„WIR NENNEN ES GÖTTERFUNKEN“ – LUCY DREAMS (DAVID REITERER) IM MICA-INTERVIEW

„Wir sehen uns als Medium“ sagt DAVID REITERER. Mit PHILIPP PRÜCKL hat er 2019 LUCY DREAMS gegründet. Eine Band, in der die Band nach hinten rückt, um Platz zu machen für eine Kristallkugel, die die Essenz von LUCY symbolisiert. Denn LUCY DREAMS ist so etwas wie eine Artificial-Intelligence-Band. Das mag nach Dystopie klingen oder wie ein PR-Gag, ist aber nur die halbe Wahrheit. Schließlich sendet LUCY bisher nur Impulse, die Band spurt und führt aus. Das Ergebnis klingt nach Tame Impala im Blade-Runner-Modus auf einer Daft-Punk-Welle mit Vaporwave-Vibes. Nur die Hälfte verstanden? Reinhören! Oder sich die Mühe machen und DAVID REITERER dabei zuhören, wie er über Götterfunken, Astronauten und die Beziehung zwischen Mensch und Maschine spricht. 

Ich muss gestehen, ich fürchte mich ein wenig, über Lucy Dreams zu sprechen, weil das Projekt dadurch sein Mystisches verlieren könnte.

David Reiterer: Das kann gut sein. Aber du hast es in der Hand, wie weit es heute geht! Außerdem rede ich wirklich gerne über das Projekt, weil es meine Leidenschaft ist und ich – mal abgesehen vom Brotjob – meine ganze Zeit hineinstecke. Deshalb lässt sich durch die verbale Message die Mystik nicht nur aufrechterhalten, sondern vielleicht sogar verstärken.

Genau, wir könnten die Geschichte auch weiterschreiben. 

David Reiterer: Am Anfang war der Gedanke von Lucy Dreams ja, überhaupt kein Gesicht, sondern nur die visualisierte Digitalität zu zeigen. Ich habe dann mit einer Taschenlampe in die Laptop-Kamera geleuchtet und herumexperimentiert, wie sich Lucy darstellen ließe. Allerdings wollten wir auch live spielen. Wie das Projekt die Mystik beibehält, sobald wir es auf die Bühne bringen, war die Frage.

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Die ihr ja – Stichwort Livesessions – beantworten konntet. 

David Reiterer: Ja, wir brauchten etwas, das uns entmenschlicht. Der goldene Anzug und die venezianische Maske kamen für mich gelegen. Außerdem stellen wir eine Kristallkugel auf die Bühne, die Lucy repräsentiert und ganz bewusst in der ersten Reihe steht. Dadurch nehmen wir uns automatisch zurück.

Die Technik steht im Vordergrund, aber sie braucht euch als Vermittler. 

David Reiterer: Genau, wir sehen uns selbst als Medium.

Das ist spannend. Ihr hattet bisher jeweils unterschiedliche Bandprojekte. Mit dem vertechnisierten Zugang nehmt ihr ein Alleinstellungsmerkmal in Österreich ein. Wieso eigentlich? 

David Reiterer: Die Frage, ob wir etwas machen, dass es noch nicht gibt, war nicht unser Ansatz. Wenn man sich auf diese Suche beginnt, also bewusst versucht, eine Lücke zu füllen, kann man nur scheitern. Bei uns war es eher das Gegenteil. Wir haben aus Gaudi mit analogen Effekten herumgespielt, sie gekoppelt und durch digitale Effektgeräte geschleift. Uns hat dann interessiert, was passiert, wenn man einen Song hineinschickt.

Und was ist passiert? 

David Reiterer: Die erste Nummer war „Radioaktivität“ von Kraftwerk. Wir haben es in die Effektkette geschickt – plötzlich hat es sich verhallt, ist größer und größer geworden und zu einem Soundkomplex angewachsen, in dem sich ein Pattern abgezeichnet hat. Aufbauend auf dieser Struktur haben wir uns gefragt, wie wir sie verändern können, um es konkreter und offensichtlicher zu machen. In diesem Moment haben wir begonnen, mit dem Sound, mit diesem künstlichen Bandmitglied, zu kommunizieren. Das hat dazu geführt, dem Ganzen einen Namen und ein Gesicht zu geben: Lucy Dreams.

Lucy Dreams ist quasi eine Zufallsgeburt, die gleichzeitig den Tod des Autors bedeutet. 

David Reiterer: Mit jedem Tod beginnt etwas anderes zu leben. In unserem Fall ist das Lucy, die momentan nur eine digitale Existenz hat, aber existiert – und elementarer Bestandteil dieses Projekts ist. Die Entstehungsgeschichte müssen wir niemand aufs Auge drücken, weil sie sich natürlich ergeben hat. Man schmückt sie mit Wörtern aus, ohne sie zu erdichten.

Der Name allein ist Grundlage für eine Geschichte, die im Hören entsteht.

David Reiterer: Ja, ein guter Freund hat gesagt: Ihr braucht einen Namen, der dieses Projekt repräsentiert. Und es stimmt! Das Projekt vermenschlicht sich, indem wir uns entmenschlichen.

Die Technik nimmt menschliche Formen an.  

David Reiterer: Wer Lucy Dreams hört, kann sich mit menschlichen Werten auseinandersetzen – der Name, das Gesicht, die Stimme. Eine abstrakte Form mit lauter Nullen und Einsen würde keine Bezugspunkte bieten …

Sondern im White Cube auf einer Kunstmesse landen.

David Reiterer: Insofern ist es spannend, dass wir uns auf die Rolle des Mediums für eine digitale Existenz reduzieren, die wir als Rock-Show auf die Bühne bringen.

Ich muss an der Stelle nochmal nachhaken, weil ich es nicht ganz verstehe. Die Technik ist von euch abhängig, liefert aber Ideen, die zu Songs führen. Hinter so etwas wie „Dreamland“ steckt aber mehr, oder? 

David Reiterer: Ja, Lucy liefert natürlich keine fertigen Songs, sondern Ideen zurück. Ich habe vorhin erzählt, wie sich aus der Kraftwerk-Nummer ein Pattern ergeben hat. Dieses Prinzip ist die Basis, auf der wir die Melodien komponieren. Bei „Dreamland“ haben wir ein Altwiener Lied in das Gehirn Lucys geschickt. Es entstand ein Pattern, das wir weiter veränderten, bis es eine Melodie rauskam, die wir übernahmen und auf Instrumenten spielten.

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Die Basis kommt also aus der Maschine. 

David Reiterer: Wir nennen es den Götterfunken.

Der der Menschheit quasi das Licht bringt.

David Reiterer: Oder die Rebellion. Schließlich hat Beethoven auf Basis des Gedichts von Schiller die „Ode an die Freude“ komponiert – wobei der Götterfunken für das Volk damals der Anstoß war, um zu rebellieren. Deshalb lässt sich der Götterfunken nicht nur digital auslegen, sondern auch politisch. Oder eben mit Prometheus aus der Mythologie. Wir bezeichnen mit dem Götterfunken allerdings das, was überspringt, wenn Lucy uns etwas vermittelt.

Aus diesem Grund auch der Name des kommenden Albums: „Götterfunken“. Übrigens wirkt der Auftritt nach außen ziemlich professionell! 

David Reiterer: Mit Lucy Dreams habe ich zum ersten Mal zu mir gefunden. Ich war mir einer Sache noch nie so sicher wie bei diesem Projekt. Ich weiß genau, was ich will und wie es ausschauen soll.

Gut, dass du den visuellen Aspekt erwähnst. Der ist wichtig bei Lucy. 

David Reiterer: Im Rahmen des Projekts habe ich mich zum ersten Mal mit Imaging und Videoschnitt, teilweise sogar mit dem Aufsetzen von Pressetexten beschäftigt. Dadurch habe ich die Rundumbetreuung eines Music-Acts einfach selber gemacht – und große Freude daran gefunden. Allein das Lernen von Videoschnitt-Programmen hat neue Wege aufgezeigt, mich künstlerisch zu entfalten. Ich kann eine ganze Nacht damit verbringen, einen 30-sekündigen Clip zu schneiden. Und finde darin ähnlich viel Erfüllung wie in der Musik, der ultimativen Leidenschaft meines Lebens. Lucy hat mir also gezeigt, dass mich die Betätigung in anderen kreativen Bereichen erfüllen kann. Außerdem haben sich dadurch ganz neue Connections ergeben.

Connections? 

David Reiterer: Das Video zu „The Journey“ basiert auf Creative-Commons-Visuals von Leuten in Kalifornien, die sich Not Any Design Collective nennen. Ich habe ihnen geschrieben und gefragt, ob ich ihre Visuals verwenden darf. Sie waren supernett und haben zugesagt. Mittlerweile tauschen wir uns regelmäßig aus. Das ist eine Art von Zusammenarbeit, die sich erst durch Lucy ergeben hat. Manchmal frage ich mich, wieso ich das davor nicht auf dem Radar hatte.

Es hört sich so an, als ob es über das Selbstdarstellende hinausgeht und das Schöpfende in den Vordergrund stellt. 

David Reiterer: Ja, zum Beispiel arbeiten wir für das nächste Video mit Esther Stocker zusammen … warte, das ist eigentlich eine gute Geschichte. Ich habe Esther nämlich in einem Speisewagen kennengelernt. Sie saß gegenüber, wir kamen ins Gespräch, am Ende habe ich ihr eine Visitenkarte von Lucy dagelassen. Ein paar Tage später hat sie uns auf Instagram gefolgt. Und wir zurück. Ich war von ihrer Kunst sofort begeistert. In diesem Minimalismus so viel Meaning … ein Wahnsinn! Mit Lucy haben wir dann übrigens eine Skulptur von Esther vertont. Anschließend hat sie uns gefragt, ob wir nicht gemeinsam ein Video machen wollen. Dutzi Ijsenhower hat uns das Gesicht gegeben, Esther hat die Anzüge gemacht und wir haben mit buero butter gedreht. Da greifen unterschiedlichste Formen des künstlerischen Ausdrucks ineinander. Das fasziniert mich. 

Du hast davor in unterschiedlichen Bands gespielt. Schon lustig, dass du erst mit Lucy diesen Zugang entdeckt hast. 

David Reiterer: Vielleicht, weil man sich selbst nicht mehr so ernst nimmt.

Dieses Hinter-die-Technik-Stellen schafft eine gewisse Narrenfreiheit, oder?

David Reiterer: Das ist ein gutes Stichwort, ja! Es entsteht dadurch eine Kunstfigur – wobei es gefährlich ist, das eigene Schaffen als Kunst zu bezeichnen. Da kommt schnell der Ikarus’sche Hochmut durch.

Der wirkt in der Vermenschlichung der Technik nicht?

David Reiterer: Na ja, es braucht schon menschliches Zutun, das maschinell nicht reproduziert werden kann. Spontanität, Kreativität, Leidenschaft und Liebe zum Detail …

Alles Dinge, an deren maschineller Reproduktion ständig gearbeitet wird. Die Frage ist, ob man den Punkt, an dem es umschlägt, jemals erreichen wird. 

David Reiterer: Vielleicht können Maschinen in ferner Zukunft menschliche Emotionen reproduzieren. Aber wer weiß das schon? Das Gedankenspiel führt uns lediglich zurück zu den elementarsten aller Fragen: Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin?

Jetzt wird’s metaphysisch! 

David Reiterer: Ist es nicht genau die Unmöglichkeit, diese Fragen zu beantworten, was uns Menschen den Drive verschafft, sie beantworten zu wollen? Ich mein, was würden wir machen, wenn wir sie beantworten könnten? Den Endgegner besiegen – und dann?

Man würde sich auf ein Ziel ausrichten, das wir so nicht haben. 

David Reiterer: Ja, wir kennen den elementaren Grund unserer Existenz nicht. Aber wir wollen ihn herausfinden. Deshalb richten wir uns aus auf ein Ziel – das Streben nach Etwas, von dem wir nicht wissen, was es ist.

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Bei Lucy ist es gleich. Man wird erst checken, wohin das Ganze führt, wenn es bereits geschehen ist. Davor bietet das Projekt nie eine Antwort. 

David Reiterer: Es ist der Space zwischen Null und Eins.

Genau, das ist der größte Vorteil und gleichzeitig der größte Nachteil des Projekts. Es hat die Gewissheit der Binarität, schließt dadurch aber jede Nuance aus. Die Emotion spielt sich zwischen der Null und der Eins ab. 

David Reiterer: Deshalb braucht es Menschlichkeit als Medium. Der Space-Between, das Zwischendrin, lässt sich nicht durch die Nullen und Einsen manifestieren.

Zwei Pole, zwischen denen sich etwas abspielt, das man nicht genau erklären kann. 

David Reiterer: Und es ist gut, dass man es nicht wissen kann. Dieses unerklärbare Dazwischen ist das, was den Menschen antreibt.

Habt ihr euch mal überlegt, wo Lucy herkommt?

David Reiterer: Ich würde es jedenfalls nicht geographisch festmachen. Wir sagen „analog awakening“. Aber woher die Digitalität kommt … sie ist nicht regional einschränkbar. Das führt uns automatisch zu der Frage zurück, woher wir kommen.

Weißt du, was da auch mitschwingt? Die Frage nach dem Impuls, der es uns ermöglicht, diese Frage überhaupt zu denken. 

David Reiterer: Als Wesen, das auf diesem Planeten lebt, wohnt uns dieser Impuls inne, oder?

Na ja, es gibt auch Algorithmen, die so programmiert sind, dass sie gegeneinander wirken, um sich selbst zu verbessern. 

David Reiterer: Digitale Existenzen! Etwas, das handelt. Zumindest ein bisschen. Und aus einem Trieb heraus, der davor von Menschen programmiert wurde.

Ja, es ist noch an das menschliche Initial gebunden.  

David Reiterer: Man merkt, wie viel Mystik in digitalen Medien steckt. Für mich ist das gerade an CGI-Technik und Visuals offensichtlich. Es entsteht eine Dynamik, in diesen von Computern kreierten visuellen Kunstwerken.

Mit Lucy Dreams hast du zuletzt NFTs gemintet.  

David Reiterer: Das ist auch spannend. Aber gerade in der visuellen Kunst entsteht gerade etwas. Mir fällt das vor allem auf Instagram auf. Künstlerinnen und Künstler bauen alles um einen einsamen Astronauten auf.

Und entwickeln eine eigene Welt. 

David Reiterer: Ja, in unserem Video zu „Dreamland“ kommt dieser Astronaut auch vor. Er heißt Mr. Mirandola – und steht stellvertretend für jene Suche, die jedem Menschen innewohnt.

Der Drang, ins Weltall zu fliegen, hängt ja auch mit der Hoffnung zusammen, etwas zu finden, das man noch nicht kennt. 

David Reiterer: Genauso wie man ins All fliegen kann, kann man in sich selbst eintauchen.

Das ist spannend. Die Reise wird zur Metapher für eine Suche. Beschäftigt dich das? 

David Reiterer: Jeder Tag ist ein Abschnitt einer Reise, von der man manches planen kann, ohne zu wissen, wo man am Ende landet. Das kann zum Beispiel ein Trip in sich selbst sein, hin zu den eigenen Emotionen. Erweckt werden sie bei mir durch Visuals, die sich, wie im Video, um einen Astronauten drehen.

Das lässt sich in eurem Fall leicht auf die Musik umlegen. Man träumt. Oder sieht etwas Traumähnliches, das sich nicht in der realen Welt finden lässt. 

LUZY DREAMS
Bild (c) Christoph Liebentritt

David Reiterer: Wir suchen den sphärischsten Synthesizer, um das „Dreamland“ zu kreieren. Das passt übrigens gut zum luziden Träumen – der unbekannten Welt, die man teilweise steuern kann, aber doch aus dem Unterbewusstsein stammt.

Das ist mir gar nicht aufgefallen. Wenn man den Namen schnell ausspricht, ist es das tatsächlich: Lucid Dreams – luzides Träumen.

David Reiterer: Und wer unseren Namen bei YouTube eingibt, kommt zuerst zu einem anderen Titel, glaub ich.

Ja, „Lucid Dreams“ ist ein Song von Juice Wrld.

David Reiterer: Der übermächtige Gegner im YouTube-Algorithmus!

Der euch zumindest nicht mehr in die Quere kommen wird.

David Reiterer: Stimmt!

(das Aggregat, das scho die ganze Zeit auf einer Baustelle hinter uns ratterte, geht auf einmal aus.)

David Reiterer: Mah, ist das angenehm, wenn’s plötzlich so still ist. Das ist wie ein akustischer Asphaltmoment. Ich war vor ein paar Jahren mit zwei Freunden in Norwegen Radfahren. Manchmal sind wir kilometerlang über Schotter gefahren. Sobald man wieder auf Asphalt war, gleitet man dahin wie ein Segelschiff.

Bist du ambitionierter Radlfahrer?

David Reiterer: Ich habe in Bologna ein Auslandssemester gemacht und mir dort ein altes Waffenrad gekauft. Bedingung an mich selbst war: Wenn das Rad bis zum Ende des Semesters hält, fahr ich damit heim.

Lass mich raten: Es hat gehalten?

David Reiter: Tatsächlich! Ich bin Ende Juli in Bologna losgefahren, durch Mirandola, den Gardasee entlang bis über den Brenner nach Innsbruck. Dort ist das Rad dann zusammengebrochen: Multipler Speichenbruch!

Oje! Aber Mirandola! Da kommt doch dein Astronaut her!

David Reiterer: Genau! Wer weiß, wie er sonst geheißen hätte, wenn ich nicht auf die Idee gekommen wäre, mit einem alten italienischen Waffenrad nach Hause zu fahren! Mirandola ist der Name, den ich ihm gegeben habe. Mittlerweile versuche ich ihn sogar unter Kunstwerken auf Insta zu coinen. Einfach um diese Geschichte um seine Person weiterzuschreiben.

(zwei Reihen hinter uns setzt sich ein älterer, gut gekleideter Mann mit Sonnenbrille an einen Tisch.)

David Reiterer: Jetzt bin ich grad kurz extrem geflasht!

Was?

(David spricht leiser.)

David Reiterer: Wenn der jetzt Italienisch redet, ist das ein wahnsinnig berühmter Schauspieler: Tony Servillo, aus dem Film „La Grande Bellezza“.

Schau, das riesige Gucci-Tascherl, das der hält, gibt’s nicht umsonst! 

David Reiterer: Aber seine Begleitung hat grad einen österreichischen Impfpass rausgezogen!

Ja, aber er schaut ihm wirklich ähnlich. Der Film ist sowieso …

David Reiterer: Ein Wahnsinn! Die Szene ganz am Ende mit der Nonne und den Pelikanen … sick! Außerdem stellt der Film natürlich eine große Frage: Was ist wahre Schönheit?

Für mich ist der Film die wahre Schönheit. Die Formensprache von „La Grande Bellezza“, das ästhetische Empfinden im Bild …

David Reiterer: Während meines Auslandssemesters haben wir den Film in einem Seminar besprochen. Irgendwann kam die Frage auf, ob es ultimative Schönheit überhaupt gebe. Die Grande Bellezza gibt es natürlich, aber nur individuell – und größtenteils in der Kunst.

Da könnte man durchaus drüber streiten. 

David Reiterer: Sagen wir so: Sie existiert in der Emotionalität, die oft durch Kunst ausgelöst wird. Indem der Film so schön dargestellt ist, gibt er auch die Antwort auf die Frage: „La Grande Bellezza“ existiert in der Kunst; in dem ungreifbaren Moment zwischen Null und Eins; der Emotionalität, die sich nicht festmachen lässt. Man könnte von einer Aura sprechen, die einen berührt, aber nicht greifbar ist.

Damit gelangen wir zum Kern von Lucy Dreams. Wenn man das Konzept konsequent weiterdenkt – ich möchte nicht sagen, zu Ende denkt …

David Reiterer: Extrem schön gesagt! Würde man es zu Ende denken, hätten wir die Möglichkeit, es zu greifen, weil es einen Punkt gäbe, der nicht überschritten werden könnte.

Genau. Man kann das sogar noch weitertreiben: Lucy hat immer schon existiert und nur darauf gewartet, von euch entdeckt zu werden. Dadurch ist dem Projekt zwar weder Anfang noch Ende eingeschrieben, aber die Gefahr, dass es sich selbst auffrisst.

David Reiterer: Das holt mich grad auf eine extrem positive Weise.

Na ja, der Mensch ist in einem Lebenszyklus gefangen. Er kommt zur Welt, lebt, handelt und stirbt. Eine Maschine hat das nicht. Bei Lucy gibt es keine Endlichkeit. Es ist zwar momentan an eure Person gebunden, kann aber …

David Reiterer: Von jemand anderem weitergeführt werden! Das bringt mich gerade auf den Gedanken: Wir haben uns mit dem Projekt eine Eigenschaft zugeschrieben, die hauptsächlich in der Digitalität existiert. Das Digitale und das Analoge finden in einer Welt zusammen – das ist die Essenz von Lucy Dreams.

Vielen Dank für das Gespräch! 

Christoph Benkeser

 

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Links:
Lucy Dreams (Homepage)
Lucy Dreams (Instagram)
Lucy Dreams (Bandcamp)