WAVES CONFERENCE 2022 IM RÜCKBLICK: No Music on a Dead Planet

Der Klimawandel ist nicht mehr zu leugnen. Der Sommer 2022 war einer der wärmsten und trockensten seit Beginn der Aufzeichnungen. Es ist allerhöchste Zeit diese Entwicklung ernst zu nehmen und die international vereinbarten Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele mit Nachdruck anzugehen. Was kann in diesem Zusammenhang die Musikindustrie tun? Welche Ideen hat sie, was ist konkret schon getan worden? Wie sehen mögliche nachhaltige Strategien der Branche aus? Diesen Fragen wurde im Rahmen des Waves Vienna Conference Panels „No music on a dead planet“ nachgegangen.

Speakers: Sohail Arora (Krunk/ Echoes of Earth/IN), Andreas Jantsch (Fanklub/Las Vegas Records/AT), Fay Milton (Music Declares Emergency/UK)
Moderation: Paulina Paranov (soda. mit himbeer/AT)

Bild Fay Milton
Fay Milton (c) Holly Falconer

Fay Milton, Musikerin, Produzentin und Mitbegründerin von Music Declares Emergency in der Schweiz, beginnt das Panel mit einem Blick in ihre persönliche Vergangenheit und wann es für sie klar wurde, dass in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit etwas getan werden muss. Sie gibt zu, dass es auch für sie bis hin zum Bewusstsein für das Thema ein langer Prozess war. Mit 19 Jahren arbeitet sie als Informatikpraktikantin einen Sommer lang für BMW. Eines Tages fragte sie ihren Vorgesetzten, ob denn BMW bereits Elektroautos produzieren würde, worauf sie die Antwort bekam, dass man die Technologie zwar schon entwickelt hätte, sie aber noch nicht einbaut, weil es auch die Konkurrenz noch nicht tue. Man wolle warten.

Diese Aussage schockierte sie. Mit der Zeit aber trat das Thema wieder mehr in den Hintergrund, bis sie als Musikern viele Jahre später auf Aktivist:innen traf, die sie dazu animierten Music Declares Emergency auch in der Schweiz ins Leben zu rufen. Was sie auch mit anderen tat.

In Österreich geht Music Declares Emergency, das im April 2022 startete, unter anderem auf das Engagement des Las-Vegas-Records-Chefs Andreas Jantsch zurück, der nach Fay Miltons einleitenden Worten, seine Beweggründe für die Gründung der Initiative in Österreich schilderte. Eine Freundin von ihm, die beim WWF arbeitet und schon von anderen Music Declares Emergency in Europa mitbekommen hatte, fragte ihn, warum denn in Österreich nichts in die Richtung gemacht wird, woraufhin er sich selbst fragte, wieso das so ist. Er entschied Partner:innen zu suchen, mit denen er die Initiative auch hier in Österreich betreiben kann. Das Ziel von Music Declares Emergency hierzulande ist, in die Musikbranche hineinzuwirken, Vorschläge zu machen und Projekte umzusetzen. Und hierbei sollen Artists, Labels, eigentlich die gesamte Branche eine Vorreiterrolle einnehmen. Und dies soll über einen positiven freiwilligen Zugang geschehen, ohne Verbote.

Die Moderatorin des Panels, Paulina Paranov, fragt nach, warum das Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit erst spät eines der Musikbranche geworden ist, obwohl allerorts schon lange darüber diskutiert wurde. Fay Milton entgegnet, dass man diese Frage eigentlich dem anwesenden Publikum stellen müsse, sie vertrete schließlich ja nicht die gesamte Musikbranche. Im Zuge der Vorbereitung für das Panel habe sie sich aber auf Recherche begeben und festgestellt, dass das letzte Waves Vienna Panel zu diesem Thema im Jahr 2014 stattgefunden hat. Als sie mit Music Declares Emergency in der Schweiz begonnen hat, habe sie überhaupt viel Recherche betrieben und herausgefunden, dass es viele sehr gute und interessante Ideen und Projekte gibt, nur finden in der Musikbranche die wenigsten eine Umsetzung. Und das ärgere sie.

Bild Sohail Arora
Sohail Arora (c) anirudhere

Von Sohail Arora, dem Gründer des im indischen Bangalore stattfindenden Festivals Echoes of Earth, das auch als grünstes seines Landes gilt, will Paulina Paranov wissen, wie es mit dem Bewusstsein für das Umwelt- und Klimathema in seinem Heimatland aussieht und wie er selber als Veranstalter mit dieser Frage umgeht. Indien sei, was das Bewusstsein für das Thema angeht, definitiv noch zehn bis fünfzehn Jahre hinter Europa. Aber dennoch würde sich langsam, aber doch auch in Indien etwas bewegen. Mit seinem Festival versucht er auf jeden Fall einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung zu leisten. Man will vormachen, dass man auch ein Festival größeren Formates – bei Echoes of Earth ist man doch bei 25.000 Besucher:innen – nachhaltig durchführen kann.

Unter anderem bestehen alle Bühnen aus recycelten Materialien, Schrott und Ramsch. Ungefähr 80 Prozent des gesamten Festivals verwendet diese Materialien. Zudem ist Echoes of Earth auch ein komplett plastikfreies Festival. So bestehen Becher und Flaschen ausschließlich aus wiederverwertbaren Materialien. Ebenso bietet man Workshops zu dem Thema an. Es seien zwar keine großen Dinge, die umgesetzt werden, aber viele kleine, die in Summe, doch einiges ergeben und in ihrer Zahl Jahr für Jahr auch mehr werden. Das Festival verfolgt das Ziel, sich in so vielen Bereichen wie möglich stetig zu verbessern.

Mögliche Wege zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks

Reisen, und das tun Musiker:innen und auch das Publikum sehr viel, stoßen, so Paulina Paranov, viele Emissionen aus und hinterlassen einen CO2-Fußabdruck. Von Andreas Jantsch will sie wissen, welche Antworten Music Declares Emergency auf die Frage vor allem bezüglich von Reisen des Publikums hat. Einfache Antworten gäbe es hier nicht, so Jantsch, aber hier komme der Politik schon eine größere Rolle zu. Es geht vor allem darum, Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln – vielleicht über Förderungen – günstiger zu machen. Er können sich auch vorstellen, dass man mit einem gekauften Festival-Ticket vielleicht günstiger oder sogar gratis fahren kann. Aber auch auf der Seite der Musiker:innen ließe sich über Tour-Förderungen ansetzen. Man kann sich die Frage stellen, wenn ich klimafreundlich produziere, toure usw., habe ich da nicht auch Anspruch auf eine höhere Förderung?

Bild Paulina Paranov
Paulina Paranov (c) Carina Antl (carinaantlphotography.com)

Von Paulina Paranov darauf angesprochen, dass sie den Gedanken des klimafreundlichen Tourens bereits praktiziert, erzählt Fay Milton, dass sie schon einmal mit der Deutschen Bahn eine gesamte Konzertreise absolviert hat. Und das war auch wirklich leichter, als man es sich vielleicht vorher ausgemalt hat. Wobei sie schon auch hinzufügt, dass man es da als Elektronikmusikerin etwas einfacher hat, da man das Equipement in einem kleinen Koffer mitführen kann. Da haben es Bands natürlich schwerer. Ein Schlagzeuger wird sein Instrument nicht so leicht mit dem Zug hin- und herführen können.

Mit dem Zug zu touren sei zugegebenermaßen auch nicht die billigste Variante, aber man müsse sich die anderen Vorteile ansehen. Man muss sich zum Beispiel keinen Bus samt Fahrer mieten. Zudem verlaufen die Reisen an sich viel entspannter. Sie hat im Gesamten bisher gute Erfahrungen gemacht.

Fay Milton will durch ihr Handeln auch andere motivieren, es ihr gleichzutun. Es geht ihr nicht nur darum, ihren eigenen CO2-Fußabdruck zu minimieren, sondern auch darum Vorbild zu sein und Überzeugungsarbeit zu leisten. Dem kommt nämlich eine besondere Rolle zu. Man ist durch das eigene Handeln kultureller Influencer und dies ist ein Kapital, dass man nutzen sollte. Künstler:innen könnten zum Beispiel vermitteln, dass mit dem Zug zu reisen cool sei. Ebenso wäre es hilfreich, wenn Veranstalter:innen einen Teil der Backline vielleicht zur Verfügung stellen könnten, was einige auch schon in gewissem Maße tun. Es wäre schön, wenn das freiwillig passieren könnte und es Regel sein würde.

Green Touring

Das macht unter anderem auch das Festival Echoes of Earth, wie Sohail Arora fortsetzt. Die Herausforderung, die sich für ihn aber stellt, ist, dass die internationale Artists von sehr weit anreisen müssen. Da muss man die Leute einfliegen, das lässt sich nicht ändern. Was man aber tut, ist, dass man lokale Künstler:innen, vor allem lokale  Nercomer:innen, mit dem Zug anreisen lässt. Und das obwohl Indien ein doch sehr großes Land ist.

Für Andreas Jantsch ist in diesem Zusammenhang interessant, dass zum Beispiel viele Jazzclubs eine Standard-Backline schon lange zur Verfügung stellen, die von allen genutzt werden kann. Dagegen ist das bei vielen Indie-Clubs nicht der Fall. Warum es gerade im Indie-Bereich nicht geschieht, kann er nicht sagen. Aber am Beispiel von Jazzclubs sieht man, dass da durchaus Potential wäre.

Bild Andreas jantsch
Andreas Jantsch (c) Karo Pernegger

Las Vegas Records, das Label von Andreas Jantsch, stellt Bands auch Tourbusse zur Verfügung, so Paulina Paranov. Ein Tourbus ist leider manchmal die einzige Möglichkeit, Konzertreisen zu bewerkstelligen, so Jantsch. Es sei aber immerhin klimafreundlicher und nachhaltiger als mit mehreren Autos oder Kleinbussenunterwegs zu sein. Aber soweit es möglich ist, werden natürlich alternative Reisemöglichkeiten präferiert. Wobei, so Jantsch weiter, es auch eine Kostenfrage ist, denn oftmals ist das Reisen in Autos einfach günstiger.

Würden Künstler:innen, wenn sie mehr Geld für eine Tour zur Verfügung hätten, eventuell durch Förderungen, mehr bereit sein, auf nachhaltige und damit etwas teurere Reisemöglichkeiten zurückgreifen, will Paulina Paranov wissen. Fay Milton bezweifelt das. Die finanzielle Rahmen vieler Künstler:innen ist einfach knapp bemessen, und wenn plötzlich mehr Geld zur Verfügung stünde, würde dieses nicht gespart, sondern gleich ausgegeben werden. Man müsste vielleicht andere Anreize finden.

Nachhaltigkeit spielt auch in der Merchandise-Produktion eine Rolle. Wie gehen die drei Panel-Gäste mit diesem Thema um, will Paulina Paranov wissen. Die Frage nach der nachhaltigen Produktion von Merchandise Artikeln spielt für Sohail Arora eine noch untergeordnete Rolle, da sich das Festival zu 60 bis 70 Prozent über Brands finanziert und Werbung via Merchandise eigentlich einen sehr geringen Anteil ausmacht. Das Hauptaugenmerk wird auf Reisen und die nachhaltige Abwicklung des Festivals gelegt. 

Fay Milton geht auf Sohail Aroras Aussage, dass sich das Festival in großem Ausmaß über Brands finanziert, ein. Sponsoren haben einen riesigen Einfluss und könnten, wenn sie wollten, diesen auch ausüben. Sie sei beim Besuch eines Festivals sehr verärgert gewesen, als sie gesehen hat, dass ein großer Bierproduzent immer noch Plastikbecher an das Publikum ausgab. Gerade solch große Firmen könnten es sich doch leisten, Alternativen anzubieten.

Michael Ternai

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