"Wir wollten ganz bewusst keine `verkopfte` Platte machen" – The Beth Edges im Interview

 The Beth Edges
The Beth Edges (c) Julie Brass

The Beth Edges wurden 2007 in Linz gegründet und sind seitdem mit ihrem kraftvollen Indie-Pop und -Rock aus der heimischen Alternative-Landschaft nicht mehr wegzudenken. Die vier Mitglieder Tobias Gruenzweil (Gitarre, Gesang), David Markus Fuehrer (Schlagzeug), Florian Palmsteiner (Bass) und Andreas Födinger (Gitarre) leben mittlerweile alle in Wien und haben mit ihrem neuen, selbstbetitelten Album einige ungewöhnliche Wege bestritten. Clemens Engert traf sich mit Tobias und Andreas zum gemütlichen Stell-Dich-Ein in einem Wiener Café, um unter anderem über den äußerst interessanten Entstehungsprozess des neuen Werkes zu plaudern.

Ihr habt im Zuge der Produktion eures aktuellen Albums eine „Crowdfunding“-Kampagne gestartet. Könnt ihr bitte kurz erklären, wie die Idee entstanden ist und wie ihr das Ganze schließlich in die Tat umgesetzt habt?

Toby: Wir haben bei The Beth Edges eigentlich immer schon versucht, neue Wege zu gehen und gewisse Dinge auszuprobieren. Das war jetzt auch bei diesem Album so. Ein wichtiger Aspekt an der „Crowdfunding“-Kampagne war, dass wir unsere Fans aktiv in den Entstehungsprozess des Albums einbinden wollten – gepaart mit dem positiven Nebeneffekt, dass wir natürlich auch Geld für die Produktion lukrieren wollten, haben wir uns dann einfach dazu entschlossen, das auszuprobieren. In dieser Hinsicht war es natürlich auch praktisch, dass unser Bassist Flo genau zu diesem Thema eine Bachelor-Arbeit geschrieben hatte und so haben wir uns einfach gewisse Angebote für Fans ausgedacht. Da waren dann teilweise ganz persönliche Specials wie Wohnzimmerkonzerte oder Gitarren-Nachhilfestunden beim Andreas dabei.

Kann man sagen, dass das Konzept in künstlerischer und produktions-technischer Hinsicht aufgegangen ist?

Toby: Ja, auf jeden Fall. Am Anfang waren wir ein bisschen unsicher, ob sich das alles so ausgeht, wie wir uns das vorstellen, aber eigentlich wurde die Aktion von vornherein sehr positiv angenommen. Dann wussten wir bald, dass es die richtige Entscheidung war.

Euer neues Album klingt wirklich erstaunlich gut und professionell produziert. Könnt ihr kurz den konkreten Entstehungsprozess beschreiben?

Andreas: Grundsätzlich haben wir das Album ganz alleine produziert. Wir haben uns von einem befreundeten Tontechniker das Equipment ausgeborgt und es dann in ein Haus ins oberösterreichische Ebensee verfrachtet, wo wir uns zu viert für drei Wochen quasi „einkaserniert“ haben. Die Idylle und Abgeschiedenheit dort hat uns extrem gut getan, weil wir uns wirklich auf das Wesentliche konzentrieren konnten und wir von den ständigen äußeren Einflüssen – die man zum Beispiel in Wien hat – wenig bis gar nichts mitbekommen haben. Dieses gemeinsame Zusammenleben und die Teamdynamik, die dadurch entstanden ist, haben uns wirklich inspiriert. Der Produktionsprozess an sich war dann natürlich auch eine gewisse „Trial-and-Error“-Erfahrung, aber genau das war eigentlich auch das Spannende daran.

Toby:
Wir haben uns auch deswegen dafür entschieden, in diesem Haus in Ebensee aufzunehmen, weil auch die Songs ursprünglich dort entstanden waren und der Sound des Raumes einfach so gut zu dem Album-Material gepasst hat, dass wir dort schließlich dann auch das Studioequipment aufgebaut haben.

Ein Neubeginn

Euer aktuelles Album trägt schlicht den Namen „The Beth Edges“ – das klingt sehr danach, als würdet ihr damit eine gewisse Art von Neubeginn in eurer Karriere markieren wollen.

Toby: Ja, es ist in vielerlei Hinsicht so etwas wie ein Neubeginn. Zum einen ist es das erste Album, wo Andreas mit von der Partie ist – zum anderen haben sich auch beim Prozess des Songwritings ein paar Dinge verändert. Wir haben jetzt wirklich teilweise Songs zu viert kreiert, die einfach spontan durch das gemeinsame Zusammenspielen entstanden sind. Früher war halt meist zumindest irgendeine Idee oder ein fast fertiger Song der Ausgangspunkt und wir haben dann gemeinsam daran gearbeitet. Natürlich war auch der Ansatz mit dem „Crowdfunding“ so etwas wie ein Neubeginn für uns – einfach deswegen, weil wir bereits vor der Produktion des Albums den aktiven Kontakt mit den Fans gesucht haben und nicht zuerst ein Album aufgenommen haben und dann geschaut haben, wie es ankommt. Und der bereits beschriebene Produktionsprozess war natürlich auch Neuland.

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Was sind eurer Meinung nach die größten künstlerischen Weiterentwicklungen, die ihr mit dem neuen Album erreicht habt?

Toby:
Wir haben diesmal eigentlich generell nicht so darauf geachtet, dass die Songs eine klassische Popstruktur aufweisen. Das haben wir früher schon ganz gerne gemacht. Wir haben bei dem neuen Album prinzipiell weniger über gewisse Sachen nachgedacht, sondern haben sie einfach passieren lassen und das getan, auf was wir gerade Lust hatten. Wir wollten ganz bewusst keine „verkopfte“ Platte machen, sondern eher eine „gefühlte“. Das ist übrigens ein weiterer, ganz wichtiger Grund dafür, warum das Album „self-titled“ ist – wir haben uns einfach als Band total gefunden. Mehr „wir“ als auf dem neuen Album geht einfach nicht.

Andreas: Ja, ich glaube, es ist bei diesem Album gar nicht so sehr um Arrangements oder Strukturen gegangen, sondern eher um Dynamiken und vor allem um Emotionen. Wir wollten einfach das Gefühl, das wir beim gemeinsamen Arbeiten an den Songs hatten, bestmöglich musikalisch einfangen. Es war wirklich unser Ziel, so wenige Einflüsse wie möglich von außen zuzulassen und einfach das zu machen, was wir geil finden, anstatt uns an anderen Sachen zu orientieren.

Würdet ihr sagen, dass ihr ein Stück weit musikalisch gereift seid?

Toby: Ich finde schon. Man entwickelt sich ja schon von Natur aus mit jedem Album weiter und bleibt nicht stehen, sondern probiert neue Dinge aus. Wenn ich jetzt das neue Material mit unseren ersten EPs oder auch dem letzten Album vergleiche, finde ich es doch um einiges „smoother“ – es hat einfach eine andere, wahrscheinlich dunklere Klangfarbe. Vielleicht hatte da auch wiederum die Umgebung einen Einfluss darauf.

Andreas: Durch diese gemeinsame, abgeschottete Zeit zu viert findet auch eine gewisse Art von „Seelenstriptease“ statt, was definitiv auch Auswirkungen auf die Musik hat. Vielleicht werden da auch ganz eigene Emotionen frei. Ich würde das jedenfalls sofort wieder so machen. Es war eine sehr, sehr positive Erfahrung.

 The Beth Edges
The Beth Edges (c) Julie Brass

Trotz allen “Western-.Musik”-Anklängen immer noch Pop

Im Zuge der Rezensionen zum neuen Album sind immer wieder Vergleiche zu „Western-Soundtrack-Musik“ à la Ennio Morricone aufgetaucht – findet ihr selbst, dass dieser Aspekt eine wirklich so große Rolle auf dem Album einnimmt? Es sind doch nach wie vor auch sehr viele tanzbare Tracks dabei.

Andreas: Ja, sicher, es ist nach wie vor grundsätzlich Pop-Musik, aber es freut uns sehr, dass vielen Leuten das mit den „Western-Musik“-Anklängen aufgefallen ist. Wir haben uns auch viele Tarantino-Filme zu der Zeit angesehen und die mystische Aura des Salzkammerguts hat auch ihren Teil dazu beigetragen, dass wir uns fast wie Cowboys gefühlt haben.

Toby: Ja, ich finde auch, dass die Umgebung und die Tatsache, dass wir eben viele derartige Filme zu der Zeit gesehen haben, es fast bedingt haben, dass dieser Einfluss hörbar wurde.

Ihr schwebt stilistisch eigentlich ständig zwischen den Bereichen Indie-Rock und Indie-Pop hin und her – beschäftigt euch dieser Zwiespalt überhaupt bzw. wie ist eure Definition der beiden Genres? Die Grenzen sind ja mittlerweile nicht mehr so eng markiert wie vielleicht noch in den 90ern.

Andreas: Ich finde es eigentlich gut, dass die Übergänge zwischen den Bereichen fließender geworden sind. Prinzipiell ist ein gewisses Identifikations-Potential mit einer bestimmten Musikrichtung etwas Positives, andererseits limitiert man sich halt auch selbst extrem, wenn man sich nur auf eine Musikrichtung festlegt und alles andere ausklammert. Warum sollte man zum Beispiel als Rock-Fan das Werk von jemandem wie Michael Jackson, der echt sehr geile Sachen gemacht hat, nicht anerkennen? Wenn mir etwas gefällt, gefällt es mir – dann ist es mir egal, ob es Punk ist oder Hip-Hop oder Electronic.

Toby: Ich finde diese Entwicklung auch irgendwie befreiend. Warum sollte ich als Nirvana-Fan ein schlechtes Gewissen haben müssen, wenn mir ein Madonna-Song gefällt? Es wäre doch schade, wenn man keine Einflüsse aus anderen Musikrichtungen zulassen würde. Wie der Name schon sagt, ist „Pop“ ja das, was gerade populär ist und deswegen verändert sich das, was man darunter versteht, auch ständig. Viele Musikrichtungen, die einmal als „Underground“ angesehen wurden, sind mittlerweile „Mainstream“. Man sollte sich da, glaube ich, nicht allzu viele Gedanken drüber machen.

Cover The Beth Edges
Cover The Beth Edges

“Am Ende des Tages geht es dann halt doch darum, ob ein Song gut ist oder nicht”

Glaubt ihr, dass es heutzutage überhaupt noch möglich ist, etwas musikalisch komplett Neues und Eigenständiges zu schaffen?

Toby: So wirklich etwas komplett Neues zu machen – so, wie es früher der Rock´n´Roll war – ist wahrscheinlich heutzutage schwierig. Ich finde es aber wichtig, dass sich eine Band nicht ständig selbst kopiert, sondern sich weiterentwickelt. Allen kann man es dabei sowieso nicht Recht machen – wenn man als Band etwas komplett anderes macht als bisher, gibt es halt die Leute, die dem alten Sound nachtrauern, und wenn man immer die gleiche Richtung einschlägt, beschweren sich wiederum Einige, dass man sich nicht weiterentwickelt. Man sollte am besten einfach auf sich selbst hören.

Andreas: Ich denke, dass, wenn man sich darauf versteift, etwas wirklich Neues machen zu wollen, und das der einzige Antrieb beim Musikmachen ist – dann muss zwangsweise Müll dabei herauskommen. Die Essenz – das, worum es eigentlich geht – bleibt dann wohl zwangsweise auf der Strecke. Natürlich ist Innovation auch etwas, was antreiben kann, aber am Ende des Tages geht es dann halt doch darum, ob ein Song gut ist oder nicht.

Wenn man sich eure bisherige Diskographie anschaut, habt ihr in relativ jungen Jahren schon sehr viel vorzuweisen – habt ihr nie Phasen der „kreativen Leere“?

Toby: Es ist eher das gegenteilige Problem (lacht). Ich hatte eigentlich noch nie wirklich so etwas wie einen „Writer´s block“. Natürlich kommt es vor, dass ich mich mit der Akustik-Gitarre hinsetze und spiele und mir kommt alles irgendwie schon bekannt vor. Etwas, was mir dann allerdings immer sehr hilft, ist, auf Instrumente zurückzugreifen, die ich noch nicht so lang spiele. Das Klavier ist zum Beispiel ein Instrument, das ich sehr schätze, aber ich würde mich jetzt nicht unbedingt als Pianist bezeichnen. Allerdings stoße ich gerade deswegen beim Klavierspielen dann oft auf Klänge, die mir eben noch nicht so vertraut sind und die inspirieren mich dann wiederum. Natürlich ist es im Viererpack auch einfacher, weil man sich gegenseitig zum Songschreiben anspornen kann. Der Andreas hat mich zum Beispiel schon öfters bei Songs zum Weitermachen bewegt, die ich eigentlich schon aufgegeben hätte. Oder einer von uns entdeckt irgendwelche interessanten Sounds im „Logic“ und wir kommen dadurch auf neue Klangbilder und Ideen. Darin liegt vielleicht so etwas wie unser Rezept, warum wir beim Songwriting nie wirklich in einen echten Stilstand kommen.

Andreas: Manchmal muss man sich halt auch einfach dazu zwingen – besonders, wenn es dann um das konsequente Fertigstellen von Ideen geht.

The Beth Edges sind auch auf Twitter sehr präsent – findet ihr, dass das ein Bereich ist, der in Österreich und Deutschland von vielen Bands noch vernachlässigt wird?

Toby: Ich finde schon. Twitter ist international gesehen einfach eine große Sache. Über Facebook passiert bei uns halt viel, was Österreich-Bezug hat, weil man sich die Fanbase dort natürlich von einem gewissen Standort aus aufbaut. Twitter wiederum bietet dagegen eben auch vermehrt Möglichkeiten, die über den regionalen Bereich hinausgehen. Das heißt, man wird nicht ständig mit Postings oder Freundschaftsanfragen konfrontiert, die in deinem engeren Umkreis passieren, sondern es geht halt ein bisschen über die Grenzen hinaus. Wir probieren da viele Sachen aus und es ist schön, wenn man schließlich bemerkt, wie da langsam eine Kommunikationsbasis entsteht. Ich finde das sehr spannend.

Danke für das Interview.

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