Wiederholt zu hören: Bernhard Lang live und auf Platte

Das Wesen der Wiederholung und seine Erforschung ziehen sich durch das Schaffen Bernhard Langs. In nächster Zeit sind etliche seiner Werke zum wiederholten Mal zu hören, unter anderem bei einer Orchesterperesonale in Prag. Aber auch die mit zwei heurigen Neuerscheinungen anwachsende Diskografie des Komponisten ermöglicht es, seine Werke wiederholt zu hören.

Bereits in den „Neuen Tänzen“ für Violine und Klavier aus dem Jahr 1985 setzt sich Bernhard Lang mit Loop-Strukturen auseinander – dass das Repetieren ein wesentliches Element seines weiteren kompositorischen Schaffens ausmachen würde, schlägt sich später auch im Titel seines Zyklus „Differenz/Wiederholung“ (DW) nieder und beschäftigt ihn in unterschiedlichen Ausprägungen auch in seinem Monadologie-Zyklus oder der aktuellen Werkreihe „Cheap Opera“. Der Bezug zu „Differenz und Wiederholung“ von Gilles Deleuze und dem Konzept der Monaden von Gottfried Wilhelm Leibnitz sind dabei selbstverständlich kein Zufall, hat Bernhard Lang neben Komposition auch Philosophie studiert. Wiederholungen kommen so nicht nur innerhalb eines Werkes zum Einsatz, sondern ziehen sich durch das gesamte Schaffen des Komponisten –  dies kann man in der kommenden Zeit nicht nur bei Uraufführungen, sondern auch bei wiederholten Aufführungen älterer Werke live erleben.

Personale „Essential Lang“ in Prag

Das Ostrava Center for New Music widmet Bernhard Lang am 16. November 2021 im DOX + Center for Contemporary Art in Prag eine Orchesterpersonale unter dem Titel “Essential Lang”. Zur Aufführung gelangen dabei anspruchsvolle Orchesterwerke aus den Zyklen DW und Monadologie mit der PKF – Prague Philharmonia mit dem internationalen Orchester Ostravská banda unter der Leitung der Dirigenten Johannes Kalitzke und Petr Kotík zusammen mit dem Bassklarinettisten Gareth Davis und dem Pianist Miroslav Beinhauer als Solisten.

„Das Hirn“. (Ur-)Aufführungen in der Schweiz

In der Schweiz gelangen in näherer Zukunft gleich mehrere Werke auf die Bühne, darunter neben Wiederaufführungen auch die Uraufführung „Das Hirn“. Aus Anlass des 100. Geburtstags von Friedrich Dürrenmatt schuf Bernhard Lang im Auftrag des Ensemble Proton Bern ein abendfüllendes musikalisch-literarisches Stück. Sarah Maria Sun verleiht dem letzten Text des Schweizer Autors „Das Hirn“, der dem Werk zugrunde liegt, Ausdruck. Zu erleben am 14. November 2021 in der Dampfzentrale Bern.

Historisch bis gegenwärtig

Historisches und Gegenwärtiges treten in den Werken Langs in eine spannende Wechselwirkung, wenn sich Bernhard Lang ältere Werke durch die logarithmische Veränderung aneignet und zu seinen eigenen verarbeitet. So auch geschehen bei Monadologie V ‘Seven Last Words of Hasan’, die gemeinsam mit 3 Intermezzi bei KAIROS in der Interpretation von Wolfram Oettl am Klavier erschienen sind. Lang greift darin auf Haydns „Die Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ zurück; gleichzeitig nimmt er im Titel auch Bezug auf Hasan – gemeint ist Hasan-e Sabbah, ein radikaler Missionar des 11. Jahrhunderts – und die dramatischen Folgen von radikaler Ideologien. Angesichts des Elements der Repetition im Schaffen Langs und in Verquickung mit politischen Bezügen sieht man sich vor die Frage gestellt, ob sich die Geschichte wiederholt. Angesichts der sich aber doch schon alleine durch die Wahrnehmung verändernden Wiederholungen könnte man antworten: „Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.“ Als Warnung davor lassen sich auch etliche weitere Werke Langs lesen.

Beim „Theater der Wiederholungen“, entstanden zwischen 2000 und 2002, setzt Bernhard Lang ein politisches Statement, indem er jedem der drei Akte eine historische „Grausamkeit“ zuordnet: dem europäischen Absolutismus, den dunklen Seiten des American Dreams und dem Zweiten Weltkrieg. In seinem jüngsten Zyklus „Cheap Opera“ widmet er sich gegenwärtigen Persönlichkeiten und Entwicklungen: Nummer 2 „Playing ‚Trump‘“ wurde heuer in Hamburg uraufgeführt; Nummer 1 der Reihe basiert auf Texten europäischer Politiker, die dem rechten Lager zuzuordnen sind. Nach der Uraufführung im November 2019 in Berlin ist eine Aufnahme davon als LP bei GOD Records erschienen, zusammen mit DW 30 „Loops for Klaus Schulze“. In der Interpretation des Synthesizer-Trios Lange // Berweck // Lorenz vereint diese Neuerscheinung politisches Statement und die stilistische Vielfalt, aus der Lang schöpft. Denn während er in Werken der Monadologie-Reihe auf Werke früherer Komponisten zurückgreift und Teile daraus mittels Computerprogrammen wiederholen und leicht verändert aneinanderreihen lässt, referenziert die Wiederholung unter anderem auch auf Popkultur und DJ-Sets – und so auch die Widmung an Klaus Schulze. Ob die Platte selbst wiederum bei DJ-Sets zum Einsatz kommt, ist derzeit noch offen, jedenfalls lassen sich die Werke so zumindest auf dem eigenen Plattenspieler wieder und wieder ihre Runden drehen.

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Termine 2021:

14. November 2021, Gent | Leeszaal Boekentoren Gent
Monadologie XXXVI Chopin 12 Etudes
Daan Vandewalle, piano
orfeo.be/events/klassiek-architectuur-boekentoren-gent/

16. November 2021, Prague | Multifunctional Hall DOX
“Essential Lang”:
DW 28 ‘Loops for Davis’ (2016)
Monadology XXXIV ‘Loops for Ludvik’ (2016)
Monadology XXXVII ‘Loops for Leoš’ (2017, rev. 2020)
www.newmusicostrava.cz/en/articles/2381-essential-lang.html
www.doxplus.cz/en

Samstag. 27. November 2021, Wien | Italienisches Kulturinstitut, Ungargasse 43 1030 Wien
DW 10a für E-Zither und Loop-Generator (2002)
Martin Mallaun
www.martinmallaun.com
www.wienmodern.at/2021-comprovise-3-3-20211127-0400-italienisches-kulturinstitut-wien-de

Samstag, 27. November 2021, Basel | Druckereihalle Ackermannshof
DW 16.4 ‘Songbook 1’ für Stimme, Saxophon, E-Gitarre, Klavier und Schlagzeug (2005/2021, UA der Neufassung)
Sarah Maria Sun, Sopran
soyuz21 – contemporary music ensemble
www.soyuz21.ch
www.druckereihalle.ch/events-ansicht-dh/events/soyuz21-songbook.html

Sonntag, 28. November 2021, Wien | Literaturhaus
Verleihung Erich Fried-Preis an Frank Witzel
Monadologie XXXII ‘The Cold Trip’ pt. II, für Klavier, Laptop und Stimme, nach Schuberts Winterreise (2014/2015, Auszug)
Cosima Büsing, Mezzo-Sopran
www.literaturhaus.at

Sonntag, 28. November 2021, Zürich | Kunstraum Walcheturm
DW 16.4 ‘Songbook I’ für Stimme, Saxophon, E-Gitarre, Klavier und Schlagzeug (2005/2021)
Sarah Maria Sun, Sopran
soyuz21 – contemporary music ensemble
www.walcheturm.ch/agenda/soyuz21-songbook

Mittwoch, 1. Dezember 2021, Wien | MuTh
‘écriture 6’ für Sopransaxophon solo (2017, UA), Gerald Preinfalk
www.muth.at/abo/lieber-ein-saxophon/

Freitag, 3. Dezember 2021, Gent | Muziekcentrum de Bijloke
GAME 2-4-5 ‘The Mirror Stage’
www.hyoidvoices.com
www.bijloke.be/programma/1739/HYOID_Bernhard_Lang/The_Mirror_Stage

Freitag, 10. Dezember 2021, Namur, Belgium| Le Delta, Ars Musica VOX
Schrift 2 für Violoncello solo (1996, Auszug)
´
Lola Malique
www.bozar.be/en/calendar/ars-musica-vox-international-contemporary-music-season

Dienstag, 14. Dezember 2021, Bern | Dampfzentrale Bern
Das Hirn für Stimme, 8 Instrumente und Video (2020, UA)
Text: Friedrich Dürrenmatt
Ensemble Proton Bern
Sarah Maria Sun, Sopran
www.ensembleproton.ch/konzerte/duerrenmatts-hirn

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Links:
Bernhard Lang
Bernhard Lang (GODrec)
Bernhard Lang (Kairos)
Bernhard Lang, mica-Interview (2017)
Bernhard Lang (music austria Datenbank)