„Wenn ich mich traue, meine Musik im Auto mit geöffneten Fenstern zu hören, dann passt’s!“ – DRAMAS im mica-Interview

Das Warten hat ein Ende, denn endlich gibt es Neues vom Elektro-Pop-Duo DRAMAS! Nach dem Debütalbum „Nothing is permanent“, das 2018 erschienen ist, folgt nun das zweite, welches passenderweise „DRAMAS“ (Fabrique Records) betitelt ist. VIKTORIA WINTER und MARIO WIENERROITHER, die kreativen Köpfe hinter DRAMAS, erzählen Itta Francesca Ivellio-Vellin in diesem Interview, warum das neue Album eigentlich nicht nach der Band benannt ist, inwiefern Viktoria eine Prophetin ist und wieso die 1980er die größte Inspirationsquelle für die zwei sind.

Euer Album kommt sehr bald!

Viktoria Winter: Ja, das haben wir auch gerade eben realisiert [lacht].

Mario Wienerroither: Es geht auf einmal einfach so schnell!

Verlief die ganze Produktion auch so schnell?

Mario Wienerroither: Die hat sich eben extrem gezogen, dafür geht jetzt alles umso schneller.

Viktoria Winter: Es ist meistens so, dass man sich irrsinnig viel Zeit lässt, weil man glaubt, dass eh noch so lang Zeit ist, aber gegen Ende ist das alles quasi rausgeschossen, da sind dann auch noch zwei, drei Songs draufgekommen, die in kürzester Zeit entstanden sind.

Mario Wienerroither: Dafür wurden andere verworfen, aber dann haben wir uns gedacht, ui, jetzt fehlen ein paar… Man glaubt halt, man ist dann fertig, aber dann hat man noch bessere Ideen.

Viktoria Winter: Den Druck braucht man auch ein bisschen. Die Deadline ist wichtig, da hat man dann so ein bisschen inneren Stress und dann kommen noch irgendwelche coole, intuitive Sachen.

„Fürs erste Album hat man auch ewig Zeit, weil niemand etwas von dir erwartet.“

„Nothing is permanent“ hieß euer Debütalbum, das 2018 erschienen ist. Was hat sich seitdem verändert, was ist gleichgeblieben?

Viktoria Winter: Die Produktionsweise hat sich sehr verändert. Beim letzten Album habe ich bei fast jedem Lied die Layouts und Texte gemacht. Fürs erste Album hat man auch ewig Zeit, weil niemand etwas von dir erwartet. Da schießt man halt mit irgendwas raus. Beim zweiten haben wir uns jetzt jeder für sich persönlich voll arg weiterentwickelt und ist offener und direkter geworden. Aber wir beide haben sehr viel gemeinsam gemacht. Eigentlich jeder Song ist irgendwie gemeinsam entstanden – ich habe zwar zum Großteil die Texte allein geschrieben, das ist gleichgeblieben – aber wir haben gemeinsam gejammt, haben unsere Loop-Station angemacht und lustige Melodien und Beatboxen probiert. Da sind auch die Grundideen für viele unserer Layouts entstanden. Wir haben uns auch so gut wie noch nie verstanden [lacht]. Jeder für sich persönlich hat so seine Struggles gehabt, aber gemeinsam hat’s richtig gut funktioniert und ich glaub, wir haben uns auch cool gegenseitig beeinflusst und so das beste von jedem rausgeholt.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Mario Wienerroither: Wir haben auch auf unsere musikalischen Vorlieben mehr zugegriffen als beim ersten Album. Ich habe mich voll ausleben können mit meinen 80er-Jahre-Vorlieben und Balladen, oder einfach nur Sample-Schnipsel – das war beim letzten Album nicht das Konzept, da war eher das Filmische Thema. Das hat sich grundlegend geändert. Ich hoffe, dass man den Spaß, den wir hatten, auch hört!

Viktoria Winter: Ich muss auch sagen, ich bin stimmlich mehr ausgebrochen. Das habe ich auch voll gebraucht und hat mir auch Spaß gemacht, so ein bisschen mehr zu zeigen. Auch das Album aus der Ich-Perspektive zu schreiben, war persönlich eine neue Erfahrung und Entfaltung.

Wieso hat es so eine große Bedeutung für dich, aus der Ich-Perspektive zu schreiben bzw. zu singen?

Viktoria Winter: Beim ersten Album waren noch ein bisschen meine Mauern hochgefahren. Die Kunst ist zwar der Ort, an dem man sich austobt, aber ich habe das immer mit einer Distanz gemacht, und am ersten Album ist viel Erzählerisches und so Eindrücke und Weltansichten, aber die wollte ich ein bisschen abgeschottet von mir selbst darstellen. Bei dem Album ist es überhaupt nicht mehr so. Es war zwar keine Absicht, aber es war irgendwie notwendig. Ich habe auch nach dem ersten Album eine Schauspiel-Ausbildung begonnen, und die hat das sicher auch beeinflusst, dass ich mich mehr zeige und traue, das auch ehrlich auszudrücken.

Für euch scheinen ja Gegensätze und Kontraste besonders spannend zu sein. Was fasziniert euch da so daran?

Viktoria Winter: Es gibt einfach nie eine Einseitigkeit. Es ist immer mehr dran, zum Beispiel bei einem Satz. Das fasziniert mich irgendwie. Es steht nichts einfach so platt da, sondern es gibt immer eine Tiefe, eine Zwei-, oder Drei-, oder Mehrdeutigkeit. Man kann auch aus allem etwas Gutes und man kann auch immer etwas Schlechtes rausholen. Das immer zu hinterfragen – da kann ich gar nicht anders. Das ist eine Lebenseinstellung. Es geht bei mir immer um Höhen und Tiefen, was gut und schlecht sein kann – für die Kunst ist es oft gut! Aber ja, ich muss einfach immer alles hinterfragen.

Mario Wienerroither: Das gleich ich dann ein bisschen aus! Gefühlsmäßig bin ich eher der Konstante, und ich merk dann, was gut an deinem Hoch oder deinem Tief ist.

Viktoria Winter: Ich seh’s oft ein bisschen als eine Schwäche an mir selbst, aber du bist eher der Typ, der das als Stärke sieht. Das lerne ich gerade, das als Stärke an mir selbst zu sehen.

Das ständige Hinterfragen, meinst du?

Viktoria Winter: Ja! Aber auch die Gefühlswechsel – die sind teilweise so unkontrolliert, dass ich mich selbst nicht mehr auskenne und überfordert bin mit meinem eigenen Spüren und Denken. Im letzten Jahr ist es wahrscheinlich vielen so gegangen, dass man sich einfach mehr mit sich selbst beschäftigt. Das ist auch mega wichtig und gut, aber da lernt man auch seine Abgründe kennen, und die habe ich bei mir auf jeden Fall kennengelernt. Aber es hat alles einen Sinn, das merkt man oft erst im Nachhinein. Das ist auch oft so beim Liederschreiben. Ich schreib dann Lieder, die intuitiv kommen und erst zwei Monate später versteh ich, warum ich das geschrieben habe. Das hat dann so eine prophezeiende Wirkung, das war bei diesem Album auch so. Ich freu mich dann auch über solche Momente, weil ich dann weiß, dass da so viel Unbewusstes dahinter ist. Ich meine, die Idee ist eh komplett ehrlich und authentisch, aber das Verstehen kommt dann eben oft erst später.

Bild DRAMAS
DRAMAS (c) Tim Cavadini

„Ich schreib dann Lieder, die intuitiv kommen und erst zwei Monate später versteh ich, warum ich das geschrieben habe.“

Verläuft der Prozess dann so, dass du mit einem Text kommst, und ihr dann Beats und Melodie gemeinsam erarbeitet? Oder andersrum?

Mario Wienerroither: Beim ersten Album war das hauptsächlich so. Dieses Mal bin allerdings ich oft mit Ideen gekommen.

Viktoria Winter: Da hat der Mario ganz oft schon ein Layout gehabt, das ihm taugt. Das Musikalische ist bei uns auf jeden Fall als erstes da und dann erst kommt der Text.

Mario Wienerroither: Ich wollte es auch dieses Mal nicht so machen, dass Vickys Layout in Musik eingepackt ist, sondern, dass eben die Musik zuerst da ist, damit es irgendwie passender wirkt.

Viktoria Winter: Manchmal passiert es aber auch gleichzeitig, wie bei „Ouch“ zum Beispiel. „Ouch“ ist aus einem Loop, den wir gemeinsam gemacht haben, entstanden. Ich sing dann meistens irgendeinen Nonsens-Text drüber, weil man dann schon so ein bisschen das Gespür hat, welche Vokale gut klingen und dann kommt man über das Nonsens-Singen zu einem Text.

Beim ersten Song auf eurem Album, „Noday“, musste ich unweigerlich an Joan Jett denken – könnt ihr damit etwas anfangen?

Mario Wienerroither: Ich schon, aber ich hätte überhaupt nicht daran gedacht, dass das da dabei ist!

Viktoria Winter: Als wir es unseren Freunden und Freundinnen gezeigt haben, meinten die eher, es hat was von Blondie, so „One Way Or Another“ und so.

Auf jeden Fall aber 80s-Vibes!

Viktoria Winter: Ja, auf jeden Fall. Die 80s waren halt eine Blütezeit der Musik.

Mario Wienerroither: Was das Experimentelle angeht, haben die ja überhaupt keine Grenzen gekannt. Heute klingen viele sehr ähnlich – was nicht schlecht ist. Aber in den 1980er Jahren waren halt in den Charts Songs, die man mit nichts vergleichen konnte, was davor kam.

Viktoria Winter: Mir gefallen die 80s ja auch so sehr, weil die damals so einen Mut zu so schönen, großen Balladen gehabt haben. Sich da ranzutrauen, ist schon schwierig, „Illusion42“ ist vielleicht der Song auf dem Album, der am ehesten da rankommt.

Mario Wienerroither: Was tatsächlich aber auch nicht der Plan war. Der Plan war, etwas sehr Flächiges, Elektronisches draus zu machen, aber dann haben wir schnelle bemerkt, dass da irgendwie eine 1980er-Jahre-Ballade entsteht! Aber wieso auch nicht?

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

„Was das Experimentelle angeht, haben die in den 80ern ja überhaupt keine Grenzen gekannt.“

Der Song sticht auch echt heraus – auf eine sehr positive Art. Genauso wie „Bloodbath“, und das Video zu dem Song ist auch nominiert für den Berlin Music Video Award, herzlichen Glückwunsch! Das Video ist auch sensationell. Könnt ihr das Konzept dahinter erklären?

Mario Wienerroither: Das könnte jetzt der Rupert Höller sicher besser erklären, von ihm stammt ja das Konzept. Aber wir haben schon mit ihm gesprochen, was wir gerne hätten.

Was waren da so eure Vorgaben?

Mario Wienerroither: Abstrakt, brutal, bunt.

Viktoria Winter: Skurril, und ein bissl lustig, auch ein wenig verspielt. Auf jeden Fall nichts Plakatives, kein Micky-Mousing, wo Blut fließt oder so. Das auf keinen Fall.

Mario Wienerroither: Das ist auch so das erste Video von uns, wo wir uns mehr getraut haben. Davor haben wir „Eph“ herausgebracht, dass auch relativ künstlerisch umgesetzt ist, aber bei „Bloodbath“ haben wir uns gedacht, dass das was Neues ist, und deshalb könnten wir uns ja auch neu erfinden. Dann haben wir auch die ganze Verantwortung für das Video aus der Hand gegeben, was wir sonst nie machen, aber wir wollten uns auf etwas Neues einlassen, und schauen, wir uns das musikalisch verändert, und was die Leute dazu sagen. Wir haben schon ein bisschen abgewartet, wie „Bloodbath“ funktioniert, aber danach haben wir uns gedacht, passt, wir können ruhig was anderes auch machen und uns was Neues trauen. Deshalb ist das neue Album auch nicht wirklich einem Genre zuordenbar. Beim ersten Album haben wir uns nicht wirklich über das Genre, das das Album umfasst, hinausgetraut. Das hat sich jetzt geändert. Auch wie wir optisch aussehen, wie wir uns in den Videos geben und wie die Texte und die Musik jetzt sind, das hat sich alles geändert.

Viktoria Winter: Das ist auch ein bisschen lustig, weil dadurch, dass man erwachsener wird, wird man irgendwie auch wieder ein bisschen kindlicher. Ich habe so diese Phase erlebt, wo man alles immer so ernst nimmt, und sich Fragen stellt wie wo will ich hin und was sind meine Prioritäten. Wenn man das aber ein bisschen definieren kann, wird man wieder gelassener und unbeschwerter. Das ist ein ganz ein langer Prozess, finde ich, aber dann ist der Zeitpunkt, wo man wieder verspielter wird, einfach ein bissl mehr drauf scheißt, auf gut Deutsch. In diesem Album ist das auch zu erkennen, einfach mal stimmlich ein bisschen ausbrechen und eine andere, gelassenere Attitude zu zeigen.

Mario Wienerroither: Wir haben am Anfang auch für eine Nummer fast ein dreiviertel Jahr gebraucht, die ist aber nicht einmal fertig geworden. Da war ich auch sehr frustriert, dass wir so lang gebraucht haben und die Zeit verschwendet haben, aber im Nachhinein war das keine Verschwendung. Dadurch sind wir irgendwie dazu gekommen, mehr auf alles zu scheißen eben. Wir machen einfach, was uns Spaß macht – ist ja wurscht, ob’s dann irgendwo gespielt wird [lacht].

Naja, mit den Single-Auskopplungen bisher seid ihr ja schon ziemlich erfolgreich!

Viktoria Winter: Ja, das ist so eine schöne Bestätigung! Wir würden zwar sowieso einfach weitermachen, aber so eine Bestätigung zu bekommen pusht irrsinnig. Uns gefällt unsere Musik ja sowieso, wir hören sie ja auch ständig – zumindest bis zum Release. Danach nie wieder, so was es zumindest letztes Mal [lacht].

Mario Wienerroither: Ja, ich frag mich beim Produzieren und Mischen immer, ob ich den Song so auch im Auto mit geöffneten Fenstern hören würde. Wenn ich das mit JA beantworten kann, bei jedem einzelnen Song, dann ist es gut [lacht].

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Der ultimative Pre-Release-Test!

Mario Wienerroither: Ja, genau! Ich hatte mal vor Jahren so ein Bandprojekt, und als dann die erste CD da war, dachte ich mir, so, jetzt hör ich’s mir im Auto an und hab mich voll gefreut – aber dann habe ich mich nicht getraut, bei der roten Ampel die Fenster zu öffnen! [lacht]

In euren Videos und im Artwork kommt immer dieses krasse Rot vor – was hat das für euch für eine Bedeutung?

Viktoria Winter: Das ist eigentlich durch das Video von „Bloodbath“ so entstanden. Ich habe rot eigentlich immer gehasst. Ich habe kein einziges rotes Outfit gehabt. „Bloodbath“ war das aber eben sehr rot, und dann waren wir am Donauinselfest auch mit unseren roten Outfits, und auf einmal habe ich mich in die Farbe verliebt. Ich bin auch gerade verrückt nach dieser rot/grau-Kombi! [lacht]

Mario Wienerroither: Wir haben anfangs auch über Albumtitel nachgedacht, die so eine Farbgebung auch gebraucht hätten – ist es dann eh nicht geworden, aber wir dachten schon nach, das Album zum Beispiel „Bloodbath“ oder so zu nennen.

„Es macht uns jetzt einfach Spaß, ein bisschen auffälliger zu sein, auch musikalisch.“

Also eher aggressivere Titel.

Mario Wienerroither: Ja! Wir waren eh so graue Mäuse früher! Also fast emo-gothic-artig, so in schwarz und weiß. Und es macht uns jetzt einfach Spaß, ein bisschen auffälliger zu sein, auch musikalisch.

Viktoria Winter: Zum Aggressiven muss ich auch sagen, dass es sich herausgestellt hat, dass es in jedem Lied auf dem Album auf irgendeine Weise um einen Fight geht. Das war auch wieder kein Konzept, aber es geht um Fights was die Weltanschauung betrifft, was Beziehungen betrifft, was einfach das Zwischenmenschliche betrifft, und auch der Fight mit sich selbst, schlussendlich.

Wieso ist es also schlussendlich self-titled, das Album?

Mario Wienerroither: Ich seh’s eigentlich gar nicht als self-titled. „Dramas“ ist ja auch ein eigenes Wort, das für sich selbst steht. Der Titel hat eigentlich nicht viel mit unserem Namen Dramas zu tun.

Viktoria Winter: Ich habe auch erst jetzt verstanden, warum das Album so heißt, und auch warum wir so heißen. [lacht] Ich sag’s ja, da ist oft so eine prophezeiende Wirkung! Kurze Anekdote an dieser Stelle: Ich war unlängst beim Erstgespräch bei meiner Psychiaterin und an irgendeinem Punkt fragt sie mich „Brauchen Sie das Drama?“ [lacht]

Vielen Dank für das Gespräch!

Itta Francesca Ivellio-Vellin

++++
Links:
DRAMAS
DRAMAS (Facebook)
Fabrique Records