Lauter, ungehobelt kantiger und schneller Punk mit definitiv interessanter und vor allem auch hochgradig eigenständiger Note – für die Linzer Band JOHNNY & THE ROTTEN ist Kompromisslosigkeit Teil ihres musikalischen Programms, wobei die Kompromisslosigkeit in diesem Fall eine im Sound erstaunlich vielfältige ist. Wie auch auf dem neuen Album „HERE IS JOHNNY II“ (Stone Free). Im Interview mit Michael Ternai erzählten HANNES „JOHNNYFROMTHEROTTEN“ ARNEZEDER, MARIO SANCHEZ und THEODOR FINSTER, der sich in der Mitte des Interviews online zugeschaltet hat, über ihren musikalischen Ansatz, die Tiere in ihren Texten und die Freude über die langsam, aber stetig wachsende Bekanntheit.
Was euer neues Album auszeichnet, ist einmal mehr diese Kompromisslosigkeit, die ihr auf diesem an den Tag legt. Ohne die geht es bei euch nicht, oder?
JohnnyFromTheRotten: Nein, definitiv nicht. Diese Attitude ist Teil von uns. Und die wird vor allem live bemerkbar. Wir versuchen einfach, die Energie und das Flair der Bühne auf unseren Alben einzufangen. Daher nehmen wir die Songs auch live auf, damit wir die Dynamik und das Feeling auf dem Tonträger rüberbringen können.
Das gelingt euch ausgesprochen gut, denn so eine Verweigerung, sich auch nur irgendeinem cleanen Sound anzunähern, bekommt man nur selten zu Gehör. Es ist alles verzerrt, es ist laut, es rumpelt, es wird gekreischt …
JohnnyFromTheRotten: Das nehme ich jetzt einmal als Kompliment. Wir nehmen unsere Alben in einem kleinen Raum auf, wo es sehr laut wird. Und wir experimentieren schon recht viel mit Noise herum. Wir schauen immer wieder, was passiert, wenn wir das und das tun. Außerdem improvisieren wir auch gern und recht viel, wobei wir uns dabei gar nicht so viel überlegen, sondern uns einfach nur von der Stimmung treiben lassen. So, denke ich, fangen wir ganz gut ein, was wir machen wollen. Es dürfen auch Ecken und Kanten drinnen sein und da und dort auch einmal falsche Noten. Das kann ja hin und wieder auch magic sein.
Mit auf dem Reißbrett Vorgefertigtem geht ihr nicht ins Studio?
JohnnyFromTheRotten: Nein. Unser Ziel ist wirklich, dass man das Gefühl hat, man stünde mittendrin in der Show, wenn man sich das Album anhört.
Mario Sanchez: Es geht wirklich darum, die Stimmung einzufangen. Daher kreischt es auch an allen Ecken und Enden.
JohnnyFromTheRotten: Wobei schon dazu gesagt werden muss, dass wir das Album eigentlich schon vor zwei Jahren quasi fertig gehabt haben. Und dem ist ein etwas längerer Prozess vorangegangen, weil wir uns nicht sicher waren, ob wir selbst aufnehmen oder in ein anderes Studio gehen sollen. Wir haben dann beschlossen, dass wir das selber aufnehmen und mischen. Das war schon ein längerer Lernprozess, auch weil wir schon eine Vorstellung davon gehabt haben, wie es klingen sollte, und wir einen Weg finden wollten, eben dorthin zu kommen. Im Nachhinein war das auch die richtige Entscheidung, weil wir mittlerweile alle unsere Sachen selber aufnehmen und wirklich einiges dazugelernt haben. Daher ist dieses Album für mich auch etwas Spezielles, weil sich mit dem Album für mich auch die Welt des Aufnehmens geöffnet hat.
Eure Musik ist sehr stark im Punk verwurzelt. Hart, schnell, raw. Und dennoch arbeitet ihr auch mit Hooks, die richtig schön ins Ohr gehen. Ihr selbst beschreibt eure Musik als Mischung aus Beach Boys, Sonic Youth und Punk. Klingt jetzt einmal sehr interessant. Wie kommt man auf so eine Mischung?
JohnnyFromTheRotten: Zum Teil sind es unsere persönlichen Hörgewohnheiten. Zum anderen ist Garage Rock für mich wieder voll interessant geworden. Der hat auch Kanten, er ist raw und rough, hat aber dann doch auch diese Hooks dabei. Und so ist das irgendwie entstanden.
Mario Sanchez: Ich glaube, was es auch noch spannend macht, ist, dass Johnny die Nummern eigentlich daheim schreibt und sie dann in den Proberaum mitbringt. Und dort verbinden sich die Songs dann mit den Ideen der anderen. Wir kommen eigentlich alle aus unterschiedlichen musikalischen Ecken, wobei uns manche Musikrichtungen – wie etwa Rock ‘n’ Roll und Punk – schon verbinden. Aber so kommen wir während des Songwritings auf unterschiedliche Ideen. Und manches verändert sich da dann schon nochmals komplett. Und ich denke, so entstehen auch diese weirdness und Vielfalt in den Songs.
„Ich schreibe meine Texte ja auch gern aus einer Tierperspektive […]“
Eure Musikvideos sind sehr bunt und auch eure Musik hat etwas Humoristisches an sich. Bestimmt der Spaßfaktor eure Musik oder steckt hinter ihr auch eine Botschaft?
JohnnyFromTheRotten: Teilweise stecken hinter den Liedern schon Messages, teilweise geht es aber einfach nur ums Entertainment. Lustige Geschichten aus dem Alltag. Bei „Mojo No!“, einem Lied von unserem ersten Album, geht es einfach darum, dass ein Hund die ganze Zeit die Puppe eines Kindes fressen wollte. So eine Situation habe ich irgendwann beobachtet und einfach einen Song darüber geschrieben. Ähnlich ist es bei den Videos. Die Leute sollten sich schon denken: „Ist irgendwie komisch und zugleich auch etwas Neues.“ Ich schreibe meine Texte ja auch gern aus einer Tierperspektive und bastle darum eine Geschichte. Und mittlerweile habe ich von Fliegen über Fische bis hin zu Hunden und Katzen schon viele Tiere in meinen Texten verarbeitet.
Wie kommt man auf die Idee, die Texte aus so einer Perspektive zu schreiben?
JohnnyFromTheRotten: Ich weiß, ehrlich gesagt, eigentlich gar nicht mehr genau, wie und wann. Vielleicht habe ich mir einfach nur einmal gedacht, es wäre ja ganz nett, einmal für einen Tag ein Fisch zu sein.
Ich habe auf eurer bandcamp-Seite gesehen, dass eure letzte Veröffentlichung gerade einmal ein paar Monate her ist. „Rotten Salami“ heißt diese Platte. Was hat es mit der auf sich?
JohnnyFromTheRotten: „Rotten Salami“ war eigentlich eine sehr spontane Geschichte. Wir haben uns da mit einem guten Freund von uns, Felix Schnabl alias Salami Recorder, zusammengetan und ein gemeinsames Projekt gestartet. Wir haben uns einfach gesagt: „Gehen wir einfach ins Studio und schauen, was dabei herauskommt.“ Ja, und innerhalb von sechs Stunden hatten wir ein Album erarbeitet, und das, ohne dass wir irgendeinen Song vorbereitet hätten. Und es ist überraschenderweise so gut geworden, dass wir beschlossen, die Songs als Album zu releasen.
Inwieweit war eigentlich auch die Pandemie schuld daran, dass das Album nicht früher erschienen ist?
Mario Sanchez: Die Pandemie war für uns irgendwie ein zweischneidiges Schwert. Einerseits konnten wir keine Shows oder keine Tour spielen, was auch den Release eines Albums eher sinnlos machte. Auf der anderen Seite hatte Johnny in dieser Zeit die Möglichkeit, an den Songs weiterzuarbeiten und ihnen einen Feinschliff zu verpassen.
Theodor Finster: Es war auf jeden Fall so, dass wir nicht unbedingt ein Album in einer Zeit rausbringen wollten, in der es soundso nicht möglich war zu touren. Es ist vielen Bands während der Pandemie passiert, dass sie ein Album rausgebracht haben, mit diesem dann aber nicht viel anfangen konnten. Daher sind deren Alben oftmals leider irgendwie untergegangen. Und das wollten wir unbedingt verhindern. Es wäre ja schade gewesen, wenn das Album, in das wir so viel Arbeit reingesteckt haben, nach kurzer Zeit irgendwie untergegangen wäre.
„Es gibt hier schon viele punkige Geschichten.“
Ich habe vor Kurzem die Band Heckspoiler interviewt. Die stammt wie ihr auch aus Oberösterreich. Generell habe ich das Gefühl, dass da eine echt aktive Punk-Szene am Werken ist. Oder täuscht der Eindruck?
Theodor Finster: Als ich vor fünf Jahren nach Linz gezogen bin, habe ich gefühlt fast jedes Wochenende irgendwelche Leute getroffen, bei denen ich mir gut vorstellen konnte, eine Band zu machen. Da habe ich schon gemerkt, dass im Vergleich zu vielen anderen Städten eine große Musikszene vorhanden ist. Und vor allem in diese härtere und lautere Musikrichtung. Es gibt hier schon viele punkige Geschichten.
JohnnyFromTheRotten: Mit der KAPU und der Stadtwerkstatt haben wir hier auch zwei Locations, die da sehr unterstützend sind. Wir sind echt froh, dass wir zwei solche Plätze haben. Und die haben auch vor allem auch schon einen Namen. Wenn wir in Deutschland unterwegs sind, bekommen wir schon mit, dass die meisten diese Orte kennen bzw. auch schon dort waren. Es ist super, wenn man in der Stadt, in der man lebt, diese Möglichkeit hat. Man kann selber auf Konzerte gehen, Konzerte spielen und sich dort mit anderen connecten.
Ihr habt schon mit eurem Debüt in der Szene, aber auch über Oberösterreich hinaus einiges an Aufmerksamkeit erregt. Wie sehen eure Erwartungen bezüglich eures neuen Albums aus?
Mario Sanchez: Erwartungen? Ich bin auf jeden Fall jetzt schon zufrieden. Wir gehen endlich wieder auf Tour, was schon sehr cool ist, bedenkt man, dass eine solche aufzustellen wirklich ein pain in the ass ist. Es ist mühsam und dauert ewig. Diese Tour jetzt ist aber in kürzester Zeit aufgestellt gewesen. Irgendwie schrieben wir: „Ja, hier ist Johnny & The Rotten …“ und bekamen als Antwort durchwegs positives Feedback und oft auch einen Gig dazu. Das ist natürlich sehr cool. An der Stelle müssen wir uns wirklich bei unserem Booker Diggi [Manuel Dicketmüller; Anm.] bedanken, der uns da wirklich sehr unterstützt.
Theodor Finster: Bezüglich der Erwartungen, oder sagen wir besser Hoffnungen: Ich habe die Vorstellung immer cool gefunden, dass irgendjemand mal auf mich zukommt und sagt, dass die Musik, die ich mache, ihn beeinflusst. Das ist wahrscheinlich das schönste Feedback, das man erhalten kann, weil es zeigt, dass man jemanden erreicht hat. Es geht nicht drum, dass man viel Kohle verdient oder ständig auf Welttournee ist, es gibt schon ein gutes Gefühl, wenn man in dem Kreis, in dem man sich bewegt, Leute anspricht, mit dem, was man tut.
Mario Sanchez: Dazu habe ich eine nette Anekdote anzubieten. Ich war vor ein paar Wochen beim Tierarzt und hatte ein Johnny-&-The-Rotten-T-Shirt an. Ich sitze da in der Ordination und gegenüber von mir ein Pärchen in meinem Alter. Irgendwann schauen sie mich an und fragen: „Du spielst doch bei Johnny & The Rotten, oder?“ Da dachte ich mir: „Ist das aber cool, da wird man schon auf die Band angeredet.“ Da bin ich mit einem Lächeln nach Hause gegangen.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Michael Ternai
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