„Wir Musiker:innen und Komponist:innen sind nur so gut wie die Lobby, die wir haben.” – PETER LEGAT im mica-Interview

PETER LEGAT ist neuer Präsident der Austrian Composers. Bekannt ist der österreichische Gitarrist und Komponist v.a. von COUNT BASIC, der weltweit erfolgreichen Soul- und Acid Jazz-Band, die er Anfang der 1990er ins Leben rief, und der im Fusion-Jazz angesiedelten Gruppe INCOGNITO. Er spielte aber auch in vielen anderen Formationen, u.a. im HARRI STOJKA EXPRESS. Von 1994 bis 2023 unterrichtete er E-Gitarre am Institut für Popularmusik der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Im November wurde er vom Vorstand der Austrian Composers einstimmig als neuer Präsident kooptiert. Mit Markus Deisenberger sprach er unter anderem über Fair Pay, Nachwuchsförderung und Streaming.

Nach dem Rücktritt von Harald Hanisch, auf den wir vielleicht noch zu sprechen kommen, hast Du Dich bereit erklärt, für diese Funktion zur Verfügung zu stehen. Warum?

Peter Legat: Ich bin am 1. Oktober an der MDW als Unterrichtender in den Ruhestand getreten, habe dort achtundzwanzig Jahre lang unterrichtet. Dass ich sechs Wochen später die Anfrage bekam, ob ich nicht diese Funktion ausüben möchte, hat sich gut ergeben.

Sonst wäre Dir aber wahrscheinlich auch nicht fad geworden, nehme ich an?

Peter Legat: Nein. Aber wenn man etwas für die heimischen Komponist:innen tun kann, dann mache ich das gerne. Meine Karriere war ja immer zweigeteilt: Auf der einen Seite habe ich Jazzgitarre am Konservatorium studiert und bin als Bandleader und Gitarrist aufgetreten. Aber von Anfang an war ich immer auch als Komponist tätig:  mit meiner Fusion-Band Incognito und für Count Basic, und ich mache das auch nach wie vor. Insofern ist mir das nicht fremd, und es hat sich wie gesagt gut ergeben.

Du bist über viele Genres hinweg künstlerisch tätig. Im Jazz, im Funk, im Pop. Glaubst Du, diese Vielfalt kommt der Funktion zugute?

Peter Legat: Ich denke schon, weil wir Austrian Composers ein Verein für alle Komponist:innen sind. Unsere Fachgruppen teilen sich auf in Neue Musik, Filmmusik, Pop etc. D.h. es ist der Dachverband für alle Genres, wenn du so willst.

Persönlich warst Du als Musiker von Jazz bis Musical erfolgreich, warst und bist also breit aufgestellt. Du weißt, was man als Musiker:in tun muss, um davon leben zu können. Der Erfolg von einem Projekt reicht oft nicht aus. Und es ist wohl auch in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht unbedingt leichter geworden, oder?

Peter Legat: Die Rahmenbedingungen sind eher schwieriger geworden als damals, als wir mit Count Basic 1993 begonnen haben. Damals konnte man noch mit CD-Verkauf ganz gutes Geld verdienen, selbst wenn man einen Deal mit einer Major-Company hatte wie ich, wo die Verträge aus Künstlersicht oft nicht so vorteilhaft waren. Trotzdem sind durch den CD-Verkauf gute Gelder geflossen. Unsere Einnahmen teilten sich damals auf in: Einnahmen aus CD-Verkauf, Tantiemen aus Radio- oder Live-Aufführung und Live-Konzerte. In der Zwischenzeit ist der Tonträgerverkauf weggebrochen. Und mit den Streaming-Diensten verdienen nur die ganz Großen Geld.

Entsprechende Zahlen gehen immer wieder durch die Medien und geben wenig Anlass zur Freude. Letztens hat Rechtsanwalt Oliver Ertl in einem Vortrag (bei der Jahrestagung der Initiative Urheberrecht) deutlich gemacht, dass von zehn Euro, die durch ein Spotify-Abo reinkommen, tatsächlich nur 1 Euro an die Schöpfer der geschützten Werke geht. Die Lage ist also alles andere als rosig. Was können die Austrian Composers bewegen?

Peter Legat: Was uns am Herzen liegt, ist zuerst einmal Fair Pay, d.h. Richtlinien rauszugeben eben auch für Kompositionsaufträge. Man bewegt sich am freien Markt, ja, aber es gibt Richtlinien, die auch vom Ministerium herausgegeben werden, die innerhalb einer Bandbreite faire Bezahlung festlegen. Natürlich sind wir Musiker:innen und Komponist:innen nur so gut, wie die Lobby, die wir haben – auch gegenüber der Politik. Es geht auch um öffentliche Aufträge. Man muss geschlossen agieren, was für Künstler:innen nicht so einfach ist, weil viele Einzelkämpfer sind. Komponist:innen sitzen oft zuhause und komponieren. Aber wenn es darum geht, die Interessen zu vertreten, sind Vereine wie die Austrian Composers ungemein wichtig. Die tragen diese Belange in die Politik, in die Ministerien. Das wird meine Aufgabe sein.

Das heißt, Du unterstützt die Initiative Fair Pay und die Initiative Urheberrecht als wichtige Bausteine für bessere Rahmenbedingungen?

Peter Legat: Das ist genau der Punkt. Meine Aufgabe als Präsident der Austrian Composers ist es, die ideellen, aber auch die wirtschaftlichen Interessen der Komponist:innen in Österreich zu vertreten und zu stärken.

Du hast die Politik angesprochen: Eva Blimlinger von den Grünen meinte bei einer Podiumsdiskussion neulich, auf die Versäumnisse der Politik in puncto Schutz der Urheberrechte und Schaffung der Rahmenbedingungen für eine leistungsgerechte Entlohnung angesprochen, solche Vorwürfe seien unfair angesichts der Tatsache, dass die Förderbeträge eklatant aufgestockt wurden. Die Politik kennt, scheint es, wenn es um Künstler:innen geht, keinen Unterschied zwischen geregeltem Einkommen und Fördergeldern, die man zugesprochen bekommt, auf die man aber keinen Anspruch hat.

Peter Legat: Als freiberuflicher Musiker und Komponist ist das sowieso schwierig. Geregeltes Einkommen konnte ich nur erzielen, indem ich Engagements etwa bei den Vereinigten Bühnen annahm, aber halt auch durchs Unterrichten an der MDW. Alles andere ist der freie Markt. Zu den geförderten Dingen aber wünsche ich mir größtmögliche Transparenz. Wenn man eine Förderung nicht bekommt, sollte klar ausgesprochen werden, warum man die nicht bekommt. Da sollten die Fördergeber auskunftspflichtig werden.

Dein Vorgänger als Präsident der Austrian Composers Harald Hanisch ist nach einem unschönen Prozess (das mica berichtete; Anm.), zurückgetreten. Denkst Du, das war ein Einzelfall oder hat der Prozess zwischen ihm und Anne Eck weit verbreitete Machtungleichgewichte innerhalb der Branche offengelegt, gegen die es systematisch anzugehen gilt?

Peter Legat: Ich war weder Prozessteilnehmer, noch habe ich mir das näher angeschaut. Die Forderung war natürlich nicht marktkonform, aber ganz ehrlich: Das ist nicht Standard. Die meisten Produzenten arbeiten nach marktüblichen Konditionen. Was da passiert ist, ist gerichtlich abgehandelt und mehr möchte ich dazu eigentlich nicht mehr sagen.

Die Austrian Composers repräsentierten die Interessen und Bedürfnisse österreichischer Komponist:nnen gegenüber der Politik, wollen aber auch zur wirtschaftlichen Stärkung beitragen und junge Talente fördern. Welche Stoßrichtungen gibt es da?

Peter Legat: Generell ist die Jugendarbeit ein Riesenthema. Das funktioniert in Österreich mit dem sehr gut ausgebauten Musikschulwerk ausgesprochen gut. Das sind aber natürlich in erster Linie Interpreten-Werkstätten. Man lernt dort ein Instrument. Wie man das Schaffen integrieren kann, muss man sich anschauen. Ich glaube, die Dinge gehen Hand in Hand. Das Instrument lernen, es studieren, ist das eine. Das andere ist das Schaffen, das Kreieren. Dem muss man vielleicht einen Stellenwert geben, den es jetzt nicht hat. Dazu muss man in die Schulen gehen. Ich habe das einmal gemeinsam mit dem Präsidenten des Österreichischen Musikrats Harald Huber gemacht: Wir sind in die Schulen gegangen und haben gemeinsam mit den Schüler:innen zwei Songs geschrieben. Man kann dieses Handwerk ja ebenso lernen. Meiner Meinung nach geht es sehr viel um Jugendarbeit und Nachwuchsförderung.

Du hast das Streaming bereits angesprochen, das – so toll es für die Userin und den User ist und so verfügbar es Musik macht – bei weitem nicht zu den Einkünften führt, wie wir sie vom Tonträgerverkauf her kennen. Was muss da passieren?

Peter Legat: Eine gute Frage. Es gibt in Brüssel Bestrebungen, eine Streaming-Plattform zu initiieren, die faire Lizenzen bezahlt. Wir haben gestern eine Zoom-Konferenz der Mitglieder von ECSA (European Composer & Songwriter Alliance, für die Peter Legat auch als Delegierter fungiert, Anm.) gehabt, der Organisation, die die Interessen der Komponisten in Brüssel vertritt. Da gibt es Bestrebungen, eine Plattform zu initiieren, die fairere Beträge bezahlt als Spotify.

Aber ist es denn realistisch, eine Plattform zu etablieren, die mit einem Riesen wie Spotify mithalten kann, vor allem, was die Menge an Repertoire anbelangt betrifft, die da bereits drinnen ist?

Peter Legat: Das ist eine Frage, die ich natürlich nicht beantworten kann. Die Absicht besteht jedenfalls.

Es gibt einen aktuellen Film von Adrian Goiginger, „Rickerl“ mit Voodoo Jürgens, der den schönen Untertitel trägt: „Musik ist höchstens ein Hobby“. Das ist auch etwas, was es aus den Köpfen rauszukriegen gilt, oder?

Peter Legat: Ach, das gibt es schon ewig. Das hab’ ich schon zu hören bekommen, als ich jung war. Vor fünfzig Jahren. Nach dem Motto: „Ah, du bist Gitarrist. Und was machst du beruflich?“ Ich glaube schon, dass Musiker:in zu sein in einer Stadt wie Wien, die eine Kultur-Weltstadt ist, ein angesehener Beruf ist. Aber in vielen Köpfen ist es halt nicht so. Und es ist schon möglich, in diesem Beruf zu überleben. Natürlich gibt es viele prekäre Situationen, das ist mir durchaus bewusst. Aber was vielleicht hilft, ist: Unterrichten, Konzerte spielen, CDs aufnehmen. Die Mischung also macht’s. Wenn ich mir die Studierenden auf der MDW anschaue: Die sind 360 Grad-mäßig aufgestellt, haben ihre eigenen Labels, lizenzieren, drehen ihre eigenen Videos etc. Der Job hat sich stark verändert. Ich habe damals meine Sachen einem Major gegeben, welches die Nummern auf Alben gepresst und weltweit vertrieben hat. Die Anforderungen sind heute ganz andere. Ich war immer angewiesen auf Spezialisten, die meine Songs ausgeformt und produziert haben. Ich hatte nie die Kenntnisse, die viele Junge heute haben, die ihre Songs fix fertig selbst produzieren. Es ist spannend das mitzuerleben, wie die aktuelle Generation mit der Technologie, mit den neuen Möglichkeiten umgeht.

Kriegen die Studierenden denn das Rüstzeug mit, um diesen neueren Anforderungen gerecht zu werden, die ein drei-, vier- oder gar fünfgeteilter Beruf mit sich bringt?

Peter Legat: An der MDW haben wir schon versucht, das Curriculum so zu verändern, dass Musikwirtschaft eine Vorlesung wird. Wir waren bestrebt, über den Tellerrand der instrumentalen Fertigkeiten hinauszuschauen. Aber die Interessen sind unterschiedlich:
Manche wollen nur sehr gute Instrumentalist:innen werden, viele tragen aber auch dieses Schaffens-Gen in sich. Sie kreieren und produzieren. Ich habe immer noch einen ganzen Schrank voller CDs von Student:innen. Die Mischung macht’s aus, und die ist nur nicht bei jedem gleich.

Welche Impulse hast Du darüber hinaus vor, im angebrochenen Jahr zu geben?

Peter Legat: Bei den Austrian Composers gibt es ein Label, und dieses Label möchte ich natürlich weiterbetreiben und auf ein Niveau bringen, damit es für Komponiste:innen, die in Genres zuhause sind, die sich generell ein wenig schwerer tun mit Veröffentlichungen wie z.B. Neue Musik, leichter wird. Damit ganz niederschwellig Musik veröffentlicht werden kann, die vielleicht sonst nicht veröffentlicht würde. Das erscheint mir wichtig. Dann gibt es die Veranstaltungsschiene mit einem Juni-Termin im Porgy & Bess. Und es gibt die Austrian Composers Days mit unseren Partnern wie der MDW. Das sind die Dinge, die ich mal konkret angehe.

Vielen Dank für das Gespräch.

Markus Deisenberger

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