“Wir haben beim Musik machen nicht das Ziel, unsere Meinung zu verbreiten” – DIE WALLNERS im Mica-Interview

Die WALLNERS. Die vier jungen Geschwister sind gesegnet mit einer Liebe zum Detail und einem Hang zur düsteren Romantik. Ihr Vater, ein Klavierrestaurator aus dem Herzen Wiens, sorgte für ihre Grundausbildung am Klavier. Die Leidenschaft war entfacht, und das Musikzimmer in der elterlichen Wohnung in Folge dessen zu einem hart umkämpften Ort. Die effizienteste Lösung war die Gründung einer Band, denn so konnte man den Raum gemeinsam nutzen. Über die Rolle von Universal, Geschwisterrivalität und Ansätze beim Songwriting sprechen Max, Nino, Laurenz und Anna im mica-Interview mit Dominik Beyer.

Wie verlief euer musikalischer Werdegang? 

Anna: Unser Vater besitzt ein Klaviergeschäft in Wien. Von ihm haben wir alle eine Grundausbildung am Klavier bekommen. Später hat dann jeder separat ein Instrument gelernt hat. Laurenz ist beim Klavier geblieben. Nino Gitarre. Max hat mit Trompete und Flügelhorn begonnen, und später dann Bass. Ich mit Gesang. 

Für den Jüngsten blieb dann nur der Bass übrig?

Fast alle lachen

Anna: In der Wohnung unserer Eltern gab es ein kleines Musikzimmer. Dort mussten wir uns immer gegenseitig rauskicken. Am effizientesten war es also, zusammen Musik zu machen.

Laurenz: Wir haben uns auch immer nebenbei aufgenommen. Zunächst mit der Loopstation. Später haben wir dann auch eigene Songs gespielt.

Nino: Am Anfang aber nur gecovert.

Max: Da war schon ein großes Niemandsland zwischen unserer Instrumentalausbildung und der fertigen Band.

Anna: Wir haben nach der Schule erstmal individuelle Ziele verfolgt. Also Fächer abseits der Musik studiert. Zum Musik machen hat es uns aber wieder zurück nach Hause gezogen.

Laurenz: Wir mussten zunächst mal die unzähligen Ideen in Form zu bringen und ausproduzieren. Dafür haben wir uns bis dahin nie die Zeit genommen.

Wart ihr schon mit anderen Formationen unterwegs, bevor ihr die Wallners gestartet habt? 

Anna: Ich hatte schon auch mit anderen Leuten gejammt, die ich in meiner Zeit am Konservatorium kennen gelernt hab. Veröffentlicht hab ich da aber nichts.

Inwiefern seid ihr geprägt von der Musik, die ihr von Zuhause aus mitbekommen habt?

Max: Wir haben über unserem Vater viel Klassik mitbekommen. Von der Mutter Popmusik der 1970er und 1980er Jahre. 

Anna: Unsere Eltern besaßen eine große Plattensammlung und haben uns auch viel auf Konzerte mitgenommen. 

Laurenz: Wobei wir gar nicht so liebend gerne mitgegangen sind. Anstatt dessen haben wir lieber selbst zuhause rumgewerkelt. 

Anna: Das war unsere Rebellion [lacht]. Nein. Wir wurden nicht streng erzogen. 

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Geschwisterrivalitäten habt ihr hinter euch gelassen. Oder war das nie Thema?

Max: Verglichen mit anderen sind wir recht harmonisch miteinander.

Nino: Wenn wir Songs machen, gibt es selten Streit. Eigentlich weiß jeder, wann etwas fertig ist. 

Laurenz: Und bis dahin streiten wir…[lacht]. Das machen wir sportlich miteinander aus. Nicht über die Musik.

Nino: Nein. Wir müssen uns meistens gar nicht erklären.

Anna:  Viele Freunde können sich das gar nicht vorstellen, mit ihrer Familie zu arbeiten. Aber bei uns klappt das scheinbar. Beim Musik machen geht’s ja um den Song und da muss man sich ja ernst nehmen. 

Nino: Wir sind schon recht eingespielt, könnte man sagen. 

Anna: Ehrlich sind wir schon zueinander. Also wir sagen schon klar unsere Meinung. Aber das ist sicher in jeder Band so.

“NACH LANGEM RUMPROBIEREN, ENTSTEHT AUS DEM EIGENTLICHEN NICHTS IN EIN PAAR SEKUNDEN EIN NEUER SONG.”

Habt ihr ähnliche musikalische Vorbilder?

Laurenz: Eher unterschiedlich. 

Max: Für einen Außenstehenden ist unser Geschmack vermutlich nicht so unterschiedlich.

Was macht einen guten Song aus für euch? Habt ihr eine gemeinsame Definition?

Max: Das Feeling muss transportiert werden.

Anna: Ich find auch, er muss Seele haben.  

Seele könnte sich ja in unterschiedlichen Arrangements entfalten. Darüber ließe sich dann wieder trefflich streiten.

Max: Eine gewisse Grundstimmung fangen wir meist gemeinsam ein. Und von da an ziehen wir alle an einem Strang. 

Laurenz: Eher bei der Detailarbeit, zum Beispiel beim Mixing, gehen unsere Meinungen auseinander. 

Max: Somit kann man schon sagen, dass wir vermutlich einen gemeinsamen Musikgeschmack haben. Die Musik, die wir zusammen machen, ist ein Teil, der offensichtlich in jedem von uns ist.  

Nachdenkliche Stimmung. Alle nicken zustimmend.

Eine klare Linie ist bei euch gut erkennbar

Nino: Ich glaube aber nicht, dass das so geplant ist.

Laurenz: Ich denke auch, dass das einfach passiert ist. Innerhalb eines Songs fliegen dann schon öfter mal ganze Teile raus. Manchmal auch der Refrain [lacht].

Anna: Das sind dann Entscheidungen, die aber von keinem von uns angezweifelt werden. Da ist allen klar, dass der Song die Richtung vorgibt. Wenn wir Freunden Demos vorspielen, kommt erfreulicherweise oft das Feedback, dass das wieder sehr nach uns klingt. Aber diese Gedanken machen wir uns selber nicht. Das ergibt sich. Es gibt Phasen, da sind wir natürlich auch mehr von Einflüssen inspiriert. Die nehmen wir dann auf. Und in der Produktion begrenzt man sich dann wieder. Aber wir haben schon sehr viele Demos, die auch sehr unterschiedlich klingen.

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Eure Musik passt gut in die Zeit, in der Serien wie „Wednesday“ die düstere Romantik hochleben lassen und dabei Charterfolge erzielen. Ihr scheint dabei einen Nerv zu treffen. War das gewollt? 

Laurenz: Man ist natürlich auch von Filmen beeinflusst. 

Nino: Uns gefällt das geheimnisvolle düstere Element.

Anna: Alles sind Phasen im Leben. Ist mit Sicherheit die Zeit, die man durchlebt.

Max: Unsere Vampirphase im Keller [lacht].

Laurenz: Aber so ein Song ist oft viel abstrakter. Der Song entsteht ja auch über längere Zeit.

Was ist dann der Ausschlag gebende Impuls für eine Songidee? Wer gibt die Themen vor? Wer schreibt die Texte?

Anna: Oft arbeiten wir mehr mit einer Stimmung. Weniger mit Inhalten. 

Laurenz: Der Text kommt meistens danach.

Nino: Interessanterweise entsteht der Song dann ganz schnell. Nach langem rumprobieren, entsteht aus dem eigentlichen Nichts in ein paar Sekunden ein neuer Song. Als wäre er schon immer da gewesen.

Max: So als hätte man plötzlich ein Geschenk aufgemacht.

Laurenz: Bis er dann fertig ist, dauert es aber wieder ewig.

“Uns gefällt es am besten, wenn der Song abstrahiert werden kann.” 

Böse Zungen behaupten, eure Musik hat wenig Kanten, dramaturgische Höhepunkte und durch die englische Sprache auch wenig Charakteristisches. Was entgegnet ihr denen?

Laurenz: Das ist eine Geschmacksache. Kann schon sein, dass diese Kritik berechtigt ist. Aber deswegen muss es ja nicht schlecht sein.

Anna: Den einen holts ab, den anderen nicht. Man macht eh das, was man fühlt. 

Max: Es ist schon sehr weich alles.

Hat man dann nicht Angst austauschbar zu sein?

Laurenz: Ich finde, fast das Gegenteil ist der Fall.

Anna: Wir haben beim Musik machen nicht das Ziel, unsere Meinung zu verbreiten. Ich mach das, was ich spür und was ich gerne mach. Beide Ansätze sind genauso legitim. 

Kann es sein, dass dadurch eure Musik auch auf einer universellen Ebene gut funktioniert.  

Nachdenkliche Stimmung der Band

Laurenz: Da gibt’s vermutlich unterschiedliche Ansätze…

Es hat mich in erster Linie interessiert, ob das eine bewusste Entscheidung ist.

Laurenz: Ob bewusst oder unbewusst. Uns gefällt es am besten, wenn der Song abstrahiert werden kann. 

Anna: Wenn alles ein bisschen offen ist.

Laurenz: Ich möchte niemanden meine Sicht der Dinge aufdrücken. Man schreibt ja auch für sich den Song. Wenn ich alte Texte lese, finde ich das oft lächerlich beim neuerlichen Lesen. Ich finde das gar nicht interessant. Ich glaube mir selber oft nicht. Es sollte mich aber selber auch überzeugen.

Nino: Wir würden nie etwas releasen, wenn nicht alle geschlossen dazu stehen würden. 

Was ist euer Eindruck vom ESNS? Hat es euch was gebracht?

Laurenz: War lustig. Aber auch eine lange Autofahrt. Schwer zu beurteilen, ob das was gebracht hat.

Anna: Wir brauchen auf jeden Fall die Liveerfahrung. Wir haben noch nicht so viele Gigs gespielt.

Nino: Wir kommen eher aus der Produzenten Ecke. Und das versuchen wir, jetzt mal live umzusetzen.

Ist der Druck gewachsen mit der Zusage von Universal?

Anna: Wir brauchen den Druck.

Laurenz: Wir sind schon seit dem ersten Songrelease bei Universal.  Alles beim Alten sozusagen. Wie Anna sagt, wir haben unsere Songs verschickt, damit wir einen Arschtritt bekommen. 

Vielen Dank für das Gespräch

Dominik Beyer

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