„Wenn man nicht zu 100% am Ball ist, läuft kein Club“: TIMO PLIETZSCH (Postgarage) im mica-Interview

Sie ist eine der Institutionen der Grazer Clublandschaft. Die POSTGARAGE hat sich in den letzten elf Jahren zu einem Ort entwickelt, der weit über die Grenzen der Stadt Bekanntheit erlangt hat. Sie gilt als ambitioniert geführte Location, in der Crews aus diversen Musikszenen Abende veranstalten.

Die Postgarage ist eine geschichtsträchtige Location in Graz und hat in den vergangenen Jahren stetig an Zulauf gewonnen. Wie kann man diese Entwicklung erklären?

Timo Plietzsch: Grundsätzlich kann man sagen, dass es zunächst dem Enthusiasmus von Günter Brodtrager, Guido Granitz und Lydia Bißmann zu verdanken ist. Wenn man als Betreiber nicht zu 100% am Ball bleibt, dann läuft kein Clubbetrieb. Es war ja nicht so, dass die Postgarage aufgesperrt hat und jeden Abend gefüllt war. Die vergangenen elf Jahre waren sehr arbeitsintensiv. 2003 war einerseits natürlich ein günstiger Zeitpunkt zu starten, da Graz gerade Kulturhauptstadt war. Andererseits hatte man auch viel Konkurrenz. Der große Reiz damals war, aus dem Underground heraus ein Programm zu erstellen. Das hat sich über die Jahre verändert. Der Club hat sich etabliert, weil die eine oder andere Veranstaltung auch kommerzieller ist als damals. Dafür spricht, dass gerade diese Partys andere Veranstaltungen mit idealistischerem Programm querfinanzieren. Das eigentliche Erfolgskonzept ist, dass wir das Veranstalten Crews und langjährigen Partnern überlassen, also so gut wie keine Eigenveranstaltungen organisieren. Wir wissen, dass es kaum möglich wäre, an 52 Wochenenden im Jahr so viele Menschen zu mobilisieren. Unsere Mietpreise sind fair. Das bedeutet einerseits zwar auch, dass man als Veranstalter an der Bar nicht mitverdienen kann, aber andererseits geht man dadurch auch ein viel geringeres Risiko ein. Der Clubbetrieb muss  förderfrei funktionieren und wir erwirtschaften unsere Erhaltungskosten über die Bar.

Ein Raum, in dem Vieles entstand


Graz ist eine Stadt der Studenten. Durch „Worst of the 90s“, aber auch andere Veranstaltungen, haben einige vermehrt den Weg in die Postgarage gefunden. Wie geht man mit einem derartigen Zulauf um? Wie kann man das Stammpublikum halten, befriedigen, wenn der Club fast übergeht?

Timo Plietzsch: Natürlich hat man den großen Floor auch für kommerziellere Veranstaltungen hergegeben. Ich denke allerdings nicht, dass wir dadurch an Glaubwürdigkeit verloren haben. Es war immer wichtig, den kleinen Floor mit qualitativ hochwertigen Sounds zu bespielen. In diesen vier Wänden ist ein großer Teil dessen entstanden, was die heutige Techno-Szene der Stadt ausmacht. Dazu kommt, dass „Worst of the 90s“ ja ursprünglich als Scherz gemeint war. Da haben sich die Jungs einfach gedacht, man legt das Trashigste aus diesem Jahrzehnt auf. Dass einige Jahre später hunderte Leute vor einem Club anstehen, damit sie dabei sein können, ist eine andere Geschichte. Die Postgarage hat durch stark besuchte Partys wie „ROSY“, „Worst of the 90s“ und „Best of the 80s“ erst wirtschaftliche Stabilität erlangt.

Underground als Frage des Blickwinkels

Vergangenes Jahr hat es einiges Aufsehen um die Postgarage gegeben, als ein Architekt Pläne für einen möglichen Umbau auf seiner privaten Seite veröffentlichte. Wie ist man damit umgegangen? Faktum ist doch, dass die Postgarage sich gerade erst räumlich ausgeweitet hat.

Timo Plietzsch: Das war eine Zeit, in der ich unglaublich viel erklären musste. Zum Zeitpunkt, als dieser Architekt die Pläne verbreitet hat, wussten wir, dass sich der Bebauungsplan einiger Grazer Stadtteile ändern würde und dadurch mehr Bebauungsdichte möglich wäre, allerdings ist unser Mietvertrag unbefristet. Mögliche Investoren sind uns nicht bekannt. Tatsache ist, dass ja nicht nur die Postgarage dieses Gebäude besetzt, sondern auch eine Bäckerei und ein türkischer Supermarkt. Denkt man darüber nach, wie groß der Aufwand wäre, dieses Gebäude umzufunktionieren, erkennt man, dass es in der Umgebung vermutlich wesentlich interessantere und besser stemmbare Projekte gibt. In Zukunft könnte auch der Denkmalschutz Bestrebungen haben, die Postgarage zu schützen, da insbesondere die Deckenkonstruktion ganz speziell sein soll und das Haus an sich eine lange Geschichte aufweist. Ursprünglich soll hier eine K&K Reitschule und später eben die tatsächliche Postgarage beherbergt gewesen sein.
Retrospektiv kann ich sagen, dass wir von dem Aufschrei, der durch die Szene gegangen ist, profitieren konnten. Durch diese Gegenüberstellung mit den großen Immobilienmächten kann man auch als großer Club wieder zum Underground zählen.

„Wir tun uns viel an.“

Einen Veranstaltungsraum zu betreiben, das sieht man in der Postgarage, ist mit sehr viel Aufwand verbunden. Viele ambitionierte Projekte der letzten Jahre, die Grazer Clublandschaft zu erweitern, sind gescheitert. Die Schließungen hatten unterschiedliche Gründe, es wurde jedoch meist über die Lautstärke argumentiert. Oft gab es auch Probleme bezüglich der Genehmigungen. Die Postgarage betreibt Club, Bar, Restaurant, Gastgarten. Wie schwierig ist es momentan in Graz, einen Club zu öffnen, eine Bar zu betreiben?

Timo Plietzsch: 2003, als die Postgarage ihre Türen öffnete, war es mit Sicherheit leichter. Die Stadt hatte den Druck, viel zu bieten und musste Projekte unterstützen. Im Fall der Postgarage war es noch dazu so, dass von Anfang an keine Förderungen benötigt wurden. Doch die politische Landschaft hat sich verändert. Klar ist jedenfalls, dass wir uns wahnsinnig viel antun. Wir nützen den wunderbaren Park vor dem Club nicht, weil wir die Anrainer schonen wollen. Unsere Securities kümmern sich darum, dass das Treiben vor der Türe einen gewissen Pegel nicht übersteigt. Wenn es After Hours gibt, dann werden die Gäste am Ende der Veranstaltung durch den Hintergang entlassen, um die Anrainer straßenseitig nicht zu belästigen. Dazu kommt, dass unser Reinigungspersonal die gesamte Zufahrt zum Club putzt. Wir verhalten uns also möglichst unauffällig. Im Univiertel sind viele dieser Dinge nicht passiert, was letztlich auch zu den Kürzungen der Öffnungszeiten von Seiten der Stadt geführt hat. Zur Verteidigung der dortigen Clubs muss man allerdings festhalten, dass die umgebenden Mieter sicher nicht die verständnisvollsten sind. Wir haben hier sehr viele türkische Nachbarn. Das sind Kulturkreise, die das Leben auf der Straße als selbstverständlich erachten. Meiner venezolanischen Verwandtschaft etwa muss ich erst einmal erklären, was der Zweck einer Gastgartensperrstunde ist. Das politische Interesse an unserer Umgebung ist extrem gering. Sollte die Entwicklung vom Nachbarbezirk Lend, der doch an Popularität gewonnen hat, zu uns überschwappen, könnte sich das verändern. Ich glaube allerdings, dass Graz schon auf Grund seiner Größe für eine Gentrifizierung gar nicht in Frage kommt. In Zukunft wird es spannend sein, wie unser Publikum sich verändert, welche Szenen zu uns kommen, wo die musikalischen Trends hingehen. Auf diese Strömungen muss man als Club achten und gegebenenfalls reagieren, um letztlich auch einen gesunden Betrieb aufrecht zu erhalten.

Text: Lucia Laggner

Fotocredits: Postgarage

Die Diskussions- und Vortragsreihe mica focus wird unterstützt durch die Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.

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