Mit HALF DARLING stellt sich ein Bandkollektiv vor, das die musikalische Eigenwilligkeit zu seinem Leitmotiv erklärt hat und einen Sound zum Erklingen bringt, der sich aufgrund seiner stilistischen Breite jedem Versuch der Schubladisierung und aufregende Weise entzieht. Das Schöne an der Musik dieser Truppe ist, dass sie sich trotz ihres experimentellen, vielfältigen und zum Teil manchmal auch schrägen und hochenergetischen Charakters in keinem Moment in überbordender Komplexität verliert, sondern wirklich durchgehend hörbar bleibt. Am 9. Juni erscheint auf Konkord das selbstbetitele Debüt von HALF DARLING. Mit Michael Ternai sprachen der Songschreiber der Band GREGOR MAHNERT und die Sängerin LISA KORTSCHAK.
Wie ist es mit euch eigentlich losgegangen? Im Pressetext steht, dass es die Band schon einmal gegeben hat, sie sich dann aber aufgelöst hat und sich vor einem Jahr dann aber doch wieder zusammengefunden hat, um eine Platte aufzunehmen.
Gregor Mahnert: Das mit der Auflösung war eigentlich als Joke gedacht, weil ich gerne bizarre Geschichten erzähle. Ich habe einfach versucht, einen Pressetext zu schreiben, der möglichst schräg wirkt. So ist auch die Geschichte dieses legendären Kollektivs entstanden.
In Wahrheit war es so, dass wir uns, wie es bei den meisten Bands der Fall ist, einfach zusammengefunden haben. Angefangen hat das damit, dass ich nach der Auflösung eines anderen Projekts von mir, in dem Lisa und ich auch schon zusammengespielt haben, aus Ermangelung anderer musikalischer Betätigungen angefangen habe, mit einer Loop-Station herumzuexperimentieren. Über einen längeren Zeitraum ist dann auch recht viel Material zusammengekommen. Ich habe dann jemanden gesucht, der mir mit Beats aushilft. So ist Werner dazugestoßen [Thenmayer; Drums; Anm.]. In der Art ist es dann weitergegangen. Die Band hat sich Stück für Stück zusammengesetzt.
Lisa Kortschak: Nach Werner ist dann Elise [Mory, Synths, Anm.] hinzugekommen. Dazwischen sind auch andere Leute ausprobiert worden. Ich bin eher ein wenig später dazugekommen, auch weil lange nicht klar war, ob das Ganze mit Gesang sein wird oder ohne. Dazwischen sind auch andere Leute ausprobiert worden. Und Oliver [Stotz, Bass/ Synth, Anm.] und Johanna [Forster, Guit, Anm.] sind dann noch ein Stück später dazu gekommen.
Gregor Mahnert: Genau, Werner und ich haben kurz mal überlegt, das Ganze als reines Loop-Projekt aufzustellen. Das hat sich dann aber als zu unflexibel herausgestellt …
Lisa Kortschak: … und jetzt gibt es uns als Bandkollektiv mit Gesang.
„Unsere Musik deckt ein weites Spektrum ab und schließt auch nichts aus.“
Die Zusammensetzung der Band liest sich auf jeden Fall sehr interessant. Wenn man schaut, in welch unterschiedlichen musikalischen Kontexten ihr alle tätig gewesen seid: im Punk und Noise, in der improvisierten Musik, in der Neuen Musik, im Hip-Hop etc. Wie finden da alle einen gemeinsamen Nenner?
Lisa Kortschak: Diesen Nenner gibt eigentlich Gregor vor. Er liefert die Songideen und Kompositionen und definiert damit den Ton. Wir anderen lassen uns auf diese Vorgaben ein. Aber natürlich leisten wir unseren Beitrag. Ich steuere die Vocals und die meisten Texte bei. Die anderen liefern Inputs und mischen bei den Arrangements und dergleichen mit. Im Endeffekt gibt Gregor halt die Richtung vor. Und das passt auch so. Umsetzen tun wir die gemeinsam.
Bei mir war es so, dass ich die Musik einfach super gefunden habe. Ich habe den anderen auch gesagt, dass sie unbedingt etwas draus machen müssen. Und ich war damals noch nicht Teil der Band. Ich habe nur gesagt: „Solltet ihr jemanden für die Vocals brauchen, ich wäre gerne dabei.“ Ich habe mich leise aufgedrängt [lacht].
Gregor Mahnert: Man muss halt dazusagen, dass wir uns alle zum Großteil schon länger kennen und auch befreundet sind. Wir sind auch zum Teil durch eine gemeinsame musikalische Sozialisation gegangen. Unsere musikalischen Vorlieben überschneiden sich daher in mehreren Punkten. Ich denke, dieser Umstand hat diesen gemeinsamen Sound auch maßgeblich mitgeprägt.
Lisa Kortschak: Unsere Musik deckt zwar ein weiteres Spektrum ab, ist aber nie beliebig. Ich denke, dass durch unser gemeinsames Tun die Dinge auch begonnen haben sich zu überschneiden und damit haben sich für uns neue Felder eröffnet. Ich zB habe noch nie so viel getextet wie bei Half Darling.
Die Single „Tricks And Truths“ gibt auf jeden Fall eure Richtung vor. Punkig, straight forward ….
Gregor Mahnert: Ja, wobei der Song im Vergleich zu den anderen auf dem Album schon etwas aus dem Rahmen fällt. Er ist vom Sound her schon poppiger als der Rest. Dass der Song die Single wird, war auch nicht wirklich geplant. Es hat sich einfach so ergeben.
Euer Sound erinnert mich an meine eigenen Musikvorlieben, die ich als Jugendlicher gehabt habe. Auch wenn er experimentell ist und einen ganz eigenen Charakter besitzt, klingen für mich schon auch die 1990er-Jahre durch.
Gregor Mahnert: Ich würde sagen, dass wir alle irgendwann einmal eine Avantgarde-Phase gehabt haben. Das ist bei uns sicher eine Klammer. Und dann ist es wahrscheinlich auch unser Alter, dass uns auf die 1990er-Jahre verweisen lässt [lacht].
Lisa Kortschak: Ich habe auch klare 1990er-Jahre-Referenzen im Ohr, finde aber dennoch, dass die ganze Sache Schritte weiter bzw. auch ganz woandershin macht. Bei uns kommen die verschiedenen Bestandteile und Partikel aus den unterschiedlichen Richtungen auf eine eigene, irgendwie andere Art zusammen.
Auf jeden Fall lasst ihr in euren Songs auch eine große musikalische Vielfalt zu.
Gregor Mahnert: Die Vielfalt im Sound kommt bei mir vermutlich daher, dass E-Gitarren und die E-Gitarrenlastigkeit im Rock so überhaupt nicht mein Ding sind. Als ich begonnen habe, mich mehr mit E-Gitarren zu beschäftigen, habe ich versucht, diese so wenig wie möglich wie E-Gitarren klingen zu lassen. Die 1990er-Klammer ist bei uns daher musikalisch auch viel mehr mit dem angereichert, was wir in dieser Zeit sonst alles konsumiert haben: viel Hip-Hop, irgendwelche schräge Free-Jazz-Sachen …
Lisa Kortschak: … Riot Grrrl-Sachen natürlich auch. Bei mir ist es so, dass ich seit einem Jahr Rauchpause mache. Als ich bei der Band angefangen habe, habe ich geraucht und in der ersten Zeit ist mir regelmäßig die Puste ausgegangen. Es gab den Wunsch nach Textlastigkeit und „Gib ihm“, was ich eindeutig beherzigt habe. Nur hatte ich da am Anfang wirklich mit meinem Lufthaushalt zu kämpfen. Seitdem ich die Chick weglasse, geht das viel besser.
Gregor Mahnert: Mir ist es beim Schreiben manchmal so gegangen, dass ich damit gehadert habe, dass einzelne Elemente, einzelne musikalische Partikel immer wiederkehren. Sie wiederholen sich in verschiedenen Songs. Zuerst habe ich das als Songwriting-Problem gesehen, dann ist mir aber aufgefallen, dass das eigentlich ein ganz lustiges Stilmittel sein kann, dass sich bei aller stilistischen Diversität einzelne Elemente immer wiederholen und so etwas wie einen Signature-Sound definieren bzw. eine Art Klammer bilden.
Ihr tretet live in wechselnder Besetzung auf.
Gregor Mahnert: Genau. Das ergibt sich teils aus der Tatsache, dass alle Beteiligten in anderen Projekten ziemlich eingespannt sind. Irgendwie muss das Geld zum Überleben ja auch verdient werden. Und es hat auch kurz gedauert bis sich das Bandkollektiv- wie es jetzt steht- konfiguriert hatte. Dann gibt es auch noch Baby-Pausen, Touren mit anderen Bands…Wir haben mit dem Kollektiv eine flexible Art gefunden Band zu sein und mit unseren Verfügbarkeiten hauszuhalten.
Ist dieser stete Wechsel bei Konzerten auch der Grund dafür, dass es von eurer Band kein richtiges Foto gibt? Ich habe nur eines gesehen, auf dem die Band unscharf zu sehen ist.
Gregor Mahnert: Eigentlich nicht. Das Bandfoto hat vermutlich schon ein bissl was damit zu tun, aber es steckt auch die Lust dahinter, die Sache nicht ganz aufzudecken. Wir wollen als Band hinter unsere Musik treten und sie hervorheben.
Lisa Kortschak: Ich denke es geht vor allem auch darum, Selbstdarstellung bzw. Selbstdarstellungsinstrumente zu hinterfragen. Was re/-präsentiert ein Bild? Wir haben uns das jetzt nicht genauso durchgedacht, wie ich das jetzt formuliere, aber dieser Gedanke fließt schon auch mit ein. Wir haben es interessant gefunden, ein Bild zu erzeugen, das unscharf ist. Du siehst die Band, gleichzeitig aber auch nicht. So verschwinden wir in der Selbstdarstellung.
Gregor Mahnert: Ich muss auch ehrlich sagen, dass mir diese ganze Zurschaustellung oder Selbstdarstellungsgeschichte prinzipiell eher unangenehm ist. Davon bin ich echt kein Freund.
„Die Lyrics sind assoziative Textcollagen, keine politischen Manifeste.”
Ist diese Verweigerungshaltung bzw. Kritik auch Inhalt der Texte?
Lisa Kortschak: Auf jeden Fall. Aber ohne uns irgendwie drüberzustellen oder herauszunehmen. Die Lyrics sind assoziative Textcollagen, keine politischen Manifeste. Der Spirit ist aber: Angriff auf bestehende Ordnungen mittels Verschiebungen und Irritationen, Wut ist gut und Half Darling liebt den Widerspruch.
Gregor Mahnert: Ich denke, die inhaltliche Ausrichtung des Albums war so klar, dass sich die Frage gar nicht gestellt hat. Wir kommen alle aus einem Umfeld, das von der Subkultur und dem DIY-Gedanken geprägt ist. Das ist bei uns der absolute common sense, so dass wir eigentlich nie darüber geredet haben.
Als was versteht ihr Half Darling? Ist es für euch ein Projekt von vielen oder doch etwas Besonderes?
Gregor Mahnert: Ich empfinde Half Darling als glückliche Überschneidung von musikalischer Zusammenarbeit und Freundschaften, es ist ein Kollektiv, in dem auch Verbindungen zu anderen Projekten bestehen. Die Band bedeutet natürlich viel Arbeit, auch dahingehend, alles irgendwie zusammenzuhalten. Aber vor allem bei Konzerten merke ich, dass sich dieser Aufwand wirklich lohnt, denn auf der Bühne macht diese Band wirklich Spaß.
Lisa Kortschak: Half Darling ist auf jeden Fall mein bisher liebstes Bandprojekt. Es ist cool, wirklich viel positives Feedback auf die Band zu bekommen. Wir machen uns und den Leuten Spaß. Dadurch, dass wir ziemlich DIY sind – wir machen vom Management [lacht], über Videos bis hin zum Booking ja alles selber -, ist es schon viel Arbeit, aber die zahlt sich aus und ich bin happy Teil dieser Band zu sein. Ein Projekt, das ich gleichzeitig leicht und wichtig nehme. Ich habe nicht den Anspruch, damit reich zu werden [lacht], aber ich habe den Anspruch, dass das, was wir mit dem Ding machen, so gut ist, wie es nur sein kann. Dass diese Platte, so wie wir sie aufgenommen haben, ein Produkt ist, zu dem ich stehen kann. Im besten Fall auch noch in zehn Jahren. Und dafür sieht‘s gut aus.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Michael Ternai
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Half Darling live
07.06. Venster99, Wien, Albumrelease Konzert
09.06 Schl8hof, Wels
10.06 Kurdirektion, Bad Ischl
16.06 Cafe Wolf, Graz
17.06 Container 25, Wolfsberg
13.07 Open Air, Ottensheim
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