Waves Vienna Konferenz: Die Zukunft der Plattenläden

PanelEin Film kann nicht nur das Mitgefühl der ZuschauerInnen triggern, sondern sie auch zum Nachdenken anregen. Besonders wenn die emotionale Komponente so hoch ist wie bei „Last Shop Standing“. Basierend auf dem gleichnamigen Sachbuch von Graham Jones, das im Rahmen des Record Store Day 2010 veröffentlicht wurde, porträtiert der Film den Werdegang einiger britischer Plattenläden. Die Leidenschaft, mit der die InhaberInnen über die Hochphase ihrer Läden berichten, wird nur kurz eingedämmt, als sie auf die Anfänger der digitalen Musikwirtschaft zu sprechen kommen. Bei den Zukunftsvisionen sind sich aber nicht nur die Protagonisten, sondern auch die Gäste des nachfolgenden Panels einig: Für Vinyl sieht es recht rosig aus.

Unter der Moderation von Rainer Praschak (mica – music austria; AT) diskutierten Graham Jones (Proper Music Distribution / „Last Shop Standing“; UK) und weitere Kollegen der Branche über die Zukunft der Plattenläden und jener Medien, die dort verkauft werden. In die besondere Abneigung gegenüber der CD stimmten alle ein. Besonders Ed Pearson (Mama & Company; UK) betonte, dass der Kauf von Vinyls emotionaler empfunden werde. Das Produkt habe eine ganz eigene Ästhetik besitze, die das Gefühl von Qualität vermittle. Deswegen sei es laut Damien Waselle (PIAS; BE) auch für Bands ratsamer neben der digitalen Vermarktung auch auf die Plattenindustrie zu setzen. Auf letzteres sollte vor allem bei der Tour-Merchandise wert gelegt werden, indem man Special Vinyls zuerst nur auf Konzerten verkaufe.

Sowieso sei es eine aberwitzige Idee, erst ein Album ohne irgendwelche Extras zu veröffentlichten, und dann Monate später mit der Special Edition desselben Albums Geld machen zu wollen. Pearson verglich es mit dem Buchmarkt, wo auf die Hard Covers, also im weitesten Sinne die Special Editions der Buchwelt, die Taschenbücher folgen. Fans würden sich auf jeden Fall sofort die teurere Bonusversion kaufen, während die übrigen Konsumenten beim zweiten Anlauf die Chance haben, das Produkt für etwas weniger Geld kennenzulernen. Jones merkte an, dass Labels so aber schon von Anfang an verraten würden, was sie in ihrem Repertoire haben, und keine spätere Überraschung mehr möglich sei. Aus wirtschaftlicher und marketingtechnischer Sicht ist es natürlich besser, zwei Auftritte am Markt zu haben um die Erinnerung der Konsumenten aufzufrischen.

Wie sich die Interessenten der unabhängigen Plattenläden über das Repertoire informieren ist Andreas Voller (Recordbag; AT) klar. Nach einer gründlichen Internetrecherche, die Blogs und größere Musikseiten umfasst, stöbern sie durch die Laden eigene Homepage. Das kann sogar dazu führen, dass sie den Bestand genauer kennen als der Besitzer selbst, fügt Voller scherzhaft hinzu. Dass jene Musikseite zwar die Informiertheit der KundInnen fördert ist klar, doch wünscht sich Waselle die persönliche Kommunikation zurück. Die Zeit, in der Plattenläden als Ort der gemeinsamen Musikerfahrung galten, ist zwar vorbei, doch durch besondere Angebote sollen die KundInnen weiterhin motiviert werden, das Gespräch zu suchen.

Eine wichtige Rolle in der Entwicklung der unabhängigen Plattenläden spielen die großen Firmenketten, wie Saturn oder Media Markt im deutschsprachigen Raum, die ebenso Vinyls verkaufen. Besonders bedroht fühlt sich Pearson von jenen nicht, obwohl sie die CD-Wirtschaft fest in der Hand haben. Laut Jones muss man sich mehr Sorgen um den digitalen Handel machen, der von Amazon und Konsorten betrieben wird. Einen Aspekt der gesellschaftlichen Entwicklung können die kleinen Läden aber aktiv für sich nutzen: Die, durch die Informationsflut spezialisierte Kundschaft. Wenn sich also die einzelnen Geschäfte auf Nischenpublikum konzentrieren, ist die Berechtigung für ihr Bestehen mehr als gegeben. Das wichtigste ist die Zusammenarbeit zwischen den Ladenbesitzern, betont Voller, denn wenn das Netzwerk zusammenhält, wird auch die Diversität gefördert.

Panel: What is the current situation of record stores?
Das Gespräch führte Rainer Praschak (mica – music austria; AT) mit: Graham Jones (Proper Music Distribution / „Last Shop Standing“; UK), Ed Pearson (Maam & Company; UK), Andreas Voller (Recordbag; AT) und Damien Waselle (PIAS; BE)

Foto © Martin Wirbel

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