Bei einem Showcase-Festival wie dem WAVES VIENNA stehen das Netzwerken und Kontakthalten im Vordergrund. Und bei den Konferenzen sind ja vor allem die Personen unterwegs, die hinter der Musikproduktion stehen, und nicht die Künstlerinnen und Künstler selbst. Natürlich können sich aber auch Musikerinnen und Musiker unter die Masse mischen, denen dieses Mal nicht nur die Listening Sessions gewidmet wurden.
So sprach der berühmte britische Produzent Simon Britton – eine Hälfte des Produktions- und Songwriting-Teams Red Rhythm – mit den Drum-’n’-Bass-Produzenten Camo & Krooked über ihre bisherige Karriere, ihre Zukunftspläne und darüber, wie das Zusammenarbeiten mit anderen Künstlerinnen und Künstlern das eigene Schaffen beeinflusst.
Camo & Krooked kommen direkt aus dem Underground der elektronischen Musik. Schon 2007 fingen die beiden Musiker – mit bürgerlichen Namen Reinhard Rietsch und Markus Wagner – an, eigene Tracks zu mixen. Durch ihre Vorliebe für verschiedene elektronische Genres, die sie mit Drum ’n’ Bass als Basis vermischten, entwickelte sich ihr typischer Stil. Die Fans der Szene wurden bald auch zu Fans von Camo & Krooked. 2010 wurden sie zu Acts des Labels Hospital Records, bei dem sie noch immer unter Vertrag stehen.
Authentischen Gesang vs. Vocal Samples
Da Camo & Krooked und Britton vollkommen unterschiedliche Herangehensweisen an die Musikproduktion haben, sprachen sie vor allem über die verschiedenen Möglichkeiten, Tracks zu mixen und zu instrumentieren. Dem Briten stehen mit seinem erfolgreichen Produktionsteam und der jahrzehntelangen Erfahrung natürlich viel mehr Türen offen, zum Beispiel was die Vokalistinnen und Vokalisten angeht. Britton hat nicht nur ein starkes Gefühl für die richtige Stimme zur richtigen Musik, er hat auch die Möglichkeit, sich die Personen auszusuchen, die für ihn singen sollen. Bei Camo & Krooked gab es dagegen die Situation, dass sie sich für viel mehr Songs auf ihrem letzten Album Sängerinnen gewünscht hätten, dieser Wunsch jedoch aus organisatorischen Gründen nicht erfüllt werden konnte. Um das Problem zu umschiffen, benutzten sie Voice Samples, die zwar durch die modernen Gerätschaften eine hohe Qualität aufwiesen, aber eben nicht ihrer künstlerischen Vision entsprachen.
Authentischen Gesang für Drum-and-Bass-Songs einzuspielen ist eine Sache, die das Duo verstärkt in die Szene einbrachte. Vor allem durch kommerzielle Erfolge musste sich auch dieses Genre ein bisschen weiter für das breite Publikum öffnen. Die Konsequenz dieser Öffnung war, dass sich auch andere Künstlerinnen und Künstler von den häufig genutzten Vocal Samples abwenden und neuen Lösungen zuwenden mussten. Dabei gibt es zwei Strömungen, die sich gegenüberstehen: Auf der einen Seite ist die immerwährende Verfügbarkeit von Apps, Computerprogrammen und multifunktionalen Geräten, sodass auch Nichtmusikerinnen und -musiker ohne viel Aufwand Songs mischen können. Auf der anderen Seite entscheiden sich immer mehr ProduzentInnen und MusikerInnen dafür, sich einem Gerät zu widmen und dieses in- und auswendig zu kennen, statt auf zig verschiedene zurückzugreifen. Camo & Krooked schwören auf Letzteres. Sie haben sich einer sehr detaillierten und präzisen Arbeitsweise verschrieben, die es ihnen nicht erlaubt, Alben schnell nacheinander zu veröffentlichen. Für ihre Präzision, hinter der harte Arbeit steckt, werden sie aber nicht nur von den KritikerInnen geschätzt, sondern auch von Simon Britton – zu Recht.
Anne-Marie Darok
Foto Simon Britton: Nikolaus Ostermann
Foto Camo & Crooked: Nikolaus Ostermann