Mit ihrem neuen Album „Somewhere Down the Line“ (töchtersöhne records) kehrt die oberösterreichische Indie-Band CATASTROPHE & CURE, die heuer ihr zehnjähriges Bestehen feiert, in gewisser Weise zu ihren musikalischen Wurzeln zurück. Die Gitarren erklingen wieder, die Synths dagegen etwas weniger. Was gleich geblieben ist, ist unverkennbare melancholische Note der Songs, die einen von der ersten Sekunde an auffordert, in das Geschehen einzutauchen und sich mittreiben zu lassen. Der Songschreiber, Sänger und Gitarrist der Band, JOHANNES EDER, sprach mit Michael Ternai über die Rückkehr der Gitarre, die melancholische Note der Songs und den Unterschied zwischen früher und heute.
Man kann bei „Somewhere Down the Line“ quasi von einem Jubiläumsalbum sprechen, erscheint es doch genau im zehnten Jahr des Bestehens der Band. Was sofort auffällt, ist der wieder deutlich rockigere Ton der Songs. War die Rückkehr zur Gitarre eine bewusste Entscheidung?
Johannes Eder: Eine wirklich bewusste Entscheidung war es keine. Vielleicht rührt es daher, dass ich meine Songs bzw. deren Grundgerüst eigentlich immer schon auf der Gitarre geschrieben habe. Dass der Sound bei den letzten Alben vielleicht weniger gitarrenorientiert war, lag vermutlich daran, dass wir uns bei diesen viel mit den Arrangements beschäftigt und so lange herumgefeilt haben, bis wir uns oft dazu entschieden haben, die Gitarre einfach ganz wegzulassen. Auf „Somewhere Down the Line“ haben wir sie einfach wieder zugelassen, weil wir beim Schreiben der Songs gesehen haben, dass sie doch das Herzstück bilden. Wir haben bewusst versucht, das Songwriting wieder mehr in den Vordergrund zu rücken und nicht mehr so stark die Soundtüftelei. So hat auch die Gitarre letztlich wieder mehr Raum bekommen.
„Ich glaube, dieser gewisse Hang zur Melancholie ist irgendwie einfach in uns drinnen.“
Was sich nicht geändert hat, ist diese melancholische Note, die sich durch eure Songs zieht.
Johannes Eder: Auch hier kann man nicht wirklich sagen, dass wir da wirklich bewusst in diese Richtung gehen. Ich glaube, das passiert bei uns einfach unbewusst. Ich höre ja zu Hause wahnsinnig gerne melancholische Musik. Und ich denke, das wird schon irgendwie ins Songwriting einfließen. Zudem glaube ich, dass es ja auch nicht wirklich leicht ist, fröhliche Musik zu schreiben, die nicht irgendwie cheesy klingt. Ich finde aber, dass manche Songs auf dem neuen Album im Vergleich zu früher sogar etwas weniger melancholisch geworden sind. Aber es ist sicher so, dass eine gewisse melancholische Grundnote nach wie vor die Musik und auch die Texte durchzieht. Ich glaube, dieser gewisse Hang zur Melancholie ist irgendwie einfach in uns drinnen.
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Inwieweit lässt man sich nach zehn Jahren musikalisch noch beeinflussen? Gibt es Sounds oder Strömungen, an denen ihr euch orientiert, oder zieht ihr euer eigenes Ding durch?
Johannes Eder: Eigentlich kann man das durchaus so sagen. Wir machen eigentlich unser Ding, ohne wirklich nach links oder rechts zu blicken. Einfach auch aus dem Grund, dass es uns ja schon recht lange gibt. Wir wissen mittlerweile, wie der Hase läuft und die Dinge funktionieren. Die Frage, ob es letzten Endes gut ankommt oder wie es aufgenommen wird, stellen wir uns eigentlich nicht mehr wirklich. Wir machen einfach das, worauf wir Lust haben.
Obwohl ihr euer eigenes Ding durchzieht, trefft ihr – wie die erfolgreiche Single zeigt – anscheinend dann doch den Geschmack der Leute. Besitzt ihr die Geheimformel, wie man gute Songs schreibt, oder passiert euch das intuitiv?
Johannes Eder: Es passiert schon auch intuitiv. Aber nach so vielen Jahren hat man diesbezüglich auch schon Erfahrung gesammelt. Das Kerngerüst bei den Songs – egal ob es nun „Somewhere Down the Line“ oder die zweite Single „Another Wave“ ist – ist meistens eigentlich doch eine Popsongstruktur. Sprich, es gibt einen Vers, einen Prechorus, einen Refrain usw. Was bei uns aber vielleicht hinzukommt ist, dass wir doch auch den Mut zur Nische haben. Wir versuchen bewusst zu vermeiden, uns irgendwo anzubiedern. Und das glückt uns erfreulicherweise bei manchen Songs sehr gut. Die bedienen dann auf der einen Seite die Nische und entfalten auf der anderen darüber hinaus auch eine gewisse Breitenwirkung.
„Man hat nicht mehr das ganze Leben vor sich und hat manch maßgebliche Entscheidungen bereits getroffen.“
Wo siehst du den größten Unterschied zwischen dem neuen Album und den früheren Veröffentlichungen?
Johannes Eder: Der größte Unterschied zu den Alben davor ist der Umstand, dass wir damals noch alle Studenten waren. Die Uni haben wir mittlerweile beendet und wir haben alle zu arbeiten begonnen. Das ändert natürlich einiges. So auch den Alltag. Mit zunehmendem Alter merkt man, dass man einerseits gewisse Freiheiten hinzugewinnt, auf der anderen Seite aber engen sich manche Möglichkeiten ein. Man hat nicht mehr das ganze Leben vor sich und hat manch maßgebliche Entscheidungen bereits getroffen. Profifußballer wird vermutlich keiner mehr von uns. Es verändert sich die Sicht auf die Dinge. Und das hat positive wie auch negative Seiten. Einerseits ist man ein wenig mehr „gesettelt“ und weniger rastlos, andererseits kommt man natürlich auch ab und zu ins Grübeln, was nicht hätte sein können, wenn man nicht gewisse Entscheidungen getroffen hätte. Das beschäftigt mich nach wie vor ab und zu, man weniger, mal mehr. Und ich glaube, dass hat sich in der Entstehung der Songs mit Sicherheit ein bisserl niedergeschlagen.
Ihr seid jetzt zehn Jahren im Geschäft. Inwieweit spielt Routine mittlerweile eine Rolle? Seid ihr heute abgeklärter oder verspürt ihr immer noch denselben Drang wie zu Anfangszeiten?
Johannes Eder: Dieser Drang ist auf jeden Fall immer da. Ich persönlich finde auch, dass er auch ein natürlicher ist. Man kann das ein wenig mit den Sachen, die man anzieht, vergleichen. Es gibt Sachen, die man vor sieben Jahren angezogen hat. Manches von damals findet man immer noch gut und hat es immer noch im Kleiderschrank hängen, manches eben nicht mehr. Und so ist es auch mit der Musik. Man trifft gewisse Entscheidungen, die man im Moment gut findet. Aber mit der Zeit ändern sich die Zugänge. Und es ist sicher richtig, dass zu einem gewissen Grad auch eine gewisse Routine reinkommt. Aber das passiert einfach, wenn man lange dabei ist. Und ich sehe das auch nicht negativ. Wenn ich an das erste Album zurückdenke, ist damals sehr viel intuitiv entstanden. Das Album war quasi auf einmal da, es ist einfach passiert. Das wohlwollende mediale Feedback hat uns natürlich total gefreut, uns gleichzeitig aber auch ein wenig überfordert. Wir haben beim zweiten Album dann plötzlich begonnen, darüber nachzudenken, wie wir diesen Schwung mitnehmen und worauf wir aufbauen können, dass es weiterhin so erfolgreich läuft. Das hat natürlich schon auch Druck aufgebaut. Diese Art von Druck verspüren wir heute nicht mehr. Da sind wir ziemlich entspannt. Wir wollen noch Musik machen und tun uns das auch noch wahnsinnig gerne an. Wenn es den Leuten gefällt, freuen wir uns total, und wenn das nicht der Fall sein sollte, kann man auch nichts machen.
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Wie sieht eigentlich das Songwriting bei Catastrophe & Cure aus? Gibt es da eine Aufgabenverteilung?
Johannes Eder: Die Grundidee zu den meisten Songs kommt von mir. Eine Akkordfolge mit einer Gesangsline, manchmal vielleicht auch schon erste Textschnipsel und ein grober Aufbau. Dann werfe ich das einmal in die Runde und jeder bringt dann seine Ideen mit ein. Dann wird gemeinsam getüftelt und arrangiert.
Es ist natürlich dann schon oft so, dass ich bestimmte Vorstellungen habe, in welche Richtung sich der Song entwickeln soll, und Ideen, die vielleicht nicht so passend sind, schon im Vorhinein aussortiere. An den anderen Ideen aber wird dann so lange gearbeitet, bis sie eben zu einem Song werden. Die Texte sind eigentlich immer von mir. Auf dem neuen Album allerdings haben bei zwei Stücken auch Sebastian [Kargl; Cello, Synthesizer; Anm.] und Max [Atteneder; Keys, Synthesizer; Anm.] mitgeschrieben. So läuft es in der Regel meistens ab. Wobei es natürlich manchmal auch Ausnahmen gibt. So ist „Distant Siren“, die Instrumentalnummer am Ende der Platte, im gemeinsamen Jammen entstanden.
„Idealerweise haben die Leute jetzt auch die Zeit, sich die Alben zu Hause aufzulegen und anzuhören.“
Das Album erscheint, was die Präsentation betrifft, jetzt nicht unbedingt zu einem günstigen Zeitpunkt. Wie sehr bedauert ihr es, euer Album nicht jetzt präsentieren zu können? Ihr habt ja eure Konzerte in den Herbst verschoben.
Johannes Eder: Es ist natürlich wahnsinnig schade. Wir haben uns schon sehr auf die Konzerte gefreut. Vor allem auch deswegen, weil man bei der Produktion eines Albums doch auch viel Zeit einsam im Studio sitzt und die Regler rauf- und runterschiebt und sich dann schon sehr auf die Bühne freut, weil man dort das unmittelbare Feedback bekommt. Es ist aber jetzt so, wie es ist. Da sitzen jetzt alle Künstlerinnen und Künstler im selben Boot. Das ist für alle sehr mühsam. Wir haben viele befreundete Bands, die jetzt tolle Platten herausgebracht haben, diese aber nicht präsentieren können. Aber eine Verschiebung der Veröffentlichung ist für uns nicht infrage gekommen. Ein Release ist doch etwas, was man längerfristig plant. Zudem ist eine Veröffentlichung auch immer eine Art Abnabelungsprozess. Zumindest sehe ich das so. Erst wenn die Songs einmal draußen sind, ist die Arbeit auch wirklich getan. Wenn man verschiebt, würde man vielleicht wieder mit dem Nachdenken beginnen und vielleicht hinterfragen, ob man bei dem einen oder anderen Song etwas anders machen könnte. Es ist ganz gut, wenn man sagt: „Das ist es jetzt.“ Idealerweise haben die Leute jetzt auch die Zeit, sich die Alben zu Hause aufzulegen und anzuhören.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Michael Ternai