Mit „Unter Umständen“ (RCA Local / Sony Records) haben GRANADA soeben ihr drittes Album veröffentlicht. Das letzte Jahr wurde für schöpferische Experimente und einer damit einhergehenden stilistischen Erweiterung genutzt; ihrem sprachlichen und musikalischen Gefühl sind die Grazer aber treugeblieben und somit entstand ein frischer und zeitloser Soundtrack. Clemens Engert sprach mit LUKACZ CUSTOS (Gitarre & Gesang) über Band-interne Demokratie, exotische Saiteninstrumente und H.C. Artmann.
Ihr habt auf „Unter Umständen“ vom Songwriting bis zur Albumproduktion alles selbst umgesetzt. Wie war diese Erfahrung für euch?
Lukacz Custos: Es war ein durchaus interessanter, lehrreicher und auch herausfordernder Prozess. Zum einen haben wir uns beim Songwriting über mehrere Wochen hinweg das Ziel gesetzt, pro Bandmitglied einen Song bzw. einen Entwurf zu liefern – sprich, es waren alle ins Songwriting involviert. Und zum anderen haben wir uns durch den Verzicht auf einen Produzenten im Studio in einer völlig neuen Situation als Band wiedergefunden. Dies hat natürlich dazu geführt, dass es öfters mal zu Reibereien kam, aber es hat auch dazu beigetragen, dass wir uns wieder ein Stück besser kennen lernen konnten und sich jeder im gleichen Maße mit dem Album identifizieren kann.
Auf was seid ihr besonders stolz, wenn ihr an das neue Album denkt?
Lukacz Custos: Es ist immer sehr schön, am Ende eines langen Weges zurückblicken zu können und, mit dem, auf das man zurückblickt, zufrieden zu sein. Bei den ersten beiden Alben war das natürlich auch so, nur haben wir uns bei diesem Album mehr Zeit genommen, viel experimentiert und stärker aufeinander eingelassen. Mit „Unter Umständen“ haben wir an unser vorhergegangenes Schaffen anknüpfen und unsere musikalische Entwicklung deutlich machen können. Wir sind als Band gewachsen und das ist auf diesem Album ganz gut zu hören.
Das Album ist sehr vielschichtig und funktioniert sehr gut als Einheit, wenn man es von vorne bis hinten durchhört. War es euch wichtig, ein „echtes“, homogenes Album zu machen und nicht bloß eine Aneinanderreihung einzelner Songs?
Lukacz Custos: Es war uns schon wichtig, eine Auswahl an Songs zu treffen, die sich teils gut ergänzen, aber auch das Spektrum unserer Entwicklung gut wiedergeben. Das war zugegebenermaßen kein leichtes Unterfangen, da diesmal – aufgrund der Beteiligung aller Bandmitglieder am Songwriting – doch an die 40 Songs entstanden sind. Insofern war es uns schon ein großes Anliegen, eine gewisse Dramaturgie und eine abwechslungsreiche Zusammenstellung von Songs mit diesem Album präsentieren zu können.
Welche musikalischen Einflüsse haben euch während des Entstehungsprozesses des Albums begleitet?
Lukacz Custos: Da unser Alltag stark von Musik geprägt ist und begleitet wird, sind explizite musikalische Einflüsse schwer hervorzuheben. Wir haben uns jedoch durch neue Instrumente, wie zum Beispiel der Tres Cubanos (Anm.: ein in der kubanischen Musik verwendetes Saiteninstrument) aber auch der Mandola (Anm.: ein zur Familie der Mandolinen gehöriges Zupfinstrument) mit anderen Spielweisen auseinandergesetzt. Das ist auch ganz gut auf einigen Songs des Albums zu hören.
Inwiefern haben die Ereignisse der letzten eineinhalb Jahre den Entstehungsprozess und die Inhalte des Albums geprägt?
Lukacz Custos: Natürlich hatte die Pandemie Einfluss auf unser Schaffen, aber Anlass für einen bestimmten Song am Album war sie nicht. Wir konnten jedoch während der Vorproduktion des Albums, die genau in den ersten Lockdown fiel, keine persönlichen Treffen abhalten und auch nicht in der gewohnten Form gemeinsam an Ideen herumbasteln. Wir haben deshalb alles online umgesetzt und so quasi jeder in seinem Kämmerlein für sich an der Vorproduktion gearbeitet. Es war natürlich sehr ungewohnt und auch belastend, aber wir haben das Beste daraus gemacht und gelernt, auch unter solchen Umständen gut zusammenzuarbeiten.
„H.C. Artmanns Gedichte haben eine hohe Musikalität.“
Ihr habt sehr humorvolle, unterhaltsame Studio-Tagebücher auf YouTube veröffentlicht, die teilweise sogar ein bisschen an die Kult-Mockumentary „This Is Spinal Tap“ erinnern. Was war die Intention dahinter?
Lukacz Custos: Wir wollten uns einfach mal in diesem Format ausprobieren und empfanden es als durchaus angemessen, zu jeder Single eine solche Episode zu produzieren. Besonders gut gefallen hat uns zum einen das Herausarbeiten der Inhalte als auch die Umsetzung der jeweiligen Episoden. Ein bisschen wollten wir uns aber auch einfach über uns selber lustig machen.
„Schembrun“ basiert auf einem H.C. Artmann-Text. Was hat euch dazu inspiriert, dieses Gedicht zu vertonen?
Lukacz Custos: Wir hatten uns nie dezidiert vorgenommen, einmal etwas von H.C. Artmann zu vertonen – das ist eher zufällig passiert. Dass „Schembrun“ überhaupt von uns bearbeitet wurde, liegt im Grunde nur daran, dass ich meist irgendwo einen Artmann-Gedichtband herumliegen habe. Während der Vorproduktion war es dann so, dass ich zwar einen Songentwurf hatte, aber keinen passenden Text dazu. Also hab ich das Gedichtband aufgeschlagen, „Schembrun“ gelesen und gemerkt, dass sich das ganz gut ineinander fügen lässt. Der Text hat uns als Gruppe in die Welt des H.C. Artmann eintauchen lassen und uns gezeigt, wie musikalisch und besonders seine Sprache ist. Dies wurde in der Vergangenheit ja auch schon zurecht von einigen anderen Künstlern wie Helmut Qualtinger, André Heller oder Hansi Lang erkannt. Wir sind jedenfalls mehr als froh darüber, uns nun auch an den Artmann herangewagt zu haben und vielleicht einen kleinen Teil seines Werkes einem breiteren Publikum zugänglicher machen zu können.
War es für euch eine neue Herangehensweise, einen bereits bestehenden Text zu vertonen oder kommt das auch bei euren eigenen Songs vor?
Lukacz Custos: Manchmal ist bei uns zuerst der Text da, manchmal die Musik. Meist ist es aber so, dass eine Melodie den ganzen Ablauf des Songwritings generiert. Anlässlich des hundertsten Geburtstages von H.C. Artmann durften wir im Juni im RKH in Wien einige musikalische Interpretationen seiner Gedichte präsentieren. Wir waren überrascht davon, wieviel Spaß wir mit der Vertonung bereits existierender Texte hatten. Das hat auch deswegen so gut funktioniert, weil Artmanns Gedichte einfach eine immens hohe Musikalität haben.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Clemens Engert
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Granada Tour 2022
16.02. Rockhouse, Salzburg
17.02. Exil, Zürich 18.02. Conrad Sohm, Dornbirn
19.02. Kulturquartier, Kufstein
21.02. Arena, Wien
23.02. Posthof, Linz
06.03. Kantine, Augsburg
10.03. Helgas Stadtpalast, Rostock
11.03. Bahnhof Pauli, Hamburg
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