„Wir fischen alle im gleichen Becken“ – Mauracher im mica-Interview

Hubert Mauracher veröffentlicht in Kürze das fünfte Mauracher-Album „Let’s Communicate“, die Präsentation erfolgt am 26. März im brut im Konzerthaus. Musikalisch schließt es mit seinem sehr poppigen und dynamischen Sound an den Vorgänger „Super Seven“ an. Auch Sängerin Sonia Sawoff ist wieder mit von der Partie und mittlerweile fixes Mitglied der einstigen One-Man-Band. Sebastian Fasthuber hat mit Hubert Mauracher übers Kommunizieren, Musik als Berufung, Livegagen und Crowdfunding gesprochen.

Das neue Album heißt „Let’s Communicate“ – ein Angebot an den Hörer?

Hubert Mauracher: Der Titel ist eher auf mich bezogen. Ich habe endlich einen Weg zum Kommunizieren gefunden. Dafür habe ich eine Gesprächstherapie gemacht. Das Resultat war, dass ich mir selber einen Schritt näher gekommen bin.

Warum die Therapie?

Hubert Mauracher: Sie hat mir dabei geholfen, Altlasten, die ich immer mitgezerrt habe, zu verarbeiten und vielleicht auch ein bisschen loszuwerden. Ich habe gewusst, ich trage Sachen mit mir herum, die mit meinem jetzigen Leben genau gar nichts zu tun haben – trotzdem haben sie mich behindert. Da bin ich eben hin zu einer Gesprächstherapeutin, bis sie irgendwann gesagt hat: Passt, austherapiert. Im Laufe dieses Prozesses habe ich gelernt, mit mir selber zu kommunizieren. Das war für mich ein ganz wichtiger Schritt, wahrscheinlich einer von den wichtigsten. Oft schaut man sehr gern weg, weil Ereignisse in der Vergangenheit liegen, die man nicht mehr sehen will. Das ist wie eine Kellertür, die man sich nicht aufmachen traut, weil dahinter Sachen sind, die man gut verdrängt hat. Und man hat viel Energie gebraucht hat, um sie zu verdrängen. Es braucht Mut, sich mit sich selber zu beschäftigen. Ich habe mich lange nicht getraut.
Auf der anderen Seite bezieht sich das Thema Kommunizieren auf die Kommunikation mit der Sonia. Die singt ja nicht nur, sondern hat auch mitgeschrieben. Es war das erste Mal, dass wir gemeinsam an jedem Song gearbeitet haben.

Was insofern bemerkenswert ist, als du keineswegs als Teamplayer bekannt bist.

Hubert Mauracher: Ja, das war sehr neu für mich. Und es hat mir ziemlich getaugt. Das Kommunikationsthema ist in der Menschheit ja kein ganz neues. Das Interessante ist, dass niemand Kommunizieren gelernt hat. Mir hat es niemand beigebracht und in meiner Umgebung trifft das auch auf viele andere Leute zu. Leider kommt beim Empfänger, wenn man A sagt, oft C an. „Let’s Communicate“ habe ich einmal irgendwo in einem Magazin gelesen. Das ist mich sofort angesprungen, weil es mein Thema war, und deshalb steht es als Albumtitel. Ich habe die Sonia gefragt, ob es auch für sie passt, nachdem die Texte hauptsächlich von ihr sind. Und sie war einverstanden.

Wie ist das Album entstanden?

Hubert Mauracher: Ursprünglich wollten wir eine EP machen. Bis September 2013 hatten wir vier Nummern. Ich habe einen Sohn mit eineinhalb Jahren. Dadurch musste ich lernen, dass ich nicht mehr einfach spontan drauflosmusizieren kann. Man muss sich neu arrangieren und besser organisieren. Also haben wir beschlossen, vier, fünf Tage nach Graz in Sonias Elternhaus zu fahren. Da haben wir uns richtig eingebunkert. Und gemerkt, wie ausgehungert wir beide waren. Es ist so viel passiert, dass auf einmal genug Material für ein Album da war. Die nächsten Monate verliefen sehr stressig. Einmal war Sonia nicht da, einmal ich. Für mich hat sich das Album in diesem Zeitraum sehr verändert. Zu manchen Songs konnte ich irgendwann keinen Bezug mehr herstellen. Aber ich habe gelernt, dass diese Songs trotzdem eine Berechtigung haben, weil sie für die Entwicklung wichtig waren. Von einem Jahr oder zwei hätte ich die Songs noch einfach weggeschmissen.

Es ist schon dein fünftes Album. Wie erhält man sich die Freude am Musikmachen, gegen alle Widerstände?

Hubert Mauracher: Meine größte Errungenschaft in den 14 Jahren, seitdem ich in Wien bin, war, nicht mehr von der Musik leben zu müssen. Seit vier Jahren ist das nicht mehr der Fall. Das hat mich unglaublich befreit. Es hat auch damit zu tun, dass ich mich mit mir selber beschäftigt und meinen Rucksack abgelegt habe. Vorher habe ich oft mit meiner Partnerin geredet: Wie lange mache ich das jetzt noch beruflich? Die Musik taugt mir zu gut, um sie sein zu lassen. Grundvoraussetzung ist aber, dass ich nicht mehr finanziell von ihr abhängig bin. Ich verdiene gern Geld mit meiner Musik, aber ich will nicht mehr damit Geld verdienen müssen. Früher hatte ich auch irgendwie den Zwang, mich beweisen zu müssen, nachdem ich den Wunsch meiner Eltern nicht erfüllt habe. Ihr Plan war, dass ich ihren Betrieb einmal übernehme. Ich bin so aufgewachsen, so war ich konditioniert. Dass ich den Betrieb nicht übernommen habe, war lange Zeit mit Schuldgefühlen verbunden.

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Du arbeitest am Vormittag als Koch, der Rest des Tages gehört der Musik. Eine gute Konstellation?

Hubert Mauracher: Ja, in der Kombination taugt es mir. Es geht sich meist gut aus. Manchmal wird es auch stressig, nachdem ich jetzt mein eigenes Label habe. Und natürlich bin ich gern mit meinem Buam zusammen. Dadurch mache ich die Labelgeschichten häufig in der Nacht. Man kann nicht immer alles haben. Aber ich habe mir mein Leben jetzt mal so gerichtet, wie es mir taugt.

„Let’s Communicate“ ist dein erstes Album, das keine massive Richtungsänderung bedeutet, sondern an das Vorgängeralbum anknüpft. Hast du deinen Sound gefunden?

Hubert Mauracher:
Ich habe schon das Gefühl, dass ich mich musikalisch gefunden habe. Es wird nach wie vor eine Reise bleiben, wo ich mir immer wieder Neues suchen werde. Aber es werden nicht mehr so unglaubliche Unterschiede sein. Früher habe ich einmal gesagt: Jetzt muss ich eine Band haben. Kurz darauf habe ich gesagt: Jetzt sind wir keine Band mehr, das geht nicht. Diese Zeiten habe ich Gott sei Dank hinter mich gebracht. Ich habe mit Sonia Glück gehabt, mit ihr verläuft die Zusammenarbeit super. Früher habe ich niemand rangelassen. Ein Song musste genau so klingen, wie ich mir das gedacht habe. Die Sonia hat mich aber oft überrascht, etwa mit Melodien, die perfekt passten. Und auch wenn es einmal nicht passt, ist sie nicht beleidigt. Wir können einfach gut. Bei ihr habe ich auch nicht permanent das Gefühl, ich muss aufpassen, was ich sage.

Du warst bisher bei Fabrique Records. Warum nun ein eigenes Label?

Hubert Mauracher: Ja, seit ich denken kann, war ich immer bei Fabrique. Ich habe auch nie das Gefühl gehabt, ich will wechseln. Michael Martinek hat seine Arbeit gut gemacht. Ich habe dazwischen Ausflüge zum Major gemacht, was mir nicht so getaugt hat, aber immer mit Fabrique als Subpartner. Jetzt war es aber Zeit für was Eigenes. Denn was tut heute ein Label, was ich nicht selber auch kann? Der einzige Nachteil ist, dass man weniger Input bekommt. Aber den holt man sich woanders, von Freunden und Leuten, die man schätzt. Und ich habe mir auch wieder die Meinung von Michael eingeholt.

Das Album erscheint digital und auf Vinyl, nicht jedoch auf CD.

Hubert Mauracher: Plastik mag ich keines mehr machen. Abgesehen von der Digital-Version wird es einen Stick mit ein paar netten Sachen dazu geben. Und in ein, zwei Monaten kommt die Special Edition Vinyl. CD interessiert mich gar nicht mehr, die Zeit ist vorbei. Außer man macht ein superlässiges Case, was aber wieder sehr viel Geld kosten würde.

Du hast „Let’s Communicate“ zum Teil mittels Crowdfunding finanziert. Wie kam die Idee, wie ist es gelaufen?

Hubert Mauracher: Es hat mich einfach extrem interessiert. Der Holzgruber Michi von den Sofa Surfers hat uns unterstützt, der hat sich schon vorher mit dem Thema beschäftigt. Ich muss allerdings sagen: Es funktioniert nicht wirklich. Wir haben es eh geahnt. Es war interessant und ein bisschen was an Vorproduktionskosten haben wir reinbekommen. Man kriegt aber mit, dass die Leute heute nicht mehr wirklich für Musik beahlen wollen. Auch die Zugangsweise behagt mir eigentlich nicht. Man muss so ein Crowdfunding-Ansuchen wie einen Bettelbrief schreiben.

Man muss viele Fans haben, damit es funktioniert – siehe etwa Amanda Palmer.

Hubert Mauracher: Die war vor ein paar Monaten bei einer Diskussion in Wien. Da hat sie es sehr schön auf den Punkt gebracht: Du musst zuerst einmal eine Crowd haben, erst dann kannst du Crowdfunding machen. Das ist ein Fakt. Was auch ein Fakt ist: Heutzutage will man Musik nicht mehr besitzen. Die Leute streamen schon viel mehr. Das ist mir in den letzten Monaten erst bewusst geworden. Ich stamme noch aus der Albumgeneration und kaufe mir auch nach wie vor gerne Alben.

Wie wird das Album live präsentiert?

Hubert Mauracher: Das Setup ist wie beim letzten Album. Sasa Nikolic spielt Schlagzeug, eh schon seit der ersten Livestunde. Die Sonia ist für Gitarre und Gesang zuständig. Und ich bediene die Kastl’n. Das ist total organisch und funktioniert super. Ich habe zunächst Angst gehabt, weil kein Bassist dabei ist, und der ist doch das Fundament. Aber es funktioniert so sogar besser als vorher in größerer Besetzung. Ich habe bei den neuen Songs auch drauf geschaut, dass man sie in der Form umsetzen kann. Und es bleibt natürlich ein bissl mehr Geld, was ein schöner Nebeneffekt ist. Diese Dreiergeschichten sind gerade sehr modern. Wir haben nur Vorteile dadurch.

Welchen Stellenwert haben Konzerte für dich generell?

Hubert Mauracher: Immer schon einen sehr hohen. Ich kämpfe aber mit den Gagen. Ich spiele lieber nicht als unter Preis. Da muss man oft länger verhandeln. Der Trend bei den Livegagen geht schon bedenklich runter. Es gib in Österreich mittlerweile echt viel gute Musik. Wir fischen alle im gleichen Becken. Wenn ich nicht um ein bestimmtes Geld spiele, macht es jemand anderer. 2013 hatten wir 15 Gigs. Das ist nicht wahnsinnig viel, aber die haben dafür gepasst.

Wie geht es weiter?

Hubert Mauracher: Weiß ich noch nicht. Aber ich weiß, dass ich mir noch nie so sicher mit dem Musikmachen war. Ich will das – egal, was unterm Strich rauskommt. Und ich zerbreche auch nicht mehr so wie noch vor ein paar Jahren, wenn ich einmal kritisiert werde. Früher habe ich durch eine negative Kritik gleich mein ganzes Schaffen in Frage gestellt.
Foto Mauracher © Clark H. Alexander/Chakk Boom