GENERATION GAP ist eine 5-köpfige Kärntner Band (Gesang, 2 Gitarren, Bass und Schlagzeug), die sich seit 1998 dem Ska-Core verschrieben hat, aber auch kräftig in benachbarten Gewässern fischt (Punk–Rock, Reggae). Die Formation hat vor Kurzem – nach mehrjähriger Konzertabstinenz – auf dem Grazer Label Grazil ein bemerkenswertes Album vorgelegt: Auf “Reconstructed”, das von Toni Loitsch (Nautilus Sounds) tontechnisch betreut wurde, schillert das Können der Band in allen Farben und macht viel Lust auf anstehende Live-Auftritte. mica sprach mit Raphael Schmid, dem Sänger der Gruppe.
Originelle Einstiegsfrage: Wie kam euer Name zustande?
Raphael Schmid: Der Name war eher aus der Not geboren. Inzwischen hat das schon wieder einen eigenen Charme, indem wir als Über-40-Jährige – mit Ausnahme unseres hochkreativen 2. Gitarristen – noch immer so eine Musik machen und auf Konzerten den Hampelmann herunterspielen. Man könnte fast sagen: Seid ihr nicht erwachsen geworden? – Doch, aber wir haben ganz wertvolle Sachen aufrechterhalten: den Blick auf die Welt, und dass wir unsere Sichtweise in Songs transportieren oder zumindest verarbeiten können und immer noch Spaß daran haben.
Für die Texte und den Gesang zeichnest in erster Linie du verantwortlich – welche inhaltlichen Schwerpunkte gibt es auf dem neuen Album “Reconstructed”?
Raphael Schmid: Thematisch ist das Album fasst ein bisschen untypisch in der Bandhistorie. Es ist tatsächlich deswegen “Reconstructed“ benannt – also “wiederaufgebaut”, “wiederhergestellt” – weil es sehr viele selbstreflexive Anteile hat: Wo stehen wir im Leben privat und persönlich, welche Widrigkeiten können einem in der zwischenmenschlichen Interaktion widerfahren, wie sind intime Partnerschaften gestaltet, welche Schwierigkeiten gibt es mit gesellschaftlichen Erwartungen (Track 4: “Expectations“). Das analysiere und verarbeite ich als studierter Sozialwissenschaftler dann oft gerne. Sehr kleine und aufs Private heruntergebrochene Themen, mit Ausbrechern in die Geopolitik, wie z. B. in “Operation DesertRain” (Track 1).
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„Wir haben da 14 Jahre Proberaumvereinsamung verarbeitet.”
Wir sind ja grundsätzlich eine politische Band, gesellschaftsbetrachtend, gesellschaftskritisch, analysierend, im Gegensatz zu anderen Vertretern gerade im Punk.” Saufen, grölen, lustig sein” gibt’s natürlich auch im Ska – Seize The Day, No Future oder so. Uns liegt aber sehr viel daran, nicht nur problematisierend aufzuzeigen, sondern im Textlichen, grad wenn es politisch wird, in die Richtung der Handlungsoptionen zu gehen.
Ihr seid jetzt längere Zeit der Bühne fern geblieben…
Raphael Schmid: In unserer rezenten Bandgeschichte hat es seit dem letzten Album (2010) eine größere Phase der öffentlichen Inaktivität gegeben. Wir waren eine Proberaumband und glücklich damit. Manche Songs auf dem Album sind somit durchaus 10 Jahre alt, manche auch nur zwei. Trotzdem fügen sich die Songs gut zueinander.
Wie seid ihr bei der Auswahl der Songs vorgegangen?
Raphael Schmid: Wir haben aus Songs, die wir von Probe zu Probe mitgenommen haben, eine Auswahl getroffen, weil sie gut zu uns und zu unserer Entwicklung passten. Daraus entstand dieses “Potpourri der guten Laune”, und wir beschlossen, das auf einem Album zu veröffentlichen und mit der Welt zu teilen. Der Release ist bis jetzt digital, es wird aber auch auf Vinyl rauskommen, in einer limitierten Auflage von 180 Stück. In dem Grazer Label Grazil haben wir einen wertvollen Partner gefunden, das sich – passend zu uns – der Liebhaberei verschrieben hat.
Wie entstehen bei euch die Songs? Kommst du da mit einem Text oder gibt’s ein Thema, hat jemand ein Riff…?
Raphael Schmid: Im Gegensatz zu anderen Künstlern haben wir keinen Lieferdruck, sind in keinem Vertrag, auf keinem Stand von Bekanntheit, den wir halten müssten. Da kannst du die Schwerpunkte setzen wie du magst. Neue Songs durften entstehen, wenn immer wir in der musischen Phase dafür waren oder keine Lust hatten, etwas zum 15ten Mal zu spielen. Einer der Instrumentalisten kommt mit einer bestehenden oder aus dem Moment entstehenden Idee, und man fängt an zu basteln. Da wird zuerst einmal an der Linie gearbeitet, dann merkt man, wir sind da eher im Bereich einer Strophe, einer Einleitung, einem eventuellen C-Teil, was müsste da jetzt danach kommen, was braucht’s denn da davor. Und da ist dann partnerschaftliches, gleichberechtigtes Fließen-Lassen angesagt.
Dass ich einmal mit einem Text komme ist die seltene Ausnahme. Schwierig, mit den verbalen Instruktionen eines ungeschulten Musikers, auch wenn man durch jahrelanges Zusammenspiel vielleicht ein gemeinsames Vokabular hat oder non-verbal kommuniziert. Es waren allerdings hervorragende Songs für mich als Sänger, die zwei, drei Mal wo das passiert ist.
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„Ich bin exklusiv probetrainiert – ich übe zuhause nicht. Ich habe auch niemals Gesangsunterricht gehabt. “
Deine Stimme – ein Markenzeichnen eures Sounds – ist eher auf der verzerrten Seite. Aus welcher Richtung kommt dieses Element?
Raphael Schmid: Die Art zu Singen ist dem Metal nahe. Wobei es auch im Punkrock so ist, dass es nicht immer die Glockenklang-Engelsstimme ist, auch wenn ich mir manchmal wünsche, “catchier” zu sein in manchen Melodiegestaltungen, wie’s im Pop–Punk der Fall ist. Zu Beginn hatte ich ein Problem mit meiner Performance, habe mich damals nicht als gesangstalentiert empfunden. Dann habe ich meinen Stil in den Bereichen gesucht, die mir naheliegen. Den “Kratz”, den ich mir angeeignet habe, ließ ich dann nicht mehr los.
Wie managest du das technisch-gesanglich? Eine Stimme muss ja trainiert werden.
Raphael Schmid: Ich bin exklusiv probetrainiert. Im häuslichen Umfeld oder außerhalb des Proberaums spielt Gesang keine Rolle und ich übe zuhause nicht. Ich habe auch niemals Gesangsunterricht gehabt. Somit ist es das, was durchs regelmäßige Proben gewachsen ist. Und tatsächlich hatte ich, zumindest in den ersten 6, 7 Jahren, oft nach Proben und insbesondere nach Konzerten zwei Tage lang keine Stimme. An Singen wäre da nicht zu denken gewesen. Da war eine Art jahrelanges Training schon förderlich, sodass ich heute in der Lage wäre, zwei, drei Tage hintereinander ein Konzert zu singen. Dass die Stimme mitten im Konzert versagt, passiert mir mittlerweile nicht mehr.
Eure Songs sind sehr auf den Punkt gebracht, es gibt wenig Redundanz. Das ist definitiv eine Qualität.
Raphael Schmid: In der Summe der Songs ist mir das auch wichtig. Allerdings fällt es manchmal – vor allem in der Live-Performance – auf, dass man da kurz einmal vom Tempo runtergehen könnte. Man könnte die Instrumente mit diesem schönen Riff wirken lassen, auch manchmal einen Teil ein drittes Mal oder den Refrain doppelt so lang bringen. Live ist es auch oft eine große Anstrengung, weil’s Schlag auf Schlag geht. Ein bisschen mehr Atempausen würden mir schon guttun. Du brauchst nur eine schlechte Tagesverfassung haben, und es kann mühsam werden.
Langeweile ist eine absolute Notwendigkeit.
Ist es auch, weil sich das Publikum Stoff erwartet, sprich: Angst vor Langeweile?
Raphael Schmid: Nein. Das ist eine Lernaufgabe aus meiner Sicht. Natürlich wollen wir alle als Musiker nicht langweilig sein. Wenn ich aber wieder sozialwissenschaftlich argumentiere: Langeweile ist z. B. für die Entwicklung von Kindern erwiesenermaßen eine absolute Notwendigkeit. Da passiert ja etwas: ich kann innehalten, verstehen, Schritt fassen mit dem, was ich wahrnehme. Das funktioniert bei unserem Publikum zwar gerade noch, ist aber wirklich an der Kippe durch die Intensität und Schnelligkeit der Wechsel. Es könnte manchmal noch mächtiger sein, wenn etwas mehr Raum für Verarbeitung da wäre; etwas mehr “zelebrieren” sozusagen.
Ihr könnt die Songs auf dem Album quasi 1:1 auch live umsetzen. Für die Produktion des Albums habt ihr dann einen namhaften Engineer gewinnen können.
Raphael Schmid: Wir haben das selbst aufgenommen, weil wir das Know-How und das Equipment dafür haben, teils im Proberaum, teils zuhause. Und als wir sahen, dass das Album Potenzial hat, beschlossen wir, einen goldenen Rahmen um das Home-Recording zu ziehen und bei einem alten Bekannten anzufragen, der auch unser erstes Album mit uns aufgenommen hatte – Toni Loitsch. Der ist mittlerweile Haus- und Hoftechniker der “Donots”, macht Produktionen mit “Silbermond” und betreut den Semper-Opern-Ball in Dresden technisch. Normalerweise hätten wir uns den nicht leisten sollen. Aber wir haben eine Beziehung zu ihm und er hatte auch Lust darauf, das zu machen. Dass wir das nie mehr reinbekommen, ist auch klar – vorerst.
Wenn man nicht in der Szene verankert ist, selbst nicht mehr auf Festivals oder Konzerte geht, dann kann man auch nicht mit einem 14 Jahre alten Release daherkommen, sondern braucht entsprechende Click-Zahlen, eine abartige Social-Media-Präsenz, damit sich Veranstalter überhaupt auf sowas einlassen.
Ihr seid ein Geheimtipp, und es soll vorgekommen sein, dass Leute, die euch als Vorband “skippen” wollten, dann von eurer Performance sehr angetan waren.
Raphael Schmid: Wir sind die Katze im Sack. Da heißt es oft: “Wieso habt ihr keinen YouTube Kanal, man muss doch wissen, wie geil das ist.” Da denk’ ich mir: “Sei doch interessiert und lass dich überraschen.” Aber natürlich liegt auch in der Message etwas Wahres, das wir uns zu Herzen nehmen.
Wo kann man euch in näherer Zukunft live erleben?
Raphael Schmid: Wir treten am 21. 3. in Eberndorf am Josefimarkt auf. Es handelt sich da um ein Rock-Zelt, wo auch Nischen-Musik ihren Platz hat. Das lebt jetzt nach Jahren wieder auf, also das passt. Am 29. 3. sind wir im “Loft” in Wien, einem Ort für verschiedenste Musikrichtungen. Dort sind wir die Vorband von “Skassapunka”, einer sehr stark linkspolitischen italienischen Ska-Band, die sich vielleicht durch größere Unverblümtheit oder musikalische Geradlinigkeit von uns unterscheidet, allerdings bei weitem bekannter ist als wir, was keines großen Geschickes bedarf. Aber vielleicht gibt es wieder die eine oder andere Überraschung für jemand, der gar nicht wegen uns gekommen ist. Und am 11. 4. spielen wir im Fritz-Klub in Klagenfurt als Double-Headliner-Show mit “Retschn Ernst Sei Maschin”, einer sehr gefeierten Kärntner Cover Band, wie der Name schon sagt (“Rage Against The Machine”).
Interessante Paarungen…
Raphael Schmid: Das hatten wir immer schon. Wir waren immer offen für genreübergreifende Konzerte. Wir haben gerne mit Indie-Rock-Bands aber auch mit Metal-Bands gespielt. Wir feiern das, wenn’s bunt, unterschiedlich, gemeinschaftlich und dennoch dann harmonisch und interessant wird. Ich setze mich gerne Neuem aus – das inspiriert mich.
Dann wünschen wir euch, dass sich viele von eurem neuen Album und euren Live-Konzerten inspirieren lassen und danken herzlich für das Gespräch!
Philipp Tröstl
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Grazil