Schon am Eröffnungsabend des diesjährigen Festival Wien Modern, bei dem Werke von Bernhard Lang, Grisey und Haas vom RSO Wien unter Cornelius Meister dargebracht wurden, konnte exemplarisch die stilistische Bandbreite des Festivals abgelesen werden. WIEN MODERN kündigte sich allerdings schon zwei Wochen davor an, und zwar mit einem „Warm-Up“ in Wiens „Elektro Gönner“.
Die Verlegung von Festivalkonzerten in Tanz- und Trinkclubs ist keine Neuheit. Sie zeugt durchaus von einem Gespür der Festivalleitung für Zeittendenzen: Musikalische Darbietungen müssen heute, auch wenn sie den an sich konservativen Anspruch auf ernsthafte Auseinandersetzungen mit musikalischen Inhalten beibehalten, keineswegs ausschließlich im geschützten Rahmen des betulichen Konzertsaals stattfinden und können durchaus als so genannte Events über die Bühne gehen. Clubs und Discos vermögen diese strengen Formate zweifellos aufzuweichen, davon konnte man sich auch bei einem Klangforum-Konzert im Fluc überzeugen lassen. Die Frage, ob solche Locations den praktischen Aufführungsanfordernissen entsprechen und ob dadurch neue Publikumsschichten dazugewonnen werden können, wäre dennoch zu hinterfragen.
Ein Augenmerk auf die Beziehung Musik zu Film
Ein besonderes Augenmerk galt heuer der Beziehung von Musik und Film: Eine Kooperation mit dem Filmmuseum zeigte positive Wirkung. Es wurden eine Reihe von Spielfilmen gezeigt, die zwischen 1941 und 2010 entstanden sind und deren Soundtrack aus Kompositionen des 20. Jahrhunderts bestand. Eindrucksvoll war außerdem das Screening im Gartenbaukino, bei dem Olga Neuwirths „film-musikalisches War Requiem“ zum vor 100 Jahren angelaufenen Antikriegs-Stummfilm „Maudite soit la guerre“ von Alfred Machin aufgeführt wurde. Zudem wurden auch im Konzertsaal filminspirierte Kompositionen wie Bernhard Langs „Monadologie XXIII For Stanley K.“ oder „MANIA“ von Reinhard Fuchs vorgestellt – letzterer bezog sich dabei auf David Lynchs Filmschaffen.
Dass aber multi-mediale Konstellationen – d. h., Projekte, die auf einem Zusammenwirken verschiedener Künste basieren – nicht grundsätzlich überzeugen müssen, konnte nicht verborgen bleiben. Beim von Enno Poppe geleiteten Projekt „Gebrauchsanweisungen (Audiovisuelle Dialoge)“ beispielsweise, das im Semperdepot zur Uraufführung gelangte, hätten titelgemäß Bilder, Musik und Gesten der Aufführenden zu einem dialogischen Setting gerinnen sollen – von einem Dialog war aber weit und breit nichts zu erkennen, vielmehr liefen die einzelnen medialen Ebenen unvermittelt nebeneinander her.
Sitcom-Oper zum Musiktheater für Kinder
Haas war einer der Schwerpunktkomponisten (ebenso wie Reinhard Fuchs: vom diesjährigen Träger des Erste-Bank-Kompositionspreises waren drei rhizomhafte Kompositionen zu hören), von dem das Arditti Quartett anlässlich seines 40-jährigen Bestehens alle acht Streichquartette zur Aufführung brachte. Als zentrales Prestigeobjekt der diesjährigen Festivalausgabe wurde allerdings Bernhard Ganders Sitcom-Oper „Das Leben am Rande der Milchstraße“ vermarktet. Es kann ihr jedoch der Vorwurf nicht erspart bleiben, den Genrecharakter einer Sitcom nicht getroffen zu haben. Das Libretto ließ eindeutig vermissen, was eine Sitcom im Kern auszumachen pflegt: die plakativ-mitreißende Story ebenso wie schlechte, aber gepfefferte Witze und eindimensional stereotype Charakteren.
Durchwegs positiv überraschten zwei für ein jüngeres Publikum konzipierte Produktionen: Das Stück „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ (Musik: Hannes Dufek) war zwar für Kinder ab drei Jahre empfohlen – aber auch Erwachsene dürften von diesem kurzen und überaus witzigen Musiktheaterstück gefesselt gewesen sein. Auch die im Radiokulturhaus von einem Ensemble mit SchülerInnen der Musikschulen Wien und Mitgliedern des Ensemble Klangforum Wien uraufgeführte Komposition von Andreas Lindenbaum führte eindrücklich vor, wie das Interesse an zeitgenössischer Musik bei der jüngsten Generation geweckt werden kann.
Nach dem ziemlich unvermittelt angekündigten Intendantenwechsel bleibt zu fragen, was von Wien Modern künftig erwartet werden kann. Veränderungen wären jedenfalls durchaus wünschenswert. Ist es beispielsweise noch opportun, auf monographische Schwerpunkte wie Porträts vornehmlich österreichischer KomponistInnen zu setzen oder wäre es nicht erkenntnisreicher, die Vielfalt der österreichischen Musikszene in einen internationalen Zusammenhang zu stellen?
Juri Giannini & Fritz Trümpi
http://www.wienmodern.at/