„Wir haben den Amerikanern Coca Cola verkauft” – Disco-Hits von Penny McLean (Silver Convention) als Oral History

Penny McLean war 1975 drei Wochen lang Nummer Eins in den USA. Die einzigartige Geschichte der Kärntner Disco-Queen erzählen mehrere Interviews nach, die Stefan Niederwieser geführt hat.

Penny McLean war Nummer Eins in den USA. Wer kann das schon von sich behaupten? In Österreich Anton Karas, Falco und womöglich Nik Dean. Sie wird als Gertrude Haberl in Kärnten geboren, wo sie sehr früh das Konservatorium besucht. In München arbeitet sie mit Giorgio Moroder wie auch mit Silver Convention zusammen. Die Single „Fly Robin Fly“ führt Ende 1975 drei Wochen lang die US-Billboard Charts in den Vereinigten Staaten an. Und Penny McLeans „Lady Bump“ wird Nummer Eins in Deutschland, Österreich und den US-Disco-Charts.

Disco ist für einige Monate der mit Abstand beliebtesten Sound der Gegenwart, kurz darauf erlebt die Bewegung einen – rassistisch-homophoben – Backlash. Für alternde Rock-DJs zählte es wenig, wenn Frauen “nur“ Stimmen einsingen und auf hunderten Bühnen performen.

Penny McLean wird zu einem Gesicht der Disco-Revolution. Und des Munich Sounds, der Disco prägte. Der Rest ist kompliziert genug – wer was wann eingespielt hat -, um es einige Protagonist:innen und solche, die sich intensiv mit der Zeit auseinandergesetzt haben, selbst nacherzählen zu lassen.

Penny McLean: Ich war das anfangs uneheliche Kind eines bayerischen Rechtsanwalts und einer schönen Kärntnerin, die er später geheiratet hat. Schon ganz früh bin ich am Radio geklebt und es fiel auf, dass ich bei Liedern mitsingen konnte, die ich vorher nur einmal gehört hatte. Mit nicht ganz Sechs kam ich deshalb aufs Konservatorium für Frühbegabte – gleichzeitig mit Udo Jürgens, der allerdings etwas älter war und in die oberen Klassen ging. Ich war bis zu meinem neunten Lebensjahr in Klagenfurt, ich spreche den Dialekt und kenne mich dort aus wie die Ratte im Kanalsystem. Als ich Neun war, tauchte mein Vater auf und ich wurde in ein Internat nach Deutschland verpflanzt. Wie dadurch zu allem Übel auch noch meine österreichische Staatsbürgerschaft einfach verschwinden konnte, ist mir schleierhaft. Gerade versuche ich, sie wieder zu bekommen.

Sylvester Levay: Ich bin nach München gekommen, um mich als Arrangeur und Studiomusiker zu bewerben. Dort habe ich Playbacks für Mireille Mathieu, Katja Ebstein, Udo Jürgens uvm. eingespielt. Einmal wurde ich gefragt, ob ich aushelfen kann, als ich schon fertig war. Ich habe ein halbes Bier in der Hand gehabt und das mit der anderen schnell runtergespielt. Zwei Minuten später kommt dieser Herr aus dem Studio und stellt sich als Michael Kunze vor. Und er hat gesagt: Hätten Sie Lust, mit mir zusammen zu arbeiten? Das war wohl Anfang 1972 und der Beginn einer beruflichen Partnerschaft wie auch einer sehr großen Freundschaft.

Penny McLean: Für die Familie meines Vaters war Musik brotlose Kunst. Ich sollte etwas Anständiges lernen und später die Kanzlei übernehmen, in der ich mitarbeiten musste und lernte, eigenständig Schriftsätze zu verfassen. Mir war Sozialpädagogik aber lieber, später studierte ich auch einige Semester Philosophie und Theologie. Zehn Tage nach meiner Majorenz – damals war das mit 21 Jahren – habe ich einen überaus gescheiten Musikprofessor geheiratet. Danach fingen die Auftritte an. Unser allererster, damals als Holger & Tjorven, fand in einem eleganten Puff in Stuttgart statt. Zu mitternächtlicher Stunde kamen alle Bordsteinschwalben herein geflattert – ich schätze diese Frauen sehr -, diese Frauen bestellten die immer gleichen drei Lieder [singt jeweils kurz]: Mama. Ich baue dir ein Schloss, so wie im Märchen. Und Ave Maria. Und sie saßen da und weinten. Mein Mann und ich waren fast zwei Jahre mit dem gängigen Schlagerprogramm in verschiedensten Lokalen engagiert, auch das Fernsehen wurde auf uns aufmerksam. Ich war damals sehr blond und knabenhaft – und bald wieder geschieden, weil mein Mann homosexuell war.

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Martin Arz: In München eröffnete 1967 das Blow-Up am Elisabeth-Platz, es war die erste Disco der Stadt. Dort gab es eine Lasershow. Der Spiegel kam für einen Artikel vorbei, das war eine absolute Sensation. Die Stadt war bis Mitte der 1980er der Hotspot für Musik und Mode – es ist abgegangen wie nichts. Bis wir dann Herrn Gauweiler vor die Nase gesetzt bekommen haben, der speziell in der Schwulenszene sehr viel kaputt gemacht hat.

Penny McLean: Ich bin mit der Gruppe Tideturners im Captain Cook aufgetreten, das war DIE Diskothek, innen wie ein großes Schiff gebaut. Heute ist dort das Schwabinger Lustspielhaus. Es gab eine halbe Stunde Liveband, eine halbe Stunde Diskothek, eine wirklich ideale Mischung. Und es war immer krachend voll. Der Bandleader war Anthony Monn, der später Amanda Lear produzierte. Und dann kam es, dass ich öfter in den Studios als Chorsängerin engagiert war, auch bei Giorgio Moroder. Ein Talentmanager rief ihn eines Tages an: „Wer ist die Sängerin?“ Und Giorgio sagte: „Warum? Das ist meine Freundin.“

Jens Poenitsch: Giorgio Moroder hat sich im Schlager nicht wohlgefühlt. Durch Zufall hat er – mit Pete Bellotte und später mit Harold Faltermeyer – die Elektronik entdeckt und eine Riesenbewegung ausgelöst. Munich Disco gehört genauso zum Stammbaum von Techno wie Detroit oder Kraftwerk. Die Anfänge von Munich Disco lagen aber nicht nur im Sound der Hippies, nicht nur im Krautrock, sondern auch im Schlager. Die große Königin von Disco – Donna Summer – und Silver Convention haben diesen Sound hinüber in die USA getragen und bald haben sogar saturierte Rock-Bands wie Queen oder die Rolling Stones Disco-Elemente übernommen und in den Münchener Musicland Studios aufgenommen unter der Ägide des Moroder-Schülers Reinhold Mack.

Penny McLean: Das Studio war im Arabellahochhaus ganz unten im Keller. Ganz oben hatte Giorgio eine sehr hübsche Zweizimmerwohnung mit super Aussicht. Die Küche war für meine Begriffe viel zu klein. Ich habe trotzdem gekocht.

Martin Arz: 1972 kam mit den Olympischen Spielen ein wichtiger Modernisierungsschub. Diese Spiele waren sehr offen und bunt – bis zu dem tragischen Attentat. Donna Summer war vorher mit einem Österreicher verheiratet und hat in München als eher gescheiterte Musicalsängerin gelebt, die dann für Giorgio Moroder Songs eingesungen hat.

Penny McLean: Ich kannte Donna durch das Musical „Hair“ am Deutschen Theater. Mein Mann war dort musikalischer Leiter und Donna wohnte zu der Zeit, also in den Sechzigern, monatelang bei uns. Ich habe mich sehr gut mit ihr verstanden. Sie war eine ganz Liebe und ganz Bescheidene.

Michael Bartle: In den Musicland-Studios im Stadtteil Bogenhausen haben Giorgio Moroder und Reinhold Mack ab 1973 einen ganz eigenen, typischen Sound entwickelt, der sich erst einmal an Philadelphia orientiert hat. Daraus wurde dann der Sound of Munich.

Sylvester Levay: Barry White hatte auf mich großen Einfluss, weil er so easy dancing und funky war und doch melancholische Streicher hatte. Wir fanden diesen Groove so gut. Auch von den Doobie Brothers. Ich habe in meinem kleinen Kellerstudio außerhalb von München ein Demo aufgenommen und es Michael Kunze vorgespielt. Er sagte: „Lass uns das einfach mal so aufnehmen.“ Und das hat ihm so gut gefallen, dass er sagte: „Was machen wir damit?“ Dann meinte ich: „Lass uns Streicher aufnehmen.“ Ich habe das eine Stunde vor den Aufnahmen schnell erfunden und aufgeschrieben. Die Streicher waren Münchner Philharmoniker, mit denen ich befreundet war. Sie haben die ganze Langspielplatte von Silver Convention eingespielt. Und auch die von Penny McLean.

Penny McLean: Den Namen Penny hatte ich früh. Während des Studiums habe ich auch nachts am Fließband gearbeitet, weswegen ich am Tag des Öfteren einschlief. Darum hieß es: „Die pennt schon wieder.“ Der Name ist keine elegante Kurzform von Penelope, die auf ihren Odysseus wartet. Ich wurde zuerst von Charly Niessen produziert und später bot mir Giorgio Moroder einen Vertrag an. Zur gleichen Zeit aber hörte mir ein Mann bei meinen Auftritten in Schwabing genau zu. Und dieser Mann hieß Michael Kunze. Und aus Gründen, die ich heute gar nicht mehr genau nachvollziehen kann, habe ich nicht den Vertrag von Giorgio Moroder angenommen, sondern den von Michael Kunze.

Sylvester Levay: Unser Partner, Ralph Siegel, hat unsere Nummer „Save Me” 1975 zur Musikmesse in Cannes mitgenommen und an Bob Reno verkauft, der sie gleich veröffentlicht hat. Und in kürzester Zeit ist der Song in der Diskotheken-Hitparade der USA aufgetaucht. Die New Yorker Diskotheken waren der Anfang von Silver Convention.

Jens Poenitsch: Ralph Siegel war ein Patriarch. Er hatte sowohl Studio, Mischraum, Verlag, Künstler wie auch Ablagestätten unter einem Dach.

Sylvester Levay: Damals habe ich immer AFN American Forces Network gehört. Einmal sagte der Moderator: „Und jetzt kommt ein Country-Song, ‘Run Rabbit Run’“. Das war auch der Originaltitel von Michael. Ich bin im Studio zu ihm hin: „Michael, halt! Wir können unsere Nummer nicht ‘Run Rabbit Run’ nennen.“ Und er sagte: „Beruhig dich.“ Und dann hat er seinen Bleistift genommen: „Na gut, dann machen wir, ‘Fly Robin Fly’.“ Es ist Wahnsinn, wie das so abgegangen ist. Einmal sind wir in New York den Broadway entlanggefahren und haben überall “Fly Robin Fly” gehört – immer von unterschiedlichen Sendern. In diesem Jahr war es die erfolgreichste Nummer bei amerikanischen Radiosendern. Das war: Boom! Ein Wahnsinn!

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Penny McLean: Eines Tages rief mich Michael Kunze an und sagte: „Penny, mir ist jemand in der Gruppe, die ich gerade mache, ausgefallen; Silver Convention soll sie heißen.“ Ich sagte: „Michael, ich will in keine Tanzgruppe, ich bin Sängerin, bitte, verschone mich!“ Aber er hat mich angefleht und gemeint, es sei nur für ein paar Wochen, weil er mit der Produktion zur Musikmesse nach Cannes wollte. Ich konnte Michael keinen Wunsch abschlagen. Silver Convention war anfangs als Studioproduktion gedacht, aber überraschend schnell sehr erfolgreich. Man hatte drei Mädels ausgesucht, von denen eine abgesprungen ist. Diese habe ich ersetzt. Allerdings nicht, wie versprochen, nur für ein paar Wochen.

Sylvester Levay: Penny McLean, Ramona Wolf und Linda Uebelherr waren erst beim zweiten Album dabei. Es gab ursprünglich den Wunsch, einen Auftritt im Madison Square zu machen und eventuell noch ein paar Auftritte in Amerika. Und die Sängerinnen konnten nicht weg. Und dann gab es auch viel Disput. Wer ist jetzt wer? Da haben wir gesagt: „Nein, jetzt machen wir die Gruppe, die engagieren wir und die sind ab jetzt die Gruppe Silver Convention.“ Und das war, glaube ich, schon 1974.

Penny McLean: Und dann ist man noch einmal ins Studio gegangen und hat auf die bestehenden Bänder von „Fly Robin Fly“ unsere Stimmen draufgepackt. Es sind viele, viele Tonträger in Amerika verkauft worden, auch solche, auf denen unsere Stimmen genau zu hören sind, und zwar ganz genau. Wir können uns nicht erinnern, für diese Aufnahmen etwas bekommen zu haben. Waren ja auch nur acht Worte.

Sylvester Levay: Es war ein Riesenhit, wir haben goldene Schallplatten aus Amerika, Südamerika, Schweden, Spanien, Australien. Wir waren bei der Grammy-Verleihung, und es war schon ein bisschen verdächtig, dass sie uns in die erste Reihe gesetzt haben. Um uns herum waren Stevie Wonder, Ella Fitzgerald, Paul Simon und alle. Dann wurde angekündigt, dass wir gewonnen haben: Beste R’n’B-Instrumental-Performance. Und Michael hat mich gedrückt: „Geh du auf die Bühne.” Aretha Franklin hat mir den Grammy übergeben. Und ich, nichts wissend, wie wir in Europa sind, bin auf sie zugegangen, habe sie umarmt und vor der Kamera geküsst. Und sie hat mich ganz leicht weggedrückt. Sie war vielleicht überrascht, dass es ein weißer Typ für den R’n’B-Grammy ist.

[Michael Kunze im Interview 2016 mit der Süddeutschen Zeitung: „Wir sind total happy, weil Aretha Franklin uns den Preis überreicht. Ein Idol! Aber sie sagt leise: ‘Fuck you!’“

SZ: „Im Wortlaut?“

Michael Kunze: „Ja, sie war stinksauer, weil wir in einer Kategorie gewonnen hatten, in der eigentlich nur Schwarze nominiert wurden. Wir haben also den schwarzen Musikern, die damals bei den Grammys eh unterrepräsentiert waren, richtig was weggenommen. Das haben wir in diesem Moment aber nicht verstanden, wir waren einfach zwei Typen aus Deutschland, die mit großen Augen durch diese Veranstaltung liefen wie Kinder.“]

Sylvester Levay: „Lady Bump“ haben wir gleichzeitig mit den Playbacks für Silver Convention aufgenommen. Da hat Michael gesagt: „Weißt du was, die Nummer ist so gut, da machen wir extra eine Künstlerin drauf.“ Er hat Penny eingeladen, die hat das eingesungen und siehe da, das ist wunderbar eingeschlagen.

Penny McLean: Ich war auf keine Solokarriere aus. Eines Tages rief mich Michael Kunze wegen eines dringenden Studiotermins an. Ich war gerade auf dem Weg nach Wien, bin mit dem Taxi und meinem Koffer ins Studio gefahren, wir haben es, glaube ich, in 40 Minuten eingesungen; und danach bin ich eiligst nach Wien gefahren. Das war für mich ein Termin wie jeder andere, sonst nichts. Das klingt jetzt blöd, was ich sage, für mich war Erfolg und dass man bewundert wird ein selbstverständliches Ergebnis von sehr viel Arbeit, ein Accessoire – eher wie ein Rüscherl an einem Kleid, das man eh angehabt hat.

Sylvester Levay: Ja, den Schrei auf „Lady Bump“ hat die liebe Gitta Walther gesungen. Penny hat ihn später bei ihren Auftritten selbst gesungen und hätte es wahrscheinlich gekonnt. Aber wir waren uns da nicht so sicher. Und deswegen haben wir das mit Gitta gemacht.

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Penny McLean: Gitta Walther machte diesen Schrei, als Dr. Kunze noch dachte, es würde nur eine Produktion mit Studiosängerinnen werden. Aber später am Mischpult fanden alle, „Lady Bump“ ist eine Solonummer. Also wurde ich ins Studio gerufen und sang „Lady Bump“ ein. Am Schluss fragte Michael Kunze: „Willst du den Schrei nicht auch noch machen?“ Aber ich wollte zum Bahnhof und sagte: „Besser als Gitta kriege ich ihn auch nicht hin. Den lassen wir.“ Hätte ich gewusst, was nachher für eine Story daraus gemacht wird, wäre ich geblieben und hätte den übernächsten Zug genommen. Es existiert eine zweite Version von „Lady Bump“, da bin ich ganz allein mit dem Schrei. Es ist niemandem aufgefallen, weil er genauso klingt wie der andere. Der Schrei war nicht die Schwierigkeit, sondern das Lied live mit x-Mal Schrei durchzuhalten.

Sylvester Levay: Es ist dann auffällig geworden, dass meine Streicher zuerst in Deutschland erfolgreich kopiert wurden bei Boney M. Und dann haben sie auch in den USA tolle Streicher-Systeme gehabt. Aber ein bisschen hat es schon abgefärbt.

Penny McLean: Wir wurden nach diesen Erfolgen dazu verdonnert, in allen Diskotheken Deutschlands live mit Playback zu singen. Linda glaubt, es waren 800 Auftritte, ich bin mit meiner Schätzung bei 300. Aber es war tödlich, eine Form von musikalischer Folter. Ich frage mich heute noch, wie wir es überhaupt überlebt haben.

Sylvester Levay: Einmal hatten wir einen Auftritt mit Silver Convention in Cannes und die Süddeutsche Zeitung hat uns mit so einem Hass zerrissen. Da waren große Plattenleute aus Deutschland und Ralph Siegel dabei. Wir waren zusammen im Hotel und haben gesagt: „Da haben die Journalisten ins eigene Nest geschissen.“ Also es war schon schwierig. In den USA hatte Silver Convention einen guten Ruf. Für einige Monate hatten Michael Kunze und ich dann Differenzen, aber die Trennung dauerte nicht lange.

Penny McLean: Michael Kunze hat diesen unsterblichen Satz gesagt: „Wir haben den Amerikanern Coca-Cola verkauft.“ Dass all diese Leute zusammenkamen, das war eine Sternstunde der Disco-Musik. Die ersten Alben von Silver Convention und Penny McLean waren Sternstundenproduktionen. Auf denen sind die Geigen der Münchner Philharmoniker zu hören und noch einige andere erstklassige Musiker. Da haben gut 20 Leute mitgearbeitet. Mir wurden dafür 18 goldene Schallplatten verliehen.

Jens Poenitsch: Disco war die erste Musikform, die völlig unverhohlen Diversity gelebt hat – ohne das allerdings aggressiv auf Plakate zu schreiben. Das war die erste Musikform, wo Arm und Reich, Schwarz und Weiß, Queer und Hetero zusammen in einem Club feiern konnten. Munich Disco war genauso queer wie Disco weltweit.

Penny McLean: Die queere Szene in München hatte diese Musik natürlich sehr gerne. Und man wurde auch mal angebettelt, „Lady Bump“ kurz auf einem Tisch zu singen. Und da man befreundet war, hat man das auch gemacht. Aber diese Musik wurde nicht nur in diesen Kreisen, sondern allgemein sehr geliebt. Mir ist das so egal, ob Menschen gelb, grün, blau, schwarz oder violett sind. Ich schaue in die Augen und auf die Hände – und singe gerne für alle.

Michael Bartle: Ich glaube, es war Reinhold Mack, der mit Freddie Mercury durch den Englischen Garten lief und erst einmal gedacht hat, hups, kann ich überhaupt mit einem Mann eingehängt durch den größten Park Münchens laufen? Aber nachdem sich Freddie Mercury das ganz selbstverständlich getraut hat, ist er einfach mitgelaufen.

Martin Arz: Also man muss halt wirklich mal, darf man ganz angstfrei sagen, München war die Musikmetropole der Welt. Punkt.

Michael Bartle: Man musste für Konzerte im Ausland keine Steuern zahlen, wenn man danach mit einer Aufnahme zurückgekommen ist. Deswegen haben viele geschaut, in welche Studios sie sich einbuchen können, damit sie keine Steuern auf ihre Konzerte zahlen müssen.

Martin Arz: Mick Jagger hat hier nicht nur rumgevögelt, das war ja sein Hauptjagd-Revier, die Stones haben hier auch aufgenommen. Das Electric Light Orchestra war hier. Und Elton John hat damals seine Münchner Tontechnikerin geheiratet. Viele Klassiker sind in München entstanden.

Penny McLean: Die Leute in Österreich wussten anfangs nicht, dass ich aus Kärnten komme. Das änderte sich mit einem Auftritt bei Peter Rapp. Er dachte wohl, ich sei Amerikanerin oder Engländerin und er meinte: „Miss McLean, we are very proud to have you here in Vienna. How do you like Vienna?“ Ich dachte, wenn er gerne Englisch redet, tu ich das auch: „Well, I have to say, for me, Vienna is one of the most beautiful cities in the world.“ Und er hat gefragt, ob ich gerne wiederkommen würde? „Oh yes“, habe ich geantwortet, „I would die for coming back, jede Woche, wenn’s möglich wär, weil ich Österreich liebe und in Klagenfurt aufgewachsen bin“. Peter Rapp war, glaube ich, weniger amüsiert, dass er darüber vorher nicht informiert wurde. Aber die Leute fanden das wahnsinnig lustig. Sie dachten wohl, wir hätten das abgesprochen.

Sylvester Levay: Der Eurovision Song Contest von 1977 ist mir nicht so gut in Erinnerung geblieben. Das Know-how, das fürs Fernsehen vorzubereiten – sprich Kostüme, Choreografie, Schminke – war in München okay, aber nicht großartig. Wir sind dann Achter geworden.

Penny McLean: Wir standen hinter der Bühne. Und man hörte die letzten Takte der Nummer vor uns. Ramona holte tief Luft und der Reißverschluss vorne an ihrem Kostüm platzte – bang! – auf. In solchen Situationen überkommt mich eine kühle Ruhe. Also habe ich das mit Faden, Nadel und Schere repariert, während wir angesagt wurden. Wir waren sehr entspannt, weil das ganze Adrenalin schon vorher verbraucht war. Und so haben wir perfekt gesungen. Kurz danach bin ich aus Silver Convention ausgestiegen und habe mich – das klingt jetzt seltsam – um Musik nicht mehr so gekümmert, sondern lieber Bücher geschrieben. Wir Mädels treffen uns regelmäßig und wohnen nicht weit auseinander. Ich glaube, das gibt es in dem Geschäft sehr selten, dass eine Frauengruppe über diese langen, langen Jahre hinweg so eng und hilfreich miteinander befreundet ist. Im Ausland werden wir nach wie vor gerne eingeladen – und zwar die Originalgruppe mit Linda, Ramona und das liebe Pennylein – und dann spielt ein großes Live-Orchester, und ein tolles Ballett ist im Hintergrund, und vorne arbeiten wir. Und die Italiener tragen uns auf Wattebäuschen durch den Saal. Geht doch.

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Ad Personam

Jens Poenitsch: Autor “Munich Sounds Better With You“, Musiker, Veröffentlichung Frühjahr 2024

Martin Arz: Verlagsleiter Hirschkäfer Verlag, Herausgeber “Munich Sounds Better With You“, Veröffentlichung 2024: Frühjahr 2024

Michael Bartle: BR “Zündfunk“ Musikchef

Penny McLean: Musikerin Holger und Tjorven (gemeinsam mit Holger Münzer), Tony & Liza & Penny (mit Anthony Monn), Barbi Münzer, Bands Penny Box und Resolution, Penny McLean wie auch Silver Convention, 18 goldene Schallplatten

Sylvester Levay: Komponist bei Silver Convention, später Musicals Rebecca, Elisabeth und zuletzt Beethoven’s Secret