Im Klang-Erlebnis von Martina Claussen mit dem Titel „Blackboxed Voices – I am Here“ erwarten das Publikum im Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien eine Kombination aus Raum, Performance, Klang und Licht. Das 50-minütige Werk besteht aus vier Performenden – Tobias Leibetseder, Patric Redl und Alex Franz Zehetbauer und Brigitte Wilfing, letztere agiert zudem als Choreografin. Die Mitwirkenden sind zum Großteil keine professionell ausgebildeten Singenden, man könnte sagen „unberührte Stimmen“, wie die Komponistin und Sängerin Claussen speziell herausstreicht. Die Kostüme der Darstellenden, die mit diversen Reflektoren ausgestattet sind, stammen von Patrizia Ruthensteiner und unterstützen die Lichtarchitektur, die von Conny Zenk entworfen und live gesteuert wird.
Die 1967 geborene Martina Claussen erhielt 2020 den „Publicity Preis“ der SKE, mit dessen Preisgeld setzte sie die Idee zu ihrem Werk „Blackboxed Voices“ um. Die Komponistin, die neben dem Gesangs- und Kompositionsstudium an der mdw-Universität für Musik und darstellende Kunst Wien auch in elektroakustischer und experimenteller Musik ausgebildet ist, orientiert sich bei „Blackboxed Voices“ an vier Grundpfeilern – Musik, Lichtarchitektur, Raum und Performance – und verbindet all diese Dimensionen. Die Unkalkulierbarkeit der Musik für die Zuhörenden und das Einsetzen des „Overkills der Sinne“ sind Markenzeichen der Komponistin. Dekontextualisierte Alltagsgeräusche oder desemantisierte menschliche Sprache als „Synergien“, sowie Stimmen aus der Vergangenheit in neuem Kontext, sind omnipräsent und fundieren das Werk. Aus einem von Claussen als solchen bezeichneten „Klang-Pool“, ein von ihr erstelltes Archiv an Klangmaterial, begann sie im März 2022 ein Konzept für das Stück auszuarbeiten. Die Arbeit an ihrem Werk deckte sich mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine, der Claussen stark geprägt hat.
Der Begriff der „Black Box“ soll bewusst Spekulationen und Interpretationen offen lassen, wobei das englische Wort „Blackbox“, übersetzt „Lautsprecher“, schon die eigentlichen Instrumente des Werkes verrät. Das sogenannte „Akusmonium“, ein von Thomas Gorbach konstruiertes Instrument, besteht aus 32 Lautsprechern, die im ganzen Raum verteilt sind. Claussen spricht von den Lautsprechern als Instrumenten und ihr Computer ist das Werkzeug. Jeder dieser Lautsprecher hat einen individuellen Frequenzgang, steht in eine intendierte Richtung, besitzt eine bestimmte Klangfarbe und verfügt über einen eigenen Fader bzw. Regler am Mischpult. Die Möglichkeit der Automatisierung der Fader nimmt Claussen nicht in Anspruch, denn das unmittelbare Spielen mit Klängen, Nähe und Distanz oder Hall und Reflexionen machen der Komponistin Spaß. Sie spricht auch von verschiedenen Klangmöglichkeiten, wie klanglichen Wellen, Kreisen oder einer „Klangdusche“, bei der die Klänge wie Wassertropfen auf die Anwesenden „regnen“.
Die 32 Klangspuren, oder auch die „Partitur“, wie sie Claussen nennt, bilden den Rahmen. Mittels vier Geschichten jeder und jedes Performenden, deren Choreografien in Solo-, Duo- oder Trio-Form und aktivem Spiel mit mobilen oder festen Lichtern zu „Time-Frames“ zusammengestellt sind, formt sich ein Gesamtkonstrukt, das den Spielort als Klangkörper nutzt. Logistisch war das „Setzen der Klänge“ eine große Herausforderung. Durchgehend spielen sich die verschiedensten Dinge ab, kontrastieren sich, ergänzen sich aber auch stimmig. Die Zuschauenden können laut Claussen aufgrund der Reizüberflutung nie jedes Detail mitbekommen. Der fehlende akustische Mittelpunkt der Location ist eine Herausforderung wie auch Stilfigur zugleich. Und der offene Raum lässt zu, dass die Zuschauenden selbst zu Teilnehmenden werden. Die Klangkünstlerin betont, wie sehr es sich vom Konstrukt eines Konzerts an einem konventionellen Austragungsort unterscheiden soll, so wird auf Sitzreihen, fixe Platzwahl oder sonstige Normen verzichtet. Auf den Begriff der „performativen Klanginstallation“, um ihr Werk zu beschreiben, wollte sich Martina Claussen dennoch nicht festlegen.
Aisha Gstöttner, Dorian Raphael Kalwach