Ursprünglich plante der Vorarlberger Pianist DAVID HELBOCK, ein Album mit seinem einstigen Mentor und heutigen Freund PETER MADSEN aufzunehmen. Diese zunächst eher einfache Idee entwickelte sich jedoch im Laufe der Zeit zu etwas Musikalisch Großem, zu einer “Herzensangelegenheit”, wie es im Pressetext beschrieben wird. „Austrian Syndicate” (ACT Music) ist eine vielschichtige Produktion: Sie ist einerseits eine Huldigung an seinen Lehrmeister, andererseits eine Hommage an den legendären österreichischen Jazzmusiker JOE ZAWINUL, der zu seinen großen musikalischen Vorbildern zählt. Es handelt sich auch um eine Wiedervereinigung mit einstigen Weggefährten und Freunden sowie eine wirklich aufregende musikalische Erkundungsreise durch verschiedenste Stilrichtungen. Im Interview mit Michael Ternai erzählt DAVID HELBOCK über die Entwicklung von AUSTRAN SYNDICATE von der Idee bis zur heutigen Form, die Rolle, die PETER MADSEN im Hinblick auf seine musikalische Karriere spielte und welchen Einfluss JOE ZAWINUL auf ihn ausübte.
Im Pressetext heiß es, dass dieses Album etwas Spezielles für dich ist. Was macht es für dich besonders?
David Helbock: Es ist auf vielen Ebenen etwas Besonderes. Die Grundidee war zunächst, dass ich ein Album mit meinem ehemaligen Lehrer Peter Madsen machen wollte. Er hat mir eigentlich alles gezeigt, was ich heute über Jazz weiß. Er war als Lehrer wahrscheinlich die wichtigste Person in meinem Leben und ist im Laufe der Zeit zu einem engen Freund geworden. Mit diesem Album wollte ich ihm einfach etwas zurückgeben.
Ich wollte Peter in diesem Projekt mit einer guten internationalen Rhythmusgruppe kombinieren und bin dabei schnell auf mein früheres Trio gestoßen. Mit Raphael Preuschl und Herbert Pirker habe ich über Jahre hinweg die Welt bereist und mit ihnen verbindet mich ebenfalls eine sehr enge Freundschaft. Dann habe ich auch noch den Claudio Spieler hinzugenommen, den ich noch länger als die beiden kenne, seit meiner Zeit am Konservatorium in Feldkirch. Du siehst, diese Band besteht eigentlich nur aus Freunden, denen ich viel zu verdanken habe. Schon allein dieser Umstand macht das Austrian Syndicate für mich zu etwas ganz Besonderem. Deshalb auch der Name – Syndicate – die Band ist quasi Familie.
Und was das Musikalische betrifft?
David Helbock: Musikalisch ist es für mich ebenso speziell, auch wenn sich die musikalische Idee dieses Projektes erst nach und nach konkretisiert hat. Mit jedem Schritt ist quasi eine neue musikalische Ebene hinzugekommen. Was mir zu Beginn schnell klar war, war, dass eigentlich Peter nur Klavier spielt, was für mich bedeutete, dass ich meine ganzen Synthesizer und Keyboards auspacken muss. Die Synthesizer und Keyboards wiederum führten in dieser Konstellation dann unweigerlich zu Joe Zawinul. Wenn jemand Jazz mit Keyboards kombiniert, kommt er an Zawinul einfach nicht vorbei. Er war für mich ein wichtiger Einfluss. Ich habe ihn, glaube ich, zwanzig Mal live gesehen. Daher findet sich auch ein Stück von ihm auf dem Album, das ich neu arrangiert habe. Ich wollte aber kein Cover Album machen – aber doch den offenen Geist von Zawinul weiterführen.
Wir haben dann auch noch Gäste gesucht, die irgendwann mit ihm zu tun hatten und so ist das ganze Projekt ständig gewachsen.
Erklärt der Umstand, dass Peter dein Lehrer war und du mit Raphael und Herbert schon so viel zusammengemacht hat, auch den Satz im Pressetext, dass dieses Album auch eine Rückkehr zu den Wurzeln ist?
David Helbock: Das weiß ich gar nicht. Die Keyboards sind bei mir eigentlich auch erst später durch Peter dazugekommen. Als er vor ungefähr zwanzig Jahren nach Vorarlberg gezogen ist, hat er die Gruppe CIA (Collective of Improvising Artists) gegründet. Ich war schon damals sein Schüler und er hat mich gefragt, ob ich bei dieser Gruppe nicht mitmachen will. Es war aber so, dass ich bis dahin nur Klavier gespielt habe. Ich musste also, um mitmachen zu können, damit beginnen, mich mit Keyboards zu beschäftigen. Da war ich so 18 Jahre alt, also schon etwas älter.
Was bei unserer ersten Probe jetzt faszinierend zu beobachten war, dass alle – Peter, Raphael und Herbert kannten sich davor ja kaum – auf Anhieb zueinander gefunden und gleich nach einer Band geklungen haben, das wohl weil ich eben mit allen Beteiligten eine jahrelange musikalische Beziehung habe.
Du hast gerade den Bandcharakter dieses Projekts angesprochen. Es steht auf dem Album zwar dein Name, aber blickt man auf die Namen derer, die Stücke komponiert haben, sieht man, dass da eigentlich fast alle einen Beitrag geleistet haben. Mehr Bandgedanke geht kaum. Hebt auch dieser Umstand dieses Projekt auf eine für dich höhere Ebene?
David Helbock: Auf jeden Fall. Deswegen auch das Bild mit der Ameise als Cover für das Albums, das uns der Tiroler Künstler Peter Kogler zur Verfügung gestellt hat. Ich finde, dieses Bild zeigt schön, worum es bei Austrian Syndicate geht. Die Ameisen als Teamworker, die gemeinsam mit den anderen einen für sie großen Ameisenberg erschaffen.
Man muss aber schon auch dazusagen, dass Peter in dieser Band schon die Rolle des Co-Leaders einnimmt. Er hat schließlich die Hälfte der Stücke geschrieben. Die andere Hälfte stammt von mir. Raphael hat auch ein Stück beigesteuert und Herbert und Claudio haben mit ihren Inputs ebenfalls einen wesentlichen Beitrag geleistet. Warum jetzt mein Name auf dem Cover draufsteht, hat den Grund, dass ich alles organisiere und die Band zusammengebracht habe.
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Wie war es für dich als begnadeter Pianist einmal nicht in die Rolle des Pianisten zu treten?
David Helbock: Das ist mit Peter schon etwas Spezielles. Ich glaube, das würde mit einem anderen Pianisten nicht so gut funktionieren. Peter und ich kennen uns einfach zu gut und wir wissen wie der jeweilig Andere musikalisch tickt.
Für mich war es auf jeden Fall sehr inspirierend, jetzt nach langer Zeit wieder die alten Keyboards auszupacken. Ich habe mir auch neue Synthesizer gekauft. Einer heißt Osmose. Bei dem ist jede Taste berührungsempfindlich und man kann quasi, auch nachdem man den Ton gespielt hat, diesen durch die Bewegung der Finger verändern. Der ist ganz neu auf dem Markt und erst kurz vor dem Beginn der Aufnahme rausgekommen.
Sound war für mich aber immer schon wichtig. Ich bin immer schon ins Innere des Klaviers reingegangen und habe da auch nach neuen Sounds gesucht. Das hat mir jetzt an den Keyboards und Synths sicher geholfen.
Auch musikalisch deckt eure Platte eine riesige Palette ab. Von klassischem Jazz kann man hier nicht mehr wirklich sprechen. Es ist Fusion dabei, viele Elemente aus diversen Globalmusiken usw.
David Helbock: Ich denke, die stilistische Vielfalt kann man unter anderem auf die Gäste zurückzuführen. Dadurch, dass Alex Acuña und Lakecia Benjamin bei Stücken mitspielen und Dhafer Youssef bei anderen singt, bekommt die Musik gleich einen ganz anderen Horizont. Dass die Stücke letztlich so klingen, wie sie es jetzt tun, hat sich nach und nach entwickelt. Als irgendwann mal die Idee mit Zawinul da war, kam dann eigentlich eh schon der Name Austrian Syndicate und damit gleichzeitig auch ein Schwerpunkt auf Österreich. Und wer ist der zweitbeste Komponist in Österreich? Natürlich Mozart. Und von dem habe ich dann für das Album auch ein Stück arrangiert. Und damit war letztlich auch klar, dass wenn man Zawinul und Mozart auf einer Platte hat, man vom stilistischen Denken breit wird.
Diese musikalische Breite hat sich aber schon sehr früh in meinem Denken verankert. Und verantwortlich dafür ist Peter Madsen. Das habe ich von ihm. Er hat mit den größten Stars aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammengespielt. Straighten Jazz mit Stan Getz, modernen Jazz mit Chris Potter, Free Jazz mit Don Cherry oder Funk mit Fred Wesley. Seine Offenheit hat mich wirklich stark beeinflusst.
Das Album ist eine Hommage an Joe Zawinul. Was ist ganz konkret deine Verbindung zu diesem Künstler?
David Helbock: Ich habe Zawinul schon sehr früh live gesehen. Er hat relativ oft in Vorarlberg gespielt, weil er ganz gute Beziehungen zum Alten Kino in Rankweil hatte. Und da war er mindestens einmal im Jahr mit seinem Syndicate zu Gast. Ich schätze, ich war ungefähr zehn, als ich ihn zum ersten Mal gehört habe. Und ab dann eigentlich jedes Jahr einmal. Als ich dann 17, 18 war hatten wir dann eine Band, mit der wir Vorgruppe von ihm waren. Da habe ich ihn und vor allem auch seine Band zum ersten Mal kennengelernt. Dann gab es noch sein in Interviewform geschriebenes Buch, das ich verschlungen habe, und auch andere Interviews mit ihm, die ich gelesen habe.
Er hat mich einfach als Typ wahnsinnig fasziniert. Wie er mit quasi nichts in der Tasche nach Amerika aufgebrochen ist und dort eine Weltkarriere gestartet hat. Jemand, den Sound wirklich interessiert, kommt an Zawinul einfach nicht vorbei.
Die Nachfrage nach Austrian Syndicate scheint auf jeden Fall groß zu sein, blickt man auf euren Tourkalender.
David Helbock: Das kann man so sagen, aber es war auch wirklich sehr viel Arbeit diese Tour auf die Beine zu stellen, es ist schon viel mühsamer geworden, seit Corona. Im Oktober und November spielen wir aber fast jeden Tag. Und im nächsten Jahr stehen auch schon einige Konzerte an. Was ich mir noch Wünsche ist, dass wir im nächsten Sommer einige große Festivals spielen können, ich bin mit vielen in Kontakt und zuversichtlich.
Wir haben ja jetzt auch schon vor der Album Veröffentlichung schon ein paar richtig coole Festivals gespielt. Unter anderem in San Sebastian in Spanien beim Jazzaldia Festival. Das ist eines der, glaube ich, größten und sicher das älteste Jazzfestival in Europa.
Du hast schon gesagt, dass dieses Projekt ein Spezielles für dich ist. Ist es auch eines, das längerfristig gedacht ist? Ist eine zweite Platte von Austrian Syndicate denkbar?
David Helbock: Ich kann mir das gut vorstellen, aber damit setze ich mich im Moment nicht auseinander. Wir werden sehen. Aber freuen täte es mich natürlich.
Herzlichen Dank für das Interview.
Michael Ternai
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