„Wir bringen etwas Neues, das aber Aus unseren Wurzeln herauswächst.“ – CHRISTIAN BAKANIC und JULIAN WOHLMUTH (SCHNEEBERGER & BAKANIC QUARTETT) im mica-Interview

Wenn zwei österreichische Musikvirtuosen wie der Gypsy-Jazz-Gitarrist DIKNU SCHNEEBERGER und Akkordeonist CHRISTIAN BAKANIC beschließen, gemeinsame Sache zu machen, darf man auf das musikalische Ergebnis ihrer Zusammenarbeit auf jeden Fall gespannt sein. Die beiden wollten musikalisch neue Wege gehen, ihre beiden unterschiedlichen stilistischen Welten miteinander in Verbindung setzen, um bislang Ungehörtes zum Erklingen zu bringen. Lauscht man „Avanti, Avanti“ (Preiser Records), der eben erschienenen ersten CD der beiden, kann man sagen, dass ihnen das auf schönste Weise gelungen ist. Was DIKNU SCHNEEBERGER und CHRISTIAN BAKANIC gemeinsam mit ihren beiden Mitstreitern JULIAN WOHLMUTH (Gitarre) und MARTIN HEINZLE (Kontrabass) erschaffen haben, ist ein musikalisch vielfältiger und warm glänzender Sound zwischen Gypsy-Jazz, Balkanmusik, Kammermusik und Volksmusik, der genauso Feuer und Energie besitzt, wie auch pure Eleganz ausstrahlt. Im Interview mit Michael Ternai erzählen CHRISTIAN BAKANIC und JULIAN WOHLMUTH, wie es zu dieser außergewöhnlichen Zusammenarbeit kam, was das musikalisch Spezielle an diesem Bandprojekt ist und welche Bedeutung DIKNU SCHNEEBERGERS Perfektionismus für die Qualität der Musik hat.

Christian, wie ist es eigentlich zur Zusammenarbeit mit Diknu und seinem Trio gekommen?

Christian Bakanic: Diknu kenne ich schon länger. Und ich hatte auch schon lange vor diesem Projekt den Wunsch, mit ihm etwas gemeinsam zu machen, weil mich seine Spielweise und die Art, wie er musiziert, einfach fasziniert hat. Vor ungefähr fünf, sechs Jahren, also als Diknu noch mit seinem alten Trio unterwegs war, habe ich Friedl Preisl vom Akkordeon Festival gesagt, dass ich gerne einmal mit Diknu spielen wollen würde und er mir bitte ein Konzert mit seinem Trio organisieren soll. Friedl hat dieses Konzert dann auch eingefädelt. Das war meine erste Begegnung mit Diknu. Über die Jahre sind wir dann mehrmals aufeinandergetroffen und haben da und dort etwas gemeinsam gemacht. Vor drei Jahren kam es dann eben zum Wechsel im Trio von Diknu und die Idee, etwas Größeres gemeinsam zu machen, wurde konkreter, bis wir eben begonnen haben, Stücke für schreiben.  

Für mich war es im Grunde ein gemachtes Bett, denn Diknu, Julian und Martin (Heinzle) waren, als wir uns zusammentaten, schon richtig gut eingespielt und haben auch schon eine CD aufgenommen.

Julian Wohlmuth: Genau. Es gab diese nicht geplante Live-CD aus dem Porgy & Bess, die während der Corona-Phase entstanden ist.

Der Beginn eurer Zusammenarbeit datiert also auch in diese Zeit zurück.

Christian Bakanic: Wir haben das CD- bzw. das Liveprogramm tatsächlich in der Coronazeit entwickelt. Das war vor etwa zwei Jahren. Das war auch die Zeit, in der wir uns dann gesagt haben, dass dieses Quartett-Projekt nun wirklich eine Band ist und sich vom Trio abhebt. Das zeigt, glaube ich, das Album auch ganz gut. Das Trio von Diknu, Julian und Martin ist doch sehr Gypsy-Jazz-lastig, während das Quartett musikalisch schon etwas Neues ist. Die Kompositionen stammen von Diknu und mir. Die Musik wurzelt von der Besetzung und vom Sound her zwar im Gypsy-Jazz, aber es kommt auch sehr viel von meiner Seite in die ganze Sache hinein, auch meine Wurzeln fließen mit ein: die Volksmusik, die verschiedenen Arten von Global Music Stile, die ich so spiele. Das Schöne ist, dass bei uns alles in einem wirklich homogenen Sound zusammenfindet. Wir bringen etwas Neues, das aber unseren Wurzeln herauswächst.

Julian Wohlmuth: Die Coronazeit konnten wir mit dem Trio als auch mit dem Quartett auf jeden Fall sehr gut für weiteres kreatives Schaffen nutzen. Seitdem hatten wir selten so viel Zeit zum Proben.

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„Die Virtuosität soll bei uns nicht vordergründig sein, sondern im Kontext der Musik stattfinden.”

Es scheint bei euch wirklich auf Anhieb gefunkt haben. War aber auch das Musikalische sofort klar?

Christian Bakanic: Gefunkt hat es tatsächlich sofort. Sowohl menschlich als auch musikalisch. Der Vorteil und warum es so problemlos gegangen ist, war sicher der Umstand, dass das Trio schon so gut eingespielt war. Ich habe über die Jahre viele Erfahrungen mit anderen Bands gesammelt und wusste daher sofort, dass man am Rhythmus und am Grundsound des Trios eigentlich nicht mehr viel herumfeilen muss. Woran wir aber schon viel gearbeitet haben, war am eigentlichen Sound des Quartetts. Von alleine ist der nicht entstanden. Wir mussten schon schauen, was alles funktioniert, welche Stile wir kombinieren und wie wir sie modellieren und fusionieren können. Das war schon Knochenarbeit. Wir haben vor allem daran gefeilt, was wir weglassen und wie wir reduzieren können. Wir wollten keine CD machen, auf der die Soli im Vordergrund stehen und endlos soliert wird, sondern schauen, dass man sie problemlos von vorne bis hinten durchhören kann. Die Virtuosität soll bei uns nicht vordergründig sein, sondern im Kontext der Musik stattfinden. Ich denke, das ist uns gelungen. „Avanti, Avanti“ ist in gewissem Sinne zwar Jazz, aber auch viel mehr.Es war uns auf jeden Fall ein großes Anliegen, eine im Klang warme, hörbare CD zu machen.

Die Kompositionen stammen von Christian und Diknu. Inwieweit Julian, konnten  sich Martin und du in den Entstehungprozess der Stücke einbringen?

Julian Wohlmuth: Wir haben in diesem Projekt ganz klar zwei starke und tolle Bandleader, vor denen wir größten Respekt haben. Wir sind sehr froh, mit diesen beiden in einer Band arbeiten zu dürfen. Ich kenne Christian auch schon seit mehreren Jahren, schon vor diesem Projekt. Und es war jedes Mal ein musikalischer Ohrenschmaus, mit ihm zusammenarbeiten zu können.
Wenn die beiden Bandleader auch die Komponisten sind, haben sie natürlich auch sehr klare Vorstellungen ….

Christian Bakanic: Wobei, da muss ich einhacken, was Rhythmus und die Farbe des Klanges betrifft, waren Diknu und ich schon sehr offen für Vorschläge von Julian und Martin. Es gab schon klare Vorstellungen, aber auch sehr viel Input von der Rhythmusgruppe. Arrangiert haben wir die Stücke dann schon gemeinsam. Dieses Quartett ist schon Bandarbeit.

Julian Wohlmuth: Es ist total schön, dass dafür auch Raum ist. Wir probieren gemeinsam schon sehr viel aus …

Christian Bakanic: Absolut. Manchmal übertreiben wird es aber auch ein wenig. Es geht manchmal soweit, dass wir Dinge, die eh schon super funktionieren, nochmal über Bord werfen. Wobei man dazusagen muss, dass Diknu dazu etwas mehr als wir anderen neigt.

Julian Wohlmuth: Er ist ein Perfektionist, der seinesgleichen sucht.

Christian Bakanic: Er wirft seine Konzepte schon auch gerne einmal über Bord und probiert eine andere Variante. Das habe ich so in der Form davor nur selten erlebt. Er ist im Verwerfen von guten Dingen schon sehr konsequent. Aber man muss sagen, dass das Stück danach sehr oft tatsächlich besser wird. Gerade auch bei der Auswahl der Aufnahmen waren wir eigentlich fast alle schon zufrieden, nur Diknu meinte: „Nein, wir müssen da noch einmal rein.“ Im Studio dachte ich mir manchmal schon: „Diknu sei doch einmal zufrieden.“ Aber er war es nicht und hatte im Nachhinein recht.

Bild Schneeberger & Bakanic Quartett
Schneeberger & Bakanic Quartett (c) Julia Wesely

Was ist an diesem Quartett anders im Vergleich zu den vielen anderen Projekten, die ihr so macht?

Christian Bakanic: Ich bin tatsächlich in verschiedenen anderen Projekten aktiv, wenn es aber um echte Working-Bands geht, sind es im Moment zwei. Das Quartett und das Duo mit Marie Spaemann. In gewisser Weise ist das Quartett eine neue alte Erfahrung, weil die Art, wie wir arbeiten, mich an früher erinnert. Zu Studentenzeiten habe ich mit allen meinen Bands so gearbeitet. Meine ersten waren Folksmilch war Beefólk und ich kann mich erinnern, dass wir damals volle Kanne geprobt haben. Mit der Zeit aber wird dann alles professioneller, es hat sich alles eingespielt, man probt nur noch für die CD-Aufnahme und Konzerte. Es wird eigentlich nicht mehr wirklich gearbeitet, weil die Dinge eh schon funktionieren. Dieses Quartett dagegen ist wirklich wieder eine echte Working-Band. Und das taugt mir sehr. Ich sehe es als eine Art Geschenk, wieder so arbeiten zu können, weil das ab einem gewissen Alter fast nicht mehr möglich ist. Es gibt so viele Leute in unserem Alter, die andere Verpflichtungen, wie etwa eine Familie, haben und sich die Zeit einteilen müssen und dadurch einfach nur noch das Nötigste machen. Mit unserem Quartett machen wir aber mehr als das Nötigste. Wir ziehen an einem Strang und wollen einfach eine wirklich coole Band aufziehen. Das macht Spaß. Und das ist für mich das Spezielle an diesem Quartett.

Was diente zur Inspiration für die Stücke?

Christian Bakanic: Uns haben beim Schreiben unserer Stücke besonders Bilder und Stimmungen, zum Beispiel von Landschaften, inspiriert. Und auch Herkünfte und Heimat. Im Stück „Pannonia“ wollte ich zum Beispiel das Lebensgefühl der pannonischen Tiefebene und diese Mischung aus Österreich und dem Süden einfangen. Von dort komme ich ja ursprünglich her. „Rivertales“ ist auch so ein von der Natur inspiriertes Stück von mir. Bei Diknu sind es oft auch persönliche Erlebnisse, die ihn stark geprägt haben, die zum Thema werden. Bei „Herz entflammt“ wollte er seine Stimmung und Gemütslage wiedergeben, die er bei der Geburt seines Sohnes hatte.
Man kann sagen, dass unsere Stücke sehr viel mit Menschen, Natur und Stimmungen zu tun haben, also mit eigentlich eher erdigen Themen.

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Julian Wohlmuth: Wir hatten bei der Titelauswahl für das Album die Qual der Wahl, welche der vielen tollen Kompositionen es auf dieses schaffen. Es hätte noch einige weitere Stücke gegeben, die ich sofort aufgenommen hätte.
Es war auch so, dass Diknu den Ansporn hatte, ganz frische Stücke für das Programm zu schreiben, weil auch Christian dezidiert für dieses Projekt neue Sachen komponiert hat. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir „Swing de Vienne“, den alten Hit von Diknu, in einem neuen Gewand aufnehmen. Sonst aber wollte Diknu nur neues eigenes Material.
Bei Diknus Ballade „Lotusblatt“ durfte ich Diknu quasi den Kompositionsauftrag geben. Ich meinte, er hätte schon sehr viele schöne Kompositionen geschrieben, nur fehle ihm noch eine Ballade. Zwei, drei Wochen später ist er dann schon mit den ersten Ideen gekommen und ich war richtig verblüfft, wie schnell er so eine schöne Nummer komponiert hat.

„Die Steirische mit den Gitarren ist etwas ganz Feines […]”

Die Themen wurden von euch dann in Stücke einer ungemein breiten stilistischen Vielfalt verwandelt.

Christian Bakanic: Diese stilistische Vielfalt hat sich eher ergeben. Erzwingen kann man eine solche nicht. Aber wie ich schon vorher erwähnt habe, finde ich, dass der Unterbau der Stücke vom Sound her schon Gypsy-Jazz ist. Vielleicht nicht ganz so vordergründig, aber definitiv vom Spirit her. Mir hat es sehr getaugt, diese Musik als Unterbau für meine Kompositionen herzunehmen. Was darüber passiert, kann man nicht beeinflussen. Bei mir kann es stilistisch sehr viel sein: die Musik des Balkans, Tango und viel anderes. Was bei mir dieses Mal tatsächlich neu bzw. alt-neu ist, ist, dass ich mit der steirischen Harmonika wieder die Volksmusik einfließen habe lassen. Dies zu tun, war eine ganz bewusste Entscheidung. Diknu hat mich dazu auch ermutigt. Er sagte mir, ich sollte doch die Steirische mitbringen, weil er in den letzten Jahren immer mehr Gefallen an ihr gefunden hat.
Es ist generell schön, dass Volksmusik in Österreich jetzt wieder präsenter ist. Die Leute trauen sich wieder Volksmusik zu spielen, was lange Zeit ja nicht wirklich der Fall war. Ich nahm also die Steirische mit und es stellte sich heraus, dass es wirklich super funktioniert hat. Vor allem vom Sound her. Ich habe auch drei Nummern mit der Steirischen geschrieben: „Avanti, Avanti“, „Pannonia“ und „Rivertales“. Und die sind jetzt eigentlich auch unsere Lieblingsnummern. Die Steirische mit den Gitarren ist etwas ganz Feines, finde ich.

Julian Wohlmuth: Unsere Booking-Agentur hat auch schon einen eigenen musikalischen Begriff für unseren Sound entwickelt. Und zwar Alpin Swing. Und irgendwie ist an diesem Begriff auch etwas dran, weil unser Sound schon etwas sehr Eigenes hat, das uns allen sehr gut gefällt.

Christian Bakanic: Dass wir so intensiv am Sound arbeiten konnten, hatte auch viel damit zu tun, dass wir für unser Album eine Produktionsförderung vom Österreichischen Musikfonds erhalten haben. Diese gab uns die Möglichkeit, uns im Studio Zeit zu lassen. Wir haben insgesamt fünf Tage aufgenommen, was für eine Jazzband viel ist.

Julian Wohlmuth: Diesen Luxus hat man selten. Und auch die Gelegenheit, mit so einem fähigen Tonmeister wie Christoph Burgstaller intensiv zusammenzuarbeiten, ergibt sich nicht so oft.

Ist dieses Projekt, diese Zusammenarbeit langfristig gedacht?

Christian Bakanic: Darauf ist es angelegt. Durch die ganzen schönen Zufälle, wie etwa, dass wir während Corona die Zeit hatten, uns intensiv diesem Projekt zu widmen, oder die Förderungszusage des Österreichischen Musikfonds, die uns ermöglichte, das ganze Ding als Band zu produzieren, erhielten wir eine echte Motivationsspritze. Wir wollen das Ding richtig schön verkaufen und dranbleiben. Daher ist es uns sehr wichtig. Wir haben zwar auch noch andere wichtige Projekte, Diknu, Julian und Martin ihr Trio, ich meine zwei anderen Projekte, aber dieses neue Album, bringt einen frischen neuen Wind. Es ist im Moment unser neues Baby. Und auf das muss man aufpassen.

Herzlichen Dank für das Interview.

Michael Ternai

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Schneeberger & Bakanic Quartett live
11.9. Porgy & Bess, Wien / CD-Präsentation
16.9. Landshut, Spektakel Landshut (D)
17.9. Landshut, Spektakel Landshut (D)
08.11. Zentrum Feldbach, Feldbach
11.11. Syrnau, Zwettl
25.11. Seekirchen, KunstBox

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