Sie kennen sich aus Schulzeiten, haben sich zwischendurch aus den Augen verloren, und gründeten aber schlussendlich 2018 unter dem Namen PEACH TINTED ein gemeinsames Bandprojekt: Emil Paiker und Louis Springer bringen aktuell frischen Wind in die österreichische Indie-Szene. Geprägt von Falsettstimme und 80er-Jahre Discobeats produzieren die beiden Songs, die an Nostalgie kaum zu überbieten sind. Welche Geschichten hinter den beiden EPs stecken, durch welches prägende Ereignis die Band überhaupt entstanden ist und warum das Erstellen von Listen eine bedeutende Rolle in ihren Arbeitsprozessen einnimmt, hat das Duo im Interview mit Katharina Reiffenstuhl erzählt.
Ihr kennt euch, seit ihr 10 Jahre alt seid. Hat diese Verbindung zwischen euch immer schon bestanden oder kam die erst mit der Zeit bzw. mit der gemeinsamen Musik?
Louis Springer: Das war eine sehr interessante Entwicklung. Anfangs waren wir in der Schulzeit gar nicht so gute Freunde. Wir haben dann später mit 15 begonnen, gemeinsam in einer Punk-Band zu spielen. Aber auch da waren wir eigentlich nicht so eng. Das ist erst entstanden, als wir dann später gemeinsam Zivildienst gemacht haben. Drei, vier Jahre später haben wir dann begonnen, gemeinsam Beats zu machen und so haben wir da quasi zueinander gefunden.
Emil Paiker: Es war auf jeden Fall in dieser Zivildienstzeit, wo wir uns angefreundet haben. Dann war aber wieder Pause, weil der Louis im Ausland war. Da haben wir uns nicht gesehen. Da hatte ich alleine ein Musikprojekt. Der Louis ist dann einmal ins Studio gekommen und hat gesagt: „Willst du nicht das und das so machen?”. Normalerweise war ich gewohnt von meinen anderen Freunden, die auch alle Musik machen, dass mich die Tipps nicht so überraschen. Aber der Louis hatte irgendwie eine ganz neue Perspektive auf den einen Beat, an dem ich gerade gearbeitet habe. Das hat mich extrem überrascht. Dann habe ich gesagt: „Hier, nimm die Gitarre, und spiel du es ein”. Er wollte zuerst nicht und dann hat er aber gemeint “Ja machen wir” und im Endeffekt ist es einfach super cool geworden. Da habe ich mir sofort gedacht, wir müssen das öfter machen, und so hat das angefangen. Wir sind dann natürlich auch bessere Freunde geworden, weil wir uns dann viel mehr gesehen haben.
„DADURCH, DASS WIR UNS SO GUT KENNEN, GIBT ES NATÜRLICH AUCH VIELE ROUTINEN UND ES FÄLLT DANN OFT SCHWER, RAUSZUZOOMEN UND EINE NEUE PERSPEKTIVE EINZUNEHMEN“
Würdet ihr sagen, dass es manchmal schwierig ist, wenn man in so einer engen Freundschaft gemeinsam arbeitet?
Louis Springer: Das hat Vor- und Nachteile. Wir kennen uns halt wirklich gut, wir wissen, wann wir gemeinsam am produktivsten sein können und was wir machen müssen, um uns gegenseitig produktiv zu machen. Man kann ja auch nicht immer gut drauf sein, es gibt Tage, wo man ein bisschen mehr Ruhe braucht, Tage, wo man mehr Energie hat. Ich glaube, wir können uns da gegenseitig sehr gut lesen und verstehen, wann wir gemeinsam arbeiten können. Es gibt ja auch immer ganz unterschiedliche Dinge, an denen wir arbeiten müssen, wie Songtexte schreiben, aufnehmen, editieren. Je nachdem, wie wir uns fühlen, arbeiten wir an unterschiedlichen Dingen. Aber andererseits, dadurch, dass wir uns so gut kennen, gibt es natürlich auch viele Routinen und es fällt dann oft schwer, rauszuzoomen und eine neue Perspektive einzunehmen. Weil wir schon so ein eingespieltes Team sind.
Wer von euch hat eigentlich die Idee geboren, die Band PEACH TINTED zu nennen? Warum ist es genau diese Farbe geworden?
Emil Paiker: Wir haben auf jeden Fall gemeinsam Namen überlegt.
Louis Springer: Und eine lange Liste erstellt. [lacht]
Emil Paiker: Oh ja. Der Louis erstellt immer sehr lange Listen zu vielen Themen. Das ist so auch leichter für uns beide, weil wir dann viel demokratischer alles entscheiden können, wenn man da etwas vor sich hat und sehen kann. Aber wie auch immer, der Name “peach tinted” war nicht auf der Liste. Auf der Liste waren Ideen, und da war zum Beispiel eine Idee “looking at life through rose tinted glasses”. Das fanden wir beide sehr schön.
Louis Springer: Ja, dieser Gedanke, dass man eine verzerrte Sicht auf das Leben und auf die Vergangenheit hat, weil unsere Musik das auch oft widerspiegelt. Unsere Musik ist oft dieser Kontrast aus Euphorie und Nostalgie. Und das Zurückblicken, wie zum Beispiel in dem Track “Cinematic Youth”, wo wir unsere Schulzeit reflektieren und uns denken: „Scheiße, in unserer Jugend haben wir vielleicht Dinge verpasst”. Aber andererseits diese Euphorie, dass man sagt: „Es geht nicht mehr nur um die Vergangenheit und dem nachzuweinen”, sondern dass man auch ein bisschen was Neues macht, sich aufrappelt und nach vorne blickt. Deswegen habe wir die Farbe dann von “rose tinted” zu “peach tinted” geändert. Weil der Pfirsich so ein Sommersymbol ist, etwas, nach dem man sich sehnt, etwas, das irgendwie in der Zukunft passiert.
Ihr betreibt auf eurer Webseite so eine Art Blog, der so ein bisschen durch euer Leben mitnimmt. Ist das quasi euer Band-Tagebuch?
Emil Paiker: Es ist ein sehr grob geschriebenes Tagebuch. Wir fassen da immer gewisse Zeiten zusammen, aber es ist eigentlich hauptsächlich dafür gedacht, dass Leute, die uns hören, mehr Informationen über uns herausfinden und mehr über uns erfahren können.
Louis Springer: Es gibt ganz unterschiedliche Stages von Fans, die uns hören. Es gibt Leute, die uns nur auf Spotify hören, es gibt Leute, die uns auf Instagram sehen, und dann gibt es Leute, die noch eine Spur mehr interessiert sind und wissen wollen, was wir für Menschen sind, was wir in unserer Freizeit machen und was unser Hintergrund ist. Genau für dieses Publikum ist dann der Blog. Und abgesehen davon tut es auch einfach extrem gut, Sachen niederzuschreiben. Es ist sehr angenehm, sich hin und wieder hinzusetzen, den Kopf zu leeren, zu reflektieren und darüber nachzudenken, was wir so in der letzten Zeit gemacht haben, worauf wir stolz sind, was schwierig war. Und das dann mit anderen zu teilen.
„EIGENTLICH GIBT ES KAUM EINEN SCHRITT IN UNSEREM WORKFLOW, WO JEMAND ETWAS ALLEINE MACHT“
Setzt ihr euch dann wirklich gemeinsam hin und macht das? Oder wie wird das festgelegt, was da hineingeschrieben wird?
Emil Paiker: Wir machen wie bei allen Dingen eine Liste und schreiben mal in Stichworten auf, was wir erlebt haben. Dann setzen wir uns gemeinsam hin und beginnen, loszuschreiben. Der letzte Post war das beste Beispiel, da haben wir beide gleichzeitig im GoogleDocs getippt und das ist dann einfach so entstanden. So arbeiten wir grundsätzlich immer.
Louis Springer: Sehr organisch und eigentlich fast immer gemeinsam.
Emil Paiker: Ja. Und eigentlich gibt es kaum einen Schritt in unserem Workflow, wo jemand etwas alleine macht. Sei es bei der Musik, sei es bei anderen Dingen wie dem Blog oder der Webseite. Wir machen wirklich fast alles gemeinsam und das finden wir gut so.
Eure zweite EP, die ihr letzten Sommer veröffentlicht habt, klingt nach meinem Empfinden viel fröhlicher und positiver als die erste. Woran liegt das, spielen da eure Stimmungslagen mit hinein?
Louis Springer: Ja, schon sehr stark. Also die Musik ist absolut der Spiegel unserer Emotionen, zu dem Zeitpunkt, wo wir sie schreiben und daran arbeiten. Das Jahr, wo wir die erste EP aufgenommen haben, war generell ein sehr schwieriges Jahr für uns. Das war ein Übergangsjahr, studien- aber auch beziehungstechnisch. Deswegen war die erste EP etwas schwerer vom Sound her, auch weil die erste EP deutlich mehr von vergangenen Erinnerungen geprägt war. Wir haben sozusagen die gesamte Altlast, die wir mitgeschleppt haben, ganz am Anfang in diese EP reingepackt und wollten das loswerden. Deswegen ist das eher ein trauriger, melancholischer Sound, den wir da drin haben.
„MAN MUSS DIESE ENERGIE, DIE MAN IN DIESEM MOMENT HAT, SEI ES EINE NEGATIVE ODER EINE POSITIVE, UMMÜNZEN IN MUSIK“
Aber interessanterweise haben wir die Songs, die in der zweiten EP drinnen sind, zum selben Zeitpunkt geschrieben. Wir haben nur erst viel später daran gearbeitet. Einerseits war es nicht der richtige Moment, um daran zu arbeiten, andererseits hatten wir mit der ersten EP genug zu tun. Aber für die zweite EP war das gesamte Setting viel fröhlicher. Ich finde, man darf sich da nicht selbst im Weg stehen und sagen: „Jetzt müssen wir einen fröhlichen Song aufnehmen”, obwohl man eigentlich nicht fröhlich ist. Man muss diese Energie, die man in diesem Moment hat, sei es eine negative oder eine positive, ummünzen in Musik.
Weil ihr gerade gesagt habt, dass ihr die Songs der zweiten EP schon damals geschrieben und erst später daran weitergearbeitet habt: Macht ihr bei euren Songs alles selbst – vom Texten bis zum Mastering?
Emil Paiker: Wir machen absolut alles selbst. Das wollen wir auch so beibehalten. Also es sind nicht fehlende Connections oder irgendetwas, wo wir sagen: „Später lassen wir das von jemand anderem machen”, sondern wir sind sehr froh darüber, dass wir alles selbst machen können. Es ist so viel natürlicher und organischer für unseren Sound, dass alles von uns kommt.
Louis Springer: Es ist natürlich mehr Arbeit, vor allem am Anfang, weil wir halt viel dazulernen mussten, welche Software wir benutzen, und generell so ein Gefühl fürs Mixing zu bekommen, war irrsinnig schwierig am Anfang. Zu wissen, was muss wie laut sein, gute Referenzen zu anderen Musikern und guten Songs zu finden und zu wissen, wie das dann klingen muss. Aber ich glaube, das Ergebnis ist sehr wertvoll, weil wir die komplette Kontrolle darüber haben, wie wir klingen. Auch, wenn es nicht absolut perfekt ist, entwickeln wir dadurch unseren eigenen Sound, den nur wir haben. Und das Mixing ist genauso Teil davon wie das Recording selbst, oder das Schreiben des Songs.
Welcher von diesen Prozessen würdet ihr sagen ist bei euch der langwierigste?
Emil Paiker: Auf jeden Fall das Mixing und das Mastering. Das Schreiben geht unfassbar schnell.
Louis Springer: Ja, ganz klar. Wenn wir uns an einem Tag gut fühlen, die Energie haben und inspiriert sind, dann setzen wir uns hin und haben innerhalb von wenigen Stunden das Gerüst eines Songs gebaut.
Emil Paiker: Das Mixing und Mastering dauert im Vergleich dazu super lange, da sitzen wir dann ein paar Monate an einem Song, bis wir sagen: „Okay, jetzt wird es nicht mehr besser”.
Seid ihr da sehr perfektionistisch, also tut ihr euch schwer, dem dann ein Ende zu setzen?
Emil Paiker: Perfektionismus ist ein schwieriges Wort, weil man damit sagt, dass es perfekt ist. Da haben wir unterschiedliche Meinungen, glaube ich. Für mich war noch nie etwas perfekt. Wenn ich halt dasitze und unseren Song mit anderen vergleiche, da kann ich immer etwas finden, was man noch besser machen könnte.
Louis Springer: Man kann Songs immer weiter verbessern. Ich würde auch nicht sagen, dass es perfekt ist. Es ist eher so, dass wir einen oder mehrere Songs dann schon so oft gehört haben, dass ich persönlich es nicht mehr hören kann und mir denke “Es ist jetzt gut genug”. Man kann sicher noch irgendetwas ändern, aber diese Entwicklungskurve ist schon so flach, dass es sich nicht mehr auszahlt. Man kann die Sachen auch zu sehr bearbeiten. Wenn man zu lange an etwas sitzt, dann verliert das irgendwie seine Seele. Das weicht dann irgendwann zu sehr vom Original ab, von dem, was man eigentlich wollte. Man muss da immer einfach die Balance finden zwischen Authentizität und dem perfekten Sound.
Emil Paiker: Interessant ist dabei auch, dass die Zeit für mich die Wahrnehmung schon ändert. Wenn ich jetzt von unserer ersten EP Songs höre, dann denke ich mir bei manchen von denen, da würde ich jetzt gar nichts mehr ändern. Bei der zweiten EP denke ich nach wie vor, dass da manches noch verbesserungsfähig wäre.
„WIR HABEN GLÜCKLICHERWEISE EINEN SEHR ÄHNLICHEN GESCHMACK BEI UNSERER MUSIK UND AUCH EIN SEHR ÄHNLICHES GEFÜHL, WIE ETWAS JETZT KLINGEN MUSS“
Wie macht ihr das, wenn ihr da dann mal verschiedener Meinung seid?
Emil Paiker: Was sehr angenehm ist, ist, dass wir uns grundsätzlich oft einig sind. Wir haben glücklicherweise einen sehr ähnlichen Geschmack bei unserer Musik und auch ein sehr ähnliches Gefühl, wie etwas jetzt klingen muss. Wenn wir uns uneinig sind, dann probieren wir beide Versionen.
Louis Springer: Genau, einfach verschiedene Sachen auszuprobieren, zu vergleichen, oft auch bisschen ruhen zu lassen.
Emil Paiker: Da hat sich immer herausgestellt, was besser war. Oder wir finden etwas ganz Neues durch Zufall.
Louis Springer: Das ist das Arge daran. Es gibt bei vielen Songs dann schon sehr viele unterschiedliche Version, es gibt Kleinigkeiten, wie man Dinge unterschiedlich spielen kann. Aber diesen gesamten Prozess, den sieht niemand. Niemand erfährt später, wie viel Arbeit eigentlich in einen Song hineingesteckt wurde, weil es so viele unterschiedliche Versionen und kleine Details gab. Am Ende gibt es nur dieses eine Stück, das dann vielleicht zwei bis drei Minuten dauert. Da denkt man, das kann man in zwei bis drei Wochen machen, aber nein, das ist eigentlich viel langwieriger.
Habt ihr eigentlich vor in Zukunft Musikvideos zu drehen? Bisher gibt es ja noch keine auf eurem Kanal.
Louis Springer: Auf jeden Fall.
Emil Paiker: Es gibt auf dem “I am cyborg but that’s ok” YouTube-Channel Videos, die sie zusammengeschnitten hat. Sie verwendet dafür Filme und Serien, und eben unsere Musik. Das hat für uns bis jetzt irgendwie die Funktion der Musikvideos erfüllt. Aber wir wollen auf jeden Fall in Zukunft Musikvideos drehen, wir haben auch schon viele Ideen dafür.
Louis Springer: Es ist einfach noch nicht dazu gekommen. Es dürfte auch nicht irgendwas sein. Also ich glaube, wir könnten uns jetzt nicht hinstellen und sagen: „Wir machen da jetzt irgendein Video zu diesem Song”, weil uns unsere Musik schon sehr wichtig ist und es eine große Geschichte hinter jedem Track gibt. Dem müssen wir irgendwie gerecht werden. Ich finde, das darf man nicht blind und voreilig machen, sondern da muss man schon Kreativität und Planung hineinstecken. Deswegen, wenn wir ein Musikvideo machen, müsste es etwas Besonderes und auch sehr Persönliches sein. Dadurch, dass wir alles selbst machen, sind es viele kleine Aufgaben, die wir gleichzeitig jonglieren müssen und dann setzen wir uns lieber an den nächsten Track oder kümmern uns um Liveshows, bevor wir ein Musikvideo drehen. Aber es ist definitiv etwas, was wir bald angehen wollen.
Vielen Dank für das interessante Gespräch!
Katharina Reiffenstuhl
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