“Wenn man an was glaubt, muss man es machen” – Folkshilfe im Mica-Interview

„Vire“ heißt das vierte Album des Dialektpop-Trios FOLKSHILFE das am 31.03.2023 auf dem Label “töchtersöhne” erscheinen wird. Die drei Musiker, die neben ihrem Instrument auch alle noch starke Sänger sind, haben sich im Lauf der Jahre eine beachtliche Fanbase als Liveband aufgebaut. Ob a cappella auf der Straße oder im Fernsehen als Anwärter für den Songcontest. Die Energie, die dieses Trio erzeugt, sucht seines Gleichen. Mit dem kommenden Album werden FOLKSHILFE die Spitze österreichischer Popbands erklimmen, und müssen von nun an in einem Atemzug mit Großmeistern à la STS genannt werden.
Florian Ritt, der als Wiener Sängerknabe schon sehr früh mit professioneller Musik in Verbindung kam, wurde in eine Schlagermusikanten- und Produzenten-Familie hineingeboren. Neben dem Studium der Jazzgitarre und E-Bass an der Bruckneruniversität war die Verbindung mit der Volksmusik genauso groß, wie der Drang gegenwärtige Popmusik zu machen. Glücklicherweise war auch der Wille stark genug, diese beiden Welten zu verbinden, um somit etwas Eigenes zu kreieren. Und so kam es, dass von nun an die E-Gitarre einer Steirischen Harmonika weichen musste.

Die ersten drei Album waren dabei nur Haltestationen zum Zielbahnhof. Und der heißt „Vire“.
Dominik Beyer spricht im mica-Interview mit dem Zeremonienmeister des Trios Florian Ritt, über den Reifeprozess der Band, Erfolg, Gegenwind sowie Möglichkeiten von allem runter zu kommen.

Warum klingt das neue Album „Vire“ so viel reifer und besser?

Florian Ritt: Danke. Es ist auf jeden Fall ein viel erwachseneres Album. Es ist sehr viel passiert. Folkshilfe hat eine lange Phase des Suchens hinter sich. Wie klingt eine Quetschn? Wie klingt eine Quetschn mit Synthesizer? Was ist eine Dialekt-Band? Ich habe zum ersten Album erst Quetschn spielen gelernt. Beim zweiten Album wurde es durch den Wechsel von Matthias zu Paul viel rockiger und festivaltauglicher durch die e-Gitarre. Auf dem dritten Album haben wir nochmal experimentiert und wollten die Quetschn anders klingen zu lassen.
Während des Lockdowns hatten wir mal endlich wieder Zeit zum Durchatmen.  Und ich begann mich mit der Rolle des Zeremonienmeisters, vielleicht auch Frontman, wohl zu fühlen. Dann rückten auf einmal mehr die Inhalte in den Vordergrund, über die ich singen mochte. Und so wurde alles viel persönlicher. Deswegen würde ich behaupten, dass es das beste Album ist, das wir jemals geschrieben haben. Zumindest fühlt es sich für mich so an. 

Und musikalisch? Gab es einen Plan etwas zu ändern?

Florian Ritt: Musikalisch haben wir nichts bewusst ändern wollen. Es waren eher die Songs. Bislang hatten immer ein paar jammernde wie auch gaudige Sachen im Repertoire. Die Pandemie hat uns dann ein wenig rauszoomen lassen. Wir haben uns überlegt, auf was es wirklich ankommt. Und so entstanden Songs wie „Wanderer“. Das geht’s um Freundschaft und die Bewegung, die es im Leben gibt. Oder auch „kummama“. Der klingt recht positiv, ist aber in einer düsteren Zeit geschrieben worden, wo ich mir gedacht hab, jetzt könnte es auch langsam wieder bergauf gehen. Daher die Zeile: „Nach jedem Regen kommt die Sun – da kummama ned drum herum“. „Schöner Mensch“ ist ein Liebeslied. Und zwar so, wie ich es gerne singen möchte. „Mama“ versteht, glaub ich, jeder was mit anzufangen.
Man kann sagen, es standen zum ersten Mal die Inhalte der Songs im Vordergrund. Der Fokus war darauf gerichtet, gute Songs zu schreiben. Und im Studio sehen wir dann schon, was passiert. Ohne immer den Druck zu haben, die Quetschn in Szene zu setzen.  

Das ist mir auch sehr positiv aufgefallen. Das Akkordeon übernimmt nicht wie früher die Rolle der e-Gitarre, sondern klingt sehr natürlich. Und meiner Meinung nach, ist das auch viel angenehmer für die Ohren.

Florian Ritt: Das war eine Feldstudie. Woran hätten wir uns denn orientieren können? Wir haben natürlich immer das Beste gegeben. Wir sind jetzt einfach reifer geworden. Mittlerweile weiß man, was Folkshilfe ist, und weiß auch, was es nicht ist. Und wir haben unseren Weg sehr lange vehement durchgezogen. In „Wanderer“ zum Beispiel kommt im Prechorus die Quetschn rein. Sehr traditionell. Aber das trau ich mich erst jetzt. Ich muss nicht mehr krampfhaft cool sein. Das kann ich aber erst, seitdem wir ein gewisses Standing haben. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich nebenher mein Soloprojekt FRINC hab, wo ich mich austoben kann. So kann ich die Folkshilfe mehr das sein lassen, was sie ist.
Ich will zwar noch immer freshe Quetschn-Licks machen, aber manchmal muss man das Akkordeon auch traditionell klingen lassen. Das Bedürfnis, ein im Popkontext sehr unübliches Akkordeon zwanghaft rein zu quetschen (lacht), ist nicht mehr so präsent. 

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„Alles in mir“ besingt Bindungsängste. Woher kommt die Angst vor dem neuen Wir?

Florian Ritt: Da geht es um eine Sehnsucht. Aber das Leben verhindert das noch. Daher die Zeile: „Drum lös i mi von deiner Hand und renn alleine gegen d‘Wand“. Im zweiten Chorus sing ich dann: „Aber alles in mir hofft, dass sich da Wind nu mal draht, du Geduld mit mir host, di nu mal anfangen zaht“ – nur, dass es dann vermutlich zu spät ist. Vielleicht. Man weiß es nicht. Das kann natürlich auch auf andere Beziehungen angewendet werden, die nicht funktionieren.

Auch auf ein Akkordeon, dass nach Jimi Hendrix Gitarre klingen möchte?

Florian Ritt: Es ist eigentlich ein Song über die Hassliebe zu meiner Quetschn. Nein! Spaß beiseite. Man bekommt einfach manchmal Sachen vom Leben serviert. Gleichzeitig passen aber wichtige andere Faktoren noch nicht. In diesem Fall, einer Trennungsgeschichte, hat die Zeitachse nicht gepasst. Retrospektiv weiß man ja gar nicht, ob was besser gewesen wäre, wenn es anders verlaufen wäre. Aber auch wenn der Song sehr traurig klingen kann, war es vielleicht trotzdem genau richtig, wie es war. 

Mit dem letzten Album haben wir es geschafft, dass wir Songs auf Oe3, Fm4 und auf Regionalsendern in Rotation laufen hatten.”

Bei „Wanderer“ klingt neben einer Ode an die Freundschaft auch die symbolisch rausgestreckte Zunge an eventuelle Hater durch. Hattet ihr viel Gegenwind?

Florian Ritt: Folkshilfe hat eine lange Geschichte. Und mittlerweile fühlt es sich tatsächlich so an, als hätten wir unseren Platz definiert. Am Anfang hat Folkshilfe angeblich nirgendwo dazu gepasst. Jeder wusste besser als wir, dass Quetschn-Pop fehl am Platz ist. Mit dem letzten Album haben wir es geschafft, dass wir Songs auf Ö3, FM4 und auf Regionalsendern in Rotation laufen hatten. Komischerweise funktionieren wir auch auf einem Nova Rock, Fequency, Szene Open Air, wo wir angeblich gar nicht dazu passen. Ja, natürlich ist das cool.
Wenn man mit Menschen die man gerne hat, eine Vision verfolgt, kann viel passieren. Und darum geht es im Endeffekt in dem Song. Wobei auch immer der Weg das Ziel ist. Erstmal tut man und im Nachhinein reflektiert man darüber und überlegt, wie es weiter gehen könnte. Allem Gegenwind zum Trotz. Wenn man an was glaubt, muss man es machen.

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Wie erklärst du einem nicht muttersprachlichen Österreicher, um was es in „Najo eh“ geht?

Florian Ritt: Da geht es um das typisch österreichische Relativieren von Dingen. Alles was gut ist, wird ein wenig schlechter gemacht, und andersrum. Also allen geht es immer „Najo eh“.  Phonetisch eignet sich das sehr gut für Dialektmusik. Paul Pizzera kannten wir von Veranstaltungen und wir haben uns immer gut verstanden. Also lag es Nahe, etwas gemeinsam zu machen. Wir haben mal eine Studiosession geplant. Was dabei rauskommt, wussten wir nicht. Es soll auf jeden Fall eine lustige Stimmung transportieren. Keine tiefgründige Message. Es hat mich voll gefreut, dass wir alles unter einen Hut bekommen haben. Also Paul Pizzera klingt nach sich selbst. Florian Ritt klingt nach Florian Ritt von der Folkshilfe. Und der Chorus klingt in Summe nach Folkshilfe

Was schätzt du an Paul Pizzera?

Florian Ritt: Er ist ein bodenständiger und demütiger Typ, der unglaublich gute Texte schreiben kann. Er gehört zu den erfolgreichsten Musikern aus Österreich. Er ist so umtriebig. Er hat ein Buch geschrieben. Ich find es extrem bereichernd, mit so einem wie ihm im Studio zu arbeiten. Erstens zu sehen, wie schnell er schreibt, auf der anderen Seite zu sehen, dass er auch nur mit Wasser kocht.

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Die Songs klingen so, als würden sie sehr spontan entstehen. Ist das auch so?

Florian Ritt: Es gibt immer so einen Fundus an Dialektwörtern, die man cool findet. Und dann gibt es einen – in der Regel ich –, der dazu auch eine Vision zu einem Song hat. Und dann wird das gemeinsam in einer Jamsession oder im Studio ausgearbeitet. Also eine Emotion triggert ein Thema los, das dann zu einem Song ausgearbeitet wird. Aus einer spielenden Emotion quasi. So gesehen stimmt der Eindruck schon. Aber von der Grundidee zum fertigen Song steckt dann noch viel Arbeit drin. 

“Es ist schön zu sehen wie lange wir Label gespielt haben, und mittlerweile eine Plattenfirma sind.”

Du machst so unglaublich viel. Folkshilfe, dein Soloprojekt, das Label. Hat das auch Nebenwirkungen?

Florian Ritt: Meinst du meinen Porsche? Nein, Spaß beiseite. Ich habe mir teilweise schon sehr viel aufgehalst. Aber alles hat sich gut entwickelt. Und ich darf ein Teil eines schönen Teams sein, dass ich mit aufgebaut hab. Und das ist mit einer der schönsten Dinge.
Bei töchtersöhne sind wir zu fünft. Der Bertram Kolar, der Mathias Pirngruber, mit dem ich das Label gegründet hab, und zwei Mitarbeiterinnen – Raisa Kovacki und Jasmin Rothberger. Es ist schön zu sehen, wie lange wir Label gespielt haben, und mittlerweile eine Plattenfirma sind. Mit allen Aspekten. Wir haben eigentlich aus der Not eine Tugend gemacht. 
Wir haben am Anfang mit der Folkshilfe so oft das Problem gehabt, Partner zu finden, die das Projekt so sehen, wie wir glaubten, dass es sein kann. Also haben wir viel selber machen müssen. Aber das ist oft nicht gut auf die Dauer. Und so hat sich das entwickelt. Mittlerweile bin ich oft nur noch bei der Ideenfindung dabei, und nicht bei der Umsetzung. Deswegen gibt es ein intaktes Büro. Sonst würde das nicht funktionieren. Bei Folkshilfe bin ich auch nur ein Teil der Band. Dann gibt es noch mein Soloprojekt „Frinc“. Aber hinter allem steht ein großes Team, das gut organisiert ist. Das ist alles mein Leben sozusagen. Man kann also sagen, dass ich sehr glücklich bin darüber.

Was machst zum runterkommen?

Florian Ritt: Ich habe einen sehr sprunghaften Geist. Aber ich finde Yin Yoga sehr spannend. Das ist eine sehr ruhige Yoga Praxis. In jeder Pose bleibt man mehrere Minuten und atmet meditativ. Wenn es die Zeit erlaubt, steh ich auf Extremsportarten. Ich war jetzt grad zwei Wochen Kitesurfen. Da ist man so mit der Sache beschäftigt, dass man nichts anders mehr denken kann – sonst fliegt man auf die Schnauze. Ich neige zum Grübeln, und bin eher melancholisch, wenn ich nicht unter Menschen bin. An Tagen, die ich auf dem Surfbrett verbringe, habe ich gewiss Ruhe von meinen Gedanken. Das tut mir sehr gut. 

Vielen Dank für das Gespräch

Dominik Beyer

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