„Wir haben plötzlich bemerkt, dass sich die Leute für uns zu interessieren beginnen“ – MARINA ZETTL und THOMAS MAUERHOFER im mica-Interview

Marina Zettl und ihr Kollege Thomas Mauerhofer können auf  zwei durchaus sehr erfolgreiche Jahre zurückblicken. Auf der Habenseite stehen nicht nur die zwei sehr starken und hochgelobten Alben “Thin Ice” und “Watch Me Burn”, sondern auch sehr gut besuchte Tourneen durch halb Europa sowie eine Auszeichnung mit dem Australian Independent Music Video Award. Die steirische Sängerin und der Gitarrist im Interview mit Michael Ternai.

Wenn man eure letzten beiden Jahre betrachtet, kann man sagen, dass sie durchaus erfolgreich waren. Ihr wart konzerttechnisch sehr viel unterwegs, habt zwei sehr gut rezensierte Alben herausgebracht und euer Video zum Song „Is it fine“ wurde mit dem Australian Independent Music Video Award ausgezeichnet. War sicher eine intensive und arbeitsreiche Zeit?

Marina Zettl: Also vom Spielen her hatten wir 2013 definitiv ein sehr dichtes Programm. Vor allem im Herbst waren wir sehr viel im Ausland unterwegs. So viel wie nie zuvor. Aber genau das wollten wir ja auch. So richtig Fahrt aufgenommen hat die ganze Sache eigentlich ja mit dem Erscheinen von „Thin Ice“ 2012. Davor war alles noch recht überschaubar und einfacher zu managen. Aber mit diesem Album hat sich dann doch einiges schlagartig verändert. Uns ist bewusst geworden, dass wir Unterstützung brauchten, vor allem in Sachen PR und Marketing. Wir haben einfach gemerkt, dass es uns zu viel geworden ist und daher versucht, Leute ins Boot zu holen, die uns in diesen Bereichen Arbeit abnehmen – dabei waren wir erfolgreich!

Thomas Mauerhofer: Ja, besonders der Herbst war sehr intensiv. Auch weil wir „Watch Me Burn“ herausgebracht haben, was eigentlich nicht geplant war. Ursprünglich hatten wir vor, das Album heuer im Frühjahr zu veröffentlichen. Da unsere Kollegen aus Deutschland (Produzent und Tontechniker) nur mehr wenige Termine frei hatten, haben wir kurzerhand beschlossen, die Platte doch gleich aufzunehmen. So hat sich der frühere Veröffentlichungstermin ergeben.

Marina Zettl: Zugegeben, wir hätten uns den Stress schon ein wenig ersparen können. Aber letztlich ist sich dann doch alles sehr gut ausgegangen.

„Kaum ist das eine Album veröffentlicht, beginnt man schon zu überlegen, wie das nächste sein soll“

Bei euch konnte man spüren, dass ständig etwas passiert und einiges in Bewegung geraten ist. Es verging kaum ein Monat, in dem über euch nicht irgendwo berichtet wurde.

Marina Zettl: Das stimmt. Gerade was die Aufmerksamkeit der Medien betrifft, ist sehr viel passiert. Wir haben plötzlich bemerkt, dass die Leute auf uns zukommen und sie sich für uns zu interessieren beginnen. Diese positive Resonanz hat sicher mitgeholfen, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Die Entwicklung hat uns überrascht, aber natürlich hat sie uns sehr gefreut. Diesen medialen Schwung wollen wir jetzt auch, so gut wie es geht, mitnehmen. Wir sind daher auch schon mittendrin im Pläneschmieden.

Thomas Mauerhofer: Das ist lustig. Kaum ist das eine Album veröffentlicht, beginnt man schon zu überlegen, wie das nächste sein soll, wie es klingen und wohin es hingehen könnte.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Was sich auf „Watch me burn“ und zuvor auch auf „Thin Ice“ gezeigt hat, war, dass eure Musik einerseits schon auf Pop ausgerichtet ist, sich andererseits stilistisch aber doch viel mehr abspielt. Rührt diese Offenheit vielleicht auch daher, dass ihr eigentlich eher aus dem Jazz kommt?

Marina Zettl: Ich glaube, ein wenig schon.  Wir haben uns ja alle in Graz auf der Jazzabteilung kennengelernt und haben dort auch regelmäßig in verschiedenen Formationen verschiedenste Sachen gespielt. Wir hatten die Möglichkeit, sehr viel auszuprobieren und zu experimentieren. Dieser offene Zugang hat uns alle natürlich geprägt.

Thomas Mauerhofer: Du erlebst ja auf der Universität eine intensive Zeit und genießt das Privileg, die ganze Zeit Musik spielen zu können. Das hinterlässt klarerweise Spuren, egal in welche musikalische Richtung du dich dann letztendlich weiterentwickelst. Manche sind dem traditionellen Jazz verbunden geblieben, manche nicht. Und bei uns ist es halt eben auch nicht unbedingt der „richtige“ Jazz geworden.

Marina Zettl: Aber auch nicht der Pop, der mehr in den Mainstream hineingeht, und ich glaube, der wird es auch nie werden. Dafür haben wir einfach ganz andere Ansprüche.

„Der gemeinsame Nenner ist, dass wir die Dinge vorantreiben und immer etwas Neues machen wollen“

Wenn ihr euch zum Songschreiben hinsetzt, habt ihr da schon eine bestimmte Vorstellung im Kopf, wohin und in welche stilistische Richtung es genau hingehen soll?

Marina Zettl: Nicht immer. Wir probieren schon viel aus. Aber natürlich ist es notwendig, sich zusammenzusetzen und eine gemeinsame Idee zu entwickeln. Dazu kommt, dass z. B. bestimmte Soundschnipsel und -entwürfe, die den Ausgangspunkt für einen Song bilden, ohnehin auch schon eine bestimmte Richtung in der Stimmung und im Stil vorgeben. Unsere Aufgabe ist, zu überlegen, was wir aus diesen Ideen machen und wie wir sie weiterentwickeln und ausbauen können. Aber ich würde jetzt nicht behaupten, dass wir eine richtig starre und unveränderliche Linie hätten. Unsere Herangehensweise kann schon sehr unterschiedlich aussehen.

Thomas Mayerhofer: Auf „Fikus“ haben wir zum Beispiel schon viel mit Sounds herumprobiert und auch sehr viele andere verschiedene Sachen einfließen lassen. Auf „Watch me burn“ haben wir uns diesbezüglich doch etwas mehr zurückgenommen. Ich glaube, dass mit jedem Schritt, den wir in Zukunft musikalisch machen werden, auch unser Sound mehr und mehr ein einheitlicher werden wird. Wichtig ist für uns, dass wir uns weiterentwickeln und immer versuchen, etwas Besseres zu machen. Man muss auch sagen, dass unseren Alben immer auch ein Konzept zugrunde liegt. Vielleicht kein stilistisches, aber doch eines, das eine bestimmte Linie vorgibt.

Inwieweit kann man sagen, dass ihr euch in  eurem Denken in Bezug auf die Musik ähnelt. Oder seid ihr vollkommen unterschiedlich?

Thomas Mauerhofer: Ich glaube schon, dass wir verschieden sind. Aber wir haben einen gemeinsamen Nenner.

Marina Zettl: Der gemeinsame Nenner ist, dass wir die Dinge vorantreiben und immer etwas Neues machen wollen. Und in diesem Punkt, finde ich, ergänzen wir uns. Für mich ist es wichtig, jemanden an der Seite zu haben. Jeder, der etwas Eigenes macht und eigene Songs schreibt, weiß, wie viel Energie und Zeit man in diesen Prozess hineinsteckt. Daher ist es fein, wenn man zu zweit ist und sich gegenseitig unterstützen kann. Besonders in diesen Phasen, in denen es eher zäh vorangeht und man sich von Zweifeln geplagt fragt, wie etwas Bestimmtes überhaupt funktionieren könnte. In diesen Phasen ist Thomas derjenige, der wieder das Positive hineinbringt und sagt: „Es geht schon.“ Und so verhält es sich auch umgekehrt.

„Ich bin ein Sturkopf, Thomas ebenso. Aber das passt schon“

Ist es manchmal schwer, auf diesen gemeinsamen Nenner zu komme? Gibt es auch manchmal Diskussionen darüber, in welche Richtung es gehen sollte.

Marina Zettl: Natürlich gibt es die. Ich bin ein Sturkopf, Thomas ebenso. Aber das passt schon. Genau diese Konstellation erzeugt ja auch diese positive und kreative Energie, die uns ausmacht und antreibt. Wenn es einmal so sein sollte, dass wir wirklich nicht zusammen kommen, dann gibt es immer noch den Jörg (Haberl), der im Proberaum ausgleicht und selber Vorschläge macht, was man machen könnte, damit ein Song funktioniert.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.


Eine positive Reibung…

Marina Zettl: Ja, das ist eine schöne Bezeichnung. Vielleicht wird diese Reibung auch dadurch bedingt, dass wir uns eigentlich nie wirklich hundertprozentig einig werden können. Ein Album entsteht ja nicht von heut auf morgen. Es nimmt schon mehr Zeit in Anspruch. Monate, vielleicht auch noch länger. Und in dieser Zeit beschäftigt sich jeder ganz unabhängig voneinander mit anderen Sachen und anderer Musik. Dann geht es eben darum, die verschiedenen Essenzen herauszuarbeiten und zu versuchen, sie zusammenzufügen.

Gibt es musikalisch etwas, dass ihr nicht machen würdet. Wo ist die Grenze bei euch?


Thomas Mauerhofer:
Es gibt sicher gewisse Sachen, die uns nicht liegen würden, z. B. wahnsinnig viele verzerrte Gitarren. Das würde einfach nicht passen.

Marina Zettl: Darüber bin ich sehr froh. Ich glaube, die Rockschiene wäre jetzt auch nicht meins, weil ich ganz einfach viel zu wenig Bezug zu dieser habe. Ich habe ja selber nie Rockmusik gehört.

„Es gibt in jedem Genre gute Musik, von der man für sich etwas mitnehmen kann“

Wie sieht es mit eurer musikalischen Sozialisation aus. Inwiefern spielt die für euch eine Rolle?

Marina Zettl: Begonnen hat es bei mir mit der Klassik. Mein Vater hat Klassik gesungen, er war Tenor. Für mich ist dann aber bald einmal klar geworden, dass dieser Musikstil nicht unbedingt meiner war. Mit dem Alter werden natürlich ganz andere Sachen cool und interessant, sodass ich dann irgendwann im Grunde genommen so ziemlich alles gehört habe. Mit meinem Studium hat sich mein Interesse klarerweise mehr auf den Jazz verlagert, wobei ich zu Hause genauso nach wie vor noch Funk, Soul, elektronische Musik und alles andere Mögliche gehört habe. Alles, was halt Spaß gemacht hat.

Thomas Mauerhofer: Es gibt in jedem Genre gute Musik, von der man für sich etwas mitnehmen kann. Das ist ja genau auch das Spannende an der Musik.
Marina Zettl: Es gibt immer wieder Bands und Sängerinnen, die mich inspiriert haben, Platten, die ich mir vor fünfzehn Jahren gekauft habe und die mich immer noch begeistern. Eine der für mich tollsten Sängerinnen war Eva Cassidy. Ich wollte so singen können wie sie. Damals war ich etwa fünfzehn Jahre alt und jedes Mal, wenn ich mir ihre Musik angehört habe, bekam ich eine Gänsehaut. Sie hat mich sehr geprägt und ich höre sie mir auch heute noch sehr gerne an. Es gibt also Musik, die einen länger begleitet.

Thomas Mauerhofer: Was mir sehr gefällt, ist so richtig altes Big Band-Zeug. In so eine Richtung zu gehen, wäre einmal nett.

Marina Zettl:
Ja. Wer weiß, was wir da noch machen. Eine richtig große Band, die unsere Songs spielt, wäre schon einmal ein tolles Erlebnis.

Ihr habt ja auch richtig schöne Videos, die nicht nur professionell gemacht wirken, sondern auch ziemlich teuer. „Is it fine“ wurde ja auch mit dem Australian Independent Music Video Award ausgezeichnet.

Thomas Mauerhofer: Das nehmen wir einmal als ein Kompliment, denn bis auf die letzten beiden, die Jan Frankl gemacht hat, sind sie selfmade und wirklich low budget-mäßig. Wie etwa auch beim Video zu den Songs „Almost written“ und „Is it fine“. Wir hatten wirklich nicht viel Geld zur Verfügung und haben versucht, das Beste draus zu machen. Alles was wir brauchten, war eine Idee und eine Spielgelreflexkamera und dann ist es auch schon losgegangen. Mittlerweile kann man ja mit recht wenig Aufwand schon richtig coole Sachen machen.

Michael Ternai
Marina Zettl & Band on Tour
11.09. Theater am Spittelberg, Wien (A)
10.10. Penny Street Bridge, Lancaster Music Festival (UK)
11.10. Penny Street Bridge, Lancaster Music Festival (UK)
12.10. Wagon & Horses, Lancaster Music Festival (UK)
12.10. Water Witch, Lancaster Music Festival (UK)
12.10. Lancaster Castle, Lancaster Music Festival (UK)
12.10. Robert Gillow, Lancaster Music Festival (UK)
31.10. O´Caellaigh, Groningen (NL)
01.11. De Kerk, Den Haag (NL)
02.11. De Waag, Harlem (NL)
04.11. Gouda Studios, Gouda (NL)
05.11. Bluescafe, Apeldoorn (NL)
13.11. Societaetstheater, Jazztage Dresden (GER)

Fotos: Veronika Bartussek

http://www.marinazettl.com/