„Wir wollten es dieses Mal einfach wirklich wissen“ – SEBASTIAN GÖTZENDORFER und RAIMUND SCHLAGER (LE_MOL) im mica-Interview

Das Wiener Duo LE_MOL lieferte im Frühjahr mit seinem dritten Album „heads heads heads“ (Panta R&E) ein Lehrbeispiel für packende instrumentale Rockmusik ab.  SEBASTIAN GÖTZENDORFER und RAIMUND SCHLAGER, die beiden Köpfe hinter LE_MOL, sprachen mit Michael Ternai über den Sound des neuen Albums, ihre Abkehr vom reinen Post-Rock und die Loop-Station als drittes Bandmitglied.

Sie sind mit Ihrem neuen Album im Frühjahr auf einer einmonatigen Tour gewesen. Wie ist sie gelaufen?

Sebastian Götzendorfer: Wir haben uns mittlerweile zu dieser Frage eine gewisse Standartantwort zugelegt, weil wir dann doch von mehreren Leuten danach gefragt werden. Ich würde sagen, die Tour war zu gleichen Teilen anstrengend und aufregend. Einerseits erfüllt man sich natürlich eine Art Traum, man geht mit der eigenen Musik auf Tour und sieht, dass die Leute wegen einem zu den Konzerten kommen. Auf der anderen Seite bedeutet eine solche Tour immer auch, stundenlang im Auto zu sitzen und wenig zu schlafen.

Raimund Schlager: Die Tour war auf jeden Fall eine tolle Erfahrung. Auch weil wir endlich gesehen haben, dass wir auch über drei Wochen gemeinsam funktionieren. Vorher waren wir ja höchstens eine Woche unterwegs gewesen. Jetzt haben wir so etwa zwanzig Konzerte gespielt, quasi jeden Tag eines. Und ja, es war anstrengend. Aber dennoch, die positiven Aspekte überwiegen.

Und wie war die Resonanz des Publikums?

Sebastian Götzendorfer: Man kann sagen, generell sehr gut.  Bei solchen DIY-Touren, bei denen man angefangen beim Booking eigentlich fast alles selbst organisiert und für alles selbst verantwortlich ist, läuft es ja – und da sprechen wir aus eigener Erfahrung – mitunter sehr durchwachsen ab. Coolen Konzerten folgen oft Konzerte, bei denen man sich denkt: „Für diese drei Leute hätte ich im Proberaum auch spielen können.“ Bei der Tour aber war dies aber nicht der Fall. Es gab wirklich nur wenige Konzerte, die man als Reinfall bezeichnen könnte.
Ein weiterer schöner Aspekt dieser Tour war, dass wir dieses Mal finanziell positiv ausgestiegen sind, dass wir uns einen Gewinn erspielen konnten, was ja bisher nicht der Fall war. Das freut uns natürlich sehr.

„Unser Ziel war, dass jeweils Beste aus den Songs herauszuholen.“

Kommen wir auf Ihr neues Album „heads heads heads“ zu sprechen. Vor allem vom Sound her ist es im Vergleich zu den vorangegangenen Alben richtig dicht. Man hört, dass Sie sich dieses Mal intensiv mit dem Songwriting auseinandergesetzt haben. Die Stücke wirken sehr detailreich und vielschichtig ausgearbeitet. War es für Sie klar, dass es auf diesem Album in diese Richtung gehen musste?

Raimund Schlager: Ich glaube, warum das Album so klingt, wie es klingt, hat viel mit unserer Entscheidung zu tun, dieses Mal in ein professionelles Studio zu gehen. Die vorigen Alben hatten wir ja im DIY-Prinzip zu Hause aufgenommen. Diese Entscheidung hatte klarerweise auch eine Wirkung auf unseren musikalischen Zugang.  Wir haben uns in Sachen Songwriting viel mehr Zeit gelassen, lange an den Nummern gefeilt und einige Pre-Recording-Sessions gemacht. Unser Ziel war, das jeweils Beste aus den Songs herauszuholen. Sie sollten genau so klingen, wie wir sie in unseren Kopf hatten.

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Sebastian Götzendorfer: Wir wollten es dieses Mal einfach wirklich wissen. Wenn man semiprofessionell Musik macht, macht man das ja oft parallel zu anderen Lebensbeschäftigungen, die einen mitunter finanziell erhalten. Irgendwann kommt man dann an den Punkt, an dem man sich sagt: „Okay, jetzt probiere ich es dann doch noch einmal und setze alles auf eine Karte.“ So in etwa war es bei uns der Fall. Wir sind nicht weltfremd und glauben nicht, mit instrumentaler Rockmusik weltberühmt zu werden, das nicht. Aber dennoch war bei uns der Wunsch schon sehr stark, dieses Mal wirklich das Beste aus der ganzen Geschichte herausholen zu wollen. Wer weiß, wie unsere zukünftigen Lebenswege aussehen und ob wir jemals wieder so viel Zeit zur Verfügung haben, um uns so intensiv dem Musikmachen zu widmen. So gesehen haben wie sehr viel – und das vorwiegend aus der eigenen Tasche – in dieses Album investiert. Im Scherz sage ich immer: „Andere Leute kaufen sich mit 27 ein Sportauto, wir kaufen uns eine gute Albumproduktion.“

Musikalisch scheinen Sie sich noch weiter geöffnet zu haben. Auf jeden Fall klingen in den Stücken jetzt auch stilfremde Einflüsse durch. War die Erweiterung Ihres Sounds ein Ziel für „heads heads heads“?

Raimund Schlager: Eine Entwicklung wie diese ist für eine Band, denke ich, eine logische. Wir spielen jetzt seit einigen Jahren miteinander und kennen einander daher gut. Wir wissen um die musikalischen Vorstellungen des jeweils anderen Bescheid. Daher kommen wir in der Songfindung heute auch schneller zum Punkt als früher. Gleichzeitig sind wir aber über die Zeit auch kritischer unserer Musik gegenüber geworden. Wir wollten uns einfach nicht wiederholen, sondern uns weiterentwickeln und Neues ausprobieren.

Sebastian Götzendorfer: Wir haben an den neuen Songs auf jeden Fall sehr viel herumgebastelt, viel ausprobiert und auch viel wieder verworfen. Vom Sound her lehnt sich die ganze Geschichte nach wie vor am Post-Rock an, das lässt sich nicht ganz verleugnen, aber wir haben doch versucht, unsere Nummern in eine andere Richtung zu trimmen und von diesem Schema, das man schon hunderttausendmal gehört hat und das von den Größen der Szene ohnehin schon zur Perfektion getrieben worden ist, abzugehen. Und das ist uns, glaube ich, ganz gut gelungen.

Woher beziehen Sie Ihre Einflüsse? Sie haben eben den Begriff „Post-Rock“ verwendet. Ist dieses Genre jenes, dem sich am nächsten fühlen?

Sebastian Götzendorfer: Vielleicht sollten wir eher den Begriff „instrumentale Rockmusik“ für unsere Musik verwenden. Zumindest initiiert diese Beschreibung bei Szenemenschen nicht sofort eine hochgezogene Augenbraue. Viele kokettieren ja damit und sagen, dass sie das Genre, das sie spielen, privat eigentlich gar nicht hören. In unserem Fall ist das wirklich so. Wir hören eigentlich keinen Post-Rock, bis auf die zwei, drei Bands, die wir seit jeher abfeiern und vergöttern. Aber parallel dazu hören wir eigentlich quer durch den musikalischen Gemüsegarten.

Raimund Schlager: Was die Einflüsse betrifft, nimmt man sich ja nicht vor, sich von einer bestimmten Band oder einer Richtung beeinflussen zu lassen. Man wird von dem, was man hört, sowieso andauernd in der einen oder anderen Art unterbewusst beeinflusst. Bei diesem Album haben wir uns von Beginn an bewusst das Ziel gesetzt, uns von diesem typischen Post-Rock-Ding wegzubewegen. Im Songwriting-Prozess sind wir dann klarerweise immer wieder auf dieses zurückgekommen, haben dann aber immer entschieden, es bleiben zu lassen und etwas anderes auszuprobieren. Und da kommen eben die Einflüsse aus anderen Genres ins Spiel, die den Nummern letztlich eine andere Richtung geben.

Bild le_mol
le_mol (c) Joscha Viertauer

„Wir sind trotz des intensiven Einsatzes der Loopstation in der Lage, sehr variable Songs zu schreiben.“

Welche Rolle übernimmt die Loop-Station bei Ihnen? Sie nutzen sie ja sehr exzessiv.

Sebastian Götzendorfer: Man kann eigentlich sagen, dass die Loopstation unser drittes Bandmitglied ist. Die Arbeit mit ihr ist einerseits herausfordernd, andererseits aber auch fördernd. Hin und wieder sind wir die Sklaven unserer Loop-Station, in anderen Momenten verschafft sie uns mit ihrer Technik Fähigkeiten, die andere Bands so nicht an den Tag legen können. Auf jeden Fall haben wir mit der Loop-Station arbeiten gelernt und den Umgang mit ihr mittlerweile in den Griff bekommen.  Wir sind trotz des intensiven Einsatzes der Loop-Station in der Lage, sehr variable Songs zu schreiben. Das war bei unserem ersten Album noch nicht so der Fall.

Raimund Schlager: Wir verwenden die Loop-Station mittlerweile als Songwriting-Behelfsmittel. Vorher haben sie wir vor allem dafür verwendet, einen bestimmten Sound hinzubekommen. Heute setzen wir sie viel vielschichtiger ein. In unserem Proberaum hängen an der Wand unzählige Songwriting-Tabellen, die die Strukturen unserer Nummern abbilden und bestimmen, wie oft ein Loop in der Schleife läuft, wie und wann er sich mit einem anderen verwebt, wann er endet, wohin man ihn verschieben kann und, und, und. Irgendwie gleicht unser Songwriting einer Art Puzzlespiel. Es ist sehr spannend, so zu arbeiten, wobei ich mir schon manchmal denke, dass es nett wäre, wenn da noch fünf, sechs andere Musiker wären. Aber dann würde unsere Musik vermutlich eine andere sein.

Ihre Nummern sind alle sehr vielschichtig. Wann ist bei Ihnen der Punkt, an dem sie sagen: „Jetzt ist die Nummer fertig!“?

Raimund Schlager: Ich glaube, ich könnte da noch viel länger arbeiten als Sebastian. Er ist derjenige, der dann meistens einmal sagt: „Okay, jetzt reicht’s.“ Ich verliere mich schnell einmal in den Loops und füge mal da, mal dort noch etwas dazu. Da ist es Sebastian, der mich einbremst und schaut, dass die Essenz des Songs bewahrt bleibt.

Sie machen Instrumentalmusik. Steckt hinter Ihrer Musik dennoch eine Botschaft, die Sie transportieren wollen? Oder überlassen Sie es der Fantasie der Hörerinnen und Hörer, zur Musik eine Geschichte zu erzählen?

Sebastian Götzendorfer: Wir wollen mit unserer Musik eigentlich keine großen Aussagen treffen. Das ist ohne Lyrics ohnehin unmöglich. Aber ja, fantasieanregend kann die Musik schon sein. Man kann sich zu instrumentaler Musik ein eigenes Bild machen, weil einem niemand etwas vorsingt und einem irgendwelche Gedanken in den Kopf setzt.

Können Sie sich vorstellen, irgendwann einmal auch eine Nummer mit Gesang zu machen?

Sebastian Götzendorfer: Das war schon immer wieder einmal im Gespräch. Letzten Endes hat das aber nie gepasst. Man müsste sich wirklich hinsetzen und den Song umschreiben, damit er sich dafür eignet. Oder man schreibt im Vorhinein einen Song, zu dem man singen kann. Es hat bei diesem Album ein Lied gegeben, bei dem wir uns überlegt haben, ein Vocal-Feature hinzuzunehmen. Aber das hat sich mit der Art, wie wir Musik schreiben, einfach nicht vereinbaren lassen. Das hätte sich komisch angehört. Aber diese Tür ist nicht zu.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Michael Ternai

 

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