„Wir versuchen, mit Musik spielerisch umzugehen und nicht kalkuliert“ – JAEYN in mica-Interview

Das Duo JAEYN liefert mit „Journey“ ein Popalbum ab, das auf sehr angenehme Weise aus dem gewöhnlichen Rahmen herausfällt. NICOLE JAEY und HARRY JEN praktizieren ihre ganz eigene Sprache des Pop: Positiv in der Grundstimmung, wunderbar verspielt, reich an stilistischen Einflüssen und mit einem leichten Hang zum Sound der 1990er- bzw. der frühen 2000er-Jahre. Das Album beleuchtet das Thema Beziehungen auf feinfühlige Weise aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. Es geht Selbstfindung, Beziehungsgeschichten, Träume, Schlusspunkte und neue Anfänge. Im Interview mit Michael Ternai erzählten die beiden, was es bedeutet hat, mehr Zeit für das Album zur Verfügung zu haben, von welchen Bands sie besonders inspiriert werden, und sprachen über die Themen ihrer Lieder.

Ihr habt lange an diesem Album gearbeitet. Was war der Grund?

Nicole Jaey: Dass es so lange gedauert hat, hat natürlich damit zu tun, dass wir vor sechs Jahren ein Kind bekommen haben. Und dieser Umstand hatte natürlich einen großen Einfluss auf unsere Arbeitsweise. Die hat sich komplett verändert. Wir arbeiten jetzt viel konzentrierter und teilen uns die Zeit bewusster ein.

Harry Jen: Das stimmt. Auf der einen Seite sind unsere Sessions um vieles kürzer als früher. Wir arbeiten nicht mehr bis fünf Uhr in der Früh, sondern zu einer vernünftigen Zeit irgendwann am Nachmittag, wenn die Oma Zeit hat, auf das Kind aufzupassen. Auf der anderen Seite haben wir uns insgesamt mehr Zeit genommen und intensiver an den Songs gefeilt. Das ist wahrscheinlich der größte Unterschied zu früher. Die einzelnen Tracks sind jetzt viel ausgeformter und auch die Kanten sind jetzt mehr abgeschliffen als es noch bei unseren früheren Sachen der Fall gewesen ist.  Wir haben die Nummern zum Teil monatelang liegen gelassen und als wir sie dann wieder hervorgekramt haben, sind uns sofort viele Dinge aufgefallen, die wir besser machen wollten. Das ist, glaube ich, auch der Grund, warum das Ergebnis jetzt ein so rundes ist.

Lässt sich der Titel des Albums „Journey“ ein wenig auf eure Leben in den letzten Jahren und welche Veränderungen es mit sich gebracht hat, ummünzen?

Nicole Jaey: Der Titel „Journey“ beschreibt eigentlich den Weg, den wir in den letzten fünf Jahren beschritten haben, ganz gut. Musikalisch sind wir uns im Grunde genommen treu geblieben. Wir machen weiterhin elektronische Musik mit vielen akustischen Einflüssen. Aber wir sind natürlich älter geworden und um Erfahrungen reicher, und das schlägt sich natürlich in den Texten nieder.

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Was man von eurem Album mitnimmt, ist, dass ihr eure eigene musikalische Sprache entwickelt habt. Sie ist sehr ausgefeilt und reich an Details. Man merkt den Songs auch an, wie intensiv ihr euch mit ihnen beschäftigt habt.

Harry Jen: Ich denke, das schönste Adjektiv, dass jemand in Bezug auf die neuen Songs verwendet hat, stammt von unserem Mischer Tricky. Der meinte, die Nummern klängen verspielt. Das empfinde ich als ein großes Kompliment, denn ich finde, dass gerade dieses Wort unseren Sound am besten beschreibt. Unsere Songs sind gespickt mit vielen kleinen Details. Wir versuchen, mit Musik spielerisch umzugehen und nicht kalkuliert.

„Wenn ich nur in die Richtung denke, die aus meinem Kopf herauskommt, ist es keine Herausforderung.“

Das heißt, weg vom Reisbrett.

Harry Jen: Ich experimentierte sehr gern. Wir haben meistens schon gewisse Vorstellungen, von denen wir ausgehen, nur darf es nicht bei diesen bleiben, sonst wird uns schnell fad. Wenn ich nur in die Richtung denke, die aus meinem Kopf herauskommt, ist es keine Herausforderung. Ich will so lange an den Dingen herumfeilen, bis etwas herauskommt, was auch mich überrascht.

Nicole Jaey: Wobei man schon sagen muss, dass es meinem Befinden nach manchmal schon etwas zu schräg oder zu wild wird. Dann muss ich Harry einbremsen und ihm sagen, dass er etwas vom Gas runtergehen und alles etwas zugänglicher gestalten soll. Das funktioniert bei uns ganz gut.

Als ich mich durch die Nummern hörte, sind mir da und dort die 1990er- bzw. die frühen 2000er-Jahre in den Sinn gekommen. Liege ich mit der Annahme, dass vor allem auch der elektronische Pop dieser Zeit einen Einfluss auf euch ausgeübt hat, halbwegs richtig? Oder irre ich mich da komplett?

Harry Jen: Ganz falsch liegst du da nicht. Ein Act, der vor allem auf mich einen großen Einfluss ausgeübt hat, war Moloko. Ich bin ein riesiger Fan dieser Band. Ich habe sie zwar erst mit ihrem letzten Album „Statues“ entdeckt, war aber von ihren Songs sofort hellauf begeistert. Daraufhin habe ich mir all ihre CDs besorgt. Die Band hat tatsächlich die Art, wie ich Musik mache, sehr verändert. Und hier ist es wieder dieser Aspekt der Verspieltheit. Egal wie tief man in die Musik hineintaucht, man entdeckt immer wieder neue Details. Mark Brydon, der die Songs von Moloko produziert hat, war auch immer wieder sehr gern experimentell und jazzig unterwegs. Auch in seinen anderen Projekten. Auf der anderen Seite stand mit Róisín Murphy eine Sängerin, die wirklich aus allem einen Popsong machen konnte. In gewisser Weise ist das bei uns ähnlich. Ich spinne mich immer wieder ein wenig aus und irgendwann ist eine Melodie da, die von Nicole gesungen wird und alles zusammenhält.

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Nicole Jaey: Ein zweiter starker Einfluss ist elektronische Musik. Ich liebe zum Beispiel Flume. Und wir haben schon einige Songs, die mit einem ähnlichen Feeling beginnen, wie es bei diesem Künstler der Fall ist. Und dann gibt es auch noch viele andere Sachen, die in unsere Musik einfließen.

Was das Album auch spannend macht, ist, dass eure Songs in ihrer Art alle sehr verschieden sind. Und dennoch folgen sie alle unverkennbar eurem Stil. Wie schwer ist es, sich in dieser musikalischen Vielfalt nicht zu verzetteln?

Harry Jen: Das finde ich mittlerweile eigentlich gar nicht mehr so kompliziert, weil wir nach jetzt schon zehn Jahren wissen, wo unsere Schnittmenge ist, wie unser Stil ist und wo wir hinwollen.

Nicole Jaey: Wir wissen mittlerweile, wo unsere Stärken liegen und was wir gut können. Und dann, denke ich, liegt es an der Anordnung der Songs auf dem Album. Die Songs sind zwar sehr unterschiedlich, aufgrund der Reihenfolge der Nummern kann man es aber schön in einem Fluss durchhören.

Harry Jen: Und es gibt ja auch Rezepte dafür, wie man etwas vereinheitlichen kann, obwohl es dem ersten Eindruck nach nicht danach klingt. Der bayrische Produzent Firnwald meinte einmal, sein Rezept sei, dass er bei einem Album zunächst einmal zwei Lieder produziere, die eigentlich recht unterschiedlich seien. Dann macht er das dritte, das wiederum Elemente beider Songs verbindet. Und so setzt er das ganze Ding dann fort, bis er ein fertiges Album hat.

„Das gesamte Album behandelt im Großen und Ganzen eigentlich das Thema Beziehungen.“

Welche Themen behandelt ihr in euren Liedern? Worum geht es in den Songs? Um Teenager-Themen vermutlich nicht.

Nicole Jaey: Nein, Teenager sind wir keine mehr. Im Titelsong „Journey“ geht es zum Beispiel um eine langjährige Beziehung und darum, was man alles in dieser erlebt hat. Es geht um den gemeinsamen Weg. Natürlich spielen da auch unsere Erfahrungen mit rein, aber nicht nur. Wir versuchen, zu dem Thema schon einen breiteren Blickwinkel abzudecken. Das gesamte Album behandelt im Großen und Ganzen eigentlich das Thema Beziehungen. Die Beziehung zwischen zwei Menschen, die Beziehung zu sich selbst oder zu Freund*innen. Das sind die Dinge, die mich beschäftigen bzw. über die ich am leichtesten schreibe.

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Was beim Durchhören ebenfalls auffällt, ist die positive Grundstimmung, von der die Musik getragen wird.

Nicole Jaey: „Journey“ ist auf jeden Fall ein positives Album. Sowohl musikalisch wie auch von den Texten her ist es eher uplifting. Dass es so klingt, war schon ein Ziel von uns. Natürlich hat das Leben auch manchmal negative Seiten – und die kann man auch nicht ausklammern –, aber im Großen und Ganzen geht es uns doch darum, auch einmal die positiven Dinge des Lebens in den Vordergrund zu rücken. Es ist nicht immer alles dunkel und düster.

Worauf ihr ebenfalls sehr viel Wert legt, ist die Qualität eurer Videos, die allesamt mit ihrem kunstvollen Anstrich überzeugen.

Nicole Jaey: Hauptsächlich für die Videos verantwortlich bin ja ich, was daran liegt, dass wir uns die Aufgaben aufgeteilt haben. Grundsätzlich produziere ich auch Musik, aber in diesem Projekt ist Harry für die Musik zuständig und ich für die Texte und das Singen. Das bietet mir natürlich auch Raum, mich auch anderweitig auszuleben. Und da ich auch Technikerin bin und ich auch auf diesem Gebiet sehr gern herumtüftle, habe ich während der Coronazeit 3-D-Animation gelernt. Mittlerweile habe ich für die eine echte Leidenschaft entwickelt, genauso wie auch für Film. Und diese Leidenschaft lebe ich jetzt aus. Wir haben ja für das Album auch eine Musikfonds-Förderung erhalten. Und das erlaubt es uns, auch etwas mehr in unsere Videos zu investieren, damit diese eben einen professionellen Anstrich erhalten. Bei manchen bekommen wir natürlich auch Unterstützung von ganz tollen Leuten, die einen wesentlichen Anteil an der Qualität der Videos haben. Andere Videos, wie etwa die zu den Songs „Luck Beyond“ und „Girl“, stammen allein von mir.

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Bei diesem Album haben euch namhafte Musiker:innen unterstützt, die aber mehr aus der Jazz-Ecke kommen als aus der Popmusik.

Harry Jen: Manche von ihnen kenne ich schon länger. Mit Emily Stewart habe ich in Linz an der Bruckneruni studiert. Sie hat damals schon bei meinem Abschlusskonzert Violine gespielt. Und sie ist auch die Erste, die ich anrufe, wenn ich im Studio eine Violine brauche. Emily hat uns dann auch den Trompeter Julian Preuschl empfohlen, der uns dann wiederum mit der Saxofonistin und Klarinettistin Lisa Hofmaninger bekannt gemacht hat.  Mit unserem Schlagzeuger Raphael Rameis stehen wir auch schon seit vielen Jahren auf der Bühne.

Ihr präsentiert das Album am 19. November im B72. Was kann man von euch nach dem Erscheinen des Albums noch erwarten?

Nicole Jaey: Es wird auf jeden Fall noch ein Video zum Song „Do you wanna got with me“ erscheinen. Ich trage die Idee für dieses Video schon so lange mit mir herum, dass es jetzt einfach rausmuss. Danach kommt dann noch eine Single, die aber nicht von dem Album stammt. Die Single ist eine Hommage an Moloko.

Harry Jen: Und dann schauen wir, was noch alles passiert.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Michael Ternai

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