Waves Vienna Konferenz – The Future of Music: Radio

Hat das Radio in seinem traditionellen Format in der Ära des Internets noch eine Zukunft? Dieser Frage gingen im Rahmen von WAVES VIENNA Georg Hitzenberger (PlayFM, Österreich), Klaus Fiehe (1 Live, Deutschland) und Moderator Allan McGowan (Vip News, UK) nach.

Neue Formate am Beispiel PlayFM

PlayFM sei vor etwa zehn Jahren vor allem deswegen ins Leben gerufen worden, um elektronische Musik und DJ-Sets zu jeder Tageszeit zugänglich und hörbar zu machen, so der Begründer der Musikplattform Georg Hitzenberger. Elektronische Musik fand im Radio damals fast ausschließlich noch in der Nacht zu einer bestimmten Uhrzeit statt. Dies sollte sich ändern, was es, wie man heute sieht, auch tat. Das Prinzip ist denkbar einfach. DJs nehmen ihre Sets in welchem Kontext auch immer, ob live oder zu Hause, auf und uploaden es auf PlayFM.  Manchmal besuchen die Betreiber der Plattform auch selbst Festivals (Urban Art Forms, Elevate Festival) und schneiden eine Performance eines DJs mit dessen Erlaubnis mit. Was sich zunächst jetzt einmal recht unkompliziert liest, birgt bei näherer Betrachtung dann doch einige Tücken. Vor allem in der Frage der Rechteklärung.

Die Rechteklärung ist laut Georg Hitzenberger immer eine komplizierte Angelegenheit. Das Hauptproblem in Österreich sieht Georg Hitzenberger vor allem in dem Umstand, dass die österreichischen Verwertungsgesellschaften keine Lizenzen anbieten würden, die auf Businessmodelle ähnlich dem von PlayFM anwendbar seien. Woran sich PlayFM im Moment orientiere, sei das in Österreich und in der EU geltende E-Commerce-Gesetz, das Hostingprovidern, die im Moment keine Lizenzgebühren an die Verwertungsgesellschaften zu zahlen hätten, die Verpflichtung auferlege, den Inhalt, sollte es Einwände vonseiten der Rechteinhaber (Musikerinnen und Musiker, DJs, Labels etc.) geben, sofort von der Seite zu nehmen (ähnlich wie bei Soundcloud). Bei PlayFM habe es aber, seitdem es on air sei, noch keinerlei Beschwerden gegeben. Auch, weil viele Musikschaffende und Labels PlayFM als eine Art Promotion-Plattform ansehen würden.

Georg Hitzenberger führt zudem auch an, dass PlayFM nicht als Streaming-Plattform im eigentlichen Sinne wie Spotify konzipiert sei, auf der man sich jeden einzelnen Track anhören könne. Der Fokus liege auf längeren Audioformaten, sprich auf ganzen DJ-Sets mit einer Dauer von mindestens 20 Minuten. So ein Format mache es schwer, einzelne Track abzurechnen.

Allan McGowan stellt die Frage in die Runde, was denn die Musikschaffenden selbst von einem solchen Modell hielten, worauf er von einer Musikerin die Antwort erhält, dass es für Bands, solange sie am Anfang ihrer Karriere stünden und noch kein Album veröffentlicht hätten, aus Promotion-Zwecken durchaus okay sei. Wenn man aber schon etwas veröffentlicht habe, wäre es schon wünschenswert, wenn man als Musikerin bzw. Musiker dann doch etwas Geld bekäme.

Anders verhält es sich nach Klaus Fiehe bei 1 Live, wo jeder Track, den er in seiner Sendung spiele, auch abgerechnet werde. Zumindest solche Tracks, von denen auch alle notwendigen Informationen (Label, Labelbarcode etc.) vorhanden seien, um dies überhaupt tun zu können. Natürlich gäbe es auch die Raritäten, von denen es diese Informationen nicht gäbe. Bei diesen ist sich Klaus Fiehe auch nicht wirklich sicher, ob das Geld bei den Musikschaffenden letztlich tatsächlich ankommen würde.

„Schlechte“ und „gute“ Musik

Die viel spannendere Frage, die sich für den Deutschen aktuell stellt, ist, wie man mit der Masse an Musik als Radiomacherin bzw. Radiomacher umgehen solle. Besondere Erfahrungen habe er, anknüpfend an das Konzept von PlayFM, beim Spielen von DJ-Sets gemacht. Wann immer er in seiner Sendung ein DJ-Set gespielt habe, was von Zeit zu Zeit vorgekommen sei, habe er auch die Playlists dieser Sets niederschreiben und dokumentieren müssen. Ihm sei dabei aufgefallen, dass die meisten DJs, auch die berühmten, fast ausschließlich ihre eigenen Tracks für das Set verwendet hätten.

Man sollte sich in diesem Zusammenhang aber auch bewusst sein, dass es auch „schlechte“ Musik gibt. Die digitale Revolution hat es möglich gemacht, dass wirklich alle jederzeit ihre Musik, egal welcher Qualität diese auch ist, wo auch immer senden und senden lassen können. Klaus Fiehes Meinung nach sollte man aber „schlechte Musik“ nicht unbedingt auch noch spielen. Für ihn stellt sich die Aufgabe einer bzw. eines Programmgestaltenden im klassischen Sinn so dar, dass sie bzw. er eben diese Unterscheidung zwischen „gut“ und „schlecht“ treffe und auswähle, was wert sei, auch gespielt zu werden.

Besonders mit der sogenannten „Dance Music“ tue er sich schwer. Obwohl er dem Enthusiasmus der Produzentinnen und Produzenten und dem Umfeld, in dem diese agieren, durchaus Respekt zolle, berühre ihn Musik, die ihm nichts vom wahren Leben erzähle, nicht. Er fände sie einfach langweilig. Für ihn sei auch der Inhalt der Musik bedeutend. Daher sei für ihn entscheidend, dass man über Musik auch spräche. Auch ein im Radio gespieltes DJ-Set bedürfe eines Kommentars, sonst verliefe es sich in der Belanglosigkeit. Wobei er dazu sagt, dass die Zeit für ausführliche Kommentare und für die Besprechung der Musik in den letzten Jahren natürlich eine kürzere geworden sei.

Hat das Radio eine Zukunft?

Für Georg Hitzenberger stellt das Radio, vor allem auch in Österreich und Deutschland, für die Musikverbreitung, speziell nach dem Aussterben vieler Musiksender im Fernsehen, auch heute noch ein wichtiges Medium dar. Zum einen, weil es immer noch auf dem direktesten Wege eine große Zahl an Menschen erreiche, was natürlich im Sinne der Promotion ungemein bedeutend sei. Zum anderen biete es für viele Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit, neue Musik kennenzulernen.

Er merkt aber an, dass man doch auch die Entwicklung der jungen Generation beachten müsse. Sein junger, sich im Teenageralter befindlicher Neffe zum Beispiel habe in seinem Leben vermutlich noch nie ein Radio angemacht. Zumindest kein terrestrisches. Wenn überhaupt, habe er sich im Internet Sendungen angehört. Und genau dort würden sich er und seine Freunde auch auf die Suche nach neuer Musik machen. Das Radio werde vielleicht nicht aussterben, aber es werde sich mehr und mehr ins Internet verlagern. Definitiv werde es vor allem auch auf die Mischung der Formate ankommen. Und vermutlich werde es sich von Genre zu Genre jeweils anders verhalten.

Allan McGowan sieht die bedeutende Funktion des Radios in der Zukunft vor allem in der Meinungsbildung und Orientierungshilfe. Die Leute würden immer etwas empfohlen bekommen haben wollen, und das von einer Expertin bzw. einem Experten, der bzw. dem sie vertrauten und deren bzw. dessen Musikgeschmack sie teilten.

Was sich für Klaus Fiehe niemals ändern werde, sei der Wunsch der Musikerinnen und Musiker und Bands, ihre eigenen Songs einmal im Radio hören zu können. Das werde auch in Zukunft so sein. Dennoch teile er Georg Hitzenbergers Ansicht, dass vor allem wegen des Nutzungsverhaltens der jungen Generation ein Wandel stattfinden werde. Dem werde aber versucht, zumindest in Deutschland, und das von den großen öffentlichen Radiostationen, entgegenzuwirken. In den vergangenen Jahren seien etliche Web-Channels entstanden, die eine Art Radiofunktion im Internet übernehmen sollten.

Er selbst wäre vor fünf Jahren regelrecht geschockt gewesen, als man ihm sagte, dass ab jetzt all seine Sendungen auch im Netz jederzeit abrufbar seien. Er selbst habe sich immer darum bemüht, ein möglichst exklusives Programm zusammenzustellen, und habe sich unter anderem auf die Suche nach schwer zu bekommenden Raritäten gemacht, die vorher eigentlich nie im Radio zu hören gewesen wären. Auf einmal sollten diese auf Knopfdruck für alle zur Verfügung stehen, weil sie in seiner Sendung gespielt worden seien. Diese Vorstellung habe ihn zu Beginn entsetzt. Aber man lerne dazu, wie er meinte. Er habe die Erfahrung gemacht, dass die Leute vielleicht nicht seine Sendung anhören, aber dennoch seine Playlist ansehen würden, um zu wissen, was er so im Moment spannend und interessant finde. Es sei also immer noch wichtig, was Klaus Fiehe sagt.

Die Nutzung der Medien sei in einem steten Wandel begriffen, so der Deutsche abschließend. Und das wüssten die Leute bei den öffentlichen Anstalten. Daher würden sie auch auf die jungen Leute, die das Internet verstehen und mit diesem umzugehen wissen, zugehen. Die Investitionen des Westdeutschen Rundfunks in seine Internetaktivitäten zum Beispiel seien in der Vergangenheit stetig gewachsen. Er leiste sich Journalistinnen und Journalisten sowie Redakteurinnen und Redakteure alleine für den Internetauftritt. Auch im Bereich der Musik.

Michael Ternai

http://www.wavesvienna.com/