CAPTAIN HOT DOG SAUCE – Wiens einzige Instrumental-Boyband – hat sich Zeit gelassen: Nach über einem Jahrzehnt veröffentlichen sie im Februar 2025 endlich ihr Debütalbum “Escalator”. Gitarrist Ryan Ocfemia, der zusammen mit Lukas Fellner (Drums), Max Stanger (Bass) und Oliver Tez aka Olinclusive auf der Bühne steht, spricht im Interview mit Itta Francesca Ivellio-Vellin über die Herausforderungen der Instrumentalmusik, den Signature-Sound der Band und seine Japanischkenntnisse.
Wie kam es denn jetzt dazu, dass Captain Hot Dog Sauce nun endlich – nach 14 Jahren Bandgeschichte – ein Album gemacht hat?
Ryan Ocfemia: Wir hatten einfach sehr viele Songs, die wir bereits aufgenommen hatten, aber es hat immer irgendetwas gefehlt. Als wir die Projekte an Mike Mlango-Benedict (aka Clean Plate Sound) weitergegeben haben, konnte er mehr herausholen, als wir selbst gehört – oder eben nicht gehört – hatten. Das Resultat klang unfassbar cool, also haben wir gesagt: „Okay, das wird jetzt unser Album.“ Es ist total naiv und aus dem Bauch heraus entstanden.
Also ist es ein Herzensprojekt?
Ryan Ocfemia: Für uns ist es ein Traumszenario – als ob alle Menschen unseren Musikgeschmack teilen oder zumindest nachvollziehen könnten.
Ihr bezeichnet euch als Boyband. Wieso?
Ryan Ocfemia: In Boybands ist es ja so, dass jeder Boy immer etwas besonders ist, tut und ausstrahlt. Das wurde dann ja so gestaltet, als wäre für jede:n etwas dabei. Ob das bei uns auch der Fall ist? You can be the judge.
In den klassischen Boybands gibt es dann den Heartthrob, den Badboy, etc.
Ryan Ocfemia: Richtig! Wir haben dann einmal kategorisiert, wer von uns der Captain, wer der Hot One ist, wer der Dog ist, und wer die Sauce ist.
…und?
Ryan Ocfemia: Naja, ich bin der Captain, Max, unser Bassist, ist der Hot One – er hat damals unfassbar viel trainiert. Lukas ist der Dog, weil er als Drummer der lauteste ist, und die Sauce ist Oli, weil er uns noch mal tastefully upliftet. Und deshalb sind wir eine Boyband! Außerdem glaube ich, dass es sonst keine Instrumental-Boyband in Wien gibt.
Es gibt ohnehin nicht so viele Instrumental Bands in Wien, abseits von Jazz und Neuer Musik.
Ryan Ocfemia: Und auch kaum Boybands!
Wieso eigentlich keine Vocals? War das eine bewusste Entscheidung?
Ryan Ocfemia: Absolut! Es ist immer herausfordernd, ein instrumentales Stück zu schreiben und trotzdem die Aufmerksamkeit des Publikums zu halten. Sobald eine Stimme dabei ist – sei es nur ein Sample –, hat man sofort deren Aufmerksamkeit. Wir wollten herausfinden, ob wir das auch ohne Vocals schaffen. Deshalb haben wir uns stark auf Arrangement und Melodie konzentriert. Das ist eine spannende Challenge, die beim Komponieren viel Zeit in Anspruch nimmt. Aber wenn es gelingt, sind wir total hyped und freuen uns darauf, es anderen zu zeigen – wie Kinder, die etwas Neues entdeckt oder kreiert haben und es voller Stolz herzeigen wollen.
„Es ist immer herausfordernd, ein instrumentales Stück zu schreiben, und trotzdem die Aufmerksamkeit des Publikums zu halten.”
Was charakterisiert eure Musik, würdest du sagen?
Ryan Ocfemia: Wir sind große Fans davon, uns selbst und unser Publikum zu überraschen. Ein Überraschungsei war früher ja auch etwas Tolles und Cooles! Ich hoffe, dass wir dieses Gefühl auch live vermitteln können – dass das Leben schön ist, gerade weil man nicht alles weiß und sich überraschen lassen darf.
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Instrumentalmusik lebt ja eben vom Live-Aspekt. Wo würdest du dir vorstellen oder wünschen, dass sich die Leute die Captain Hot Dog Sauce Platte anhören?
Ryan Ocfemia: Wir haben ja ganz verschiedene Songs, bei denen wir immer auch besondere Vorstellungen im Kopf haben. Bei „Summer Muscles“ haben wir uns zum Beispiel vorgestellt, dass es Sommer ist und, auch wenn wir keine Muskeln haben, wir den Leuten beim Trainieren zuschauen oder an ihnen vorbeigehen, während wir vermutlich zuckerhaltige Drinks trinken – oder Wasser. Oder wir sitzen in einem Cabrio, das gerne rot sein möchte, aber leider ausverkauft war, weshalb es schwarz ist, und cruisen damit rum. Oder wir fahren mit dem Fahrrad entlang der Neuen Donau. Oder bei der Rossauer Lände, wo man extra langsam an dem Outdoor-Gym vorbeifährt [lacht].
Das liebe ich! Das heißt also, am Anfang eines Songs steht immer die Idee eines Vibes?
Ryan Ocfemia: Ja, es fängt immer mit Ideen an, die wir selbst gar nicht spielen können. Aber der Drang ist dann so groß, dass wir es unbedingt umsetzen wollen. Wir haben zum Beispiel ein Lied, das heißt “Öffiser”. Damit assoziieren wir das Schwarzfahren in unserer Teenie-Zeit. Diesen Moment, wenn dann ein Schwarzkappler gekommen ist…
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Also doch alles Bad Boys in eurer Boyband.
Ryan Ocfemia [lacht]: Vielleicht! Aber nein, ich hatte immer ein Ticket.
Du bist also der Brave. Wie funktioniert das bei eurer Band, seid ihr immer einer Meinung?
Ryan Ocfemia: Wir sind uns immer schnell einer Meinung. Vor allem, wenn wir Songs schreiben und über neue Parts im Stück lachen, wissen wir, dass es der richtige Weg ist.
Machst du als Captain manchmal Ansagen?
Ryan Ocfemia: Also, der Musical Director wäre eher Lukas. Aber wenn ich nicht dabei bin, funktionieren die Proben nicht. Es braucht immer eine Zugpferd-Person, die ein bisschen Struktur reinbringt. Wir schreiben aber immer gemeinsam.
„Wir borgen uns gerne Dinge von verschiedenen Genres aus.”
Euer Sound hat sich über die Jahre geändert – wie kam es jetzt zu Fahrstuhl-Musik meets Gaming-Sounds?
Ryan Ocfemia: Es fängt ja immer mit einer groben Vorstellung an, bis man wirklich herausfindet, was man als Gruppe ist. Anfangs fanden wir instrumental Hip-Hop sehr, sehr cool. Zu der Zeit waren auch THE RUFF PACK sehr präsent in Österreich, aber es war ein Terrain, das nicht viele betreten haben. Wir haben dann aber entdeckt, dass unsere Wurzeln nicht nur im Hip-Hop liegen und dass wir uns gegenseitig sehr stark beeinflussen. Lukas kommt zum Beispiel sehr stark aus dem Jazz und Funk. Oli produziert viel Hip-Hop, Lofi und RnB. Ich glaube, Max war damals sogar Metal-Bassist – ich bin mir nicht mehr sicher. Wir leihen uns gerne Elemente aus verschiedenen Genres aus und sehen es als Herausforderung, alles in eine coole, instrumentale Nummer zu packen.
Fahrstuhl-Musik ist jetzt nicht unbedingt etwas, was gängig als cool bezeichnet wird.
Ryan Ocfemia: Gar nicht, aber es ist auch ein Vibe! Vielleicht lernt man da neue Leute kennen. Oder man ist voll gestresst, weil plötzlich der/die Chef:in aus der obersten Etage einsteigt. Oder es ist der Westbahnhof-Aufzug, in den die letzten Leute noch hineinzurennen versuchen, und man ist total gequetscht, es ist super warm, und man hofft verzweifelt, dass niemand einen Furz lässt.
Was für ein Vibe! Und welche Games haben euch dann inspiriert?
Ryan Ocfemia: Auf jeden Fall 2000er Games. Damals gab’s noch nicht so viele Ego-Shooter, bei denen die Musik eher in Richtung Filmmusik geht. Der Fokus lag viel mehr auf den Melodien – eingängigen Melodien, die zur Stimmung beitragen. Zum Beispiel Zelda, Street Fighter, Mega Man – viele japanische Spiele, bei denen japanische Komponist:innen involviert waren. Oder Mario Kart. Ich habe damals viel Mario Kart gespielt, aber wer nicht? Die Kids heute spielen das immer noch.
Zockst du immer noch viel?
Ryan Ocfemia: Nein, sonst könnte ich keine Musik machen. Ich bin da sehr suchtanfällig. Angeblich hatte ich als Kind fast so etwas wie ein fotografisches Gedächtnis, bis ich eine Super Nintendo bekommen habe – mit der ging diese Fähigkeit verloren.
Naja, es ist auch so etwas aus dir geworden.
Ryan Ocfemia: Vielleicht wäre ich dann auch eine weniger zufriedene Person. Man erwartet ja auch viel mehr Leistung von einem überdurchschnittlich fähigen Kind.
Gab es also keinen Leistungsdruck von deinen Eltern?
Ryan Ocfemia: Nein, nur Überlebensdruck. Meine Eltern kommen von den Philippinen und haben ihre Erfahrungen aus ihrer Jugend dort natürlich an uns weitergegeben. Das sind ganz andere Werte, ganz andere Ziele. Für meine Eltern war die Vorstellung so, dass Kinder nur eine gute Ausbildung brauchen, dann ist die Zukunft gesichert. Stimmt aber nicht ganz.
Olis Eltern kommen ebenfalls von den Philippinen. Oli und ich waren beide Teil einer Community und haben unter anderem dadurch in unserer Teenagerzeit andere Musik gehört als vielleicht andere Leute. Es war bei uns gängig, nicht Radio zu hören, sondern jede Woche die Billboard 100 anzuschauen. Deshalb ist uns R’n’B und Hip-Hop auch so nah. Deshalb kannten wir auch Songs, die andere höchstens in den Clubs beim Fortgehen gehört haben.
„Für meine Eltern war es in der Vorstellung so, dass Kinder nur eine gute Ausbildung brauchen, dann ist die Zukunft gesichert. Stimmt aber nicht ganz.“
So kam man damals zu neuen Songs – heute gibt’s Spotify und Instagram für sowas. Da wird man ja überhäuft von neuen Songs und Bands.
Ryan Ocfemia: Ja, auch wenn es dann oft passiert, dass man diese Songs nur sehr kurz hört, weil so schnell neue kommen. Das finde ich schade.
Deshalb legt man sich Playlists an – zum Beispiel Mood-Playlists.
Ryan Ocfemia: Das stimmt. Ich habe mich tatsächlich mal gefragt: Wie wäre es, wenn unser Leben einen Soundtrack hätte?
Wer würde den Soundtrack zu deinem Leben schreiben? Du selbst?
Ryan Ocfemia: Nein! Das könnte ich nicht. Sehr schwierig. Gerne die Band Tokyo Incidents. Das ist meine Lieblingsband, weil sie so divers sind und jeder Track anders klingt. Ich habe sie in allen möglichen Lebenslagen gehört, und sie passen sehr oft. Die Band müsste meinen Lebenssoundtrack schreiben.
Singen Tokyo Incidents auf Japanisch?
Ryan Ocfemia: Fast ausschließlich. Selten auf Englisch.
Verstehst du Japanisch?
Ryan Ocfemia: Überhaupt nicht! Gar kein Wort!
Vielen Dank für das Gespräch.
Itta Francesca Ivellio-Vellin
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Am 21. Februar 2025 feiern Captain Hot Dog Sauce ihr Album-Release im Kramladen in Wien und werden dabei von der Protestsongcontest-Gewinnerin CHOVO supportet.
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Links:
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