„Wichtig ist uns, Leute mit dem, was wir machen, zu begeistern!” – LOUIE’S CAGE PERCUSSION im mica-Interview

Der Name ist ein Wortspiel aus „John Cage“ und „King Louie“, dem singenden Affenkönig aus dem „Dschungelbuch“. Nur logisch, dass die offizielle Gründung des Ensembles beim Affenkäfig in Schönbrunn stattfand. Bei den sechs Musikern von LOUIE’S CAGE PERCUSSION handelt es sich um ein Ensemble abseits der Norm. Bei ihren Konzerten wird musikalisch nichts ausgelassen und mit viel Rhythmus, Bewegung, Schauspiel und Gesang wird dem Publikum eine einmalige Geschichte erzählt. Karolina Ellinger sprach mit FLORIAN KLINGER und DOMINIC FEICHTINGER über Geschmack, Kunst und nicht zuletzt MARTIN GRUBINGER.

Wie entstand das Projekt Louie’s Cage Percussion?

Dominic Feichtinger: Kennengelernt haben wir uns einfach in der Musikwelt, das kann man so zusammenfassen. Anfangs habe ich nur Joachim [Murnig; Anm.] gekannt und dieser sagte eines Abends zu mir, er nehme mich jetzt zu einem Konzert mit, zum lustigsten Schlagzeuger, den er in Wien kenne. Das war Sebastian [Brugner; Anm.]. Nachdem wir uns gemeinsam das Konzert angehört hatten, sind wir mit Sebastian noch einen trinken gegangen und dort ist dann der Flo dazugekommen. Und so kam es, dass wir dann auf einmal alle an einem Tisch gesessen sind und einander dort kennengelernt haben. Aus ganz vielen verrückten Ideen ist dann in weiterer Folge das Projekt entstanden.

Florian Klinger: Ich denke auch, da wir ja alle klassisches Schlagwerk studiert haben und die Solo- und Ensembleliteratur meiner Meinung nach relativ einseitig ist, waren wir alle auf der Suche nach etwas Neuem. Nichts von dem, was auf der Uni angeboten wird und wir dort lernen können – wir wollten einfach das machen, was uns Spaß macht, was ganz viel Verschiedenes ist. Und das macht uns auch aus, weil uns so viele verschiedene Sachen interessieren und wir alles einbringen.

Wie erklären Sie jemandem, der noch nie in einem Konzert von Louie’s Cage Percussion war, was dort passiert?

Florian Klinger: Musikperformance würde ich als Überbegriff nennen. Das umfasst Musik, Schauspiel, Kabarett. Bisschen Tanz, bisschen Gesang. Und eine Visual Show.

Dominic Feichtinger: Es ist eine Musikshow. Das Wort „Show“ trifft es wahrscheinlich ganz gut.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

„Wir wollen nicht in Genres denken […]“

Und am Programm steht?

Florian Klinger: Wir spielen von–bis, was uns sehr wichtig ist, bei uns hörst du Wagner und dann aber auch Drum ’n’ Bass. Es ist für Veranstalterinnen und Veranstalter oft schwer, uns in einen Zyklus, sei es nun klassisch, modern oder Jazz, einzuordnen. Aber wir erfahren, dass es dem Publikum total egal ist. In unserem Publikum sitzen interessierte Leute aus allen Genres und Altersgruppen. Von Kindern bis zur Oma, und das ist auch, was uns gefällt. Wir wollen nicht in Genres denken, weil … Ich bin da [Volksoper Wien; Anm.] als klassischer Schlagwerker engagiert, war letztes Jahr in New York und habe Jazz studiert. Der andere geht jeden Tag in einen Club und hört sich Deep House an und dann … Das ist einfach das, was da rauskommt.

War es von Anfang an klar, dass es ein audiovisuelles Programm wird?

Florian Klinger: Die Visuals sind eigentlich erst nach unserem ersten kleinen öffentlichen Auftritt gekommen. Dort hat uns unser jetziger Visualist gesehen und darauf angesprochen, dass er Ideen habe, uns visuell zu unterstützen.

Dominic Feichtinger: Grundsätzlich war die allererste Idee, eine Schlagzeug-Oper zu schreiben und uns selbst in verschiedenen Rollen zu inszenieren, mit Wotan und Co. Daraus sind aber immer mehr einzelne Sketches geworden und so ist in der Folge das Programm „Sketchbook“ entstanden, das erste Programm mit ganz vielen einzelnen Ideen.

„Sketchbook“ ist sehr lebendig gestaltet – muss man als klassisch ausgebildeter Musiker das Unterhalten erst lernen?

Dominic Feichtinger: Unsere Regisseurin Sigrid Hauser hilft uns da sehr, weil sie vom Schauspiel kommt und wir ganz viel von ihr lernen können. Wir haben ohne sie begonnen und haben einfach mal das gemacht, was wir uns gedacht haben, ohne viel zu überlegen, und haben seither sehr viel dazulernen können. Auch das zweite Programm wollen wir wieder mit ihr machen. Parallel zu dem, was wir sowieso spielen und üben, nehmen wir auch Gesangsunterricht als Ensemble, was sehr lustig ist, und eben auch Schauspiel bei Sigrid. Wir haben einige Baustellen.

Gibt es schon Pläne nach „Sketchbook“?

Florian Klinger: Derzeit arbeiten wir an einem ganz anderen Programm. Wir machen ein, ich möchte es nicht „Elektronikprogramm“ nennen, aber wir versuchen, elektronische Musik mit akustischen Instrumenten herzustellen. Teilweise kommt das bei unserer „Sketchbook“-Show schon vor, aber anders als jetzt wollen wir in Clubs spielen oder auf Festivals. Parallel arbeiten wir aber auch an einem Nachfolgeprogramm von „Sketchbook“, wo jeder von uns gerade seinen Teil davon komponiert und schreibt.

[…] auch wenn wir einen Pop-Song spielen, ist das für mich trotzdem Kunst.“

„Kunst küsst Kommerz: spielen, was gefällt.“ Wie stehen Sie zu diesem Thema? Wie viel Kommerz ist erlaubt, um es noch Kunst nennen zu dürfen?

Florian Klinger: Das ist einfach schwer, ich bin der Meinung, das sollte jeder für sich entscheiden. Ich finde überhaupt, diese Unterteilung in U- und E-Musik ist ein Schwachsinn. Wozu eine Einteilung von Musikrichtungen?

Dominic Feichtinger: Das ist eben das, womit wir brechen wollen. Deshalb nehmen wir auch alle möglichen Musikrichtungen in unsere Show rein. Wir haben diskutiert, was „gute“ und „schlechte“ Musik ist, aber letztlich sind wir alle zu dem Schluss gekommen, dass es die nicht gibt. Für jeden ist etwas anderes gute Musik und genau deshalb wollten wir alles bei uns reinnehmen, ohne zu unterteilen. Weil sich auch jede und jeder im Publikum für etwas anderes interessiert, weil für jede und jeden etwas anderes Kunst ist.

Florian Klinger: Zum Beispiel diese Boomwhacker-Nummer. Im Nachhinein könnte man sagen: „Die verkaufen sich jetzt für möglichst viele Klicks.“ Der Ursprungsgedanke war: „Das macht einfach Spaß!“ Es macht viel Spaß beim Spielen, es ist extrem herausfordernd, was vielleicht nicht auf alle so wirkt, da die Melodien grundsätzlich einfach gestrickt sind. Aber ich bin der Meinung, auch wenn wir einen Pop-Song spielen, ist das für mich trotzdem Kunst. Wichtig ist uns, Leute mit dem, was wir machen, zu begeistern!

Dominic Feichtinger: Wir machen uns Gedanken, wie wir das jetzt transportieren, was wir gerade auf der Bühne für uns erfahren, damit es das Publikum auch erfahren und miterleben kann. Aber es ist nicht so, dass man sich denkt: „Wie kann ich den Witz jetzt am besten erzählen, damit die Leute lachen?“ Wir machen einfach das, worauf wir Lust haben, was uns gefällt …

Florian Klinger: … und hoffen, dass die Leute das auch lustig finden.

Bild Louie’s Cage Percussion
Louie’s Cage Percussion (c) Severin Koller

Richtet sich Louie’s Cage Percussion an eine bestimmte Zielgruppe?

Florian Klinger: Veranstalterinnen und Veranstalter fragen uns oft nach unserer Zielgruppe, was immer schwer ist. Wenn ich Indie Rock mache, dann habe ich eine gewisse Zielgruppe und dann mache ich auch Musik für diese. Was jetzt natürlich mit diesem Elektroprogramm, an dem wir gerade schreiben, passieren wird. Da werden einfach junge Leute kommen, was natürlich auch ein Ziel ist.
Vielmehr aber ist unser Ziel, dass wir beispielsweise im Flex oder in der Grellen Forelle spielen und dann sagen die Besucher dort: „Hey, Louie’s Cage, das hat mir getaugt.” Danach spielen wir in der Volksoper, dort kommen die dann auch hin, das gefällt ihnen auch und dann kommen sie vielleicht zu einer anderen Vorstellung in der Volksoper und sitzen dann vielleicht auf einmal in einer Oper drin.

Martin Grubinger hat das Schlagwerk als Soloinstrument bekannt gemacht, haben Sie den Eindruck, dass es in der allgemeinen Wahrnehmung mittlerweile selbstverständlicher ist, wenn ein Schlagwerkensemble ein Konzert spielt?

Dominic Feichtinger: Definitiv ja! Es ist sicher so, dass gerade er einen riesen Teil dazu beigetragen hat, Schlagzeug bzw. Schlagwerk salonfähig zu machen, und es deshalb immer bekannter wird. Die Allgemeinheit weiß jetzt schon eher, was ein Marimbaphon ist, was Stabspiele sind. Es wird natürlich auch innerhalb der Schlagzeugwelt viel diskutiert, ob das jetzt super ist, was er macht, oder nicht. Ich glaube, egal wie man zu ihm steht, man muss als Schlagzeugerin bzw. Schlagzeuger dankbar sein, dass er seine Musik so verbreitet hat und in alle Welt trägt.

Florian Klinger: Interessant und auch kontrovers ist, dass er einfach ein Monopol ist und hat, etwas, was es vor allem auch in der klassischen Musik nicht gibt. Wenn du irgendwen auf der Straße nach einem Violin-Solisten fragst, dann wird der nicht antworten, dass es nur den einen gibt. Und am Schlagwerk gibt es aber einen. Das ist gut für ihn, aber für uns natürlich … Es ist halt immer so, dass wir von der Bühne runterkommen und jemand sagt: „Ja, und wenn du dann mal groß bist, spielst auch einmal beim Grubinger!“ [lacht].

Und wie fallen die Reaktionen im Netz aus?

Florian Klinger: Dieses Boomwhacker-Video im Internet – ich habe letztens gezählt: Insgesamt haben wir 138 Millionen Views. Das sind schon Dimensionen, die einfach abnormal sind.

Dominic Feichtinger: Das ist schon etwas Spezielles, es gibt nicht so viele Videos mit dieser Anzahl an Klicks. Und da gibt‘s die verschiedensten Rückmeldungen. Auch extreme.

Florian Klinger: Von meinem Soloprojekt kenne ich es eher so: Online bewegt man sich in einem Umkreis, der irgendwie auch noch zu dir gehört. Auch wenn das der Freund vom Freund vom Freund ist. Aber dieses Video ging um die Welt, da kommentieren Leute, die dich nicht mehr kennen. Und dann kommen auch Hasspostings, total schräg, es kommen Nachrichten und herablassende Kommentare.

Dominic Feichtinger: Aber wir alle versuchen, uns damit nicht zu sehr zu befassen. Der Grundton ist schon sehr positiv und den Leuten macht es Spaß. Die negativen Kommentare müssen wir dann einfach ausblenden.

Florian Klinger: Das muss man eh mit Humor nehmen, aber schräg ist es schon. Was auch lustig war: Die Blue Man Group hat eine Nummer, bei der sie auf PVC-Röhren spielt. Und bei unserem Boomwhacker-Video ist extrem oft gefallen: „Das ist die Blue Men Group ohne Schminke.“ Und dann schreiben einige: „Ja, ja, das sind die, ich kenn die!“ Und dann kommentiert jemand darunter: „Na, das sind die nicht, könnt ihr nicht lesen? Dort oben steht der Name der Band!“ Sowas ist total schräg.

Dominic Feichtinger: Leute stecken andere Leute einfach gern in Schubladen. Aber das ist eh genau wieder das, worüber wir vorhin geredet haben. Es ist super, wenn die Leute verwirrt sind und eigentlich nicht wissen, wohin mit uns.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Karolina Ellinger

Nächster Konzerttermin:
14.2.2018: Sketchbook – Volksoper Wien
https://www.volksoper.at/produktion/louies-cage-percussion-2017.968916647.de.html


Links:

Louie’s Cage Percussion
Louie’s Cage Percussion (Facebook)