„WIR SIND EIN BISSERL MELANCHOLISCH UND EIN BISSERL VERSIFFT“ – DIMA BRAUNE (GRANT) IM MICA-INTERVIEW

Mit „Größenwahn“ veröffentlicht die Wiener Band GRANT im nächsten Jahr ihr drittes Album auf PROBLEMBÄR RECORDS. Zuletzt erschien „Galaxien“, eine Single-Auskopplung, bei der man nicht nur Gitarrenriffs durch den Weltraum schweben lässt, sondern die Band in Däniken-Manier ein UFO kapert, um zwischen Sternenstaub nach den Geistern von Leonard Cohen und Kurt Waldheim zu forschen. Bevor „Größenwahn“ am 29. Jänner 2021 erscheinen wird, erklärt DIMA BRAUNE im Gespräch mit Christoph Benkeser, wie er in den Abbey Road Studios aufnehmen würde, warum er zu Weltraum-Dokus einschläft und welchen Sinn er in der Nacht findet. 

Wann hast du das letzte Mal geträumt? 

Dima Braune: Ich gehöre zu den Menschen, die fast nie träumen. Manchmal, vielleicht. Aber dann kann ich mich nicht daran erinnern, außer kurz nach dem Aufwachen, wenn ich bewusst nachdenke, was ich eigentlich zusammengeträumt habe.

Was wird dir bewusst? 

Dima Braune: Ich träume alltägliche Dinge. Meine Träume sind nicht verrückt, nie gruselig oder Alptraum-artig. Der Alltag schwappt bei mir eher in den Traum über. Vielleicht erinnere ich mich deshalb nie daran, weil das Meiste so uninteressant ist. Wenn man schlecht träumt, erinnert man sich doch eher daran, oder?

Wahrscheinlich.

Dima Braune: Eine Freundin von mir hatte eine Zeitlang jede Nacht furchtbare Träume. Das waren schräge Sachen: Kettensägen-Leute und solche Dinge. Sie konnte sich am nächsten Tag aber ganz reflektiert daran erinnern.

Vom Traum zum Alptraum und von dort aus zum Größenwahn ist es nicht weit.

Dima Braune: Ja, aber so etwas wie Größenwahn ist eher ein Wachtraum, oder? Eine Art Wunsch.

Irgendwo hab ich mal den Satz gelesen, dass nicht alle Träumer größenwahnsinnig seien – aber alle Größenwahnsinnigen Träumer. 

Dima Braune: Bei Größenwahn muss ich zum Beispiel an Napoleon denken. War der ein Träumer?

Gute Frage! 

Dima Braune: So etwas wie Größenwahn ist immer auch egomanisch konnotiert. Wenn man Kaiser der Welt werden möchte, muss man wohl Egomane sein, gepaart mit einem ausgeprägten Egoismus. Gleichzeitig ist dieser hochgestochene Traum ziemlich lächerlich, weil er so viel verlangt.

Inwiefern viel? 

Dima Braune: Ich sag ein anderes Beispiel: Wenn ich Beyoncé sein möchte, muss ich wahnsinnig unkritisch mit meiner Selbstreflexion umgehen, weil ich weder eine hübsche Frau noch eine R’n’B-Sängerin bin. Ich kann natürlich daran glauben, müsste aber die Wirklichkeit ausblenden.

Wäre das ein Traum für dich? 

Dima Braune: Es ist bestimmt anstrengend, Beyoncé zu sein. Das ganze Geld hätt ich aber schon gern.

„WIR WÜRDEN IN DEN ELECTRIC LADY STUDIOS ODER IN DER ABBEY ROAD AUFNEHMEN – MIT SUPER PRODUZENTEN UND SO.“

Macht Geld glücklich?

Dima Braune: Es gibt ein Sprichwort, das sinngemäß heißt: Wenn du über Kunst reden willst, musst du mit reichen Leuten sprechen, weil Künstler immer nur über Geld reden. Aber im Ernst: Ich bin kommunistisch eingestellt, laufe dem Geld nicht hinterher. Wenn’s kommt, wär’s trotzdem leiwand.

Was würde sich ändern? 

Dima Braune: Wir würden in den Electric Lady Studios oder in der Abbey Road aufnehmen – mit super Produzenten und so.

Das ist auch ein Traum. 

Dima Braune: Gleichzeitig bin ich eher ein spießiger Horter, obwohl ich anfällig bin, andauernd Dinge im Internet zu kaufen. Das ist schon komisch. Mir fällt es nicht leicht Geld auszugeben, obwohl ich es dauernd mache.

Vielleicht wären wir ohne den ganzen Konsumangeboten doch glücklicher. 

Dima Braune: Es gab in meiner Heimatstadt einen Typen, den alle „Der Germane“ nannten, weil er im Wald wohnte. Er war ein Aussteiger, hatte drei Kinder, die alle lange Haare und Bärte hatten. Die ganze Sache kann ich mir heute noch schwer vorstellen. Überleg mal: Wenn dich dein Freund nach der Schule fragt, ob er noch mit zu dir kann – und du lädst ihn in den Wald ein.

Das zeigt, dass man nie nur zur Hälfte aussteigen kann, ohne gleichzeitig im System zu bleiben.

Dima Braune: Oder man geht auf Demonstrationen, die in Wahrheit innerhalb des Systems stattfinden. Manche Parteien fordern immer noch Demonstrationszonen, so nach dem Motto: Demonstrieren ist eh okay, aber nur, wenn es niemanden beim Arbeiten stört. Das ist nichts anderes, als systemkonform systemfeindlich zu sein.

Ich will nicht Adorno bemühen. Aber das Gefühl, dass ein bisserl was durcheinanderkommt, hat man schon.

Dima Braune: Ja, wart einmal. Das Corona-Leugner-Ding ist … interessant. Ich kenn einen über Facebook, der eigentlich sein ganz Leben lang als alternativer Typ in Südamerika in Hängematten gekifft hat, und plötzlich Artikel postet über Magic Mushrooms, die Corona heilen.

Die Grenzen haben sich in diesem Jahr noch weiter verschoben. Mehr Leute sind anfällig geworden, an solchen Schwachsinn zu glauben. 

Dima Braune: Wärst du anfällig dafür?

Ich kann mich erinnern, wie ich im Fernsehen früher Dokus über 9/11 und so angeschaut hab. Das war zwar spannend, aber darin wiedererkennen würde ich nicht. 

Dima Braune: Für Alien-Sachen wäre ich wohl anfällig. Ich kipp da nicht voll rein, aber manchmal seh ich Dokus, bei denen ich mir denke: Ja, das könnt schon alle so sein.

Bei mir waren es Bücher von Erich von Däniken. Man kann es nie ganz ausschließen, auch wenn man nicht daran glaubt. Das macht Verschwörungstheorien aus. 

Dima Braune: Ja, man glaubt zwar nicht dran, aber man könnte es sich vorstellen – wenn es bewiesen werden würde.

Woher kommt dein Interesse für Außerirdisches? 

Dima Braune: Ich hab ein Space-Faible und schlafe seit Jahren zu Weltraum-Dokus ein. In der Schule war ich zwar gar nicht an Physik interessiert. Mittlerweile höre ich mir aber sogar Vorträge an – die Alien-Sachen natürlich auch.

Was sind das für Dokus?

Dima Braune: Alles, was man auf YouTube dazu finden kann. Das Meiste hab ich schon durch. Die Bandbreite geht von Scientology-Idioten bis zu Stephen-Hawkin-Geschichten. Sich da reinzudenken, finde ich entspannend.

Man denkt sich dadurch auch von der Erde weg, oder? 

Dima Braune: Absolut, darum geht’s auch – neben dem Pionier-Gedanken, der mir gefällt. Ich werde nie Astronaut sein, finde das Ungewisse an solchen Expeditionen aber spannend. Es ist ein Abenteuer, ohne das man weiß, was passieren wird. Der Song „Galaxien“ entwächst aus diesem Interesse.

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„Im luftleeren Raum fühlt man sich kaum“, singst du, während ihr im UFO durch das Weltall reist. 

Dima Braune: Das wollten wir immer machen, obwohl die ursprüngliche Idee war, eine Star-Trek-Episode zu drehen. Auch weil ich Trekkie bin. Das ging aber nicht so gut. Mit einem ordentlichen Budget wäre das Video bestimmt besser geworden, als alle neuen Star-Trek-Filme. Mit dem aktuellen Video sind wir aber auch zufrieden, es hat eine Ed-Wood-Ästhetik.

„ICH HAB MIR IMMER VORGESTELLT, WIE ALIENS DIE SCHALLPLATTE FINDEN UND NACHFORSCHUNGEN ANSTELLEN – UM DRAUFZUKOMMEN, DASS SIE VON EINEM NAZI GEGRÜSST WERDEN.“

Im Video fliegt ihr vorbei an einer Erde, aus der ein Stück gebrochen ist. 

Dima Braune: Ich weiß zwar nicht, was es bedeutet. Aber es ist sicher deep.

Was bedeutet es für dich? 

Dima Braune: Das Lied ist einer Schreibblockade entwachsen. Wobei es eigentlich keine Schreibblockaden gibt, sondern nur Zeiten, in denen man alles scheiße findet, was man schreibt. Also, ich bin natürlich großer Fan von Leonard Cohen. Er war – natürlich im übertragenen Sinn – mein Guru und Mentor im Songwriting. Durch ihn habe ich mich versucht, hochzuziehen. Dazu kam die Komponente mit Kurt Waldheim. Es gibt eine Voyager-Sonde mit einer Goldenen Schallplatte, die Botschaften an Außerirdische enthält. Als erstes grüßt Waldheim. Ich hab mir immer vorgestellt, wie Aliens die Schallplatte finden und Nachforschungen anstellen – um draufzukommen, dass sie von einem Nazi gegrüßt werden.

So muss man auch die Stelle verstehen, wo du vom Geist Waldheims sprichst.

Dima Braune: Es hängt auch mit der guten und bösen Seite, einer Art Yin und Yang von mir selbst zusammen. Cohen auf der einen, und Waldheim auf der anderen Seite, obwohl mich mit Waldheim nichts verbindet, außer der Tatsache, dass ich bei einem Max-Raabe-Konzert neben seiner Tochter gesessen bin. Da fällt mir ein: Neben mir saß auch Karas von der ÖVP. Beide haben übrigens keine einzige Gefühlsregung während des Konzerts gezeigt. Nicht einmal gelächelt haben die.

Das muss man auf einem Konzert von Max Raabe schaffen.  

Dima Braune: Ja, da darf man nichts mehr fühlen.

So wie im „luftleeren Raum“, wo Cohen auf Waldheim trifft. 

Dima Braune: Das fand ich auch befremdlich. Und es soll befremdlich sein. Dadurch, dass Cohen mir sehr vertraut ist und Waldheim genau das Gegenteil symbolisiert, prallen zwei Gegensatzpaare aufeinander. Wie in den Filmen, wo jeweils ein Engel und ein Teufel auf den Schultern stehen und entgegengesetzte Dinge einflüstern. Das ist ziemlich kindisch.

Nein, überhaupt nicht. Der Gedanke, dass man zwei Stimmen in sich hat, die miteinander konkurrieren, ist schön.

Dima Braune: Jeder Mensch hat gute und böse Seiten. Ich bin viel zu jung um das zu sagen, aber geht es im Leben nicht darum, seine gute Seite präsent hält, dass man sie weiter ausprägt, sie weiterentwickelt?

Was könnte man dafür tun, um sie weiterzuentwickeln? 

Dima Braune: Interessanterweise sind das eher Dinge, die man für sich selbst tut. Intuitiv würde man doch sagen, dass man sich weiterentwickelt, wenn man anderen Menschen hilft. Viele Menschen, die anderen helfen, tun das aber für sich selbst. Bill Gates wäre so ein Beispiel. Er ist auf den Rücken von vielen Menschen reich geworden, um sich jetzt als Charity-Mensch zu positionieren. Das ist mit einer Doppelmoral verbunden, die für mich nicht leicht zu lösen ist.

Die Möglichkeit in dieser Größenordnung zu spenden ist nur möglich, weil man zuvor Menschen ausgebeutet hat.

Dima Braune: Im Film „Brüno“, in dem Sacha Baron Cohen einen österreichischen Modetypen spielt, gibt es eine Szene, die das gut trifft. Er hat einen Termin bei einem PR-Berater, weil er eine Charity-Möglichkeit sucht, um berühmt zu werden. Brüno fragt ihn: „Wie wäre es mit Hilfe für den Regenwald?“ „Nein, das macht Sting“, sagt der Berater. „Wie wäre es mit Hilfe für Afrika?“, fragt Brüno weiter. „Nein, das macht schon Madonna“, antwortet der PR-Berater. Das zeigt die ganze Lächerlichkeit, die hinter der scheinbaren Barmherzigkeit steckt. In unserer Zeit geht es nur darum, wie man gesehen wird. Man tut etwas, um ein gewisses Image in der Öffentlichkeit zu haben oder es zu erreichen. Das bezieht sich nicht nur auf Firmen, die sich whitewashen. Jeder Mensch ist so. Ich weiß nicht, wie viele Menschen ich schon kennengelernt habe, die bestimmte Musik hören, nur weil sie modern ist.

Die Inszenierung um der Inszenierung willen war damals schon am Skate-Platz so. Entweder man hörte Hip-Hop oder Skate-Punk. Dazwischen gab’s nichts. 

Dima Braune: Es gab auch die, die nie zum Skaten kamen, sondern nur Skater waren. Man pflegte ein Image, ohne es zu leben.

Was wäre das Image von Grant?

Dima Braune: Ich kann nur sagen, was ich gerne hätte. Schließlich entscheide ich nicht über mein Image, sondern immer die Person, die uns hört – oder dieses Interview liest.

Ich versuch es anders: Wie werdet ihr aus eurer Perspektive wahrgenommen?

Dima Braune: Viele denken sicher, dass wir keine Happy-Band sind. Wir haben so eine … versiffte Attitüde, glaub ich. Wir sind ein bisserl melancholisch und ein bisserl versifft. Das ist unser Image.

Wie kommt das? 

Dima Braune: Auf der Bühne wirke ich ein bisserl angsoffen und schau auch so aus. Zumindest haben das Leute oft attestiert. Textlich gab es immer Songs, die in diese Richtung gingen, Singles wie „Kaffeeeck“ oder „Tschick“, zum Beispiel. Wir haben aber auch eine melancholische Seite. Und bedienen immer eine der beiden Seiten. Entweder das melancholische oder das angsoffene Ding. Eigentlich sollte ich mal was anderes schreiben.

Bild Grant
Grant (c) Alina Groer

Vielleicht sind das die beiden Stimmen, die du auf „Galaxien“ mit Cohen und Waldheim einfängst. 

Dima Braune: Du solltest uns beim nächsten Pressetext helfen. In Wahrheit symbolisieren die beiden Seiten aber genau das, was ich mit „Größenwahn“ gemeint hab. Ich werde beiden Seiten nicht immer gerecht. An manchen Tagen schau ich nur nach Kochrezepten im Internet oder geh mit dem Hund raus. Dass ich in Personen so schizophren rumspiele, ist wahrscheinlich meine Art von Größenwahn. Außerdem assoziiert man ihn mit Österreich.

Den Größenwahn? 

Dima Braune: Ja, schon. Einer der Dinge, die man sofort mit Falco verbindet, ist so etwas ähnliches wie Größenwahn – zumindest auf seinen Charakter bezogen. Und dann war da die Mordbuben AG, eine Wiener Punk-Band aus den Achtzigern. Die hatten einen Song namens: „Mi hat, mi hat der Größenwahn“. Ich hab früher lange Punk- und Ska-Singles gesammelt. Das mach ich zwar nicht mehr, aber früher was das schon cool, um auf Partys damit anzugeben. Ohne Spotify, sondern nur mit Vinyl-Singles.

Wann hast du begonnen, Platten zu kaufen? 

Dima Braune: Mit 14 oder 15. Ich war damals in einer Punk-Phase, hab mir die Haare bunt gefärbt und so.

Zu der Zeit hast du auch die Sozialistische Jugend in Klosterneuburg mitbegründet, oder? 

Dima Braune: Ich bin sogar noch Parteimitglied, glaube ich. Wahrscheinlich sollt ich austreten. Gründe dafür gäbe es ja genug. Niemand, der sich überzeugt in der SPÖ engagiert, kann derzeit zufrieden mit der SPÖ sein.

„KEINE MACHT FÜR NIEMAN MACHEN WIR SICHER NICHT.“

Inwiefern kann Musik daran etwas ändern?

Dima Braune: Ich bin ein politischer Mensch, aber im Songwriting überhaupt nicht. Als Grant wollen wir kein Ton Steine Scherben-Verschnitt sein. „Keine Macht für Niemand“ machen wir sicher nicht.

Auch weil Musik heute unpolitischer ist? 

Dima Braune: Mir gefällt keine Band ein, die im Mainstream ehrlich politisch rüberkommt. 

Manche Musikrichtungen wie Punk, Jungle oder Hip-Hop entstanden indirekt aus politischen Hintergründen.  

Dima Braune: Rap hat heute immer noch eine politische Dimension, wenn man Texte über die eigene Ghetto-Jugend schreibt. Trotzdem müsste man sich fragen, wie ehrlich das ist. Und natürlich könnte man sagen, dass alles politisch ist.

Man könnte auch „Galaxien“ in einer Gedichtanalyse politisch deuten. 

Dima Braune: Vielleicht ist der Song eine subtile Kritik an Elon Musk, wer weiß?

Jedenfalls ist die Galaxie ein anderer Ort als die irdische Welt. In Pippas „Idiotenparadies“-Podcast hast du zuletzt gesagt: „Es gibt Orte, in denen ich mich in der Nacht besser zurechtfinde als am Tag.“ Welche Orte sind das?

Dima Braune: Ich denke vor allem an klassische Fortgeh-Locations. Beim Schwedenplatz, im Bermuda-Dreieck, am Donaukanal – da kenn ich mich in der Nacht sicher besser aus. Warum das so ist? Vielleicht weil ich mich in der Nacht an anderen Spots herumtreibe. Untertags verbindet man die eigenen Wege mit Arbeit. In der Nacht weißt man, wo man hinmöchte.

Die Orte sind mit einer anderen Bedeutung aufgeladen. 

Dima Braune: Klar, man verbindet die Orte an unterschiedlichen Tageszeiten mit anderen Erinnerungen. In meiner Heimatstadt kenne ich mich untertags besser aus als in der Nacht. Man hat den Alltag in seine Vorstellung integriert, was dazu geführt hat, dass ich mich manchmal in der Nacht verlaufen hab. Obwohl ich Nachtmensch bin, obwohl ich in der Nacht viel besser funktioniere, viel mehr weiterbekomm. Da stört mich niemand und ich bin konzentrierter, weil ich nicht das Gefühl habe, dass etwas passieren kann, das mich ablenkt.

Das Gefühl, dass alle schlafen und man der Einzige ist, der noch wach ist.  

Dima Braune: Erstaunlicherweise ist das etwas, was mich mit vielen anderen Musikern verbindet. Auch wenn ich mir mit der Eigenbeschreibung Musiker schwertue, weil ich ein lausiger Gitarrist bin.

Nach dem dritten Album kann man sich den Begriff schon einmal umhängen, oder? 

Dima Braune: Alle anderen bei Grant sind Musiker, ich bin vielleicht ein Entertainer wie Frank Sinatra. Wie bekommt man eigentlich die Berufsbezeichnung „Entertainer“?

Gibt es überhaupt noch Entertainer, wenn alle Entertainer sind? Den Begriff verbinde ich stark mit dem Medium Fernsehen. 

Dima Braune: Nicht wirklich. Schaust du noch fern?

Ich hab nicht einmal einen Fernseher.  

Dima Braune: Als ich noch an der Angewandten studiert hab, haben immer alle gesagt, dass sie keinen Fernseher besitzen. Ich hab noch einen, schau auch fern und mag das irgendwie. Fernsehen hat eine tolle Zufalls-Komponente, weil ich gerne irgendetwas schau. Deshalb mag ich Streaming nicht, da muss man selbst entscheiden oder bekommt Vorschläge, die auf den eigenen Entscheidungen basieren.

Du provozierst den Zufall. 

Dima Braune: Was für Musik-Streaming sprechen würde. Obwohl ich gar nicht Musik streame. Wenn mich Leute fragen, warum ich kein Spotify hab, sag ich immer, dass mein Musikgeschmack zu gut dafür sei. Ich hasse es, wenn mir das Internet eine Band vorschlägt oder The Killers mit The Libertines vergleicht. Außerdem höre ich gerne Musik, die mir gar nicht gefällt. Miley Cyrus hat gerade ein Album veröffentlicht. Das hör ich mir durch, um danach darüber zu ranten. Aber ich hör es, weil ich möchte.

Die Entscheidung liegt nicht bei einem Algorithmus, sondern bei dir. 

Dima Braune: Und ich als Musiker muss schauen, was modern ist. Nicht, dass ich alles Blaupausen-mäßig nachzeichnen möchte. Ich stoße aber immer wieder auf Sachen, die toll sind: Das letzte Album von Lana Del Rey, „Norman Fucking Rockwell“, hab ich geliebt. Dazwischen kommen wieder einige Sachen, die scheiße sind.

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Trotz allem Streaming-Frust hast du selbst eine Release-Show zu „Galaxien“ auf YouTube gestreamt.

Dima Braune: Das ist wieder was anderes. Ich weiß gar nicht, wieso alle Streaming-Konzerte hassen. Als Band oder Gruppe find ich das super, vor allem wenn man, so wie jetzt, nicht vor Leuten auftreten kann. Viele Leute lehnen es ab, weil man dafür kein Geld bekommt. Wir bekommen sowieso nie Geld, also ist es eh wurscht.

Und das Beste, was man momentan machen kann. Vor allem wenn man wie du in Sakko und Unterhose spielt. 

Dima Braune: Schau, ich bin großer Fan von The Libertines. Bevor die Band wegen Drogen berühmt wurde, lebten sie davon, dass sie alle ihre Sessions gratis ins Internet gestellt haben. In diesem Geiste fand ich das immer toll. Für mich ist so ein Streaming-Konzert wie eine Session. Das kann man natürlich nicht mit der Situation im Club vergleichen. Der Sound ist nicht so leiwand, die Energie im Raum fehlt. Aber dafür muss ich in einem Monat nicht 15 Mal dieselbe Set-List spielen.

Wenn du streamst? 

Dima Braune: Ja, das ist toll, wenn man solo performen kann. Ganz alleine Gitarre spielen, zwischendurch mal einen neuen Song schreiben und den spontan spielen. So auf die Art wie Ed Sheeran … aber den hasse ich.

Herzlichen Dank für das Gespräch! 

Christoph Benkeser

 

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