„Wir müssen Dinge nicht ausdiskutieren“ – SPECK im mica-Interview

Bei der 2019 gegründeten österreichischen Band SPECK ging es erstaunlich schnell. Schon nach wenigen Gigs konnte sich das Trio, bestehend aus Marcel Cultrera (Gitarre), Lisa Winkelmüller (Bass) und Patrick Säuerl (Schlagzeug), als herausragende Liveband einen Namen machen. Der aus Jams entstehende instrumentale Heavy Psychedelic- und Space-Rock-Sound von SPECK transportiert pure Energie, groovt mächtig und türmt sich zu mitreißenden Klangwellen auf. Gleichzeitig überzeugt er – wie unter anderem auf dem 2023er AlbumEine gute Reise“ zu hören – mit Ideenreichtum und spannungsgeladener Vielschichtigkeit. Im Interview mit Michael Ternai spricht das Trio über seinen improvisatorischen Ansatz, den unverkennbaren Stil, den er kreiert, und die Bedeutung von Netzwerken für das Vorankommen einer Band.

Stimmt es eigentlich, dass die Band ursprünglich aus einem Jam heraus entstanden ist?

Lisa Winkelmüller: Ja, genau.

Patrick Säuerl: Lisa und ich hatten schon vorher länger miteinander gespielt. Damals hatte ich mit meiner Coverband ein Konzert organisiert, bei dem eine Sängerin eingeplant war, die jedoch kurz davor krank wurde. Ich suchte zwar nach einem Ersatz, aber niemand wollte einspringen. Das Konzert abzusagen, kam für mich jedoch nicht infrage. Also rief ich Lisa an und fragte sie, ob sie spielen würde. Während dem Telefonat hörte ich Marcel im Hintergrund sagen: „Ja, warum nicht? Machen wir es!“ Zum Glück hatten wir im Sommer zuvor bereits einmal zusammen geprobt und gejammt, was sehr hilfreich war.

Wir haben das Konzert gespielt, und es kam wirklich gut an. Eine Woche später schrieben uns dann die Leute von Dazed & Confused Shows und fragte, ob wir für eine ausgefallene Band einspringen wollten – was wir auch taten. Und damit war das ganze Ding ins Rollen gekommen.

Es hat sich also alles von einem Gig zum nächsten entwickelt ….

Marcel Cultrera: Es hat sich alles ganz organisch ergeben. Am Anfang waren wir selbst überrascht, wie viel Traktion das Ganze bekam, denn – wie Patrick schon erwähnt hat – sind wir anfangs eigentlich nur für andere eingesprungen. Ich lernte Lisa kurz bevor es losging kennen und über sie dann Patrick. Zu diesem Zeitpunkt stand überhaupt nicht zur Debatte, eine Band zu gründen – es ist einfach passiert. Wir haben dann einfach immer weitergemacht, und nach und nach ergaben sich viele coole Möglichkeiten. Und wir haben wirklich versucht, jede davon zu nutzen. Ja, und jetzt sitzen wir hier.

Patrick Säuerl: Beim Jammen sind wir halt geblieben. Wir haben zwar versucht, etwas zu schreiben, und für das erste Studioalbum hatten wir auch ein bisschen was vorbereitet. Aber im Studio hat bei der ersten Nummer gerade mal die erste Minute funktioniert, bei der zweiten gar nichts. Das waren dann auch schon alle unsere Versuche, etwas zu schreiben. Danach haben wir es einfach gelassen und gesagt: Jammen funktioniert gut.

Marcel Cultrera: Je öfter wir versucht haben, eine Idee aufzunehmen, desto schlechter wurde es – mit jedem Take.

Lisa Winkelmüller: Immer, wenn wir gesagt haben: „Lassen wir es einfach und jammen wir auf Basis dieser Idee“, hat es plötzlich super geklappt, und wir haben dann gleich eine halbe Stunde weitergespielt. Und so ist es bis heute geblieben.

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Nimmt dieses Wissen, dass man nicht unbedingt etwas schreiben muss, sondern den Dingen durch Improvisation einfach ihren Lauf lassen kann, nicht auch ein wenig den Druck weg?

Marcel Cultrera: Ich finde, man macht sich damit schon verletzlich – es kann ja auch total in die Hose gehen. Aber einen Anspruch auf Perfektion gibt es bei uns nicht. Es ist, was es ist, und das ist für uns völlig okay. Wir leben in einer Zeit, in der alles auf Perfektion getrimmt ist, und vielleicht stellen wir unbewusst ein wenig einen Gegenentwurf dazu dar. Kein Take von uns ist perfekt. Es gibt immer auch Fehler. Die machen das Ganze aber auch aus. Im Jazz beispielsweise ist die Improvisation was völlig Normales.

Patrick Säuerl: Das mit den Verspielern ist immer ganz spannend. Ich erinnere mich an ein Konzert, bei dem ich nicht ganz fit war. Ich war ein bisschen krank und müde – keine idealen Voraussetzungen zum Spielen.

Und ich habe mich beim Spielen oft bei den Fills verhaspelt, aber Lisa und Marcel haben blitzschnell darauf reagiert – was in mir wiederum Stress ausgelöst hat. So nach dem Motto: „Oh Gott, die reagieren darauf! Die denken, das ist ein echter Change! Jetzt muss ich wirklich etwas ändern!” (lacht)

Nach dem Konzert kommt dann Marcel zu mir und meint: „Das waren geile Changes, total unerwartet – richtig cool! Aber zeig sie uns das nächste Mal vielleicht eine Spur deutlicher an.” (lacht)

Weil gerade das Wort Jazz gefallen ist. Hat jemand von euch einen Jazz-Backround? Oder findet dieser bei euch bezüglich des freien Spiels nur in den Köpfen statt.

Patrick Säuerl: Eher vom Denken her.

Marcel Cultrera: Ich mag einige Sachen aus dem Jazz schon ganz gerne, aber ich würde mich nicht unbedingt als Jazz-Enthusiasten bezeichnen.

Lisa Winkelmüller: Wenn man an die 1970er Jahre denkt, da hatte die Improvisation auch in der Rockmusik ihren Platz. Da hat es schon einiges gegeben. Auch im deutschsprachigen Raum. Unter anderem Amon Düül II oder auch Agitation Free. Bei uns gibt es durchaus Parallelen zu ein paar Sachen aus dem Krautrock-Bereich.

Marcel Cultrera: Ich glaube, es ist unser Zugang, der vielleicht am Jazz anstreift.

Bild der Band Speck
SPECK © Benni Seidl

Woher kommt eure Liebe zu Krautrock? Ist das die Musik, mit der ihr aufgewachsen seid. Wie wurdet ihr überhaupt musikalisch sozialisiert?

Marcel Cultrera: Was wir alle gemeinsam haben, ist ein Desert-Rock-Hintergrund. Das auf alle Fälle …

Patrick Säuerl: Das können wir auf jeden Fall wirklich näher durchgehen, weil das bei jedem super lustig und sehr unterschiedlich ist. Bei mir beginnt es mit Metal, davon sehr, sehr viel Melodic Death Metal, dann, als ich zum Schlagzeugspielen begonnen habe, Blues und Rock’n‘Roll, dann bin ich zu dieser ganzen Stoner Rock und Desert Rock Schiene gerutscht.

Marcel Cultrera: Wir haben in unserer Jugend alle Queens of the Stone Age und Kyuss gehört, wir stehen alle auf Led Zeppelin, es gibt so viele verschiedene Sachen, an die wir mal angestreift sind.Aber ich würde jetzt nicht sagen, dass das die einzigen Einflüsse sind. Da das Ganze nicht geplant war, sondern einfach passiert ist, haben wir uns darüber nie so richtig Gedanken gemacht. Ich stehe natürlich auch auf Blues und instrumentale Gitarrenmusik, aber ob das jetzt Psychedelic ist, ob es Prog ist oder aus den 1970er Jahren kommt oder etwas Neueres ist, ist mir eigentlich egal solange mir das was gibt. Mit SPECK versuchen wir nicht, etwas zu reproduzieren, sondern gehen einfach hin und sagen: „Okay, los geht’s.“ Wir einigen uns auf die Tonart, dann reden wir vielleicht darüber, ob wir schneller oder langsamer anfangen – oder manchmal sogar nicht einmal das. Es entwickelt sich einfach, und ich glaube, das macht es auch authentisch. Einfach machen.

Witzigerweise bekommen wir immer von anderen Leuten Vergleiche, wie es denn klingt. Die einen sagen, wir klingen wie A, andere meinen, unsere Musik erinnert sie an B usw.

Patrick Säuerl: Bei mir war es so, dass ich mit dem Begriff Krautrock lange nichts anfangen konnte. Dann kamen aber immer öfter Vergleiche mit diesem Genre, was mich dazu veranlasst hat, mich damit näher auseinanderzusetzen. Schließlich habe ich mir auch eine Doku über Klaus Dinger, den Schlagzeuger von Kraftwerk und Neu!, angesehen, und plötzlich war es mir klar. Ah, darum geht es, deshalb die Vergleiche. Das Witzige ist, dass wir eigentlich ohne jegliches Vorwissen über dieses Genre genau zu diesem gekommen sind – ganz natürlich, ohne einen großen Plan.

Lisa Winkelmüller: Ich finde, das vielleicht Coolste, wenn wir spielen, ist, dass bei uns jeder genau das spielen kann, was er gerade spielen möchte. Wir müssen Dinge nicht ausdiskutieren, wie es beim Schreiben eines Songs wahrscheinlich der Fall wäre. Wir legen einfach los. Und wenn wir wollen, können wir uns erst nach 20 Minuten über Dinge austauschen, die gut oder schlecht funktioniert haben. Aber da ist es ja eh schon viel zu spät. Man hat einfach keine Zeit, nachzudenken, es passiert einfach. Das Coolste an der Band ist, dass alles so gleichwertig ist. Natürlich könnte man über den anderen auch drüberfahren, aber das passiert eigentlich nur sehr selten.

Marcel Cultrera: Ich denke, wir haben eine gute Chemie und hören aufeinander.

Rein improvisierende instrumentale Rockbands findet man eigentlich eher selten bzw. fällt mir auf Anhieb keine ein. Ist euer Ansatz vielleicht auch Teil eurer Erfolgsformel bzw. ist es DAS Alleinstellungsmerkmal, das euch von der Masse abhebt?

Marcel Cultrera: Möglich. Aber wir haben mittlerweile schon auch andere Bands kennengelernt, die ein ähnliches Konzept haben. Es gibt mehr, als man denkt.

Patrick Säuerl: Das macht auch unsere Konzerte spannend. Mittlerweile gibt es einige Leute, die regelmäßig kommen. Unsere Freundin Sissy hat uns inzwischen schon mindestens achtmal gesehen und meint, das Coole sei, dass jedes Konzert – abhängig von der Location, der Uhrzeit, der Tagesform und dem Sound – immer anders ist.

Marcel Cultrera: Man weiß auf jeden Fall, was man bekommt – aber nicht in welcher Form.

Bild der band Speck live
SPECK © Through The Haze

Wo ordnet ihr euch stilmäßig ein?

Marcel Cultrera: Ich würde sagen, wir sind eine Heavy Psych/Space Rock Band.

Lisa Winkelmüller: Ich glaube, die Bezeichnung Space Rock passt auch ganz gut.

Marcel Cultrera: Ich glaube, das sind eh die drei wichtigsten Schlagworte:Heavy Psych, Space Rock und Krautrock.

Spannend ist ja auch immer zu sehen, dass es für die Art von Musik, wie ihr sie macht, es anscheinend doch ein größeres Publikum gibt, als man glaubt. War euch das bewusst, als ihr begonnen habt?

Marcel Cultrera: Ich würde eher sagen, dass uns das nach und nach bewusst geworden ist. Wir sind über die Jahre mehr und mehr in die Szene hineingewachsen. Mit der Zeit hörten wir immer häufiger Vergleiche, begannen, uns in andere Bereiche einzuhören, und entdeckten viele für uns neue Bands. Und das nicht nur durchs Livespielen, sondern auch durchs Netzwerken. Man unterhält sich mit Leuten, die einen auf Dinge aufmerksam machen, die man vorher nicht kannte – und so erweitert sich der eigene musikalische Horizont enorm. Meine Plattensammlung ist noch nie so stark gewachsen wie ab dem Zeitpunkt, als wir mit SPECK begonnen haben.

Patrick Säuerl: Es gibt für unsere Art von Musik tatsächlich ein größeres Publikum, als uns zunächst bewusst war – vor allem in Deutschland und in den Niederlanden. Dort passiert gerade viel, weil die Leute eine lange Geschichte mit dieser Musik haben. Zudem sind die Bands und Veranstalter gut vernetzt – man kennt sich.

Uns hat zum Beispiel Peter Dragt (Bismut, DUNDDW) erstmals in die Niederlande geholt. Dann haben wir über das Label Tonzonen in Köln gespielt und dort weitere Veranstalter kennengelernt. Ab da lief es eigentlich von selbst.

Euch gibt es seit 2019. In eure Anfangszeit fiel auch die Pandemie, die vor allem das Livespielen stark erschwert hat. Seid ihr dennoch überrascht, wie schnell es dann doch ging – von den Bühnen kleiner Clubs zu größeren internationalen Auftritten, inklusive einer Rockpalast-Aufzeichnung eures letztjährigen Auftritts beim Freak Valley Festival?

Marcel Cultrera: Das war wirklich der ideale Zeitpunkt für die Gründung einer Band (lacht). Ich glaube, was uns wirklich viel gebracht hat, war die Metz-Session. Die ist eigentlich nach dem ersten Album aufgenommen worden, erschien aber aufgrund der wirklich langen Presszeiten vor diesem.

Die Session wurde von Sebastian Hödlmoser ins Leben gerufen – mit dem Ziel, die österreichische Szene ein wenig zu unterstützen. Zu diesem Zeitpunkt gab es von uns ja noch Nichts, aber er hat uns trotzdem gefragt, ob wir mitmachen wollen. Wir sagten einfach ja, völlig ins Blaue – und es stellte sich heraus, dass es eine der besten Entscheidungen war, die wir treffen konnten.

Nicht nur, dass wir mit Sebastian einen wirklich großartigen Typen kennengelernt haben und durch ihn sowie seine Sessions auf viele neue, coole Bands aus der Umgebung gestoßen sind – ich glaube, erst dieses Video hat uns wirklich Reichweite verschafft.

Patrick Säuerl: Für mich persönlich war der Zuspruch von unterschiedlichen Leuten wichtig, die uns immer wieder ermutigt haben dranzubleiben und uns regelmäßig für Konzerte angefragt haben.

Euer letztes Album „Eine Gute Reise“ ist 2023 erschienen. Wann darf man mit einem nächsten rechnen?

Marcel Cultrera: Zu einem neuen Album gibt es noch nichts Konkretes. Ein neuer Release befindet sich allerdings in der Pipeline. Man darf gespannt sein.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Michael Ternai

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SPECK live
20.2. Radiokulturhaus, Großer Sendesaal, Wien
21.3. Kapu, Linz
17.5. Tonzonen Festival, Moers, (D)
13.6. Arena, Wien

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