Das neue Album des ERSTEN WIENER HEIMORGELORCHESTER (EWHO) mit dem Titel „Die Letten werden die Ersten sein“ erschien am 17. Jänner 2018 bei „OHM Records“ und setzte u. a. die Vertonung zeitgenössischer deutschsprachiger Autoren fort – diesmal mit ANTONIO FIAN. In gewohnter Manier wird mit Sprache und Wort gespielt, mit Pop und Orgel, mit Ambition und Humor. FLORIAN und DANIEL WISSER, JÜRGEN PLANK und THOMAS PFEFFER zelebrieren auch diesmal einen Sound, der ganz ohne Zweifel „höchst eigenständig“ ist und sich der Genre-Schublade querstellt. Mit Julia Philomena sprach die Band von den Vorteilen eines Theaterraums, dem offenen Text als Prämisse und der Freiheit der Interpretation.
„Die Letten werden die Esten sein“ heißt das neue Album. Wie kann man diese Aussage konkret verstehen
Florian Wisser: Baltisch.
Daniel Wisser: Der Titel wie auch das Cover-Artwork zeigen die Methode, mit der wir arbeiten: das Weglassen von Buchstaben.
Thomas Pfeffer: Konkret kann man sie im Grunde genommen gar nicht verstehen.
Die Albumpräsentation fand im Wiener TAG-Theater statt. Welche Bedeutung hat diese Räumlichkeit bzw. welchen Bezug gibt es dazu?
Jürgen Plank: Wir haben schon unser letztes Album „Happy Lamento“ in Theatern präsentiert, im die theater in Wien und im Theater im Bahnhof in Graz. Solche Räumlichkeiten sind für uns deshalb ideal, weil wir auch Performance-Elemente und kurze Lesungen aus dem Buch „Widerstand ist Ohm“, das alle unsere Liedtexte versammelt, in die Konzerte einbauen. Außerdem sind Theaterräume bestuhlt und so hat es das Publikum bequem und kann sich auf Musik und Text konzentrieren. Im TAG haben wir zum ersten Mal im Jänner gespielt, aber es wird am 15. März 2018 einen Wiederholungstermin geben.
Florian Wisser: Dafür einen ganz herzlichen Dank an das TAG, wir fühlen uns dort bestens aufgehoben. Intime Theaterbühnen sind ideal für unsere aktuelle Show.
Sie haben sich diesmal für die Vertonung des neuen Gedichtbandes von Antonio Fian entschieden. Welche Bedeutung hat er für Sie? Welche Interpretation bzw. welchen Zugang haben Sie gefunden?
Thomas Pfeffer: Mit Antonio Fian verbindet uns ein ähnliches Verständnis von Literatur und Humor. So war es auch nicht schwierig, zwei für uns passende Texte aus seinem neuen Gedichtband auszuwählen.
Florian Wisser: Zwei der Texte auf dem aktuellen Album sind von Antonio Fian. Er hat uns von seinem geplanten Gedichtband „mach es wie die eieruhr“ erzählt und wir wollten schon länger etwas miteinander machen. Antonio hat uns dann Fahnen geschickt und es hat sofort gestimmt.
Ihre Texte lassen Buchstaben aus und somit neue Wortkreationen zu, gleichzeitig kann der Refrain leicht missverstanden werden. Geht es um Provokation? Poesie? Jux?
Florian Wisser: Nein! Ja! Auch!
Thomas Pfeffer: Na ja, Ja und Ja.
Daniel Wisser: Es geht um eingängige, aber deshalb nicht unbedingt erklärbare Dinge. Das Reizvolle an Gedichten und Popsongs ist unerklärlich, offene Texte, die der Hörerin und dem Hörer Raum lassen, sie weiterzudenken, selbst auszulegen oder einfach unreflektiert vor sich hin zu summen.
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„Ich hoffe doch, dass unsere Musik unseren Texten mehr entspricht als bei Rammstein.“
Die FAZ hat den Titelsong mit „Rammstein – nur mit Humor“ verglichen, war das ein Ziel?
Florian Wisser: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kann ich sagen: Wir versuchen nicht, Vergleiche zu evozieren.
Jürgen Plank: Das stimmt natürlich. Für gezogene Vergleiche sind meistens Kritikerinnen und Kritiker zuständig, das kann man nicht anstreben.
Thomas Pfeffer: Nein, das war kein Ziel, aber die Kritik hat freilich die Freiheit der Interpretation.
Daniel Wisser: Rammstein hat in den Texten auch Humor, der allerdings durch ihre sehr martialische Show völlig in den Schatten gestellt wird. Ich hoffe doch, dass unsere Musik unseren Texten mehr entspricht als bei Rammstein.
Sie feiern nun 24 Jahre Bandgeschichte – Zeit, einen Blick zurück zu werfen: Was waren für Sie die wesentlichen künstlerischen Entwicklungen von 1994 bis heute?
Thomas Pfeffer: Was die Entwicklung des EWHO betrifft, ist es sicher die zunehmende Literarisierung. Wir haben ja mit Instrumentalmusik begonnen, sind dann mit eigenen Songs hauptsächlich in Clubs aufgetreten und machen nun so etwas wie eine literarisch-musikalische Show.
Florian Wisser: Eigentlich hat sich alles geändert. Wenn ich mir alte Aufnahmen anhöre, kann ich es oft selbst nicht glauben. Wir sind älter, anders und hoffentlich auch besser geworden.
Jürgen Plank: Ich finde, die Arrangements sind komplexer und dadurch besser geworden. Das betrifft auch die Arrangements der Stimmen. Es gibt aber auch Fans, die das erste für das beste Album halten.
Daniel Wisser: Unser Instrumentarium ist größer geworden und wir haben viel genauere Vorstellungen, wie wir Musik machen. Gerade Letzteres gilt es aber auch immer wieder zu brechen, damit wir uns nicht einfach wiederholen.
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War es ursprünglich ein Ziel, den eigenen „Sound“ zu finden, festzulegen und diesen dann die restliche Karriere erfolgreich zu reproduzieren? Oder war von Beginn an klar, dass man sich mal mehr, mal weniger weiterentwickeln möchte?
Thomas Pfeffer: Sich weniger entwickeln zu wollen, wäre ein interessanter Ansatz. Aber nein. Der Sound ergibt sich durch die kontinuierliche Arbeit, in der wir natürlich immer besser werden wollen.
Florian Wisser: Ich bin 43 und war bei der Gründung des EWHO 20. Würde ich behaupten, ich hätte die Genese des EWHO vorhergesehen, dürfte mich jeder zu Recht einen Lügner schimpfen.
Daniel Wisser: Es ist kaum Vorhersehbares passiert und keine unserer Veränderungen war geplant oder ist aus taktischen Gründen passiert.
Jürgen Plank: Alles hat sich organisch ergeben. Neue Sounds ergeben sich manchmal einfach dadurch, dass eine neue Orgel in den Fuhrpark aufgenommen wird.
Was ist für Sie spannend an den zeitgenössischen Musikentwicklungen in Österreich und über die Grenzen hinaus? Welche Umstände haben das neue Album beeinflusst?
Thomas Pfeffer: Wir vier haben durchaus verschiedene musikalische Vorlieben, die dann entsprechend auch in unser Tun einfließen. Insofern ist es schwierig, hier spezielle Einwirkungen hervorzuheben. Aber es gibt Musikentwicklungen in Österreich, und das ist für sich schon spannend.
Daniel Wisser: Ich glaube nicht, dass es da direkte Einflüsse gibt, eher ist es umgekehrt: Unsere Musik hat sich – schon allein durch die Wahl der Instrumente – immer abgegrenzt. Das hat den positiven Effekt, dass es nicht viele Bands gibt, die uns ähnlich sind, und den negativen, dass wir in kein Genre wirklich hineinpassen.
Jürgen Plank: Vielleicht ist das eher ein Vorteil.
„Die Fans, die wir haben, sind in der Regel sehr treu.“
Soll mit einem neuen Pop-Approach ein neues Publikum angesprochen werden?
Thomas Pfeffer: Der „Pop-Approach“ war früher vielleicht sogar stärker als beim aktuellen Album. Dennoch: Neue Fans sind immer willkommen.
Daniel Wisser: Nein. Es geht uns eher darum, durch neue Songs und die Zusammenarbeit mit Medien und Vertrieben die Hörerinnen und Hörer zu finden, die unsere Musik mögen. Die Fans, die wir haben, sind in der Regel sehr treu.
Wie würden Sie Ihr ideales Publikum skizzieren?
Florian Wisser: Eines, das kommt und dem es gefällt.
Jürgen Plank: Das ideale Publikum kommt immer wieder zu unseren Konzerten und bringt noch weitere Gäste mit.
Wie soll und wird es weitergehen?
Jürgen Plank: Nachdem es die Band seit mehr als zwanzig Jahren gibt, geht es einfach immer weiter. Es sind schon neue Veröffentlichungen in Planung, auch – wie am aktuellen Album bei einem Lied umgesetzt – mit englischen Texten. Dann sollte der Welteroberung nichts mehr im Wege stehen.
Daniel Wisser: Es gibt ein paar Pläne, aber wir arbeiten an einer Sache nur, wenn es auch allen Spaß macht und wir damit weiterkommen. Wir werden aber höchstwahrscheinlich nächstes Jahr ein Album vorlegen, das zumindest zu 50 Prozent aufgenommen ist.
Florian Wisser: Auch dazu gibt es ein Lied: „VY“.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Julia Philomena
Erstes Wiener Heimorgelorchester live
15.3. dastag, Wien
mit: Lesung Antonio Fian
www.dastag.at
Links:
Erstes Wiener Heimorgelorchester
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