Wien Modern (29. Oktober – 21. November) – Vorschau auf das Festivalprogramm

Bei der Wien Modern Pressekonferenz bereits Anfang Oktober im Café Heumarkt präsentierte der langjährige künstlerische Leiter des einst 1988 von Claudio Abbado gegründeten Festivals für Musik der Gegenwart und aktuelle musikalische Entwicklungen, Berno Polzer, die diesjährigen Programmschwerpunkte.  Österreichs größtes Festival auf dem Sektor Neue Musik ist eine international renommierte Plattform für Komponisten und  Interpreten. Das Festival wird vom Verein Wien Modern in Kooperation mit der Wiener Konzerthausgesellschaft und der Gesellschaft für Musikfreunde in Wien veranstaltet.

 Wermutstropfen: Nach 10 Jahren Engagement für Wien Modern, sagte Polzer, wolle er sich beruflich verändern. Damals gab es noch keinen Nachfolger für ihn, jetzt wurde Matthias Losek nominiert und es steht zu hoffen, dass er dieselben Erfolge erzielen kann wie Polzer, ohne auf “populistischere” Lösungen zu verfallen. Thomas Angyan ist bei Wien Modern für die kaufmännische Gebarung zuständig und erwähnte, dass die Zuwendungen der Stadt Wien (sie trägt den Löwenanteil) und dem Bund seit 1997, seit mehr als 10 Jahren, nicht mehr erhöht wurden und daher etwa der Musikverein aus seinem eigenen Budget zum Festival zuschießen müsse. Bereits im Vorjahr musste man die Festivaldauer auf drei Wochen verkürzen.  Gottlob gäbe es Sponsoren, doch in Zeiten der “Krise” könne man sich darauf nicht immer verlassen. Szenische Produktionen aufwändiger Natur kann sich Wien Modern oft gar nicht mehr leisten. Musikland Österreich? Musikstadt Wien? Die gute Nachricht: “Wir sind nicht vom Konkurs bedroht.”

 

Mit einem Juwel der zeitgenössischen Orchestermusik wird Wien Modern 2009 am 29. Oktober eröffnet: Unter der Leitung von Sylvain Cambreling spielen das SWR-Sinfonieorchester und das Klangforum Wien Gérard Griseys monumentalen Zyklus “Les Espaces Acoustiques”. In den folgenden drei Wochen bietet das Festival in verschiedenen Spielorten in ganz Wien  Räume für die Musik der Gegenwart.

 

 

17 Uraufführungen und zahlreiche Erstaufführungen
Unter den 17 Uraufführungen bei Wien Modern 2009 sind neue Arbeiten von Georges Aperghis, François Bayle, Bernhard Gander, Bernhard Lang, Eva Reiter und Robin Rimbaud aka Scanner. Zu den zahlreichen österreichischen Erstaufführungen zählen neue Werke von Robert Ashley, Hugues Dufourt, Beat Furrer, Helmut Lachenmann, Mauro Lanza, Ole-Henrik Moe, Olga Neuwirth und Salvatore Sciarrino.

 

Sechs jungen Komponistinnen und Komponisten hat Wien Modern überdies Kompositionsaufträge erteilt: Die Uraufführungen von Sivan Cohen-Elias, Veronika Mayer, Leah Muir, Hannes Dufek, Simon Vosecek und Jaime Wolfson werden in einer Reihe von Gesprächskonzerten in Kooperation mit dem Kunstverein Alte Schmiede vorgestellt.

 

Mit einer “noch nie da gewesenen Vielzahl von Porträts” bespiele das Neue-Musik-Festival 20 verschiedene Spielorte, hieß es. Mit dem Preis der Erste Bank geehrt wird der österreichische Komponist und Nutzer einer “Komponiermaschine” Bernhard Lang. Das Klangforum Wien spielt die Uraufführung von «Monadologie VII …for Arnold…» am 2. November im Wiener Konzerthaus. Bernhard Lang zeichnet auch für die musikalische Konzeption von «TrikeDoubleThree» der Choreografin Christine Gaigg verantwortlich.

 

Der bei uns “wohlbekannte, aber widerspenstige” Österreicher Bernhard Gander (Lienz, *1969).erhält auch einen Porträtschwerpunkt. Das Arditti Quartett spielt (Lienz,*1969).  Das Arditti Quartett spielt “Schöne Worte”, das Klangforum Wien Ganders letztes Ensemblewerk “Beine und Strümpfe”. Das Konzert mit dem ensemble on_line in der fluc Wanne am Praterstern versammelt die wichtigsten kammermusikalischen Stücke der letzten Jahre. Den krönenden Abschluss des Porträts bildet die Aufführung des von Wien Modern und dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien in Auftrag gegebenen neuen Orchesterstücks “lovely monster”, das auch beim letzten Musikprotokoll in Graz auf dem Programm stand.

 

 
Weitere Porträts gibt es zu dem außerhalb seiner Heimat Norwegen beinahe unbekannten Experimentalmusiker und Komponisten Ole-Hendrik Moe Der norwegische Geiger, Komponist und Experimentalmusiker (*1966 in Oslo) ist in
Skandinavien als Grenzgänger bekannt. Bereits als Jugendlicher hatte er engen Kontakt mit wichtigen Persönlichkeiten der internationalen Avantgarde, studierte Violine und Komposition in seiner Heimatstadt Oslo und beschäftigte sich intensiv mit Kognitionswissenschaften, Biophysik und Musikwissenschaft, bevor er in den 1990er Jahren Schüler von Iannis Xenakis wurde. Wien Modern präsentiert Ole-Henrik Moe in einem mehrteiligen Porträt, das Einblick in den schillernden Minimalismus seiner Musik gibt.

Im Fokus stehen mit Eva Reiter und Philipp Quehenberger österreichische Komponisten der jüngeren Generation. “Als edle Legierungen zwischen Elektronik und Instrumentalklang könnte man Eva Reiters  kompositorische Arbeiten beschreiben. Der vielfältigen Arbeit der 1976 in Wien geborenen Klangkünstlerin widmet Wien Modern einen dreiteiligen Fokus, der sie in all ihren künstlerischen Facetten darstellt: als Komponistin, als Interpretin (auch eigener) zeitgenössischer Werke und als Interpretin englischer Renaissancemusik. Philipp Quehenberger (*1977) ist radikaler Geräuschberserker, exzessiver Performer, umtriebige Kunstfigur und – vor allem – versierter Instrumentalist mit konsequenter Haltung. Wien Modern 2009 präsentiert Philipp Quehenberger mit zwei öffentlichen Aufnahmesessions und dokumentiert eine Reihe von Projekten und Formationen, in die der Musiker involviert ist.”

Das theatercombinat unter der künstlerischen Leitung von Claudia Bosse präsentiert die Premiere einer szenisch-akustischen Umsetzung des großen Theatertextes «bambiland» von Elfriede Jelinek mit zwölf mobilen Richtlautsprechern in der Expedithalle in der ehemaligen Ankerbrotfabrik in Wien Favoriten. Für «bambiland 08» erhielt theatercombinat 2009 den Wiener Theaterpreis NESTROY (Beste Off-Produktion).

 
Und darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von originellen Projekten. Das renommierte belgische Ictus Ensemble präsentiert mit «Liquid Room» ein Projekt, das den Charakter eines Rockfestival hat: Mehrere Stunden lang wird Musik auf drei Bühnen ohne Pause gespielt, das Publikum kann sich frei bewegen, die Säulenhalle des Semper-Depots verlassen, wieder zurückkehren. Auf dem Programm stehen Werke von Cédric Dambrain (*1979), Eva Reiter (*1976), Mauro Lanza (*1975), Fausto Romitelli (1963-2004), Yan Maresz (*1960), Mario Garuti (*1957), Lois V Vierk (*1951), Georges Aperghis (*1945), Philip Glass (*1937) und Kurt Schwitters (1887-1948). KTL, das Duo des amerikanischen Gitarristen Stephen O’Malley und des Wiener Elektronikers Peter Rehberg, gestaltet den Soundtrack zum schwedischen Stummfilmklassiker «The Phantom Carriage» aus dem Jahr 1921. Der Live-Stream des Soundtracks wird in die elektrophiliale übertragen. An drei weiteren Abenden öffnet die elektrophiliale im Gartenbaukino ihre Türen für Live-Acts und DJs.

Mit dem inhaltlichen Schwerpunkt “Televisionen” setzt Polzer auf das “oft wenig ernst genommene” Medium des Fernsehens für neue Musik. Ausgrabungen und Wiederentdeckungen” aus der vielfältigen Kooperationsgeschichte von Fernsehen und neuer Musik seit den 50er-Jahren stehen im Zentrum der Televisionen”-Reihe im brut im Konzerthaus.”

Mit dem Medium Fernsehen gearbeitet und es für die Entwicklung der Oper genutzt hat nicht zuletzt Robert Ashley, dem bei Wien Modern ein umfassendes musikalisches Porträt gewidmet ist. Seine Fernsehopern werden in voller Länge gezeigt, Ashley selbst reist mit seinem Ensemble an. Ashleys vielleicht bedeutendster Beitrag zur Musik der Gegenwart sind seine spartenübergreifenden Arbeiten, die dem Musiktheater und der Oper neue Wege gewiesen haben und deshalb auch im Zentrum des Ashley-Porträts bei Wien Modern stehen