„Wir wollten es zur Normalität machen, Kompositionen von Frauen in unser Repertoire aufzunehmen.“ – CLARA FRÜHSTÜCK und SOPHIE ABRAHAM (TRIO FRÜHSTÜCK) im mica-Interview

Es hätten diese Woche im Wiener Musikverein zwei aufregende Konzertabende werden sollen. Das TRIO FRÜHSTÜCK – bestehend CLARA FRÜHSTÜCK (Klavier), MARIA SAWERTHAL (Violine) und SOPHIE ABRAHAM (Violoncello) – hatte anlässlich seines zehnjährigen Bestehens gemeinsam mit der einzigartigen SOAP&SKIN [ANJA PLASCHG; Anm.] ein besonderes Jubiläumsprogramm zusammengestellt, das 4. und 6. November aufgeführt hätte werden sollen. Bekanntermaßen wird daraus nichts. Ab 3. November gilt: Alle Veranstaltungen sind untersagt. Das folgende Interview von Michael Ternai mit CLARA FRÜHSTÜCK und SOPHIE ABRAHAM entstand wenige Tage vor der Entscheidung der Regierung ein zweites Mal in den Lock-Down zu gehen. Und die beiden Musikerinnen ahnten schon, dass es sich vielleicht nicht ausgehen wird.

Ihr begeht mit eurem Trio heuer euer zehnjähriges Jubiläum und habt euch für diesen Anlass etwas Besonderes ausgedacht. Und zwar ein gemeinsames Programm mit Soap&Skin, das in der ersten Novemberwoche zwei Mal im Wiener Musikverein aufgeführt wird. Wie ist es eigentlich zu dieser Zusammenarbeit gekommen? 

Clara Frühstück: Anja und ich kennen uns schon ein paar Jahre. Sie war einmal in ein Projekt von mir für die Schule für Dichtung involviert und ich habe ihr auch einmal bei einem Arrangement einer Nummer geholfen. Als die Anfrage vom Musikverein kam, für den dort laufenden Zyklus „Frauenstimmen“ ein Programm zusammenzustellen, war es für mich eigentlich relativ schnell klar, dass ich sie gerne mit an Bord hätte. Ich dachte mir, dass das für unser zehnjähriges Jubiläum eine wirklich spannende Geschichte wäre. Wir als Ensemble mit drei ohnehin schon sehr unterschiedlichen Charakteren – Sophie, die eigene Nummern schreibt und auch schon für unser Trio komponiert hat, Maria, die klassische Geigerin, und ich, die viel im Theater unterwegs ist und eigene Performances macht – und Anja Plaschg, die musikalisch aus einer ganz anderen Welt stammt, diese Idee fanden wir gut. Mir war es zudem ein großes Anliegen, auch den Versuch zu unternehmen, das Genre des klassischen Klaviertrios zu erweitern und musikalisch über den Tellerrand zu blicken. Und ich denke, das passiert in diesem Projekt auch.

[…] es ist für uns wahnsinnig erfrischend, einmal mit einer Künstlerin zusammenzuarbeiten, die das Ganze aus einer ganz anderen Perspektive sieht.“

Mit dem Trio Frühstück und Soap&Skin treffen bei dem Konzert zwei vollkommen unterschiedliche musikalische Welten aufeinander. Was für ein Klangerlebnis kann das Publikum erwarten?  

Sophie Abraham: Das ist eine sehr schöne Frage. Es ist so faszinierend, zu beobachten, was in der Probearbeit passiert. Anja kommt tatsächlich aus einer ganz anderen Richtung und hat wirklich einen ganz anderen Zugang zur Musik als wir. Ihr Zugang ist ein sehr unmittelbarer, freier, natürlicher und extrem musikalischer. Mich fasziniert zum Beispiel ihre Rhythmik, die von Noten ganz losgelöst zu sein scheint und sich auch nicht in irgendetwas Aufgeschriebenes fassen lässt. Wenn ich sie beobachte, denke ich mir manchmal: „Weg mit allen Noten, weg mit aller Theorie, weg mit allem, was wir gelernt haben, weil man auch ohne all dem gute Musik machen kann.“  Maria, Clara und ich sind sehr studiert, durch und durch. Man merkt uns unser Studium an. Und es ist für uns wahnsinnig erfrischend, einmal mit einer Künstlerin zusammenzuarbeiten, die das Ganze aus einer ganz anderen Perspektive sieht.

Bild Clara Frühstück
Clara Frühstück (c) Moritz Schell

Clara Frühstück: Aber ich denke, genau das macht unser Trio auch so speziell. Wir lassen uns auf solche Dinge ein und scheuen nicht davor zurück, ungewöhnliche Wege zu gehen. Wir haben in unseren verschiedenen Projekten in den letzten Jahren ja ohne schon mehr und mehr in diese Richtung gearbeitet. Dieses Loslösen von Noten, dieses freie, gemeinsame Etwas-entstehen-lassen, das ist etwas, was wir wirklich für uns entdeckt haben. Wir machen das wirklich sehr gerne.

Musikalisch bewegt ihr euch mit eurem Repertoire im weiten Feld zwischen Wiener Klassik und zeitgenössischer Musik. Was bedeutet so ein Projekt wie dieses für eure musikalische Entwicklung. Wird es in Zukunft mehr von solchen Kollaborationen geben? 

Sophie Abraham: Ja durchaus, wobei man schon dazu sagen muss, dass die Wiener Klassik auf der einen Seite und die Moderne und das Zeitgenössische – vor allem von Frauen – auf der anderen auch in Zukunft unseren musikalischen Schwerpunkt bilden werden. Aber natürlich schließt das nicht aus, dass wir in Zukunft mehr in diese Richtung machen werden. Wir haben zum Beispiel in der jüngeren Vergangenheit ja auch schon einmal mit der Performerin Veza María Fernández etwas gemeinsam gemacht. Jetzt eben mit Anja Plaschg. Ich glaube, das ist ein schöner Weg, den wir sehr gerne weitergehen werden.

Clara Frühstück: Ich sehe es für uns als Zeitgenossinnen, die wir sind, ein bisschen auch als unsere Aufgabe, über den Tellerrand zu blicken und nicht nur immer im selben Sumpf zu verharren. Wir sind zwar drei in der Klassik ausgebildete Musikerinnen, aber in uns schlummert ja auch anderes. Und genau das zu verbinden, ist für uns wichtig. Ich sehe das auch an Anja. Sie ist ja genauso. Das, was sie macht, ist ja auch nicht Pop, sondern etwas, das darüber hinausgeht. Was sie macht ist einzigartig und speziell. Und auch wir wollen schauen, was weiter möglich ist, und versuchen, die Grenzen ein wenig aufzulösen. Das Projekt mit Anja ist dahingehend eben dann auch ein Versuch, E- und U-Musik in einer gewissen Art zusammenzuführen.

Stand dieses Auflösen von Grenzen zwischen den Musikstilen eigentlich schon von Beginn auf eurem Programm? Oder ist dieser Wunsch erst nach und nach entstanden?

Clara Frühstück: Ich glaube, dieser Zugang hat sich einfach aus den Erfahrungen, die wir drei ganz unabhängig voneinander in unseren verschiedenen Projekten gesammelt haben, herausgebildet. Irgendwie führte das eine immer zum anderen, wodurch sich dann letztlich auch die musikalische Richtung des Trios definierte.

„Wir wollen einfach ein Zeichen setzen und zeigen, dass es sehr wohl funktioniert, ganze Konzerte von Frauen für Frauen, Komponistinnen und Interpretinnen zu gestalten.”

Ihr bietet in eurem Repertoire auch sehr viel Raum für Kompositionen von Frauen.

Clara Frühstück: Ja, wobei ich dazusagen muss, dass sich auch diese Entscheidung erst herausgebildet hat. Es gab schon 2017 einen Frauenschwerpunkt im Musikverein, zu dem wir eingeladen wurden. Und es war so, dass wir erst dann wirklich darüber nachzudenken begannen, warum wir davor noch nie eine Komposition von einer Frau gespielt haben, und warum es generell so ist, dass wenige Frauen gespielt werden. Es ist unser Anliegen geworden, das zu ändern. Wir wollten es zur Normalität machen, Kompositionen von Frauen in unser Repertoire aufzunehmen.
Auf der anderen Seite wollen wir durch diese Schwerpunktsetzung aber keinesfalls in die feministische Schublade gesteckt werden. Es soll nicht heißen, dass wir ein Frauentrio sind, das ausschließlich Komponistinnen spielt. Das ist nicht unser Ziel. Wir wollen einfach ein Zeichen setzen und zeigen, dass es sehr wohl funktioniert, ganze Konzerte von Frauen für Frauen, Komponistinnen und Interpretinnen zu gestalten.

Ihr spielt von Haydn und Mozart bis Thomas Wally und Olga Neuwirth eine breite Palette. Inwieweit befinden sich in eurem Repertoire auch eigene Kompositionen?

Clara Frühstück: Wir spielen schon auch eigene Sachen. Zum Beispiel hatte Sophie schon einmal eine Auftragskomposition von uns, die wir aufgeführt haben. Und auch sonst haben wir einiges von ihr gespielt.

Bild Sophie Abraham
Sophie Abraham (c) Julia Wesely

Sophie Abraham: Bei den beiden Konzerten werden wir auch erstmals ein Arrangement von Clara spielen.

Clara Frühstück: Das, dass ich auch als Komponistin arbeite, beginnt bei mir erst jetzt so richtig. Und das wird wahrscheinlich auch einmal ins Trio einfließen. Aber ich denke, das dauert noch ein wenig. Ich arbeite gerade ja mit Oliver Welter [Naked Lunch; Anm.] zusammen und da habe ich zum ersten Mal wirklich gespürt, was in mir schlummert und dass ich genauso arrangieren und komponieren kann. Ich habe auch für das nächste Jahr einen Kompositionsauftrag erhalten, was mich zunächst doch etwas verunsichert hat, weil ich Komposition ja nicht studiert habe. Aber wenn man ein kreativer Geist ist, finde ich, ist es ja legitim, sich auch da zu deklarieren.

Wenn ihr zurückblickt, gibt es irgendetwas das ihr in der Vergangenheit sehr gerne gespielt habt und etwas, dass ihr nur gespielt habt, weil man es von euch wollte? 

Sophie Abraham: Wir spielen zum Beispiel Haydn sehr gerne. Das ist eine echte Leidenschaft von uns allen. Aber ich glaube nicht, dass wir je etwas gespielt haben, was von uns erwartet worden ist und was wir nicht gerne gespielt haben.

Clara Frühstück: Normalerweise läuft es so ab, dass wir Programme vorschlagen und diese mit den Veranstalterinnen und Veranstaltern absprechen. Und ich glaube, dass wir auch immer ein gutes Konzept vorschlagen, von dem wir schon wollen, dass es angenommen wird. Was aber schon passiert, ist, dass man manchmal Kompositionsaufträge erhält, die man spielen muss, obwohl das Werk einem vielleicht nicht so liegt oder man sich schwertut, mit der Musik zu verschmelzen. Aber da macht man das Beste draus und in der Regel wird es auch immer schön.

Sophie Abraham: Manchmal muss man sich die Genialität des Stückes erst erdenken oder sie erschließt sich erst später.

Ihr seid ja alle in verschiedenen Projekten tätig. Wie sehr ist das Trio Frühstück eine Herzensangelegenheit für euch? 

Sophie Abraham: Bei mir ist es so, dass das Trio Frühstück jenes Projekt ist, bei dem ich mittlerweile am längsten dabei bin. Das Klaviertrio ist meine klassische Basis. Mit Clara und Maria einen Joseph Haydn oder eine Clara Schumann zu proben, ist für mich sehr wichtig und sehr bereichernd, weil dieses Trio die Klassik so hochqualitativ bringt. Und deswegen ist es auch eine große Herzensangelegenheit.

Clara Frühstück: Natürlich ist es eine Herzensangelegenheit. Aber ich habe mich irgendwann generell dafür entschieden, nur mehr Herzensdinge zu machen. Wenn einem etwas nicht gefällt, steigt man eh aus. Und wie es Sophie sagt, was am längsten bleibt, hat auch Bestand. Ich glaube, was dieses Trio ausmacht, ist, dass wir alle viele andere Sachen laufen haben und wir uns für diverse Projekte zusammenfinden. So gesehen ist das Trio Frühstück eines meiner wichtigen Projekte neben vielen anderen wichtigen Projekten.

„Ich fühle mich als Musikerin aktuell oft wirklich am Ende der Nahrungskette“

Vielleicht zum Abschluss eine Frage zur Corona-Krise. Wie tut ihr euch mit ihr? 

Bild Maria Sawerthal
Maria Sawerthal (c) Pia Clodi

Sophie Abraham: Mir sind erst gestern zwei Konzerte im November abgesagt worden. Heute hätte ich auch einen ORF-Dreh gehabt, der aber nicht stattfinden konnte, weil der Tontechniker Corona hat. Die Krise beeinflusst uns alle sehr. Es ist sehr mühsam und auch, wenn man sich in der Welt umschaut, besorgniserregend. Ich fühle mich als Musikerin aktuell oft wirklich am Ende der Nahrungskette und manchmal kommt es mir auch vor, dass wir Künstlerinnen und Künstler von der Krise besonders hart getroffen werden. Zumindest wirtschaftlich. Bei uns werden Sachen ersatzlos gestrichen, ohne irgendwie eine Entschädigung zu erhalten. Auch ist für uns freischaffende Künstlerinnen und Künstler keine Kurzarbeit vorgesehen.

Clara Frühstück: Ich fühle mich jetzt schon seit Monaten so, als würde ich auf einem nicht ganz zugefrorenen See wandeln und schauen muss, dass ich nicht einbreche. Man weiß im Moment wirklich nicht, was in einer Woche ist. Finden die Konzerte wirklich statt?

Sophie Abraham: Die Unsicherheit geht wirklich stark auf die Psyche. Es ist wahrscheinlich gescheiter, wenn man jetzt schon definitiv alles absagt, dann weiß man zumindest, woran man ist. Natürlich machen wir das nicht, weil wir die Konzerte unbedingt spielen wollen. 

Clara Frühstück: Ich finde es auch so schwer, weil man gesagt bekommt: „Ihr hattet jetzt ja die letzten vier Monate kaum Konzerte, da wird ja kreativ doch einiges abgegangen sein bei euch.“ Grad in der Phase, in der ich weiß, dass das Konzert nicht stattfinden wird, kann ich nicht kreativ arbeiten. Worauf soll ich denn hinarbeiten? Ich war in dieser Phase fast wie versteinert. Wir Musikerinnen und Musiker leben ja von dem Moment, dass ein Konzert herannaht und wir bald auf die Bühne hinaufmüssen. Aber irgendwie bekomme ich das nicht in mein Hirn hinein. Natürlich würde ich diese Zeit gerne nutzen und kreativ arbeiten. Und ich ärgere mich da manchmal auch über mich selbst, warum mir das so schwerfällt. Aber diese Last, die ich verspüre, hemmt meinen kreativen Prozess. Doch ich denke und hoffe, unbewusst trotzdem von diesem Ausnahmezustand auf irgendeine Art inspiriert zu werden und dann – wenn’s wieder los geht – ordentlich anders gut sprudeln wird!

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Michael Ternai

 

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