Diese Band macht seit dem Jahr 1989 Musik: damit ist THE BASE eine der am längsten bestehenden Bands in Österreich. Gerade hat das Trio aus Graz ein neues Album veröffentlicht, Jürgen Plank hat mit Sänger Norbert Wally über „It’s All Going South“ und die Frage, die schon der Titel aufwirft, gesprochen. Was geht alles den Bach hinunter? THE BASE – neben Wally bestehend aus Karlheinz Miklin jun. am Schlagzeug und Albrecht Klinger am Bass – sind ab 5. Oktober 2024 auf Tour und präsentieren das neue Album live.
Der Albumtitel „It’s All Going South“ bedeutet so viel wie: es geht alles den Bach hinunter, es geht alles schief. Welcher Pessimismus schwingt da mit?
Norbert Wally: Der Titel ist, finde ich, nicht nur pessimistisch. Die Phrase ist eine Metapher dafür, dass alles den Bach hinunter geht. Ich sehe den Albumtitel auch im touristischen Sinne.
An Graz habe ich auch gedacht.
Norbert Wally: Gesinnungstechnisch und klimatechnisch geht es vielleicht auch Richtung Süden bzw. abwärts. Wärmer wird es auf jeden Fall auch – der Titel ist für mich nicht total aber vorwiegend pessimistisch.
Sprecht ihr jeden Einzelnen und jede Einzelne an?
Norbert Wally: Ja, wir meinen jeden und jede. Es ist auch das Älterwerden gemeint. Auch in einem körperlichen Sinn kann man „It’s All Going South“ in Bezug auf körperlichen Verfall deuten, wenn sich alles mehr in Richtung Körpermitte verlagert. Dass alles den Bach hinunter geht, ist auch so ein Standard-Jammer-Satz. Der spiegelt jetzt nicht unbedingt meine Meinung wider, sondern spricht eher ein vorherrschendes Gefühl an. Etwa, dass früher alles besser war. Das war ja gefühlt immer so. Die Aussage „It’s All Going South“ hätte man vor 30 Jahren wahrscheinlich auch schon machen können und sie wäre für die Stimmung der Allgemeinheit richtig gewesen. Dass früher alles besser war, hat man auch schon vor 100 Jahren gesagt.
Heute stimmt die Aussage aber immer weniger, denn zum Beispiel die Lebenserwartung, die medizinische Versorgung und der Lebensstandard sind – zumindest bei uns – immer besser geworden.
Norbert Wally: Ja, das stimmt heute immer weniger, denn wenn du dir die Zahlen anschaust, ist eigentlich alles besser geworden. Der Albumtitel spiegelt nicht meine persönliche Ansicht, sondern spielt mit der allgemeinen Wahrnehmung.
Und ich habe auch an den Süden der U.S.A. gedacht, wo kulturell viele Einflüsse zusammengekommen sind. Dort sind etwa Blues oder Cajun entstanden und ihr habt musikalisch dieses Mal ein paar Blues-Einflüsse am Album.
Norbert Wally: Ja, ein wenig geht es auch in diese Richtung, ein paar Nummern kokettieren sogar mit Soul-Musik, „Shoot It Up“ und „Dead People’s Music“. Wir haben uns in der Corona-Zeit mit Soul befasst, weil wir viel Zeit im Proberaum verbracht haben. Weil alle Lokale geschlossen waren, waren wir gezwungen unsere Biere im Proberaum zu trinken. Damals haben wir viel Soul gehört und Lust bekommen, in diese Richtung etwas zu probieren. Das war noch während der Produktion der letzten Platte und hat die neue Platte beeinflusst.
Was habt ihr da gehört?
Norbert Wally: Von Sly & The Family Stone bis zu neuerem Zeug von Black Pumas.
Die Nummern „Shoot It Up“ und „Dead People’s Music“ habe ich mir auch als funkige Soul-Stücke notiert. Habt ihr die Arrangements miteinander erarbeitet oder wie seid ihr da vorgegangen?
Norbert Wally: Ich habe die Nummern vorab mal als Skizzen aufgenommen und Vorschläge gemacht und habe Karl gebeten, sich mit ein paar klassischen Soul-Drummings zu beschäftigen. Wir haben es dann stilistisch nicht ganz so strenggenommen. Unser Soul ist dann doch etwas verschmutzt und punkig. Fabio Schurischuster, der uns aufgenommen und gemischt hat, hat da einige Inputs geliefert. Wir haben nicht staubtrocken gemischt und gemastered. Sondern eher mittig, mit leichten Verzerrungen auf den Stimmen und den Instrumenten.
Denkst du bei „Dead People’s Music“ an die alten Blues-Musiker:innen, die nicht mehr leben oder eher an den so genannten „Klub 27“, also an Musiker:innen wie Janis Joplin und Jim Morrison, die alle im Alter von 27 Jahren gestorben sind?
Norbert Wally: Ja, an alte Blues-Leute. Wenn man selbst um die 50 Jahre alt ist, bemerkt man, dass im Plattenregal die Hälfte der Platten von Interpret:innen stammt, die nicht mehr auf der Welt sind. Diese Erkenntnis hatte ich auch. Da sind auch Kinder recht hilfreich, meine sind so zwischen 23 und 26 Jahren alt und hören neuere Musik. Die treten dem alten Papa ein bisschen in den Arsch und sagen, dass es auch neue, gute Musik gibt. An den „Klub 27“ denke ich auch, sicher: Hendrix, Kurt Cobain, Jim Morrison. Auf social media gibt es immer wieder zusammengestellte Poster mit Leuten aus dem „Klub 27“ und so wird man noch mehr auf diese Idee gebracht. Und da geht es dann auch um die Diskussion, dass die Musik früher besser und toller war. Das ist eine Diskussion, die man in den sozialen Medien verfolgen kann: wie super die Musik geklungen hat. Mir ist es durchaus bewusst, dass es heute mindestens genauso viel gute Musik gibt wie damals. Unser Song spielt auch mit dieser allgemeinen Verklärung.
„BOWIE IST SICHER EIN UNBEWUSSTER EINFLUSS“
David Bowie ist ebenfalls bereits verstorben, euer Lied „That’s Me In A Spaceship“ hat mich an seine Musik erinnert.
Norbert Wally: Ich habe dabei nicht direkt an Bowie gedacht, aber ich habe natürlich seine Musik oft gehört und schon bei Bowie-Nights gesungen. Bowie ist sicher ein unbewusster Einfluss. Aber ich bin nicht hergegangen und wollte einen bowiesken Song schreiben. Kurz nach seinem Tod, zirka im Jahr 2016 oder 2017, gab es in ganz Österreich Tribute-Abende und ich war da mit dabei. Ich war da gezwungen mich gesanglich mit Bowie auseinander zu setzen: stimmlich war alles eine Quint tiefer gelegt. Bei einem der Abende, in der Arena in Wien, war sogar eine Ex-Freundin von David Bowie dabei, die es mir zugestanden hat, Bowies Lieder zu singen. Das war eine Ehre für mich.
Was ist dir bei der Beschäftigung mit Bowies Stimme aufgefallen?
Norbert Wally: Bowie ist gesanglich sehr komplex. Eine Facette seiner Stimme ist der sonore Klang, als er nämlich angefangen hat, in tieferen Lagen zu singen. Ich meine da nicht die Phase mit Platten wie „Ziggy Stardust“ oder „Hunky Dory“, sondern spätere Phasen. Das ist meiner Meinung eine Art zu singen, die er sich ein bisschen von Iggy Pop abgeschaut hat, der ja gemeinsam mit Bowie zum Beispiel „China Girl“ geschrieben hat. Da hat Bowie in sich den Bariton entdeckt. Das hat er vor der Begegnung mit Iggy Pop nicht gehabt.
Ihr spielt seit rund 35 Jahren, was waren für dich Highlights im Rückblick?
Norbert Wally: Ein Highlight war sicher das Konzert, das wir gemeinsam mit Element Of Crime im Burgtheater gespielt haben. Das war zirka im Jahr 2012. Im Jahr 2016 hatten wir eine coole Aktion im Rahmen des Festivals Lendwirbel: Wir haben am Dach eines Schuhgeschäftes gespielt, darauf sprechen mich noch immer viele Leute an. Das Video von „Where’s your VJ“ wurde auch auf diesem Dach aufgenommen. Die alljährlichen Parkhouse-Konzerte im Stadtpark von Graz sind auch Highlights. Es hat sich so eingespielt, dass da echt Tausende Leute hinkommen. Das nimmt mittlerweile irre Dimensionen an und fühlt sich absurd gut an.
Deiner Erfahrung nach und als Tipp für junge Musiker:innen: was kann man als Band überhaupt anstreben? Oder macht man einfach weiter und die Highlights ergeben sich dann?
Norbert Wally: Meine beiden Söhne spielen ja bei Kobracasino und die sind in vielen Belangen erfolgreicher als The Base. Etwa in Bezug auf Instagram-Follower:innen und Spotify-Hörer:innen, da sind wir ganz schlecht und das sind für uns nur zwei von vielen Parametern. Die Follower:innen sind für uns nicht wirklich eine Kategorie, aber es ist verständlich, dass das für die Musikindustrie ein messbarer und ablesbarer Wert ist. Früher hat es das nicht gegeben, da war es noch ein wenig romantischer und verklärter, ob man eine gute Band ist oder nicht. Jetzt ist es auch für Veranstalter:innen und Medien wichtig, möglichst viele Follower:innen zu haben.
Für das wirtschaftliche Überleben einer Band ist es sowieso wichtig. Das hat sich verändert, der Zugang ist wirtschaftlicher und das macht die Jugend intuitiv viel besser als wir. Wir denken darüber überhaupt nicht nach und ich kann nicht sagen, ob das richtig oder falsch ist. Aber es ist uns offenbar nicht so wichtig und ich glaube, Meilensteine und Erfolge sind sehr schwer planbar. Wenn man Erfolg so definiert, dass man seit geraumer Zeit Musik miteinander auf wachsendem Level macht und davon zum Teil auch leben kann, lasse ich das als Erfolg schon gelten. Vor allem, wenn man sich dabei nicht verbiegen muss.
Nimmst du etwas von deinen Söhnen als Anstoß mit?
Norbert Wally: Ja, sie haben jetzt im Rahmen einer Tour ein paar Konzerte in der Steiermark gespielt und es ist schon immer herzig, sich das anzuschauen. Es ist schön die Begeisterung zu sehen, dadurch wird man selbst nicht faul und bequem und spürt auch selbst wieder den Hunger, Musik zu machen. Das war für mich schon inspirierend.
„WIR KÖNNEN FAST NUR LIVE EINSPIELEN, ALLE IN EINEM STUDIO-RAUM“
Ihr habt ja immer wieder die Studios gewechselt, auch in Slowenien aufgenommen. Wie war es bei diesem Album?
Norbert Wally: Dieses Mal haben wir wie beim letzten Album im Studio in Graz mit Fabio Schurischuster als Tontechniker aufgenommen. Wir können fast nur live einspielen, alle in einem Studio-Raum. In Slowenien haben wir ohne Overdubs gearbeitet, so streng waren wir dieses Mal nicht. Wir haben auch ab und zu eine zweite Gitarre drübergelegt und wir haben zu zwei Nummern den Orgelspieler Gunther Schuller eingeladen. Die Arrangements sind noch immer nicht besonders opulent. Es gibt nicht wahnsinnig viele Stimmen, das Album klingt nur sehr dicht, weil es so gemischt ist. Die Sounds, die da manchmal heraussprudeln, das sind einfach Effekte auf einzelnen Spuren, die nochmals bearbeitet worden sind.
Habt ihr Fabio beim Bearbeiten und Mischen der Aufnahmen freie Hand gelassen?
Norbert Wally: Ja, genau. Da haben wir bei Fabio die Leine ein bisschen länger gelassen und er hat an den Liedern gebastelt, das war schon ein Experimentieren. Einen Bass oder auch ein Schlagzeug von uns, auch meine Stimme erkennt man einfach. Es klingt alles so stark nach The Base und hat einen großen Wiedererkennungswert, sodass man sich genre-mäßig relativ weit hinauslehnen kann. Das Spiel war auch: Wie weit kann man sich genre-mäßig wegbewegen und noch immer erkennbar bleiben.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
++++
The Base live
05.10.2024: Kammerlichtspiele, Klagenfurt
19.10.2024: Detroit (Helmut List Halle), Graz
02.11.2024: Chelsea, Wien
14.11.2024: Stadtwerkstatt, Linz
20.02.2025: Rockhouse, Salzburg
21.02.2025: Kino, Ebensee
21.03.2025: Zentralkino, Wiener Neustadt
22.03.2025: Kino im Kesselhaus, Krems
++++