„Wir wollten nicht nur für uns eine Plattform gründen, […] sondern auch für andere junge FLINTA*-Künstler*innen, die wir so auf die Bühne holen können“ – MISCHA BETON und DJ HILL (PUSH NETWORK) im mica-Interview

Da seitens Politik und Institutionen zu wenig in Sachen Gleichberechtigung und Diversität passiert, bilden immer mehr und mehr Künstler*innen eigene Netzwerke, um Aufmerksamkeit auf sich zu richten, sich gegenseitig zu unterstützen und zu vernetzen. In Österreich gibt es nun auch ein Netzwerk, dass speziell den Vernetzungsgedanken in der DJ-Szene, vor allem im Harten Techno, im Fokus hat: PUSH Network für FLINTA*-DJs. Die vier Gründerinnen MISCHA BETON, DJ HILL, CANICHE und VIOLETTA leisten seither Aufklärungsarbeit auf Instagram, kuratieren einen Podcast und bieten auch beratende Tätigkeiten an. Itta Francesca Ivellio-Vellin traf MISCHA BETON und DJ HILL zum Gespräch.

Versteht ihr euch eher als Künstler*innen-kollektiv oder Netzwerk?

Mischa Beton: Kollektiv wollen wir eigentlich gar nicht genannt werden, also definitiv Netzwerk. Es gibt Kollektive wie Sand am Meer, aber der Gründungsgedanke von Push war, FLINTA*s zusammenzubringen und sich auszutauschen. Das Netzwerk ist eine unserer zwei Säulen, die andere ist harten Techno auf die Floors zu bringen.

Also, geht es bei PUSH auf der einen Seite um das Genderspezifische und auf der anderen Seite um das Genrespezifische, verstehe ich das richtig?

Mischa Beton: Genau.

Seit wann gibt es euch?

Mischa Beton: Anfang 2020 habe ich gemerkt, dass viele FLINTA*s beginnen, aufzulegen und viele auch eher harten Techno spielen. Und ich wurde oft gefragt, ob ich female DJs empfehlen könnte. Also, die Nachfrage stieg, quasi. Dann habe ich begonnen, mich in meinem privaten Netzwerk umzuhören und dann haben wir auch relativ schnell eine Gruppe gegründet. Da hat es dann auch bald die ersten Netzwerktreffen gegeben. Da hat sich herauskristallisiert, für wen das ernst ist, und wer nicht unbedingt professionell auflegen möchte. Unter den Frauen, die ich da zusammengetrommelt habe, waren eben DJ Hill, Caniche und Violetta. Wir waren richtig motiviert, das professionell aufzuziehen. Gemeinsam haben wir uns den Namen PUSH überlegt, und betreiben das Netzwerk jetzt zu viert. Seit eineinhalb Jahren gibt es uns jetzt und wir sind relativ schnell bekannt geworden, auch über die Grenzen hinaus. Wir haben nach kurzer Zeit Anfragen von allen relevanten Clubs in Wien bekommen sowie von einigen Radioshows und Magazinen, sei es für Gigs, für beratende Tätigkeiten oder für Talks und Interviews.

DJ Hill, was war deine Motivation, bei PUSH einzusteigen?

DJ Hill: Ich war davor Teil eines kleinen Kollektivs, das sich irgendwie plötzlich aufgelöst hat. Ich wollte auch einfach mehr auflegen und finde, dass FLINTA*s in der harten Techno-Szene viel zu wenig repräsentiert sind und viel zu wenige Chancen bekommen, weil sie oft nicht ernst genommen werden. Deshalb freue ich mich, Teil von PUSH sein zu dürfen.

Mischa Beton: Ja, wir machen das ja natürlich alles in unserer Freizeit. Umso großartiger ist es, dass sich das Netzwerk so toll entwickelt hat. Ich bin jetzt im November Mama geworden und war in Mutterschutz, da mussten die anderen mich vertreten, und auch das hat super geklappt. Wir bekommen mittlerweile so viele Anfragen, dass wir nicht mal alle wahrnehmen können bzw. auch nicht wollen. Da kommt natürlich wieder der Netzwerk-Gedanke ins Spiel. Wir wollten nicht nur für uns eine Plattform gründen, auf der wir uns als DJs promoten können, sondern auch für andere junge FLINTA* Künstler*innen, die wir so auf die Bühne holen können. Und wichtig ist auch der Austausch. Wir haben ja alle eines gemeinsam: Wir sind FLINTA*s in einer Szene, deren Line-ups großteils aus cis-Männern bestehen. Wir erleben es alle, dass wir im Club stehen, und uns dann von einem cis-Mann anhören müssen, wie es denn eigentlich gemacht werden sollte oder wie es besser klingen würde. Teilweise wird uns auch in den Mixer gefasst. Wobei das manche Männer auch untereinander machen. [lacht]

Ihr hattet ja auch einen Open Call, kannst du kurz erzählen, worum es da ging?

Mischa Beton: Ja genau, vor einem Jahr. Wir wollten unser Netzwerk ausbauen und andere FLINTA* DJs promoten. Die Leute haben sich auch aus ganz Europa gemeldet und uns Soundproben geschickt, denn es ist uns schon auch wichtig, dass wir in unserem Genre – harter Techno – bleiben. Mittlerweile gibt es auch regelmäßig internationale Netzwerk-Meetings, das ist alles grade im Kommen.

Push Network Logo
Push Network Sujet

DJ Hill: Der Open Call läuft aber immer noch! Wir sind immer offen für neue Mitglieder.

Mischa Beton: Genau. Wir sind momentan knapp 30 Leute aus ganz Europa und haben auch einen Podcast, in dem wir alle vorstellen. Der ist tatsächlich auch schon bis Herbst ausgebucht! [lacht]

Also habt ihr das Netzwerk für den Austausch, den Podcast, eine Plattform zum Promoten – habe ich etwas vergessen?

DJ Hill: Wir versuchen auch, Aufklärungsarbeit über Social Media zu leisten. Warum sollte man zum Beispiel eher nicht DJane sagen, was bedeutet der Ausdruck FLINTA*, wie gehe ich mit Sexismus im Club um, und so weiter.

Mischa Beton: Das kommt auch extrem gut an. Wir waren komplett geschockt, als unser Post zum Thema DJane von knapp 30.000 Personen gesehen und von über 800 Personen gespeichert wurde! [lacht] Das hat uns einen starken Aufschwung gebracht. Aber das zeigt, wie viele Personen wir auch ansprechen.

Ich kenne den Post, aber erklärt nochmal: Was ist das Problem mit dem Ausdruck DJane?

Mischa Beton: DJ ist genderlos – das ist eine Tätigkeitsbezeichnung, das war’s. Da muss nicht künstlich eine „Jane“ hinzugefügt werden, um zu unterstreichen, dass da eine weibliche Person dahintersteht. Es spielt keine Rolle, welche Person da oben steht und auflegt. Es gab ja Diskussionen unter dem Post – eine Person meinte, dass es gut ist, „DJane“ auf’s Line-Up-Plakat zu schreiben, damit man erkennen kann, wie viele weibliche DJs auftreten. Das war wohl der Ursprungsgedanke. Aber ich finde das Geschlecht eines*r Künstler*in irrelevant.

Dadurch würde man aber auf einen Blick erkennen, ob der Club bzw. der*die Booker*in auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis geachtet hat.

Mischa Beton: Das sollte sowieso normal sein!

„Ich habe auch schon öfter gehört, ich solle einfach meine Brüste auspacken, dann wäre es egal, was für eine Musik ich spiele, das würde dann schon passen.“

Wenn es das wäre, bräuchte es wohl kein PUSH Netzwerk… Vorher meintet ihr, dass euch Männer physisch beim Auflegen reingreifen würden. Habt ihr mal erlebt, dass das FLINTA*s tun?

Mischa Beton: Naja, üblicherweise bin ich die einzige Frau da oben [lacht]! Zumindest vor PUSH. Aber nein, von FLINTA*s habe ich noch nie derartige Aktionen oder Kommentare erlebt.

DJ Hill: Ich habe das Gefühl, dass sich cis-Männer da einfach überlegen fühlen. Da kommen schnell Bemerkungen wie „Schatzi, mach mal so“ – ein Barkeeper hat mal zu mir gesagt, ich solle nicht so hart spielen, er hätte schon Kopfweh. Ich habe auch schon öfter gehört, ich solle einfach meine Brüste auspacken, dann wäre es egal, was für eine Musik ich spiele, das würde dann schon passen.

Mischa Beton: Ich musste einen Gig mal abbrechen, weil der Location-Betreiber meinte, der Sound passt gerade nicht. Das wurde mir während des Spielens dann von zwei mir unbekannten Männern mitgeteilt, nämlich von den zwei DJs die nach mir spielen sollten. Das war absolut unprofessionell und hat denen natürlich gut in den Kram gepasst, weil dann konnten sie endlich an den Mixer um im Grunde eh einen ähnlichen Sound zu spielen. Diese „Geilheit” von Männern an den Decks zu stehen: Das beobachte ich schon lange. Frauen sind da viel zurückhaltender, auch wenn sie mehr auf dem Kasten haben. Und genau deshalb braucht es Initiativen wie das PUSH Netzwerk.

„Ich musste einen Gig mal abbrechen, weil der Location-Betreiber meinte, der Sound passt gerade nicht.“

Ich höre öfter, dass sich FLINTA*s, vor allem am Anfang ihrer Karriere, zurückhalten, was Kleidung angeht, um möglichst ernst genommen zu werden. Habt ihr damit Erfahrung?

DJ Hill: Ja, das war auf jeden Fall auch mal der Gedanke bei mir, als ich begonnen habe, aufzulegen. Da habe ich mich nicht getraut, irgendetwas mit Ausschnitt zu tragen, weil ich eben ernst genommen werden wollte. Mittlerweile, wo wir in großen Clubs auflegen, wo auch Sex Positive Partys stattfinden, ist das aber kein Thema mehr. Wenn ich Lust habe, in einem kinky Outfit aufzutreten, mach ich das, wenn ich Lust habe, einen Rollkragenpulli anzuziehen, mache ich das auch. Es ist kein Hintergedanke mehr da, was andere Leute von mir denken.

Gibt es eine Stadt in Europa, in der die Szene für FLINTA*-DJs offener ist? Gibt es da irgendwie ein progressives Vorbild?

Mischa Beton: Vielleicht Hamburg. Ist aber nur so ein Eindruck. Bin da aber nicht am neuesten Stand.

Danke für das Interview!

Itta Francesca Ivellio-Vellin