„WIR HABEN HALT EINFACH BOCK UNSERE INSTRUMENTE ZU SPIELEN.“ – MARIE SPAEMANN UND CHRISTIAN BAKANIC IM MICA-INTERVIEW

Von Klassik zu Jazz über Pop, Tango und Soul – was die zwei kreativen Virtuosen vormals allein geschaffen haben, vereinen sie später im Duo und schöpfen die Grenzenlosigkeit auf zwei(-einhalb) Instrumenten aus. Damit verwirklichen sie einen ausgesprochen abwechslungsreichen Mix, den sie Ende 2020 bereits auf ihrem ersten gemeinsamen Album „Metamorphosis“ festgehalten haben. Im Gespräch mit Sophia Umfahrer erzählen MARIE SPAEMANN (Cello, Gesang) und CHRISTIAN BAKANIC (Akkordeon), wie aus eins und eins zwei wurde, welche musikalischen Farben in ihrem Sound verpackt sind sowie über Herausforderungen und die Stärke des Duos.

Seit fast 2 Jahren geht ihr euren Weg öffentlich nun schon als Duo. Wie gelangtet ihr zu einem solchen gemeinsamen Projekt, wenn ihr eigentlich doch aus sehr unterschiedlichen stilistischen Richtungen kommt?

Christian Bakanic: Wir haben uns bei einer Band von Christoph Pepe Auer kennen gelernt, der selbst Saxophon spielt. Er wollte sehr unterschiedliche Musiker*innen haben, mit denen er eine sehr illustre Band zusammengestellt hat.

Marie Spaemann: Das war vor fünf oder sechs Jahren schon. Vor fünf Jahren haben wir dann jedenfalls begonnen zusammen zu spielen. Wir haben uns gedacht, eigentlich wäre es cool, wenn wir mal zu zweit ein paar Dinge ausprobieren.

Christian Bakanic: Vor allem, um dadurch unser Solomaterial ein bisschen „aufzufetten“, könnte man sagen. Oder es halt in einer anderen Version zu probieren. Marie hatte damals ja schon ein Soloalbum, oder eigentlich war es grade am Entstehen…?

Marie Spaemann: Genau, ich hatte da grade eine EP veröffentlicht und Christian hatte auch sein Solo Tango Programm. Aber es ging uns eben schon darum, was könnte man als Duo erschaffen und da waren wir ganz neugierig. Wir hatten sehr viele Einflüsse, wie du sagst, und es hat deshalb auch eine Zeit lang gedauert, bis wir dann so unseren Sound gefunden und unser

gemeinsames Album veröffentlicht haben.

Christian Bakanic: Das Warten hat sich aber ausgezahlt, und aus dem ganz stressfreien Ausprobieren und einfach mal Spielen…

Marie Spaemann: …extrem viel spielen…

Christian Bakanic: … auch Konzerte, aber eben gar nichts unter Druck, nichts forciert, sondern einfach laufen lassen, ist eine sehr schöne CD geworden!

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„Irgendwann hätten sich unsere Wege in der Musikerszene in Wien gekreuzt.“

Da seid ihr quasi „zusammengewürfelt“ worden, habt euer eigenes Material mitgebracht und verknüpft – und es hat offenbar auf Anhieb gut funktioniert.

Christian Bakanic:  Ich glaub, wenn wir in einem anderen Projekt gespielt hätten, hätten wir es auch probiert. Irgendwann hätten sich unsere Wege in der Musikerszene in Wien gekreuzt. Ich hab‘ das Format Cello und Akkordeon immer schon geliebt und auch immer schon mit Cellist*innen gespielt und mir gedacht das würd‘ super passen. Und die Erweiterung mit dem Gesang ist halt unglaublich toll!

Marie Spaemann: Schon die Tatsache, dass wir beide unsere Instrumente irgendwie anders denken, ist auch ein verbindendes Element.

Christian Bakanic:  Die eigenen Solosachen im Duo auszuprobieren, das waren dann die ersten Gehversuche, der erste Weg. Dann, mit der Zeit haben wir begonnen gemeinsam zu komponieren. Und dazu hatten wir noch so 2-3 Coverversionen, Piazzolla, eine Tangoetüde, die Marie Solo gespielt hat, und wir haben ein bisschen Bach gejammt.

Marie Spaemann:  Wir sind schnell draufgekommen, dass wir beide eine Tangoliebe und eine Bachliebe haben und damit haben wir ein bisschen herumgespielt.

Würdet ihr sagen, Bach und Tango sind eure gemeinsamen Nenner?

Marie Spaemann:  Es gibt glaub ich mehr! Das war auch die Herausforderung, dass es so viele gibt. Also weil wir beide auch genauso gerne so ein bissl hip-hopigere Sachen hören.

Christian Bakanic:  Hip-Hop, Funk, Soul, R’n‘B hören wir beide gerne im Auto. Auch prinzipiell alte Musik, also nicht nur Bach, sondern auch Vivaldi, Monteverdi…

Marie Spaemann:  Und Sting und Jazz. Viel Jazz! Christian natürlich noch mehr, weil das eher sein Homeground ist als meiner. Aber ich hör‘ Jazz auch sehr gerne und das hat mich auch sicher geprägt.

Viele Gemeinsamkeiten zu haben scheint auf den ersten Blick die Zusammenarbeit um einiges zu erleichtern, aber wie ihr anklingen lässt, ist es dann doch nicht ganz so einfach. Was war zunächst die größte Hürde?

Marie Spaemann:  Unseren Sound zu finden. Eben, weil wir so viele Stile lieben, rauszufinden, was das ist, was uns reizt. Auch, was interessant ist am Akkordeon, am Cello und an der Stimme und da eben zu merken, wir wollen einerseits diese souligen, fast poppigen Songs machen, die aber immer auch Jazzelemente drin haben und andererseits haben wir auch diese kammermusikalische Farbe, in der wir auch sehr viel Tango, Tango Nuevo spielen.

Christian Bakanic:  Ja und auch die klassische Farbe.

Marie Spaemann: …und Minimal.

Christian Bakanic: Die Herausforderung ist, das gemeinsam zu arrangieren, was an sich nicht schwer ist, aber Energie und Zeit braucht. Aber es macht ja auch Spaß, zu proben und am Sound zu feilen.

Marie Spaemann: Und das gemeinsame Schreiben, das dauert auch. Da stehen wir halt jetzt, dass wir das jetzt machen.

Christian Bakanic: Wir haben aber eben beide im Solo schon viele Kilometer gemacht, muss man sagen. Marie hat in ihrem Soloprogramm, das sie mitgebracht hat, schon ganz viel mit Cello und Stimme vorexperimentiert. Ich bin ja auch schon seit 20 Jahren im Musikbusiness und arbeite ständig an meinem Sound als Akkordeonist. Insofern war es dann wieder leicht, da wir beide schon viel mit ins Duo gebracht haben.

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Bei euch gibt keiner die Richtung vor, sondern ihr entscheidet gemeinsam, wohin es geht.

Marie Spaemann: Das Praktische beim Duo ist, dass einer immer eine Idee hat. Wir arbeiten dann schon sehr zusammen, der Impuls kommt aber immer nur von einem. In der Quarantäne hat sich das ganz gut gezeigt. Da hatte einer von uns beiden eine Idee oder einen Text und eine Melodie, oder wie auch immer. Dann haben wir uns das hin und her geschickt und wenn wir uns treffen konnten, haben wir es weiter zusammen erarbeitet. In den Lockdowns ist dieses „mehr Zeit für Kreativität“ auf jeden Fall auch passiert. Also wir haben auf eine Art neu begonnen miteinander zu schreiben, wie wir es davor nicht gemacht haben, weil wir einfach keine Zeit hatten.

Christian Bakanic: In seltenen Fällen hat man durchs Musikhören schon mal gleichzeitig eine Idee gemeinsam entwickelt, das kommt schon auch vor. Aber Marie hat sehr oft den Text oder die Melodie und ich komm manchmal sogar nur mit so Akkordschnippseln und das kann man im Duo wirklich schön zusammenfügen. Es ist wirklich viel leichter im Duo, weil man da schneller entscheiden, agieren und flexibler sein kann. Also ich habe ja auch in Bands gespielt. In einer größeren Band ist es auch total spannend, da macht es aber wirklich Sinn, wenn es einen gibt, der die Richtung vorgibt.

Marie, was bildet den Kern deiner Texte?

Marie Spaemann: In meinen Texten ist es immer so ein Spiel aus Realität und Utopie. Das reizt mich am meisten beim Schreiben.

„…die Stärke im Duo ist das Intime und dieses Ausgedünnte, das Reduzierte.“

Großartig ist, wie ihr aus einer Einfachheit die maximale Vielfalt herausholt, sowohl auf euren Instrumenten als auch in der Reichweite der Stilrichtungen, die ihr in eure Musik einfließen lässt. Liegt darin für euch beide die Erfüllung? Oder ist es etwas, wodurch ihr euch bewusst von Anderem bzw. euch Gewohntem abhebt?

Christian Bakanic: Zurzeit ist es eine bewusste Entscheidung; es kann sein, dass wir irgendwann mal Elektronik-Elemente dazu einbauen wollen oder andere Instrumente. Aber die Stärke, das haben wir glaub ich beide erkannt und Marie hat das in ihrem Solospiel schon erkannt, die Stärke im Duo ist das Intime und dieses Ausgedünnte, das Reduzierte.

Marie Spaemann: Ja, wir sind draufgekommen, dass obwohl wir extrem auf Groove und auf Pop stehen, wir trotzdem diesen Background in der Klassik haben und uns das Spaß macht unsere Instrumente so sehr es geht kammermusikalisch auszureizen und Farben auszuprobieren, bevor wir irgendetwas hinzufügen. So haben wir uns z.B. bewusst gegen die Loop-Station entschieden, die ich Solo viel verwende.

Christian Bakanic: Ich würde auch Synths oder Keyboard spielen, aber das wäre zurzeit nicht… vielleicht kommt das ja noch… das wäre irgendwie ein Klangkörper, den höre ich jetzt nicht. Also unser Grundsound ist eher klassisch, natürlich, holzig, wobei die Cajon eigentlich auch recht gut dazu passt. Da geht sich ab und zu ein kleiner Groove aus, was Marie ja am Cello macht. Aber wir haben uns jetzt mal dazu entschieden, akustisch spielen zu können.

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Marie Spaemann: Damit das homogen ist.

Christian Bakanic:  Es ist zwar sehr reduziert und wenig, aber es wird dann schon auch mal virtuos. Das sagen uns die Leute auch oft. Man merkt, dass man klassisch geschult ist und, dass man damit dann eben auch virtuos ist. Das heißt, wir versuchen schon, diese Farbe reinzubringen, weil sie Teil von uns beiden ist. Und weil es Sinn macht. Wir finden beide, dass es gut ist, wenn Dinge abwechslungsreich sind. So ist es schön, mal z.B. 4 Minuten ganz feine und ruhige Klänge zu haben und im nächsten Moment Überraschungseffekte zu bringen, also so, dass es wieder groovt.

Marie Spaemann: Ja und wir haben halt einfach Bock unsere Instrumente zu spielen…

Christian Bakanic: …auszureizen…

Marie Spaemann: …und das wirklich Spielen ist halt in der Klassik auch…

Christian Bakanic: …virtuos..

Marie Spaemann: …loszulegen!

Auf jeden Fall wirkt ihr beide jeder für sich und auch zusammen sehr authentisch. Mit eurem Debütalbum habt ihr die Latte schon ziemlich hochgelegt und euch in puncto Abwechslung und Überraschungen nicht zurückgehalten. Das liegt aber schon eine Weile zurück. Was hat sich zwischenzeitlich getan? Baut ihr darauf schon auf?

Christian Bakanic:  Wir haben mittlerweile schon wieder ziemlich viel Material. Und grade erst schon wieder zwei neue Nummern geübt.

Marie Spaemann: Wir haben das zweite Album schon im Blick!

Christian Bakanic:  Wir machen uns aber keinen Stress, nächstes Jahr spielen wir sicher noch das alte Album, da haben wir auch viele Anfragen, aber wir entwickeln schon ein zweites Programm.

Marie Spaemann: Viel neues fließt jetzt eigentlich live schon immer wieder ein bisschen mit hinein.

Christian Bakanic:  Aber das wird sicher nicht leicht. Die erste Platte ist gut geworden, da sind wir stolz drauf. Aber die zweite ist prinzipiell immer schwer, find ich.

Bild Christian Bakanic & Marie Spaemann
Christian Bakanic & Marie Spaemann (c) Julia Wesely

Ja, vor allem wenn man in die Erste schon relativ viel reingebracht hat.

Marie Spaemann:  Ich hab‘ das Gefühl, dadurch, dass wir uns als Duo eben von Anfang an auch wirklich in unserer Entwicklung sehr viel Raum gegeben haben, wird das beim zweiten Album sehr unkrampfig werden. Weil es eben jetzt schon wieder Material gibt.

Christian Bakanic:  Es sind schon wieder sehr schöne Nummern dabei und gutes Material, finden wir zumindest. Wer weiß, wie es ankommt [lacht]. Aber wir freuen uns drauf! Trotzdem ist es immer eine Herausforderung, am Ball zu bleiben, weil die Leute immer überrascht werden wollen. Das ist das Schwierige in unserer Welt und prinzipiell als Künstler halt.

Marie Spaemann:  Es stimmt. Aber im Endeffekt ist es dann so, dass man immer etwas machen sollte, zu dem man selbst abgehen würde. Das ist finde ich das beste Rezept. So etwas, das man selbst richtig feiern würde, wenn man es im Radio hört.

Christian Bakanic:  Das, und wo man halt auch selbst grad steht, oder was man sagen will.

Was wünscht ihr euch für euer Duo?

Christian Bakanic:  Eine zweite Platte, die uns genauso begeistern und erfüllen kann wie die erste.

Marie Spaemann: Es ist vielleicht ein komischer Wunsch, aber ich würde mir schon auch wünschen, dass es in gewisser Weise so weitergeht. Weil die Entwicklung von diesem Duo ist extrem homogen. Das war irgendwie von Anfang an so. Man weiß ja nicht, wie das Leben spielt. Aber, dass das so laufen konnte, ist ein tolles Geschenk und ich würd‘ mir wünschen, dass sich das so weiter entwickeln darf. Und natürlich, dass die zweite Platte ein Hammer wird! Und das die Bühnen immer größer und stimmiger werden, wenn es halt auch zu uns passt.

Vielen Dank für das nette Gespräch!

Sophia Umfahrer

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