, wo es vor der Bühne schon mal chaotisch zugehen kann, wurde uns sehr aufmerksam zugehört und im intimeren Rahmen sowieso. Im Kontext des gesunden Anstands darf und soll sich unser Publikum aber natürlich so verhalten, wie es sich am wohlsten fühlt. Am schönsten ist es für uns jedenfalls, wenn die ZuhörerInnen gemeinsam mit uns in die Musik eintauchen. Egal ob ausgelassen tanzend oder ruhig in der Klangwolke schwebend. Hauptsache es sind nach dem Konzert alle Beteiligten in irgendeiner Form bereichert worden.

Bei euren Konzerten stülpt sich die Musik nach 2 Sekunden wie ein Mantel über das ganze Publikum und es fällt – wie bei einem guten Film – in eine neue Welt hinein … weil die Musik, trotz Pop-Elementen oder klassischen Strukturen, doch sehr atmosphärisch, abstrakt ist. Spielt das Visuelle als Inspiration/Einfluss eine Rolle? 

Benny Omerzell: Es ist immer schön zu hören, dass unsere Musik so wahrgenommen wird, da die visuelle Ebene für uns schon eine sehr große Rolle spielt. Es ist allerdings nicht unbedingt so, dass wir vorgefertigte Bilder oder Eindrücke vertonen wollen, vielmehr wollen wir vielschichtige Klangwelten erschaffen, die dann jeder und jedem als Soundtrack für das persönliche Kino im Kopf zur Verfügung stehen.

Wie funktioniert generell euere Arbeitsweise? Gibt es gemeinsame Filmabende, Ausflüge, Reisen oder passiert das Wesentliche im Kopf und im Studio? 

Benny Omerzell: Abgesehen von der ausgiebigen Zeit, die wir musikalisch und privat miteinander verbringen, sind auch die individuellen Erfahrungen die jede/r von uns in anderen künstlerischen Projekten oder im Privatleben macht, ein wesentlicher Bestandteil unserer Entwicklung als Band. Unsere Arbeitsweise und unsere Musik sind daher ein stetig fortlaufender Prozess, was vielleicht sogar eine unserer größten Qualitäten ist.

Es kommt der Herbst, die Konzert-Tour und die Nationalratswahl. Was wünscht ihr euch für das Album, die Band, die Zukunft? 

Benny Omerzell: Natürlich wünschen wir uns mit dem neuen Album viele neue und alte ZuhörerInnen zu erreichen und sie für unsere Musik begeistern zu können. Und da wir in nächster Zeit schon sehr viel unterwegs sein werden, wünsche ich mir für die konzertfreien Tage und strahlendes Wetter, weil mich Herbstspaziergänge herrlich entspannen. Und was die allgemeine Zukunft angeht: Auch wenn es alles andere als rosig ausschaut, will ich die Hoffnung nicht aufgeben, dass wir Menschen es doch bald schaffen, uns wieder anzunähern und erkennen werden, dass wir im selben Boot sitzen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Julia Philomena

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5K HD live
18.10.19 Salzburg, Jazz & The City
24.10.19 Innsbruck, Treibhaus
25.10.19 Dornbirn, Spielboden
29.10.19 Wien, Arena
30.10.19 St. Pölten, Cinema Paradiso
31.10.19 Graz, Orpheum
01.11.19 Linz, Ahoi Pop Festival, Posthof

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