Wien Modern eröffnet: „Mach doch einfach was du willst“

WIEN MODERN startet diesen Samstag ausgesprochen wienerisch mit Uraufführungen von CHRISTIAN FENNESZ, THOMAS WALLY, CHRISTIAN OFENBAUER und ANDREA SODOMKA. Neben den vier in Wien lebenden Komponist*innen steht auch Musik der in Belgrad geborenen und in Berlin lebenden MILICA DJORDJEVIĆ auf dem Programm. Nach der Eröffnung im Wiener Konzerthaus mit dem RSO WIEN unter der Leitung von Chefdirigentin MARIN ALSOP lädt WIEN MODERN in den ersten Festivaltagen in die ALTE SCHMIEDE, den ECHORAUM, die unterirdischen Kasematten im PALAIS COBURG, den DSCHUNGEL WIEN sowie zu einem Spaziergang zwischen Votivkirche, Universität und Billroth-Haus. Insgesamt warten bis Ende November rund 80 Ur- und 30 Erstaufführungen an 38 Spielstätten darauf, gehört, entdeckt und diskutiert zu werden.

Alle sagen dauernd: Tue dies und lasse das. Die Kunst sagt – nichts, monatelang. Aber was sagt sie, wenn sie plötzlich wieder etwas sagt? Sie sagt vielleicht nur: Mach doch einfach was du willst. Nach 20 Monaten der Überflutung mit Regeln und Verboten lädt Wien Modern unter der Überschrift „Mach doch einfach was du willst“ nicht ganz ohne Augenzwinkern dazu ein, sich endlich wieder mehr den wirklich wichtigen Dingen im Leben zuzuwenden.

Bild Christian Fennesz
Christian Fennesz (c) Kevin Westenberg

Fennesz, eine der Schlüsselfiguren der elektronischen Musik, verwandelt in einer immersiven Kopfhörerinstallation das Foyer des Wiener Konzerthauses in eine düstere virtuelle Klanglandschaft. Zu sehen, zu hören und zu begehen ist die Uraufführung Area: Fennesz plays Nous Sonic von Samstag 30.10. bis Mittwoch 03.11.

Ein Festivalauftakt voller Charakterköpfe, die sich trauen, zu machen was sie wollen, wird das Eröffnungskonzert Wien Modern (Samstag 30.10.). Milica Djordjević knüpft aus dem Nichts einen wunderschön kratzbürstigen Klangteppich. Thomas Wally entwirft das Gegenteil einer Dystopie. „Von wem gehen die Impulse aus? Wer dominiert das Geschehen? Fügt sich das Soloinstrument in das Gesamtsystem? Verweigert es die Teilnahme? Wenn dieses Soloinstrument nun von einer Solistin interpretiert wird, die als erste Frau in der 70-jährigen Geschichte des ARD-Wettbewerbs im Fach Trompete den ersten Preis gewonnen hat, gewinnt die Chose an zusätzlicher Brisanz.“ (Thomas Wally über die Solistin Selina Ott)

Christian Ofenbauer vollendet seinen Opernvierteiler mit einem radikalen Satyrspiel (ohne Worte), Andrea Sodomka zeigt die darin liegende Unschärfe. Kristallklar in einer simultan aufgeführten „Raumkomposition für bewegtes Licht“ ohne Töne.

Anestis Logothetis (c) Cora Pongracz

Am ersten Festivalsonntag beginnt die sechsteilige Veranstaltungsreihe zum 100. Geburtstag Anestis Logothetis. Zum Auftakt der Begegnungen mit dem am 27. Oktober 1921 geborenen Pionier der musikalischen Grafik blickt Julia Logothetis in der Alten Schmiede aus ihrer Perspektive als Malerin auf die grafischen und musikalischen Arbeiten ihres Vaters. „Anestis Logothetis baute auf eine neue Art der Kommunikation zwischen Komponist*innen und Interpret*innen, die für ihn trotz aller technischen Möglichkeiten unverzichtbar waren. Das musikalische Programm kreist um dieses Thema und präsentiert Werke, die sich im Kontinuum zwischen konventioneller Notation, indexikalischen Zeichen und rein zeichnerischen Formen bewegen“ (Alejandro del Valle-Lattanzio). Auf den Vortrag folgt ein Konzert u.a. mit Janna Polyzoides (Klavier), Dimitrios Polisoidis (Violine, Viola) und mit Studierenden der PPCM-Klasse des Klangforum Wien an der Kunstuniversität Graz. (Logothetis 100.1 und Logothetis 100.2, Sonntag 31.10.)

Die mexikanische Tradition des Tags der Toten (Día de los Muertos), an dem der Verstorbenen gedacht wird, verwandelt sich am Halloween-Abend im echoraum zur Noche de los Muertos: Physische Absenz, geistige Absenz, Nicht-Sein, Nicht-hier-Sein, Fehlen, Tod. Das institut5haus hat sechs Komponist*innen bzw. Klangkünstler*innen eingeladen, eine elektroakustische Komposition zum Thema Absenz zu produzieren: Gudinni Cortina, Christoph Herndler, JD Zazie aka Valeria Merlini, Joanna John, Christina Kubisch und Ilpo Väisänen. Im echoraum bauen die drei Kurator*innen des institut5haus dazu einen audiovisuellen Totenaltar (Santa Ausencia) – eine TV-Audio-Video-Skulptur (Billy Roisz) mit Sound-Installation (Burkhard Stangl) und Magnetic-Tape-Gewebe (Angélica Castelló). (Noche des los Muertos: The Artist is absent, Sonntag 31.10.)

Ingrid Schmoliner (c) Elvira Faltermeier

Die große immersive Klang- und Liegelandschaft Towering Silence von Ingrid Schmoliner und Adam Pultz Melbye lädt die Zuhörer*innen in die höhlenartigen Kasematten des Palais Coburg, Teil der Befestigungsanlagen der Stadt aus dem 16. Jahrhundert. Auf Futons sitzend oder liegend kann das Publikum während der beiden rund einstündigen Konzerte wie auch in der zwei Tage lang geöffneten Installation gedanklich zwischen visuellem und akustischem Eintauchen hin- und herwandern. (Towering Silence, Montag 01.11. bis Dienstag 02.11.)

In der Kindermusiktheaterproduktion Der Besuch vom kleinen Tod im Dschungel Wien ist der Tod klein, rücksichts- und liebevoll, empathisch – und ein Kind. Die Märchenoper von Klaus Lang nach dem gleichnamigen Bilderbuch von Kitty Crowther, Trägerin des Astrid-Lindgren-Gedächtnispreises, setzt Michael Scheidl (netzzeit) in Szene. Für alle ab 6 Jahren von Montag 01.11. bis Samstag 06.11.

Eruptiv, intensiv, energiegeladen und mit einem Geigenton, der seinesgleichen sucht, auf einem Instrument von Petrus Guarnerius di Mantua von 1710 – für Wien Modern lädt die wundervolle Geigerin Nurit Stark am Vorabend des Porträtkonzerts von Younghi Pagh-Paan tatsächlich zum Spaziergang. Start ist bei freiem Eintritt in der Votivkirche, anschließend Universität Wien, Arkadenhof im Hauptgebäude und Billrothhaus, Festsaal. Bitte warm anziehen. Dienstag 02.11.

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