Wirklich groß vorstellen muss man RUSSKAJA ja nicht mehr. Bekannt aus der Fernsehsendung „Willkommen Österreich“ hat sich die siebenköpfige Combo aus Wien längst auch international einen Namen machen können. Mit „Peace, Love & Russian Roll” (Napalm Records) erscheint im Juli das vierte Album der bärenstarken Liveband. GEORGIJ MAKAZARIA, der charismatische Frontmann der Turbo-Polka-Metal-Kapelle, über die stilistische Breite der neuen Songs, die Erfüllung eines lang gehegten Traums und seinen musikalischen Werdegang. Das Interview führte Michael Ternai.
Was können die Fans vom neuen Russkaja-Album „Love, Peace & Russian Roll“ erwarten? In welche musikalische Richtung geht es?
Georgij Makazaria: Wir sind auf unserem neuen Album musikalisch auf jeden Fall in die Breite gegangen. Teilweise geht die Reise nach Texas, manchmal geht sie in die französischen Keller oder in die sibirischen Wälder. Und manchmal tunkt sich das Album in die Stadt, wie zum Beispiel Berlin, dann biegt es wieder ab nach Mexiko oder Chile. Es gibt Punk-Rock-Nummern, aber auch Balladen mit zwölfsaitigen Gitarren. Und so weiter.
War es eine bewusste Entscheidung, dieses Mal mehr in die Breite zu gehen?
Georgij Makazaria: Nein, in Wirklichkeit haben wir das nie so bewusst entschieden. Es war vielmehr so, dass wir zunächst einen Haufen von Songs geschrieben haben und uns erst im Nachhinein – nachdem wir an die Bearbeitung gegangen sind – die musikalische Breite wirklich aufgefallen ist.
Wo liegen – neben der musikalischen Verbreiterung – die großen Veränderungen zu den bisherigen Veröffentlichungen?
Georgij Makazaria: Eine große Veränderung ist, dass dieses Mal drei, vier wirklich ruhigere Sachen – die man von uns eigentlich nicht so gewohnt ist – dabei sind. Darüber hinaus ist auch textlich einiges passiert. Wir haben auf dem neuen Album erstmals auch Songs in englischer und spanischer Sprache. Aber auch das war nicht wirklich geplant. Es hat sich vielmehr so ergeben.
Wie lange haben Sie an dem Album gearbeitet?
Georgij Makazaria: Wir haben über ein Jahr kontinuierlich am Album gearbeitet. Wobei manche Songs relativ schnell entstanden sind. An anderen wiederum haben wir viel ausprobiert, bis sie für uns gepasst haben. Gerade an den ruhigen Nummern haben wir lange herumgefeilt.
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„Irgendwann sind wir draufgekommen, dass wir es im Grunde genommen auch selber machen können.“
Welche Themen greifen Sie in Ihren Songs auf?
Georgij Makazaria: Verschiedene. Engel Mayr etwa wurde von seiner Freundin verlassen. Dieses Thema floss natürlich mit in die Arbeit ein. Ich dagegen habe mir den lange gehegten Wunsch erfüllt, meiner Frau endlich einmal ein Liebeslied zu schreiben. Das habe ich mit dem „Radio Song“ nun auch getan. Ebenso haben wir das Thema Revolution abgearbeitet. Genauso auch die Themen des Rock ‘n‘ Roll: Freude und Spaß.
Also eine Mischung aus Tiefgründigkeit und Spaß?
Georgij Makazaria: Tiefgründigkeit und Freude.
War es das erste Mal, dass Sie beide allein als Produzenten aufgetreten sind?
Georgij Makazaria: Ja, es war das erste Mal. Wir haben in der Vergangenheit ja schon mit den verschiedensten Produzenten zusammengearbeitet. Irgendwann sind wir draufgekommen, dass wir es im Grunde genommen auch selbst machen können. Das Selbstproduzieren erlaubte uns, genau das zu tun, was wir auch wollten.
Als Sie 2005 die Band gründeten, war da die musikalische Ausrichtung für Sie eigentlich schon klar? Hatten Sie eine bestimmte Vorstellung davon, wie Russkaja klingen sollte? Oder hat sich der Sound erst im Laufe der Zeit entwickelt?
Georgij Makazaria: Was Musikstile betraf, war ich eigentlich immer relativ offen. Und bin es heute noch. Ich glaube, unser Stil entsteht aus dem Songwritingprozess heraus. Durch die Instrumentalisierung der Band nimmt ein Song letztlich automatisch den für Russkaja typischen Sound an. Und der ist stilistisch eben vielfältig und aufgrund der Off-Beats, die eigentlich immer da sind, zumeist auch sehr tanzbar.
Russkaja funktioniert ja auch international sehr gut. In Deutschland und Russland genauso wie in Italien und in der Türkei. Die Leute scheinen den Russkaja-Sound eigentlich überall zu verstehen.
Georgij Makazaria: Das ist tatsächlich so. Ich bin darüber zwar immer wieder erstaunt, aber es freut mich natürlich sehr. Es ist vermutlich die positive Energie, die bei unseren Konzerten rüberschwappt, die das Publikum begeistert. Wir bringen den Leuten russische Musik für ihre Gesundheit. Schön ist auch, dass unsere Musik auf den konträrsten Festivals funktioniert. Wir sind schon auf Metal-Festivals aufgetreten, aber auch auf Reggae-Festivals. Ja, wir haben sogar auf Jazz-Festivals wie in Saalfelden und Montreux gespielt.
„Willkommen Österreich ist schon ein sehr großes Glück für uns.“
Das gelingt nicht jeder Band. Weil Sie gerade Metal erwähnt haben: Wie sind Sie eigentlich zu Napalm Records gekommen? Das ist ja das Metal-Label.
Georgij Makazaria: Napalm Records ist ein international sehr gut aufgestelltes Metal-Label. Es ist ein weltweit sehr gut aufgestelltes Metal-Label. Und deshalb sind wir hingegangen. Zudem hatte das Label Interesse an uns und es auch verstanden, dass man nicht unbedingt Metal machen muss, um total energievoll zu sein. Wir sind sehr glücklich und zufrieden darüber, wie es mit Napalm Records läuft.
Einen richtigen Schub hat für Russkaja ja die Sendung „Willkommen Österreich“ gebracht. Inwieweit beeinflusst diese Sendung Ihre Arbeit?
Georgij Makazaria: Es kommt schon öfter vor, dass man auf der Straße erkannt wird. Dann heißt es fast immer: „Das ist doch der aus dieser Sendung.“ Im Grunde genommen ist es aber recht einfach: „Willkommen Österreich“ ist unser Job. Wir sind mittlerweile über sieben Jahre Teil der Sendung und es macht uns immer noch große Freude, dabei zu sein. Du lernst viele Stars kennen, kannst Kontakte knüpfen und auch einen Blick in den Olymp werfen. Wie bei Sarah Connor, die letztens zu Gast war. Es war schon sehr toll, mit jemanden zusammenzuarbeiten, der wirklich ein Weltstar ist. Man merkt sofort, welche Attitüde, Professionalität und Persönlichkeit hinter einer solchen Künstlerin stecken. Genauso war es bei Nena und Herbert Grönemeyer. Großen Spaß hatten wir mit Helge Schneider. „Willkommen Österreich“ ist schon ein sehr großes Glück für uns.
Wie sind die Verantwortlichen für „Willkommen Österreich“ eigentlich auf Sie gekommen?
Georgij Makazaria: Es waren damals gerade erst so etwa neun oder zehn Sendungen ausgestrahlt worden. Für die Musik sorgte damals jemand, der auf einem Keyboard irgendwelche Soundsphären spielte. Das hat nicht wirklich funktioniert. Die Verantwortlichen wollten die Sendung eigentlich auch schon fast abdrehen, als dann ein neues Konzept vorgelegt wurde. Und in diesem Konzept wurden auch wir berücksichtigt. Das passierte zu einer Zeit, in der auch bei uns wahnsinnig viel los war. Wir reisten viel und spielten auf vielen Festivals. Wir waren auch schon etwas bekannter. Die Verantwortlichen dachten sich wahrscheinlich: „Eine witzige Band. Die könnte ganz gut passen.“ Und siehe da, es hat total gut funktioniert.
Wie sieht es mit Ihren persönlichen musikalischen Anfängen aus?
Georgij Makazaria: Ich wurde ja 1974 in der Sowjetunion geboren und habe eine relativ glückliche Kindheit genossen. Du hattest als sowjetischer Schüler ja auch allerlei Aktivitäten. Wie etwa das jährliche Pionier-Lager im Sommer. Ja, und bei einem solchen bin ich eines Tages – ich glaube, ich war so etwa acht Jahre alt – plötzlich in einem Chor gestanden. Der Chorleiter hat einfach gemeint: „Du bist jetzt die Hauptstimme“, worauf ich dann einfach mit einem „Okay“ geantwortet habe. Beim Elternkonzert am Ende des Jahres hat meine Mutter schließlich Tränen geweint und der Chorleiter hat zu ihr gesagt: „Der Junge hat Talent, den müssen Sie fördern.“ Ab dann ging es los. Manchmal hätte ich natürlich lieber mit meinen Freunden Fußball gespielt, aber leider blieb dafür zwischen dem Klavierunterricht, der Gehörbildung und dem zusätzlichen privaten Musikunterricht kaum Zeit.
Wann sind Sie nach Westeuropa gekommen? Und wie sahen die ersten musikalischen Schritte hierzulande aus?
Georgij Makazaria: 1989. Zuerst habe ich nahe bei Wien in der Südstadt gewohnt. Dann bin ich mit meinen Eltern nach Mitterndorf gezogen. Dort habe ich mir auch das Gitarrespielen beigebracht. Klavier zu spielen hat mich nicht mehr wirklich interessiert, auch weil ich es als Zwang empfunden habe. Es war vermutlich viel Trotz dabei. Aber Gitarre zu spielen, das hat mir Spaß gemacht. Bis heute. Ja, und dann ist eh schon die erste Band gekommen. Ich habe an der Handelsschule jemanden kennengelernt, der zu Hause ein Schlagzeug stehen gehabt hat und der meinte, ich solle doch einmal mit meiner Gitarre bei ihm vorbeischauen. Schließlich absolvierten wir unseren ersten Lokalauftritt in Wiener Neudorf. Unsere Band hieß New Village. Irgendwann kam dann eine andere Band auf mich zu und fragte, ob ich nicht bei ihnen singen möchte, was ich dann auch getan habe. Dann kam wieder eine andere Band und so weiter. So hat sich alles entwickelt.
Derzeit gibt es ja einen großen Hype um österreichische Bands. Bekommen Sie den mit? Beschäftigen Sie sich mit der Entwicklung?
Georgij Makazaria: Zwei Bands, die gerade Furore machen, also Bilderbuch und Wanda, die finde ich wirklich, wirklich geil. Vor etwa sieben Jahren, glaube ich, haben wir in Wiener Neustadt ein Konzert gespielt und vor uns ist eine damals noch unbekannte junge Band aufgetreten. Die hat so angerissen, dass wir es nicht gepackt haben. Wir sind damals aus dem Backstage-Raum raus und haben uns das Konzert live gegeben. Unser damaliger Gitarrist, der Zebo Adam, hat nach dem Auftritt die Band angesprochen und gefragt, ob er sie nicht produzieren könnte. Und das hat auch funktioniert. Die Band war Bilderbuch. Die Jungs waren damals schon so gut, wie sie jetzt sind. Mit dem Unterschied, dass sie jetzt noch tollere Songs haben. Bei Wanda war ich vor allem darüber sehr überrascht, dass es bei ihnen so schnell ging. Bei denen taugt mir, dass einfach jedes Lied von ihnen geil ist. Ich habe auch ein paar Mal die Ehre gehabt, Juror bei verschiedenen Veranstaltungen zu sein. Da habe ich von der Szene natürlich auch einiges mitbekommen. Es gibt in Österreich wirklich viele tolle Musikerinnen und Musiker, viele tolle Bands und Acts, auf die man stolz sein kann.
Vielen Dank für das Interview.
Michael Ternai
„Peace, Love & Russian Roll” erscheint am 24. Juli 2015
Russkaja live:
04.07. Holledau (D) / Open Air Empfenbach
16.07. Laško (SLO) / Pivo-Cvetje Festival
17.07. Wiesen (AT) / Two Days A Week
18.07. Dornbirn (AT) / Summer Brass
24.07. München (D) / Free & Easy Festival
25.07. Rostock (D) / Rostock Rockt
01.08. Ludwigsburg (D) / KSK Musik Open Air
02.08. Trebur (D) / Trebur Open Air
05.08. Eschwege (D) / Open Flair
07.08. Snina (SK) – Rock Pod Kemenom
15.08. Mühlheim a.d.R. (D) / Burgfolk
29.08. Szeged (HU) / SZIN Festival
04.09. St Goarhausen (D) / In Extremo Jubiläum
Fotos (c) Hans Leitner & Juppi Juppsen