„Wir möchten die Verwendung aktueller Sound-Technologien vorantreiben“ – MANU MITTERHUBER und ROJIN SHARAFI (OTTOsonics Festival) im mica-Interview

Am 16. und 17. September findet die zweite Ausgabe des OTTOsonics Festivals im Alten Bauhof Ottensheim statt. Dieses Festival unterscheidet sich von klassischen Musikfestivals durch sein einzigartiges Format und Konzept. Besonders ist vor allem das eigens für das Festival entwickelte 3D-gedruckte Lautsprechersystem, das Sound und Klang für das Publikum auf eine neuartige Weise erlebbar macht. Der Initiator des Festivals, MANU MITTERHUBER, und die künstlerische Leiterin, ROJIN SHARAFI, über die Idee hinter OTTOsonics, die Möglichkeiten, die das entwickelte Soundsystem bietet, und aufregende Programm in diesem Jahr. Die Fragen stellte Michael Ternai.

OTTOsonics ist jetzt nicht wirklich ein Festival klassischen Formats. Was unterscheidet es von solchen?

Manu Mitterhuber: Ich glaube, man merkt schon in der Programmierung, dass wir einen sehr lustvollen, offenen und neugierigen Zugang verfolgen. So wie bei der Premiere letztes Jahr, gibt es neben Konzerten und Performances auch wissenschaftliche Vorträge, Workshops und Programm für Kinder und Jugendliche. Das Ganze findet in ländlicher Idylle im Alten Bauhof Ottensheim statt – in einer für Konzerte adaptierten Bootsgarage, die vollgepackt ist mit Kabeln und 3D gedruckten Lautsprechern. Es ist einfach schön zu beobachten, wenn sich hier unterschiedliche Welten treffen.

Rojin Sharafi: Ein herausragender Schwerpunkt von OTTOsonics seit Beginn des Projekts war die Zugänglichkeit. Es war uns wichtig, dass wir Menschen unterschiedlichen Alters, mit unterschiedlichen musikalischen Hintergründe, sowohl innerhalb als auch außerhalb des akademischen Bereiches, lokale und internationale Teilnehmer:innen usw. die Möglichkeit geben, mit Mehrkanal-Sound zu experimentieren. Dies war ein Aspekt, der unserer Meinung nach im Bereich des 3D-Sounds gefehlt hat. Mehrkanalstudios waren und sind oft in Institutionen, die schwer zugänglich sind.

Auf welcher ursprünglichen Idee basiert das Festival?

Bild Manu Mitterhuber
Manu Mitterhuber (c) Christof Huemer

Manu Mitterhuber: Das Festival sollte uns und anderen ermöglichen, neue Ansätze und Formate mit Publikum auszuprobieren und natürlich auch einer breiteren Öffentlichkeit zu zeigen, an was da monatelang gearbeitet wurde. So wie auch die Residencies des ersten Jahres, wo wir gerade die ersten Verstärker fertig hatten und teilweise sehr erfahrene Künstler:innen zu Gast hatten, waren das unglaublich wertvolle Inputs und Erfahrungswerte. 

Was ist das übergeordnete Ziel von OTTOsonics?

Manu Mitterhuber: Wir möchten die Verwendung aktueller Sound-Technologien vorantreiben – sowohl was Künstler:innen, als auch Kulturinitiativen betrifft. Idealerweise entsteht auch ein Netzwerk an kompatiblen Aufführungsorten, was wiederum Künstler:innen ermutigen soll, Inhalte zu entwickeln. Ich habe das immer als mehrdimensionalen Ansatz betrachtet – Entwicklung von zugänglichen, technischen Lösungen, Entwicklung von künstlerischen Inhalten, Vermittlung des Wissens und Know-How darüber und auch Kooperationen mit anderen Kulturinitiativen. Ich denke, nur wenn man alle diese Bereiche im Auge behält und darauf schaut, dass es ausgewogen bleibt und natürlich von alleine wächst, bleibt so ein Projekt am Leben. Was die Kooperationen betrifft, haben wir heuer schon einiges gemacht. Wir waren in Jerusalem an der Musrara School of Arts und haben dort ein OTTOsonics System installiert. In Tschechien gab es eine ambisonics summer school, in Mannheim und Dresden war das System zur Entwicklung eines Tanzstückes, das Britt Hatzius in Kooperation mit einer blinden Tänzerin entwickelt. In Wien hat das Black Page Orchestra im Wiener Musikverein ein eigens nachgebautes OTTOsonics System mitgebracht. Außerdem wurde im Rahmen des Live Layers Projektes das neue Laikka Album in 3D-Audio Live präsentiert. Und schließlich hat das Klangfestival Gallneukirchen nun ein eigenes solches System für den neuen Kulturpool. Auch der von Martin Kaltenbrunner und Benjamin Wesch entwickelte dodekaOTTO war auf der ARS im Einsatz und kommt nun auch ins HEKA Lab in Koper, Slowenien. Nächstes Jahr sind Kooperationen in Macao und Mexico City geplant. 

Bild Ottosonics
OTTOsonics (c) Christof Huemer

Ihr stellt Lautsprecher, Verstärker, Steuerungsgeräte und Software, die in unterschiedlichsten Kunst- und Kulturkontexten Verwendung finden sollen, über 3D-Druck kostengünstig herzustellen sind und unter freier Lizenz veröffentlicht werden. Welche Möglichkeiten für neue Klangerfahrungen bieten diese Geräte?

Manu Mitterhuber: Durch diese Herstellungsverfahren und auch das Design sind die Speaker sehr leicht, etwa 80dag, und es gibt mittlerweile ein Portfolio an Adaptern, Bügeln und Clips, um sie schnell aufzubauen. In Kombination mit der Software, die wir verwenden, die am IEM Graz entwickelt wird, kann man sich sehr leicht an unterschiedlichste Räume anpassen und auch unregelmäßige Konfigurationen betreiben, während das immersive Erlebnis intakt bleibt. Parallel dazu beschäftigen sich die Leute vom tangible music lab mit Interaktionen und dem Erfinden von post-digitalen Instrumenten. In Summe ist hier sehr viel in Bewegung und ich glaube, wir stehen da erst am Anfang der Entdeckungsreise.

Das Programm des Festivals zeigt sich als ein Kunstsparten übergreifendes und in der Ausrichtung eher experimenteller. Inwieweit eignet sich die zur Schau gestellte Technik auch für eher konventionellere Konzertformate? Welche Möglichkeiten bietet es?

Manu Mitterhuber: Es funktioniert erstaunlich gut für alle möglichen Arten von Musik. Das Konzept der Dual-Mono Beschallung mit der akustischen Trennung von Publikum und Bühne hat sich seit der Verwendung von Line-Arrays über Jahrzehnte im Großen und Ganzen nicht wesentlich weiterentwickelt. Die Produktionsmöglichkeiten aber schon, sodass das Live-Erlebnis oft auf andere Effekte zurückgreifen muss, wie z.B. Lautstärke, im Gegensatz zu einem Studioalbum. Überall, wo es um Räumlichkeit geht, versagen viele konventionelle Beschallungssysteme. Das gilt für den Konzertbereich genauso wie für Theater. Die bei uns verwendete Technik schafft es, ein sweet area für Publikum zu erzeugen, wo Lokalisierung von Soundquellen und Envelopment, also das Umhüllen von Klang, funktionieren. Davon kann eine Singer-Songwriterin genauso wie ein Streichquartett, ein Chor oder das Sounddesign für ein Theaterstück profitieren. Und genau das machen wir mittlerweile bei fast allen Veranstaltungen.

Bild Rojin Sharafi
Rojin Sharafi (c) Igor Ripak

Wer waren in diesem Jahr artist in residence?

Rojin Sharafi: Dieses Jahr hatten wir zwei Künstler:innen in Residenz: Boris Shershenkov und Léa Boudreau. Der Fokus der diesjährigen Residenzen lag auf interaktiven Klanginstallationen. Wir haben über 60 Einreichungen aus verschiedenen Ländern erhalten und schließlich haben wir Lèa und Boris für jeweils zwei Wochen zur Realisierung ihrer Arbeiten eingeladen.

Boris’ Installation trägt den Namen „Phonoptosphere” und basiert auf den Prinzipien der analogen Synästhesie. Er hat eine interaktive Klang-/Lichtinstallation für den dodekaOTTO, einer Polyhedron-Skulptur mit 20 Lautsprechern, entwickelt, die mit phonoptischen Emittern und photosensitiven Mikrofonen arbeitet.
Léa Boudreau hat sich mit IR-Abstandssensoren und Mikrofonen beschäftigt, die es der Klanglandschaft ermöglichen, auf die Positionierung und die Stimme der Besucher:innen zu reagieren. Abhängig von den Bewegungen und der Ausrichtung der Teilnehmer:innen werden Klangelemente in entsprechenden Lautsprechern ausgelöst, und Klänge der Besucher:innen werden aufgenommen, verarbeitet und in die Klanglandschaft der Installation zurückgespielt.

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OTTOsonics (c) Christof Huemer

Wie waren eure Erfahrungen im letzten Jahr bei der ersten Ausgabe.

Rojin Sharafi: Die erste Ausgabe war das erste Mal, dass wir unser System einem größeren Publikum vorstellen konnten. Seitdem haben wir das System weiterentwickelt, und wie es aussieht, wird die Verbesserung ein endloser Prozess sein. Das ist auch die Seele des Projekts, dass es sich immer wieder neu entdeckt und auf neue Technologien und Möglichkeiten reagiert.
In der ersten Ausgabe hatten wir Konzerte, Workshops, aber auch Vorträge und Raumsimulationen. In einem der Workshops haben wir einen Convolution Hall erstellt, der auf der Kapelle des Schlosses in Ottensheim basiert. Matthias Frank hat gemeinsam mit den Besucher:innen die Impulsantwort des Raums gemessen und gezeigt, wie man diese im 3D-Klang reproduzieren kann. Später hat Manu Mitterhuber mit einem Bläserensembles des Musikvereins Ottensheim eine 3D-Raumsimulation bei deren Konzert verwendet. Das hat beim Publikum sehr gut gewirkt, da sie hören konnten, wie die Blasmusik in verschiedenen Räumen wie Kirchen, Lagerhäusern oder Studios klingt, und die Simulation mit Mehrkanal-Lautsprechern natürlicher und präziser klang als im Stereoformat.
Wir hatten auch eine Zusammenarbeit mit Elak Wien und der Kunstuni Linz, bei der die Studierenden ihre Mehrkanal-Stücke aufgeführt haben.

Könntet ihr mehr darüber erzählen, wie das OTTOsonics Festival heuer ablaufen wird und welche künstlerischen Highlights die Besucher:innen erwarten können?

Manu Mitterhuber: Wir starten gleich mit einem Workshop für Kinder und Jugendliche mit Tanja Fuchs. Es wird am OTTOsonics System gemeinsam musiziert und improvisiert. Am Nachmittag wird es nach einer theoretischen Einführung ein japanisches Erzähl/Figurentheater geben, das wir wie für VR oder Computerspiele abmischen und binaural auf Kopfhörer dekodieren. Danach wird es eine kulinarisch/akustische Food Score Performance geben, Konzerte mit Gischt und Sturmherta und schließlich ein DJ-Set mit Andaka, die einen 3D DJ Controller Prototypen von A3 audio verwenden wird.
Am Sonntag nach dem Workshop für Tontechniker:innen hören wir zwei Sax Quartette der Musikschule Ottensheim, Vorträge von Mathias Frank und Lukas Gölles über Ambisonics Systeme und die Mathematik hinter line arrays. Außerdem Bernd Preinfalk und Alex Jöcht, Veronika Mayer, Jakob Gille, Enrique Mendoza, Sam Erpelding und schließlich die wunderbaren /kry.

Infos zum Programm finden Sie unter https://www.alterbauhof.at/ottosonics/festival/

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OTTOsonics Festival #2
Alter Bauhof Ottensheim
16. & 17. September ab 10:00
www.ottosonics.com